Papa Ken
6. Papa Ken
Nach diesem Tag, der so überraschend ausgegangen war, folgten noch weitere mehr oder weniger
eindeutige Begebenheiten, die allerdings allesamt sehr erfolgreich von Daisuke unterbrochen worden
waren. Inzwischen war Schuldig schon so weit, dass er Ken nur ansehen brauchte, um an Sex zu denken
und beinahe augenblicklich körperliche Reaktionen zu zeigen. Wie lange war Daisuke nun schon
bei ihm? Drei Monate? Vier? Himmel, in der ganzen Zeit hatte er nicht ein einziges Mal Gelegenheit
gehabt, seine Lust mit jemand anderem als sich selbst auszuleben. Langsam aber sicher war der
Telepath mehr als nur frustriert.
Und Ken ging es nicht wirklich anders. Abgesehen davon, dass er schon seit einer sehr, SEHR viel
längeren Zeit keinen Sex mehr gehabt hatte. Außer mit seiner eigenen rechten Hand,
verstand sich. Doch Schuldigs Nähe brachte ihn immer wieder zum Verzweifeln. Und Daisuke sorgte
für den Rest. Der kleine Satansbraten hatte es sich offenbar zum Hobby gemacht, Ken immer
wieder zu zeigen, was Schuldig so in seiner nächtlichen Einsamkeit trieb. Ken, der eh schon so
gut wie hier eingezogen war, hatte sogar schon überlegt, einfach mal über Nacht zu
bleiben, doch bis jetzt hatte ihm der Mut dazu gefehlt.
Nun saß er da, auf dem Sofa, und trank sein Glas Wasser, während Schuldig versuchte,
seinen Sohn zum Mittagsschlaf zu überreden. Aber Daisuke schien absolut nicht zu wollen.
„Nein!“, hörte Ken den Jungen immer wieder streiken und schmunzelte. Seit Daisuke dieses ach so
tolle Wort gelernt hatte, nutzte er es regelmäßig, um seinen Vater zur Weißglut zu
treiben.
Der Telepath war ganz kurz davor, seinen Sohn einfach zu massakrieren. Er konnte Daisukes
ständiges „Nein!“ einfach nicht mehr hören. Wo hatte der Kleine nur diesen extremen
Sturschädel her? Von ihm ganz sicher nicht, er hatte seinen ja noch. „Dai, bitte!“, flehte er
fast schon verzweifelt, seine grünen Augen bohrten sich dabei bestimmend in die blaugrünen
seines Sohnes. Wenn der Kleine jetzt wenigstens mal für eine Stunde Ruhe geben würde...
wäre er mit Ken so gut wie allein. Bei diesem Gedanken kribbelte wieder einmal sein ganzer
Körper.
Im Wohnzimmer musste Ken leise schmunzeln. Schließlich erhob er sich und ging zu den beiden
Telepathen, die sich einen erbitterten Kampf lieferten. Schuldig, der verzweifelt versuchte, seinen
Sohn zum Liegenbleiben zu bewegen und ihn immer wieder zudeckte, und Daisuke, der schmollend und
zeternd immer wieder die Decke weg schob und den Kopf schüttelte. „Nein!“
Ken trat hinter Schuldig und legte sein Kinn auf dessen Schulter. „Hey, Daisuke… Du solltest ein
wenig schlafen, dann kann Papa nachher mit dir auf den Spielplatz gehen…“
Daisuke blinzelte den Braunhaarigen an und hielt still. Ein gespanntes Schweigen folgte und die
beiden Erwachsenen warteten nur darauf, dass sich Daisuke lächelnd hinlegte und einschlief.
Aber dann…
„Papa Ken?“ Kens Augen weiteten sich und er starrte den Jungen an. Das durfte doch nicht wahr sein.
Jetzt wurde er schon als Vater angesehen?
Schuldig wandte den Kopf ein wenig und sah Ken, der es sich auf seiner Schulter gemütlich
gemacht hatte, mit einem `Erklär-mir-das-bitte!`-Blick an. Dann schaute er wieder zu seinem
Sohn. „Ach ja? Und was bin dann ich?“, wollte er grollend wissen. Eigentlich sollte er sich jetzt
nicht auf eine Diskussion mit einem Kind einlassen, das er zum Schlafen bringen wollte. Aber die
Frage war ihm mehr oder weniger einfach herausgerutscht.
Ken seufzte leise und wollte grade etwas sagen, da hob sich die kleine Hand des Jungen und deutete
auf Schuldig. „Papa Schussel…“ Ken konnte nicht anders, als kurz leise zu lachen.
„Nein, Daisuke. Ich bin Ken… Und das ist Papa…“, versuchte er zu erklären. Daisuke sah ihn an,
sah dann zu Schuldig und schüttelte wieder den Kopf. „Nein!“, quietschte er schrill, wobei sein
zotteliges Haar ihm um das kindliche Gesicht spielte, als er weiter hastig den Kopf schüttelte.
„Papa Ken…“ Er streckte die Arme nach Ken aus und sah ihn aus großen herzerweichenden Augen
an.
„Aber sonst hast du keine Probleme, was?“, fauchte der Deutsche seinen Sprössling an. Na, das
hatten sie ja irgendwie ganz toll hinbekommen. Ein böser Seitenblick aus den
funkensprühenden Iriden traf den Braunhaarigen, dann erschien wieder das altbekannte, boshafte
Grinsen auf Schuldigs Gesicht. „Es könnte schlimmer sein“, teilte er Ken unterdrückt
lachend mit. „Stell dir vor, er würde Mama zu dir sagen...“
„Lieber Mama zu mir als Schussel zu dir…“, grinste Ken und nahm Daisuke dann auf den Arm, wie der es
offenbar wollte. Er blickte seufzend das strahlende Bündel an. „Und du bekommst immer was du
willst, hm? Liegt wohl in der Familie…“ Er lächelte Schuldig kurz an und setzte sich dann mit
Daisuke auf dem Arm auf die Fensterbank. „Ich werde aber nicht für dich singen, damit du
einschläfst, Kleiner…“ Sanft wiegte er ihn etwas im Arm und hielt ihn dabei nah bei sich.
/Bitte, Dai… Nur für eine Stunde oder zwei… Ein bisschen schlafen…/, dachte er flehend und
hoffte, dass Daisuke ihm diesen Gefallen tun würde.
Doch anscheinend sah das kleine, sture Schuldig-Imitat gar nicht ein, seinen beiden Vätern
diesen Gefallen zu tun. Die Aussicht, auf den Spielplatz zu gehen, hatte bei ihm einen Pawlowschen
Reflex ausgelöst – nur dass er hellwach und munter wurde, statt zu sabbern. Völlig
entnervt nahm Schuldig dieses Bild, das so schön hätte sein können, wenn er nicht in
Kens Gegenwart ständig an andere Dinge hätte denken müssen, in sich auf und seufzte
frustriert. Wenn dieser kleine Mistkäfer nicht auf der Stelle schlafen würde...! Die Augen
des Telepathen glühten kurz auf und verdunkelten sich, als er zum ersten Mal bewusst tief in
den Geist seines Sohnes griff, um die elende Nervensäge kurzzeitig ausser Gefecht zu setzen.
Und tatsächlich. Grade wandte Daisuke den Blick zu seinen Vater, den er bei seinem Versuch
ertappte, da sackte sein Kopf auch schon zur Seite und er schief ein. Ken hob die Brauen und sah das
schlafende Bündel an. Was um alles in der Welt? Doch ein Blick zu Schuldig reichte ihm, um zu
wissen, was der getan hatte. Er seufzte leise und erhob sich wieder.
„Das ist aber nicht die feine englische Art…“, schmunzelte er leise und legte Daisuke vorsichtig
wieder in sein Bett. Dass der Kleine eventuell nicht lange schlafen würde, kam ihm nicht in den
Sinn, denn momentan wirkte Daisuke, als wenn er die nächsten Tage nicht wach zu bekommen sein
würde.
„Weißt du was? Das ist mir gerade sowas von egal...“ Schuldig war hinter Ken getreten und
raunte ihm dunkel und mit vor unterdrücktem Verlangen triefender Stimme ins Ohr. Warm legten
sich seine Hände auf die Hüften des Jüngeren, wanderten von dort aus langsam
vorwärts und strichen über den Bauch und den Hosenbund des Kleineren. Wie von selbst
fielen dabei seine Augen zu, er konzentrierte sich nur auf das, was er unter seinen Fingerspitzen
fühlen konnte.
Ken zuckte leicht zusammen. Sicher, er hatte damit gerechnet, dass Schuldig ihm gleich wieder so nah
kommen würde, doch hier? Vor dem Bett seines Sohnes? Aber auch seine Lider senkten sich und
sofort schossen Blitze in seine Lenden. „Ha…“ Er legte den Kopf nach hinten und bettete ihn ein
weiteres Mal auf der Schulter des Telepathen, drängte sich gegen die wohltuenden Finger. Eine
Hand suchte noch Halt am Bettrand, die andere glitt nach hinten und zog Schuldigs Hüfte
näher an seine eigene. Dabei bewegte er seine Körpermitte aufreizend gegen Hände und
Schritt des Deutschen und vergaß die Anwesenheit des schlafenden Jungen vollkommen.
Im Gegensatz zu Schuldig. Er löste Kens Hand von Daisukes Bett und dirigierte ihn leise und
behutsam aus dem Kinderzimmer, ohne dabei ihren Körperkontakt zu unterbrechen. Im Gegenteil, je
näher sie seinem Schlafzimmer kamen, desto anregender wurden seine Berührungen, seine Hand
verschwand flink in der Jeans des Jüngeren und er zog scharf die Luft ein, als er die
heiße Härte unter seinen Fingern fühlen konnte.
Dunkel stöhnte Ken auf, ließ sich mit geschlossenen Augen von Schuldig führen. Die
Vorfreude krauchte wieder in ihm hoch. Wie so oft in den letzten Tagen. Doch noch nie waren sie dem
Ziel so nah gewesen. Ken öffnete die Augen, um sich gefahrlos zu dem Mann umdrehen zu
können, doch das erste was er sah, als er die Augen aufschlug, war der Blick aus zwei
grünblauen Seen, die ihn wässrig anstarrten. Ken erstarrte. Das durfte doch nicht wahr
sein. Da saß Daisuke in seinem Bett und schaute durch die offene Zimmertür seinen
‚Eltern’ hinterher. Ken schluckte schwer. „Ehm… Schu?“, kam es leise von ihm und er hielt den Mann
am Handgelenk fest, starrte noch immer zu Daisuke, dessen Miene sich schon wieder
unheilverkündend verfinsterte.
Der Orangehaarige folgte dem Blick des Kleineren und hatte das Gefühl, auf der Stelle umkippen
zu müssen. „Ich hasse ihn!“, sprudelte es unwillkürlich aus ihm heraus, während er
missmutig seine Finger von Ken nahm. Musste dieses kleine Monster auch noch in der Lage sein,
Angriffe abzuwehren, die einen erwachsenen Mann normalerweise für mindestens sechs Stunden
lahmgelegt hätten... „Daisuke! Du sollst schlafen!“, giftete er in die Richtung seines Sohnes;
die Antwort, die er bekam, war sowas von klar: „Nein!“
Nein, das konnte Ken jetzt nicht glauben. Er schluckte schwer und fuhr sich durchs Haar. „Nein… Du
hasst ihn nicht… Sag so was nicht…“, murmelte er und schloss seine Hose wieder. „Geh… am besten
einfach mit ihm auf den Spielplatz… dann ist er nachher endlich müde genug…“ Ken schien fast
schon beleidigt zu sein. Von einem Kind wurde er nun schon seit TAGEN davon abgehalten, endlich das
zu bekommen, wonach er sich schon so lange sehnte. Und er schien es tatsächlich nie zu
bekommen. „Vielleicht…soll es einfach nicht sein…“, murmelte er noch und lächelte Schuldig
leicht an, ließ sich dann wieder aufs Sofa fallen.
Ein leises, wütendes Knurren presste sich aus Schuldigs Kehle. Am liebsten hätte er
Daisuke jetzt wirklich einfach erwürgt. Seine Hormone liessen sich im Moment kaum unter
Kontrolle bringen und seine Lenden brannten schmerzhaft, was seine Laune auch nicht wirklich hob.
Zornig stapfte er auf das Kinderbett zu und hob den Jungen mit einer brüsken Bewegung herunter.
„Ich hätte dich doch gegen einen Hund eintauschen sollen!“ zischte er ihm wutbebend und
enttäuscht zu, machte sich aber gleichzeitig daran, den Kleinen für einen Spaziergang
anzuziehen. „Eines sag ich dir!“, warnte er Dai grummelnd vor. „Du wirst den ganzen Weg laufen!“
Ken blieb alleine in der Wohnung zurück. Seufzend sah er den beiden nach und blickte dann
verstohlen zur Schlafzimmertür. Er könnte doch… Nein! Das ginge zu weit. Stattdessen erhob
sich Ken und schlug den Weg zum Badezimmer ein. Rasch hatte er sich ausgezogen und war unter der
Dusche verschwunden. Kurz war er am zögern. Kalt oder warm? Doch schließlich entschied er
sich für eine warme, sehr entspannende Dusche und nutzte die Tatsache, dass er alleine war,
vollkommen aus. Dabei begleiteten ihn die Bilder, die er immer mal wieder von Daisuke zugesandt
bekommen hatte und die sich in seinem Hirn festgesetzt hatten.
~*~tbc~*~