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Archimedes

von

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Archimedes
 

„Farfarello?“ Mit einem Tablett bewaffnet, klopfte Schuldig an die Tür zum Zimmer des Iren. „Ich habe dir dein Lieblingsfrühstück gemacht – Pfannkuchen mit Nutella und Erdbeeren mit Schlagsahne.“

Doch alles, was der Telepath als Antwort erhielt, war ein mehr als ungnädiges „Hau ab!“ aus dem Innern des Zimmers.

„Schon gut, Farf, du musst ja nicht gleich rauskommen. Weißt du was? Ich stelle das Tablett einfach vor die Tür, und du kannst es dir dann holen“, versuchte Schuldig seinen Teamkollegen erneut zu locken. Doch im Zimmer regte sich nichts. Also blieb dem Telepathen nichts anderes übrig als seinen Worten Taten folgen zu lassen, und so stellte er das Tablett auf den Boden und wandte sich zum Gehen.

Er hatte die Treppe, die hinauf ins Erdgeschoss führte, noch nicht ganz erreicht, als hinter ihm eine Tür geöffnet wurde, und gleich darauf das Frühstückstablett geflogen kam. „Ich sagte du sollst abhauen! Und dein Frühstück kannst du dir auch in die Haare schmieren!“ kam es in einem wütenden Tonfall von Farfarello.

Nun, das Frühstück tat dem Iren den Gefallen ihn wörtlich zu nehmen und so landeten nicht nur die Schlagsahne, sondern auch die Nuss-Nougat-Creme in Schuldigs flammend orangefarbenem Haarschopf. Schuldig seufze, wandte sich aber nicht um, sondern schritt schweigend die Treppe hinauf. Er wusste allmählich nicht mehr weiter. Zumal es dieses Mal wirklich seine Schuld war. Ja, er hatte seinem Namen alle Ehre gemacht....

Vier Tage zuvor hatte er Nagi zum Bahnhof gefahren, von wo dieser zu einer einwöchigen Klassenfahrt aufgebrochen war. Bei der Rückkehr hatte Schuldig kurz nicht aufgepasst, und prompt Farfarellos Lieblingsdegen, den der Ire in der Auffahrt hatte liegen lassen, überfahren. Und nicht nur das, der Winkel war auch noch so ungünstig gewesen, dass die dünne Stahlklinge zerbrochen war. Seitdem herrschte in Bezug auf Farfarello Ausnahmezustand.
 

Zwanzig Minuten später kam Schuldig frisch geduscht in die Küche zurück und steuerte, ohne den zeitungslesenden Crawford zu beachten, auf die Kaffeemaschine zu.

Brad sah vom Wirtschaftsteil auf. „Er hat es immer noch nicht überwunden“, stellte er fest.

Schuldig, mittlerweile mit Kaffee bewaffnet, nickte. „Zu blöd, dass du in Bezug auf Farf keine Visionen bekommen kannst.“ Er seufzte.

Crawford warf dem Telepathen einen mitfühlenden Blick zu. Tatsächlich war es so, dass es ihm unmöglich war außerhalb einer Mission etwas, das Farfarello betraf, vorherzusehen. Deshalb war er ja auch schon froh, dass der Ire sich mit seiner Trauer und Wut in seinem Zimmer verschanzte, denn Brad sah keinerlei Möglichkeit, wie sie Farf ohne Nagis Hilfe überwältigen sollten, wenn dieser sich entschied im restlichen Haus zu randalieren.

In diesem Moment klingelte es an der Haustür. „Ist für dich“, meinte Brad und widmete sich wieder seiner Zeitung. „Es ist der Paketbote.“

„Na endlich!“ Mit einem Stossseufzer der Erleichterung eilte Schuldig zur Tür um kurz darauf mit einem länglichen Paket zurückzukommen. Der Absender war eine wenig bekannte, aber äußerst exklusive Waffenschmiede in Rumänien. „Also, wenn das nicht hilft, weiß ich auch nicht mehr“, sagte der Telepath und entfernte die Pappverpackung.

„Ich wünschte, Farfarello würde das ganze einfach begraben und vergessen.“

„Braddy! Das ist die Idee!“ Und vor Freude umarmte Schuldig seinen Teamleader. Dieser wusste gar nicht wie ihm geschah. Doch noch ehe er etwas wegen der unangebrachten Attacke oder der verhassten Verniedlichung seines Namens sagen konnte, war der Deutsche schon wieder aus der Küche gestürmt. Lediglich ein „Nimm dir heute Nachmittag nichts vor!“ hallte ihm noch von der Kellertreppe her nach. Crawford schüttelte nur den Kopf und vergrub sich abermals in seiner Zeitung.
 

***
 

„Guten Tag! Was kann ich für Sie tun?“ Noch während er die Kasse schloss, wandte sich Yôji dem nächsten Kunden zu. Als er aufblickte, trat er erschrocken einen Schritt zurück und ging instinktiv in eine Abwehrhaltung. Aus den Augenwinkeln suchte sein Blick nach der Rolle Blumendraht. Dieser war zwar nicht ganz so handlich wie sein normaler Draht, würde zur Not aber dennoch eine ganz brauchbare Waffe abgeben.

/*Kätzchen! Immer schön langsam! Ich will dir nichts tun*/, versuchte Schuldig den Weiß-Playboy zu beruhigen. Laut fügte er hinzu: „Ich hätte gerne ein Grabgesteck, oder einen Grabkranz. Und bevor du dich fragst, wieso ich ausgerechnet hierher komme, nun, ihr seid der einzige Blumenladen, den ich kenne."

„Okay“, sagte Yôji noch immer etwas verunsichert und versuchte sich etwas zu entspannen. „Aber seit wann schickst du deinen Opfern Grabblumen?“

„Tu ich ja gar nicht. Aber ich habe Archimedes umgebracht.“

„Crawfords Plüschteddy?“ frage Yôji mit einem Anflug von Humor.

„Nein, der heißt Wallstreet“, entgegnete Schuldig ernst. „Archimedes war Farfarellos Degen. Wir wollten ihn heute Nachmittag nahe der alten Brücke im Park beerdigen. Wie ist es, willst du nicht auch kommen?“

„Klar auch!“ Der Sarkasmus in Yôjis Stimme war nicht zu überhören.

„Ich mein ja nur... Schließlich bist du einer der wenigen noch lebenden Bekannten von Archimedes.“

„Mal sehen. Ich werde es mir überlegen. So, irgendwelche Blumenwünsche für das Gesteck?“

„Du kennst doch Farfraello. Dem ist das egal, solange es nur Gott verletzt.“

„Okay, also keine weißen Lilien“, entschied Yôji. Diese Blume wurde einfach zu oft mit der Jungfrau Maria in Verbindung gebracht. „Ich werde mir was passendes einfallen lassen. Bis wann brauchst du es?“

„So gegen drei wäre schön.“

„Also drei Uhr.“
 

***
 

Punkt drei Uhr betrat Crawford, angetan mit einem schwarzen Anzug, der ihn noch ernster aussehen ließ als sonst, den Blumenladen. Aya, der Dienst an der Kasse hatte, maß den Schwarz-Anführer mit einem eisigen Blick. Dann wandte er sich um und rief in Richtung Lager: „Yôji! Das Grabgesteck!“ Womit die Sache für ihn erledigt war.

Yôji erschien auch prompt mit dem Blumengesteck.

Crawford musterte eher desinteressiert die blutroten Rosen, gelben Schwertlilien, großen Silberdisteln und die schwarze Schleife und zahlte wortlos den geforderten Preis. Er war schon fast wieder zur Tür hinaus, als er sich noch einmal umwandte. „Ach ja, ich soll dich von Schuldig fragen, ob du mitkommst.“

Yôji zuckte mit den Schultern. „Wieso eigentlich nicht... Ich nehme doch mal an, dass ich so was wie diplomatische Immunität genieße.“

Crawford nickte müde. Ihm war so ziemlich alles egal, solange Farf nur wieder normal wurde. Normal für Farfarellos Verhältnisse natürlich.

Yôji nahm noch rasch seine schwarze Lederjacke vom Haken und folgte Crawford dann aus dem Blumenladen.
 

Aya blickte ihm fassungslos hinterher. Es war offensichtlich, dass Yôji in seinen Augen seine Sicherheit leichtfertig aufs Spiel setzte. In Gedanken sah sich Aya mit seinen Teamkollegen schon zu Yôjis Rettung eilen, etwas das ihm nicht wirklich zusagte.
 

***
 

Sie standen zu viert unter einem altehrwürdigen Ginkobaum nahe der alten Brücke. Schuldig hatte mit einem Klappspaten ein Grab für den Degen ausgehoben, in das Farfarello nun den auf ein schwarzes Samtkissen gebetteten Gefallenen legte.

„Wir haben uns heute hier versammelt“, fing Schuldig an, „um Abschied von Archimedes, unserem Freund und tapferen Kampfgefährten, zu nehmen und ihm die letzte Eher zu erweisen. Ein tragischer Unfall“, und Schuldig betonte diesen Umstand, „hat ihn in der Blüte seines Lebens jäh aus unserer Mitte gerissen. Ich erinnere mich noch zu gut an den Tag, da ich sein meist tödliches Geschick das erste Mal bewundern durfte...“

/Oh ja, ich auch!/ dachte Yôji.

„...und es schmerzt mich zutiefst, dass mir der Anblick dieser Anmut nun für immer verwehrt bleiben wird. Wir alle werden Archimedes vermissen.“

/Also ich bestimmt nicht/, kommentierte Yôji gedanklich weiter.

„Möchte vielleicht einer der Anwesenden noch ein paar Worte über den Verstorbenen sagen?“ fragte Schuldig in die Runde.

Sofort trat Farfarello mit eifrigem Gesicht und einem Zettel in der Hand nach vorne.

„Du und ich, eine Freundschaft in Stahl manifestiert, mit Blut besiegelt, geschaffen für die Ewigkeit! Doch nun liegst du hier vor mir, Archimedes – Gefährte meiner glücklichen Tage, da wir uns labten am rotsprudelnden Nass unserer Feinde.“

/Oh. Mein. Gott! Was hat der denn für einen Poeten gefrühstückt, dass er derart geschwollen daherredet?/ fragte sich Yôji.

„Und auch in den finsteren Stunden, da die von Gott, dem Schlechten, gesandte Einsamkeit uns zu entzweien trachtete, blieben wir uns treu, erquickten einander, erhielten uns gegenseitig am Leben. Doch nun hat das Schicksal dich mir aus so grausame Weise entrissen.“ Hier bedachte Farfarello Schuldig mit einem mehr als finsteren Blick „Nie mehr werde ich das sanfte Streicheln deiner kühlen Klinge auf meiner Haut spüren können, nie mehr deine unnachgiebige Stärke im Kampf gegen Gott, unseren gemeinsamen Feind, einsetzen können. Nie mehr!

Dein Kampf hier auf Erden ist vorüber, dein Weg hat dich von mir fortgeführt, dich gezwungen voranzugehen. Doch ich werde dich nie vergessen, Archimedes, geliebter Freund, denn du und ich, wir sind unzertrennlich, eine Freundschaft über den Tod hinaus!“

/Er muss ja echt an dem Messer gehangen haben.../ Für einen Kurzen Moment befürchtete Yôji Farfarello würde versuchen sich zu Archimedes in das Erdloch zu stürzen, doch der Ire tat nichts dergleichen. Stattdessen warf er noch einen letzten Blick auf die toten Bruchstücke seines Freundes und wandte sich dann ab. Schuldig ergriff wieder den Klappspaten und begann das Grab zuzuschütten. Zuletzt stellte Crawford ganz unfeierlich das Gesteck auf den kleinen Erdhügel und das Begräbnis war vorüber. Farfarello pflückte noch eine der blutroten Rosen aus dem Gesteck, dann folgte er Crawford zu dessen Mercedes.

„Soll ich dich noch heimfahren?“ fragte Schuldig und klappte den Spaten zusammen.

„Nein, danke“, lehnte Yôji ab. „Das Wetter ist so schön, da werde ich laufen.“ Damit wandte auch er sich um und schritt davon.
 

***
 

Am nächsten Tag stand der Weiß-Playboy wieder hinter der Theke, wohin sich auch Aya vor ein paar allzu aufdringlichen Oberschülerinnen geflüchtet hatte, als die Ladentür aufging und Schuldig eintrat.

/Was will der denn schon wieder hier?/ fragte sich Yôji überrascht.

Aya verengte die Augen hasserfüllt und murmelte etwas, das wie „Ich geh nach hinten einen Kaffee trinken“ klang. Seine Gefühle gegenüber Schwarz, und Schuldig im Besonderen, hatten sich trotz der Tatsache, dass Yôji unversehrt von der Degenbeerdigung zurückgekehrt war, nicht geändert. Aber schließlich war ein blutiger Kampf im Laden nicht wirklich erstrebenswert.

„Hi!“ Schuldig grinste Yôji an. „Ich hätte gerne einen Strauß mit weißen Callas.“

„Was hast du nun schon wieder angestellt, dass du dich mit Blumen entschuldigen willst? Wallstreet in der Mikrowelle gegrillt?“

„Nichts dergleichen. Nur heute ist der Benamsungstag von Isaac“, erwiderte Schuldig schlicht. „Ja, nach Isaac Newton. Farfarellos neuer Degen...“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Langenlucky
2009-10-21T17:41:56+00:00 21.10.2009 19:41
Schöne Geschichte, ich hab laut lachen müssen als ich sie gelesen habe. Du schreibst aber auch wirklich zu drollig und erst die namen von den Degen und von Crawfords Tedy einfach zum kugeln.

Hoffe noch viele solcher geschichten vondir zu lesen.
Von:  Shirokko
2008-01-02T09:57:05+00:00 02.01.2008 10:57
oh mann...
abby hat ja schon gesagt, dass du gut mit worten umzugehen weißt, aber das gefällt mir noch besser ^^°
aber trotzdem, die idee ist verrückt. ziemlich *drop*
*grins*
bis bald mal
Von:  nightwing79
2007-05-15T17:06:43+00:00 15.05.2007 19:06
einfach nur genial
und dann die Sache mit Wallstreet, echt zum kugeln

Grüsse


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