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Dark Age of Camelot

Llienne's Life
von

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Ein Duell und eine Entscheidung

Meine bis dato eher gelassene Stimmung verflog allmählich, als wir Tir na nOgh durchquerten. Die marmorne Stadt stellte an Prächtigkeit so ziemlich alles in den Schatten, was ich in meiner Heimat je zu Gesicht bekommen hatte und Jordheim kam mir mit einem Mal wirklich wie das von Keena so oft höhnisch gerufene 'Barbarennest' vor- plump, primitiv, nicht zu vergleichen mit diesem Bollwerk voller Kostbarkeiten. Es war jedoch nicht das wunderbare Äußere der hibernianischen Hauptstadt, was meine Unruhe und das Gefühl, winzig klein zu sein, stetig wachsen ließ. Stattdessen waren die Furcht und Feindseligkeit, die die Bewohner um uns herum ausstrahlten, beinahe körperlich zu spüren und ich merkte, wie sich ein schwerer Kloß in meinem Hals bildete. Sah ich einmal auf, wandten sie sofort den Blick ab, um mich, kaum dass ich in eine andere Richtung schaute, wieder eindringlich zu mustern. Ihre Blicke brannten regelrecht im Rücken. Ich warf einen kurzen Blick auf Keena und Brakalu und stellte fest, dass sie sich genauso elend fühlten wie ich. Keenas Ohren zuckten nervös, ihre Augen schienen leicht geweitet und blitzten, während der Inconnu den Kopf tief gesenkt hielt und die Lippen fest zusammenpresste, während sich seine rechte Hand wohl eher unabsichtlich zur Faust ballte. So wurde unser Gang zum König zu einem Spießrutenlauf und ich konnte Mikatas überheblich-schadenfrohes Lächeln beinahe ebenso mühelos mit den Händen umschließen wie die tödlichen Blicke der übrigen Hibernianer. Ein Trupp junger Kelten folgte uns sogar ein gutes Stück und ich registrierte bei ihnen nicht nur Angst und Misstrauen, sondern mühsam beherrschten Zorn. Die Waffen, die sie mit sich führten -Schwerter, Keulen und Speere- trugen sie sicherlich nicht zum Vergnügen und ich war sicher, dass sie sich früher als später auf uns gestürzt hätten, wäre die Lurikeen nicht bei uns gewesen. Keena folgte meinem Blick und knurrte leise: "Das gefällt mir nicht, das gefällt mir absolut nicht..."

"Ruhe!", raunzte Mikata, "du machst nur den Mund auf, wenn du etwas gefragt wirst, verstanden?!" der Blick, den das Katzenmädchen ihr zuwarf, war mehr als mörderisch. Zu meiner Überraschung machte Brakalu plötzlich von sich aus den Mund auf: "Was wünscht Euerr König eigentlich von uns?" Mikata brachte ihn mit einer ärgerlichen Geste zum Schweigen. "Das gilt auch für dich, Fischgesicht. Mein Vater wird euch seine Beweggründe selbst erklären. Und nun trödelt nicht und kommt weiter." Ich vergrub die Hand in meiner Tasche und ballte sie zur Faust, damit sie sich nicht in das mir mittlerweile höchst verhasste Gesicht dieser kleinen, herrischen Kröte verirrte. Meine Selbstbeherrschung war nur noch papierdünn, meine Nerven lagen blank. "Wenn wir nicht bald zu diesem Idioten kommen, dreh ich durch," wisperte ich Keena zu und sie nickte nur leicht. Brakalu hüstelte leise und die Lurikeen warf uns einen gereizten Blick zu. "Seid ihr schwerhörig? ihr sollt verdammt nochmal still sein, zum quatschen habt ihr gleich genug Gelegenheit." Ich entspannte meine Faust, ballte sie wieder, entspannte sie- Himmel, das war gar nicht so einfach, doch ich schaffte es erneut, ruhig zu bleiben und ignorierte die andere einfach. Wir stiegen ein paar weiße, matt glänzende Treppenstufen hinauf und Mikata hob die Hand. "Wartet hier," sagte sie ruppig. "Wenn die Leibwachen meines Vaters euch sehen, werden sie euch schon rein aus Reflex euer armseliges Lebenslicht auspusten. Bleibt stehen und denkt nicht mal an Flucht, ihr kommt keine zehn Schritte weit." Als ob wir das nötig hätten, dachte ich gallig und sah der jungen Lurikeen nach. "Ich drehe bald durch," fauchte Keena, kaum dass Mikata außerhalb ihrer Hörweite war. "Dieses unverschämte, alberne kleine Luder, ich werde..."

"Das gibt dann nurr wiederr Ärrgerr," sagte Brakalu verdrossen.

"Wer hat dich denn gefragt, du dämlicher..."

Ich stampfte mit dem Fuß auf. "Bei Bragi, jetzt langt es aber....hört auf, alle beide!" sie schwiegen tatsächlich, Keena mit zornigem Gesicht, Brakalu nur teilnahmslos mit einem kleinen, überheblichen Glitzern in den obsidianschwarzen Augen. Ich schüttelte den Kopf und sah ärgerlich in die Richtung, in die Mikata verschwunden war. Praktisch im selben Moment rauschte sie auch wieder heran und begrüßte uns gleich mit einer kleinen Schimpftirade: "Ihr wollt's wohl wirklich wissen, wie? kaum bin ich weg, veranstaltet ihr einen Lärm, den man noch fast bis nach Ardee hören kann." Ehe mein falscher Mantel der Gelassenheit endgültig zerbrechen konnte, meldete sich hinter Mikatas Rücken eine ruhige Frauenstimme zu Wort: "Entschuldigt vielmals, meine Prinzessin, aber Euer Herr Vater wartet." Die Lurikeen wurde etwas rot um die Nasenspitze und winkte uns ungeduldig näher. Wir betraten den eher kleinen, natürlich ebenfalls marmornen Raum und ich erhaschte einen kurzen Blick auf die Sprecherin: Eine Elfe mit blonden Haaren und saphirblauen Augen, die uns nahezu freundlich, auf jeden Fall aber neugierig musterten. Sie lächelte mir zu und nach kurzem Zögern erwiderte ich ihr Lächeln, erleichtert, dass es wenigstens eine Person zu geben schien, die mir hier nicht nach dem Leben trachtete. "Weiter," drängte Mikata unwirsch und zog damit meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, "mein Vater schätzt es gar nicht, wenn man ihn warten lässt." Keenas spöttischer Blick schien zu sagen: Und das wäre in diesem Falle dein Problem, du blöde Kuh. Mikata sah sie an und es schien einmal mehr, als ob sie des Gedankenlesens mächtig wäre: "In diesem Falle absolut euer Problem, denn ihr als Fremde und Feinde habt natürlich erstmal an allem schuld, nicht wahr?" sie lächelte und ehe Keena auffahren konnte, bogen wir rechts in einen kleinen Gang ein. Davor standen zwei hochgewachsene, schwer gepanzerte Elfen, die uns völlig ausdruckslos und mit eiskalten Augen anstarrten. Das ist dann wohl Papis Leibgarde, dachte ich flüchtig und merkte seltsamerweise, dass mir kalt geworden war. Ich fühlte mich tatsächlich so, wie die beiden Elfenwächter wirkten. Sie sahen mich und meine Begleiter nur noch einen halben Herzschlag lang an, ehe sie stillschweigend zur Seite traten und Mikata nur ein ehrfürchtiges Nicken schenkten. Sie erwiderte die Geste ein wenig überheblich. Verwöhntes Gör, dachte ich. Dabei musst du älter als ich sein und stellst dich trotzdem so an. Wie erbärmlich. Ich verdrängte den Gedanken missmutig und sah mich im Thronsaal um. Er wirkte im Gegensatz zu dem Rest von Tir na nOgh mehr als nur bescheiden. Tatsächlich war ich von dem eher kleinen und deutlich schmuckloseren Raum überrascht. Auch der Thron, auf dem der König saß, war wenig mehr als ein einfacher, wenn auch bequem gepolsterter Sessel. Der Herr Hibernias selbst trug ein grünes, mit edlen Stickereien verziertes Gewand. Das spärliche weiße Haar und seine für alle Lurikeen typische zart-kleine Gestalt ließen ihn schwach und schutzbedürftig wirken. Doch die Stimme, die jetzt zu uns sprach, war klar, voll und angenehm: "So seid willkommen in Unserem bescheidenen Palast." Ich musste ein Grinsen unterdrücken, wenngleich mich die seltsame Ausdrucksweise verwirrte. 'majestatis Pluralis' nannte man das, wie ich später erfuhr...Und natürlich war die Bemerkung Absicht gewesen, aber so ganz hatte sie ihre Wirkung nicht verfehlt- ich war jetzt schon beinahe sicher, dass der König so etwas wie Humor besaß. Neben mir räusperte sich Mikata umständlich und starrte mich wütend an. Ich bemerkte erst jetzt, dass sie auf ein Knie herabgesunken war. Schweigend tat ich es ihr gleich und auch Keena und Brakalu folgten meinem Beispiel. Eine kurze Pause sehr unangenehmen Schweigens trat ein und ich sah hilfesuchend zu Keena, doch die zuckte nur unbehaglich mit den Achseln und der Blick des Inconnu blieb so verschlossen wie eh und je. "Sagt etwas," zischte Mikata, offenbar fassungslos über soviel Unhöflichkeit auf einmal. Da es von den anderen beiden Helden keiner schaffte, den Mund aufzubekommen, sagte ich unsicher und etwas zögerlich: "Wir...wir danken Euch, Eure Majestät." Ein Anflug eines Lächelns stahl sich auf das alte Gesicht des Königs und er nickte seinen Wachen, die noch immer wie drohende Schatten hinter uns standen, huldvoll zu: "Es ist gut, ihr dürft Uns allein lassen." Sie verneigten sich tief und zogen sich unverzüglich zurück. Schweigend sah der alte Lurikeen seine Tochter an und es dauerte einen Moment, bis diese begriff: "Vater...ich etwa auch? aber Ihr sagtet..." der König runzelte sachte die Stirn und unterbrach sie sanft, aber bestimmt: "Was Wir sagten, ist Uns durchaus bewusst. Nur möchten Wir nun ein paar ruhige Worte mit Unseren Gästen sprechen- und das allein. Bitte geh, Wir werden dich später hinzurufen." Ich konnte ein schadenfrohes Grinsen nur mit äußerster Mühe unterdrücken und hielt den Kopf tief gesenkt, während Mikata ihren Vater noch einen Moment sprachlos anstarrte und dann wütend hinausrauschte. Ich hörte, wie sie draußen einen der Wächter anfauchte und irgendwem -vielleicht auch demselben Elfen, der das Pech hatte, ihr im Weg zu sein- eine schallende Ohrfeige verabreichte. Ihr Vater sah ihr stirnrunzelnd nach. "Es ist das Vorrecht der Jugend, temperamentvoll zu sein, aber manchmal glaube ich, dass Dalna ihr diesen Kelch ein wenig zu voll geschenkt hat," sagte er mit leisem Seufzen und ich bemerkte, dass sich seine Ausdrucksweise geändert und wieder mir vertraute Formen angenommen hatte. Lächelnd deutete er auf ein paar bunte Seidenkissen zu seinen Füßen. "Bitte, so nehmt doch Platz." Unbehaglich sah ich Keena an, diese zuckte andeutungsweise die Achseln und ließ sich auf einem gelben Kissen nieder. Ich wäre zwar lieber stehen geblieben, nahm aber neben ihr auf einem roten Kissen Platz und auch Brakalu setzte sich zögerlich neben mich. "Nach dem langen Marsch seid ihr sicher durstig?" erkundigte sich der König. Ich nickte scheu und Keena sagte: "Ja, Herr, das sind wir." Er nickte ebenfalls, stand leise ächzend auf und trat an einen breiten Marmortisch heran, auf dem neben Trinkgefäßen auch einige silberne und goldene Schalen mit Leckereien wie Früchten, Nüssen oder Süßigkeiten standen. Ich wunderte mich, dass der König uns höchstpersönlich bediente und keinen seiner Untertanen zu sich rief. Der Lurikeen lächelte flüchtig: "Ich würde jetzt lieber mit euch allein sein und Diener haben die furchtbare Angewohnheit, zu lauschen und Gerüchte in die Welt zu setzen, wobei sie sich in ihrem Bestreben, sie möglichst unglaublich und unsinnig zu gestalten, jedes Mal aufs Neue übertreffen." Da merkte ich, dass ich den Gedanken laut ausgesprochen hatte, und flammende Röte stieg mir ins Gesicht. "Oh, Majestät, das...äh..." er winkte ab und drückte mir einen kostbaren Weinkelch in die Hand, ehe er auch Keena und Brakalu ein fein gearbeitetes Gefäß reichte. Ich drehte den goldenen, mit kleinen Rubinen besetzten Kelch staunend zwischen den Fingern und schnupperte an dem Wein- so etwas hatte ich noch nie gekostet. Und als der König uns aufforderte, zu trinken, verzog ich beim Geschmack der tiefroten Flüssgkeit ganz leicht das Gesicht und stellte fest, dass ich dieses Getränk auch nie hätte kosten müssen. Ich ließ mir allerdings nichts anmerken -das wäre doch höchst unhöflich gewesen- und nippte scheinbar genießerisch an dem Wein, wie es der König ebenso tat. So vergingen einige Minuten und endlich stellte Keena ihren Pokal auf den matt glänzenden Boden, ehe sie den König ernst ansah. "Hoheit...darf ich Euch etwas fragen?" er sah sie über den Rand seines Kelches hinweg ernst an und nickte sachte. "Nur zu." Keenas Ohren spielten nervös. "Nun...wir sind...nicht ganz freiwillig hier."

"Ja, davon bin ich im Bilde."

"Und Ihr wolltet mit uns sprechen..."

"Jawohl, so ist es."

Keena brach ab, von der Art des Königs offenbar leicht aus der Fassung gebracht. Vermutlich war sie aber auch nur nervös wie ich und Brakalu. "Also," setzte sie erneut an, nachdem sie sich wieder gefasst hatte.

"Also?"

Sie sah ihn ernst an. "Sagt uns, was Ihr uns sagen möchtet und fragt, was Ihr wissen wollt. Und dann lasst uns gehen." Sie schwieg und ich sah sie bewundernd an- das war ein durchaus mutiger Zug gewesen. Der König nahm einen tiefen Zug aus seinem Kelch und ließ sich mit seiner Antwort Zeit. "Nein," verkündete er dann schlicht. "Warum?" fragte Keena brüsk und ich biss mir auf die Unterlippe- wie weit mochte die Geduld von Mikatas Vater reichen? wenn er auch nur halb so...aufbrausend war wie sie, war das Maß sicher bald voll. Und außerdem war er der König. Doch er schien der Valkyn ihre Worte nicht übelzunehmen sondern nippte nur erneut an seinem Wein. "Ich kann euch nicht gehen lassen- noch nicht." Dieses Mal schwiegen wir alle, um ihm nicht jedes Wort von der Zunge nehmen zu müssen, woraufhin er seinen Kelch mit beiden Händen umschloss und bedächtig zwischen uns dreien hin- und hersah. "Die Sache sieht so aus- ich brauche euch noch. Ihr müsst mir einen kleinen Dienst erweisen, es ist eventuell für meine Männer eine Herausforderung, aber nicht für euch. Ihr," er senkte die Stimme, "ihr wäret leicht imstande, mein Problem zu lösen."

Ich sah ihn groß an. Was sollten wir, drei fremde Halbwüchsige, schaffen, was für die besten Männer des Königs eine zu schwierige Aufgabe darstellte? der Gedanke war so absurd, dass ich dachte, der Herrscher wolle uns auf den Arm nehmen und ich fragte kühl: "Eure Hoheit...?"

"Ja, du hast mich wohl verstanden," sagte er mit einer Spur von Ungeduld in der Stimme. "Möchtet ihr wissen, was mit euch passieren wird, für den Fall, dass ihr abgeneigt seid, meiner Bitte nachzukommen?" nun klang seine Stimme gefährlich, obwohl sein Gesicht völlig ruhig blieb. Ich spürte, wie das bisschen Symphatie, das ich bereits für ihn entdeckt hatte, zerschmolz wie Butter in der Sonne. Gottergeben antwortete Keena: "Ich persönlich wüsste zunächst gern, was das sein soll, was wir und Eure Leute nicht können." Der König prostete ihr lächelnd mit seinem Kelch zu und ich verfolgte jede seiner Bewegungen mit Argwohn. Innerlich fühlte ich beinahe so etwas wie Enttäuschung. Er hatte einen freundlichen, schon fast vertrauensvollen Eindruck gemacht und nun...ich nahm einen Schluck von dem Wein, der mir so gar nicht schmeckte. Ich war doch wirklich ein naives Schaf- wir waren immer noch Fremde, Feinde sogar, und standen hier dem König -König!- unseres Feindeslandes gegenüber, plauderten mit ihm, tranken seinen Wein und ich nannte seine Tochter insgeheim eine dumme Ziege. Die Gedanken füllten plötzlich meinen gesamten Kopf und verdrängten alles andere. Wie hatte ich nur so ruhig sein können, was war immer mein Traum gewesen? gegen Hibernia zu kämpfen, mein Reich zu beschützen...und nun saß ich hier und...ein tiefes, lähmendes Entsetzen erfasste mich und ich fuhr heftig zusammen, als der feindliche König scheinbar besorgt fragte: "Was hast du, Mädchen? du bist so blass." Ich stellte den Krug, den ich eben zum Mund führen wollte, wieder ab- meine Hand zitterte so sehr, dass ich fürchtete, ich würde den Wein vergießen. "Nichts, Herr....Ihr....Ihr wolltet uns gerade erklären, was das sein soll, was wir für Euch tun können..." meine Stimme klang hölzern und ich starrte ihn an wie ein Wesen von einem anderen Stern. Er erwiderte den Blick stirnrunzelnd und als er antwortete, behielt er mich genau im Auge: "Hier gehen seltsame Dinge vor, Dinge, die mich doch sehr beunruhigen- es wird von Verrat in meinen eigenen Reihen gesprochen." Ich sah ihn verstört an und Keena brummte in ihren Weinbecher: "Und was haben wir...?"

"...was ihr damit zu tun habt? in diesem Falle gar nichts," sagte er, eine Spur schärfer als zuvor. Keena hatte es doch tatsächlich gewagt und war ihm dreist ins Wort gefallen. Sie zuckte zusammen und sah rasch weg, und er fuhr kühl fort: "Was hier am Hofe vor sich geht, kann ich selbst recht gut kontrollieren...doch es gibt einen Teil meines Landes, der scheinbar ausgestorben ist und sich als Schauplatz politischer Intrigen einfach nicht anbietet. Dennoch glaube ich, dass dort etwas faul ist!" erhitzt strich er sich mit der Hand über die Stirn. Ich fragte kleinlaut: "Und welcher Platz soll das sein, Hoheit?"

"Ich spreche von dem Vorposten Murdaigean."

Stille breitete sich im kleinen Thronsaal aus. Murdaigean, Murdaigean...ich durchkämmte mein Gedächtnis. Wo hatte ich das Wort schon einmal gehört? ach ja, Keena hatte erst neulich davon gesprochen. Dun Abermenai -Anfang und Ende unseres ersten Ausfluges ins Kriegerleben, dachte ich bitter- Thidranki, der angeblich sehr verlassene Posten Murdaigean und Caledonia. "Und was genau sollen wir nun tun? nach Murdaigean reisen?" erkundigte sich Keena mit wachsendem Interesse. Der König nickte. "So ist es. Irgendwer spinnt eine Intrige gegen mich und aus den wenigen Quellen, die ich in dieser Sache besitze, ist mir bekannt, dass sich in dem Zusammenhang etwas in Murdaigean abspielt. Warum wird der Posten dauernd für tot erklärt? warum wird er gemieden, obwohl es dort kampftechnisch viel zu sehen und zu lernen gibt? kommt euch das nicht auch seltsam vor?" ich nickte unwillentlich. Das stank förmlich nach Verrat oder zumindest einem großen Abenteuer. Aber die Sache musste doch einen Haken haben...

"Aberr?" fragte Brakalu plötzlich und alle Gesichter wandten sich ihm zu.

"Aber?" wiederholte der König stirnrunzelnd.

Brakalu zuckte ganz sachte die Achseln. "Bei solchen Dingen gibt es immerr ein 'Aberr'," sagte er ernst. Der alte Lurikeen schenkte ihm weder ein Lächeln, noch verwies er ihn in seine Schranken. Nachdenklich legte er den Kopf schräg und betrachtete den Inconnu. "Du hast wohl recht, mein Junge. Es gibt ein 'Aber', wie du es nanntest." Erneut entstand eine kurze Pause und ich spürte ein Kribbeln in meiner Kopfhaut. Eindringlich musterte Mikatas Vater unsere Gesichter. "Ihr werdet nicht als Midgarder oder Albioner losziehen. Nein. Ihr werdet eure Waffen ablegen -ja ich weiß, die besitzt ihr nicht mehr, aber ich hoffe, ihr wisst, wie ich das meine- und in den Rüstungen und Farben Hibernias losziehen. Was das Erlernen unserer Sprache angeht, sehe ich kein Problem- ihr seid jung und damit noch besonders lernfähig. Das wäre dann auch alles."

Erneut herrschte absolute Stille. Brakalu, Keena und ich machten alle drei identisch schockierte Gesicher und mir klappte die Kinnlade herunter. Während ich nach Luft rang, fand Keena als erste ihre Fassung zurück. Als sie antwortete, zitterte ihre Stimme leicht und klang merklich rauher als sonst: "Ihr...Ihr verlangt allen Ernstes von uns, dass wir unsere Existenz aufgeben und zu...zu Hibernianern werden?!" das vorletzte Wort betonte sie mit empörter Ungläubigkeit, und aus großen Augen starrte sie den alten Lurikeen an. Er hielt ihrem Blick mühelos stand. "Nicht doch, nicht doch," sagte er beschwichtigend. "Ihr sollt nicht euer Blut verleugnen, Kinder. Aber so ist die Gefahr, dass ihr in Murdaigean von den Wer-auch-immer nicht sofort aufgegriffen und getötet werdet, weniger groß. Man erschlägt eher einen spionierenden Albioner oder Midgarder als jemanden aus den eigenen Reihen, versteht ihr?" sicher verstanden wir, zumindest glaubte ich, zu begreifen, was der alte Mann da von uns verlangte. Trotzdem war es Wahnsinn und eigentlich eine Unverschämtheit, eine solch irrsinnige Bitte überhaupt an uns zu stellen. Brakalu biss sich auf die Unterlippe und schüttelte leicht den Kopf, während Keena sich nicht mehr zügeln konnte und losbrauste: "Und womöglich sollen wir noch gegen unsere Brüder und Schwestern kämpfen, während wir diese kleine Verschwörung aufdecken?! das könnt Ihr nicht ernst meinen!" sie ballte die Fäuste. Der König seufzte leise. "Ah, ich wusste, dass das kommen würde. Aber es soll euch nicht schlecht ergehen. Ihr bekommt beste Waffen und Ausrüstung und könnt eure Ausbildung problemlos forsetzen, sollte es das sein, was euch zu schaffen macht. Glaubt mir, ich habe einige ausländische Vertraute hier. Zwar keine Meister ihres Faches, da sie sich ihr Wissen größenteils selbst angeeignet haben, statt zu echten Ausbildern zu gehen, aber für euch muss es reichen und sie werden ihr Wissen mit Freuden mit euch teilen. Na?" wir schwiegen alle, doch in meinem Kopf kreiste nur ein kurzes Wort: Nein! ich wollte nicht, ich konnte nicht. Das wäre Hochverrat, nicht nur an Midgard, sondern auch an mir selbst. O nein, niemals. Keena knurrte: "Ich kann nur für mich selbst sprechen. Und das werde ich. Ich will nicht."

Brakalu nickte sachte. "Das gilt auch fürr mich."

Der König schwieg und sah mich ausdruckslos an. Ich schluckte und hob den Kopf. Als ich antwortete, klang meine Stimme ruhig und es schwang beinahe so etwas wie Stolz in meinen Worten mit: "Ich bin eine Midgarderin. Niemals werde ich unter Hibernias Flagge irgendwelche Dienste tun. Ich will auch nicht." Mikatas Vater musterte uns reihum. Er stieß ausnahmslos auf das Gleiche: Stolz, Ablehnung, Ernst. "Und das ist euer letztes Wort?" fragte er leise, ohne eine Spur von Enttäuschung oder Zorn. Wir nickten stumm. "Ah," er seufzte. "Das habe ich mir eigentlich schon gedacht. Nun ja, ich habe euch gesagt, dass ich dagegen vorgehen werde." Ich sah ihn rebellisch an. "Ihr könnt uns gerne töten, aber nicht zu etwas zwingen, das wir nicht wollen. Ich sterbe eher, als mich Euch und Hibernia zu verkaufen, Majestät."

"So ist es," sagte Keena. Der König verschränkte die Arme hinter dem Rücken. "Nun, das ist bedauerlich. Aber vielleicht ändert ihr eure Meinung noch. Ihr werdet genug Zeit finden, um in Ruhe über mein Angebot nachzudenken, das versichere ich euch. Wachen," beim letzten Wort hob er die Stimme und nur einen Moment später betraten die beiden Elfen mit den kalten Augen den Raum, "wie erwartet sind Unsere Gäste abgeneigt, Unserer Bitte Folge zu leisten. Wir wollen jetzt nicht weiter drängen und auf Wiederstand stoßen, sondern ihnen Zeit geben, Herr ihrer Lage zu werden. So wünschen Wir, dass ihr sie Uns nun aus den Augen schafft. Verwahrt sie gut, gebt ihnen zu essen und zu trinken, aber bewacht sie immer. Ihr dürft euch entfernen." Die beiden Wächter verneigten sich tief und fassten Brakalu, Keena und mich nicht gerade sanft am Arm. Dann führten sie uns hinaus. Ich konnte noch einen kurzen Blick auf den König werfen, der uns ohne jeglichen Groll, aber auch ohne ein Zeichen von Erbarmen nachsah.
 

Nun brach eine schwere Zeit für uns an. Ich hörte bald auf, die Tage zu zählen, mein Los kam mir dann nur umso schlimmer vor. Wir wurden wieder in die kleine Hütte gebracht und Tag und Nacht bewacht, wie es der König angeordnet hatte. Einige Male rief er uns noch zu sich und stellte immer die gleiche Frage: "Nun, was sagt ihr?" und wir sagten jedes Mal das Gleiche: "Nein, das werden wir nicht tun." So wurden wir also immer wieder zurück gebracht und harrten dem nächsten Treffen mit dem König, von dem wir genau wussten, wie es ausgehen würde. Die blonde Elfe mit den hübschen blauen Augen, die ich beim ersten Mal gesehen hatte, brachte uns unsere Mahlzeiten. Ich erfuhr, dass es sich bei der jungen Frau um Rhee handelte, diejenige, die dafür gesorgt hatte, dass man uns in Dun Abermenai nicht sofort getötet hatte. Mittlerweile war ich sicher, dass ich ihr wirklich nicht dankbar dafür war. Als Einzige jedoch war sie stets freundlich zu uns, stellte interessiert Fragen bezüglich unseres bisherigen Lebens und nahm regen Anteil an dem, was wir ihr erzählten. Selbstverständlich sprachen wir nur über belanglose Dinge, über höhere Politik und Kriegspläne wussten wir als die Kinder, die wir noch beinahe waren, sowieso nichts. Und selbst wenn es so gewesen wäre, hätten wir geschwiegen, denn Keena hielt Rhee für so etwas wie eine Spionin und erklärte finster, die falsche Schlange wolle uns mit ihrer aufgesetzten Freundlichkeit bloß aushorchen oder vielleicht auch weichklopfen, damit wir endlich taten, was der hibernianische König von uns verlangte. Dem konnte ich insgeheim nicht zustimmen, ich konnte die Elfe verhältnismäßig gut leiden. Aber vermutlich hatte meine Freundin wohl recht. Auch Zaphykel, der Elf, der uns am ersten Tag versorgt hatte, besuchte uns ein paar Mal. Bei ihm war offensichtlich, dass er versuchen wollte, uns endlich umzustimmen, und da er mir eh unsymphatisch war, sagte ich zu ihm einfach gar nichts. Bis zu einem bestimmten Tag:

Ich hatte gerade meine Blase entleert und warf den beiden Kelten, die mich selbst für diese Tätigkeit nicht aus den Augen ließen, einen finsteren Blick zu, als Zaphykel zwischen zwei Hütten auftauchte und mir halbherzig zuwinkte. "Na, machst du immer noch einen auf stur?" ich ordnete meine Kleider und ignorierte den unangenehmen Blick, den er auf meine nackten Schenkel warf. "Was willst du?" fragte ich nur. Zaphykel gab den Wächtern einen Wink, und als sie nicht reagierten, sagte er verärgert: "Es ist gut, ihr dürft gehen. Ich habe Prinzessin Mikatas Erlaubnis." Sie zögerten, und er verdrehte die Augen: "Wollen wir dafür extra zum König gehen und ihn belästigen?" da gab sich der Ältere der beiden endlich einen Ruck: "Nein, seine Hoheit hat heut eine miserable Laune...und wenn Prinzessin Mikata es sagt, soll es für dieses eine Mal in Ordnung gehen. Aber bleib nicht zu lange fort, Zaphykel, und pass gut auf sie auf." Der Elf nickte unwillig. "Das tue ich sowieso. Komm," er warf mir einen auffordernden Blick zu und als ich nicht reagierte, fasste er mich am Arm. "Nun komm schon!"

"Was ist mit Keena und Brakalu, warum dürfen die nicht raus?"

"Kann dir das nicht egal sein?"

"Nein, sag es mir oder ich geh nirgendwo hin."

Er raufte sich die langen Haare. "Du bist ein störrisches Weib, weißt du das?"

Ich nickte ungerührt und er zog verärgert die Schultern hoch. "Ich will mit dir allein reden, die anderen zwei bekommen ihren Ausgang später, sei versichert." Ausgang, dachte ich gallig, als seien wir nichts weiter als bessere Haustiere. Doch ich wollte den Bogen nicht überspannen und wenngleich ich seine Gesellschaft wahrlich nicht suchte, hatte ich gegen einen kleinen Spaziergang in der freien Natur nichts einzuwenden- endlich einmal weg von den immer noch feindselig-furchtsamen Blicken der Dorfbewohner, an die ich mich zwar fast schon gewöhnt hatte, die mir aber nie gefallen würden, und obendrein mal ein neues Stück von Hibernia kennen lernen. So nickte ich leicht. "Na gut."

Wir verließen Mag Mell und steuerten auf ein kleines Wäldchen zu, das hinter der Stadt lag. Zwischen den Bäumen sah ich Wasser glitzern. Als wir die Häuser hinter uns gelassen hatten, ließ der Elf meinen Arm los. Ich erwartete, dass er jetzt wieder wegen der Sache mit Murdaigean anfangen würde, aber zu meiner milden Überraschung geschah dies nicht. Stattdessen führte er mich zum Waldrand und zeigte nach vorn. Ich folgte seinem Blick und runzelte sachte die Stirn. Da stand so etwas wie ein sehr großer Grabstein, um den bleiche Skelette schlichen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Keenas knöchernen Dienern aufwiesen, nur trugen diese hier keine Rüstung oder Waffen. Zwischen den fleischlosen Gestalten stach eine weitere hervor, die entfernt an einen Elfen erinnerte. Nur war die Haut des Mannes gräulich und verwittert, er ging gebeugt und das Fleisch faulte ihm langsam vom hässlichen, feindseligen Gesicht. "Wer oder was ist das?" fragte ich leise. Zaphykel lächelte abweisend. "Wir nennen ihn einfach den Beschwörer. Er kontrolliert diese Jammergestalten da. Keine Sorge, für uns ist er nicht mehr gefährlich, er vergreift sich nur an den ganz Schwachen."

"Warum lasst ihr ihn leben, wenn er das tut?"

Zaphykels Blick wurde noch abweisender, als er den lebenden Leichnam musterte. "Oh, ich selbst hab ihn viele Male erschlagen, doch irgendwie kommt er immer wieder. Seine verfluchte Seele ist wohl an das Grab da gebunden, vielleicht ist es sein eigenes, vielleicht das seines ursprünglichen Bezwingers, ich habe keine Ahnung. Vermutlich ist das seine Strafe, was auch immer er getan haben mag." Ich nickte leicht und folgte der schlurfenden Gestalt mit den Augen. "Und wieso zeigst du mir das?" der Elf wandte sich mit einem Ruck zu mir um und seine gelben Augen blitzten. "Er war wahrscheinlich ein großer Beschwörer damals."

"Aha..."

"Und jeder dieser Zunft trägt als sein Zeichen einen magischen Stab bei sich, die erste Waffe seines Lebens und Symbol aller Magier von Hibernia." Ich runzelte die Stirn und hatte absolut keine Ahnung, was er eigentlich von mir wollte. Als ich nachdrücklich schwieg, kramte er in seinen Taschen und holte etwas heraus. Schweigend zeigte er mir, was er in den Händen hielt. Ich holte überrascht Luft: "Das ist..." wie kam er daran? ich hatte überhaupt nicht gemerkt, dass man mir meinen Beutel mit dem Elfenkristall abgenommen hatte. "Das gehört mir," brachte ich schließlich hervor. Der Elf verzog keine Miene, wedelte mit dem Beutel und machte sich dann daran, ihn zu öffnen. Ich beobachtete ihn aufmerksam. "So? es gehört also dir?" fragte er beiläufig und holte den abgebrochenen Kristall heraus. Im selben Moment ruckte der bezopfte Kopf des verdammten Beschwörers zu uns herum, seine hasserfüllten Augen hefteten sich auf das schimmernde Ding zwischen Zaphykels Händen, und er stieß einen schrecklichen, heulenden Schrei aus, in dem Qual wie Begierde mitschwangen. Ich wich zurück. "Bei Bragi, was...?"

Zaphykel lächelte böse. "Ja, nun leidet er, und das nicht zu knapp. Ihm wird wieder bewusst, dass er ein verfluchter Verräter ist und kein Recht mehr besitzt, dies zu tragen."

"Wie?" fragte ich hilflos. Zaphykel schloss die linke Hand um den Kristall, seine rechte schoss nach vorn und packte mich schmerzhaft am Zopf. "Dieser Kristall gehört nicht dir, wahrlich nicht," zischte er. "Wo hast du ihn her?" ich schwieg, zu verwirrt, um ihm ganz folgen zu können, und er riss heftiger an meinen Haaren. "Wo hast du ihn her?!" endlich gewann ich meine Fassung wieder. "Aua!" fauchte ich wütend. "Lass mich los!"

"Wo du ihn her hast, will ich wissen!" er schrie jetzt beinahe. Ich riss mich los -dabei büßte ich einige Haare ein- und trat einen Schritt zurück. "Ich hab ihn geschenkt bekommen!" keifte ich zurück. "Von einem sterbenden Elfen, der..." ich brach schlagartig ab und starrte den anderen an. Der genauso aussah wie du, schoss es mir durch den Kopf. Aber...konnte es sein, dass... "Geschenkt?" hauchte Zaphykel plötzlich und starrte mich an. Allmählich spürte ich Furcht in mir aufsteigen, ebenso eine leise, wenn auch unglaubliche Ahnung. Konnte es denn wirklich so einen Zufall geben? "Ja," erwiderte ich, tief Luft holend. "Ich habe seinen Besitzer schwer verletzt in unseren Wäldern gefunden. Er hat gesagt, dass ich..." ich runzelte die Stirn und dachte nach. "Ja?" fragte der Elf lauernd. "Geschenkt ist vielleicht doch nicht der richtige Ausdruck," sagte ich zögernd. "Er sagte, ich solle das für ihn verwahren, bis ich einmal ins Grenzland ziehen würde. Aber ich wusste nicht, wieso..." Zaphykel lachte krampfhaft. "Vielleicht weiß ich es," sagte er. "Sein Besitzer, wie du ihn nanntest, war mein Vater."

Ich spürte, wie mir abwechselnd heiß und kalt wurde. "Dein...Vater?" fragte ich ungläubig. Er antwortete nicht, sondern starrte mit glasigen Augen den abgebrochenen Kristall an. "Der Teil, der mir noch fehlt," flüsterte er, mehr zu sich selbst. "Schaft und Spitze...oh Vater..." ich bemerkte mit unbehaglichem Staunen, wie ihm Tränen in die Augen traten. Der Beschwörer, der hinter Zaphykel stand, hatte sein klagendes Heulen eingestellt und kam plötzlich langsam, beinahe lauernd, auf den Elfen zu. "Zaphykel, du..." begann ich, den Beschwörer anstarrend. Der andere ignorierte mich und strich, noch immer mit tränenverschleiertem Blick, über die schimmernde Oberfläche des Kristalls. Da warf sich der verfluchte Beschwörer mit einem erneuten Heulton vor und schloss seine schorfigen, feuchten Finger um den Hals des Elfen. Zaphykel gab einen erstickten Laut von sich und ließ den Kristall fallen, während der Verwesende ihn würgte und schüttelte und dabei sein Leid aus sich herausschrie, die toten Augen gierig auf den Kristall gerichtet und offenbar unschlüssig, ob er zuerst seinen lebenden Gegenpart auslöschen oder das begehrte Zunftsymbol an sich reißen sollte. Ich sah die Fassungslosigkeit in Zaphykels Augen und zögerte nicht mehr, sondern stürzte mich mit meinem Kampfschrei auf den gefallenen Elfen. Dieser krächzte vor Schmerz, die Beine gaben unter seinem Gewicht nach und er stürzte zu Boden. Langsam versuchte er, davonzukriechen und ich stieß meinen zweiten Schrei aus. Wie vom Blitz getroffen brach der Untote zusammen und rührte sich nicht mehr. Ich starrte schnaufend auf seine zusammengekrümmte Gestalt herab und drehte mich dann wieder um. Zaphykel massierte sich die Kele und sah mich mit schwer deutbarem Blick an: In seinen Augen las ich sowohl Fassungslosigkeit, sowie Bewunderung- und seltsamerweise so etwas wie Scham. Ehe er reagieren konnte, bückte ich mich und hob den Kristall auf. Wortlos hielt ich ihn dem anderen hin und als Zaphykel keine Anstalten machte, danach zu greifen, sagte ich: "Vielleicht war es dies, was dein Vater von mir wollte. Dass ich dir irgendwann dein Erbe bringe." Der Elf rang nach Atem. "Du...als Midgarderin willst du...du verspottest mich!" fiel er sich selbst ins Wort. Ich wollte ihn definitiv nicht verspotten, aber ich hatte keine Ahnung, warum ich dies eigentlich tat. "Es war der Wunsch eines Sterbenden," sagte ich ungnädig. "Und es bringt Unglück, wenn man einen solchen Wunsch missachtet. Nimm ihn schon." Zaphykel starrte mich immer noch ungläubig an, während sich seine Hand wie in Trance um den Kristall schloss. "Du..." setzte er wieder an. Ich schüttelte den Kopf, wollte seine weiteren Worte nicht hören. Weder auf seine Dankbarkeit, noch auf eventuelle Anschuldigungen hatte ich Lust. "Können wir bitte wieder zurück? ich möchte sehen, was Keena und Brakalu machen."

"Du willst freiwillig zurück?" er sah mich unverwandt an und verärgert drehte ich den Kopf weg. "Ja."

Er schwieg, scheinbar nachdenklich. Als er antwortete, hatte seine Stimme einen bis dato nie gehabten Klang angenommen- dankbar, beinahe höflich. "Also gut...dann komm. Ach, und...Llienne?" ich wandte ihm verwundert den Blick zu. Bisher hatte er mich noch nicht mit meinem Namen angesprochen. "Mhmm...?"

"Danke," sagte er.
 

Aus dem Tagebuch von Llienne Asmundsdottier, spätere Llienne Havocbringer:
 

..."Wenn ich jetzt darüber nachdenke, möchte ich mich ohrfeigen, und das am besten zwei mal. Ich bin ein viel zu weiches Weib, immer schon gewesen. Was hat mich damals dazu getrieben, erst den Inconnu zu verschonen und dann auch noch einen Elfen zu retten? ich habe meinen Stolz abgestreift wie eine abgenutzte, alte Haut und damals anscheinend vergessen, wer und was ich eigentlich bin. Man kann auch sagen, dass ich mich letztlich doch verkauft habe. Aber ist der Verlust von einigen Prinzipien und ein geistiger Schlag ins Gesicht nicht auch den Gewinn neuer Kameraden wert? ich hätte nur niemals geahnt, dass es ausgerechent solche sein würden, die ich einst als meine Feinde bezeichnet habe. Meinen fortgeworfenen Stolz, Demütigung und die leise Sehnsucht nach Hause kann ich verkraften- niemals aber Verrat. Letztlich haben wir dieses...wie soll ich sagen...Hindernis zwar beseitigt und alles wieder ins Lot gebracht, aber ich glaube, es hat Wunden hinterlassen, Narben, die nicht so schnell und vielleicht niemals heilen. Damit habe ich auch gleich den Beweis erhalten, dass man tatsächlich an gebrochenem Herzen eingehen kann. Und alles nur, weil"...
 

Zurück in Mag Mell, führte mich Zaphykel gemäß meiner Bitte zurück in unsere Hütte. Als die beiden unvermeidlichen Wächter zur Seite traten und ich einen Blick auf meine Mitgefangenen erhaschen konnte, schnappte ich empört nach Luft. "Keena!" ich fuhr herum und ballte die Faust, wobei ich einen der Wächter anfauchte: "Was soll das?!" Keena war halb bewusstlos- zusammengesunken lag sie auf ihrem Lager aus Kissen. Auf ihrer Stirn prangte eine Beule und ihre Lippen schwollen an von einem beachtlichen Schlag, den ihr jemand verpasst hatte. Überdies schlangen sich zwei dünne Eisenketten fest um ihre Fußgelenke und hielten diese zusammen. Der kleinere der Wächter zog die Schultern hoch. "Sie hat Ärger gemacht und wollte fliehen, es half alles nichts. Sie hat sich das selbst zuzuschreiben." Er sprach sehr stockend und langsam, doch der schadenfrohe Ton kam umso deutlicher zur Geltung. Ich fluchte in meiner Muttersprache, beschimpfte ihn als etwas, von dem er es vorzog, es nicht zu verstehen, und beugte mich über meine Freundin. "Hey Keena, noch alles dran bei dir?" fragte ich leise und berührte sie an der Schulter. Sie blinzelte ein paar Mal und sah dann zu mir auf. Statt einer Antwort grunzte sie nur ungnädig und berührte ihre aufgeplatzte Lippe. "Lasst mich Wasser holen, um die Schwellung zu lindern," sagte ich eisig, und als die Kelten nicht reagierten, fauchte ich: "Oder holt ihr halt welches." Sie sahen sich an, zuckten die Schultern und der mit dem schweren Akzent stemmte gehässig die Arme in die Seiten. "Sie hat selbst Schuld. Kein Benehmen, keine Rücksicht." Damit drehten sie sich wieder um und bauten sich links und rechts vor der Tür auf. Zaphykel, der uns bisher teilnahmslos zugesehen hatte, drehte sich um. "Ich werde etwas holen, das ihr Erleichterung verschafft, einen Moment nur." Er drehte sich um und ich hörte, wie er draußen leise und eindringlich auf die Wachen einsprach. "Was hast du denn angestellt?" fragte ich kopfschüttelt und strich Keena mifühlend über die Stirn. Brakalu -ohne Ketten oder Anzeichen von gewalttätigen Handlungen- saß mäuschenstill in einer Ecke, hatte die Beine an den Körper gezogen und betrachtete uns aus seinen beunruhigenden, ausdruckslosen Augen, ohne etwas zu sagen. Ich warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu, doch da ich aus ihm wohl niemals schlau werden würde, schenkte ich meine Aufmerksamkeit wieder der verletzten Valkyn. "Also?" sie grinste schief. "Na, du hast es doch selbst gesehen...und auch am eigenen Leib erfahren. Es gehört nicht viel dazu, diese Schwachköpfe zur Raserei zu bringen."

"Ja, ja und du musstest es natürlich herausfordern..."

"Ach, sei doch still."

Eine kleine Pause trat ein, in der ich versonnen über die honigblonden Haare meiner Freundin strich und zur Decke sah. Keena beobachtete mich aufmerksam. "Über was hast du eigentlich mit dem Elfen gesprochen?" fragte sie. "Wollte er dich wieder überreden, diesen verdammten Vorposten aufzusuchen?" ich kehrte blinzelnd in die Realität zurück und erwiderte ihren Blick. "Nein, ich habe etwas Überraschendes herausgefunden." Sie sah mich neugierig an. "Nun machs nicht so spannend!" und ich fing an, zu erzählen. "...Tja, er ist tatsächlich der Sohn des Elfen, den ich vor ein paar Jahren im Wald gefunden habe. Zufälle gibts..." Keena machte große Augen. "Aber...hhmm...woher will er wissen, dass nicht du ihn getötet haben könntest?" ehe ich zu einer empörten Antwort ansetzen konnte, erklang Zaphykels kühle Stimme: "Weil ich nicht glaube, dass mein Vater ihr dann seinen ersten und letzten Schatz überreicht hätte." Keena und ich fuhren leicht zusammen und sahen uns schuldbewusst an. "Wir..." fing ich an, doch er schnitt mir mit einer leichten Handbewegung das Wort ab und ließ sich vor Keena in die Hocke sinken. "Schon gut, das ist ja eine berechtigte Frage. In der Hinsicht vertraue ich dir jedoch, obwohl ich mir natürlich nicht sicher sein kann." Für ihn schien das Thema damit erledigt zu sein und wenn es ihm überhaupt noch nahe ging, verbarg er seine Emotionen zumindest gut. Schweigend stellte er die Schüssel, die er mitgebracht hatte, auf den Boden und tränkte einen Lappen mit der intensiv nach Kräutern duftenden Flüssigkeit. Keena wollte erst protestieren, und als der Elf ihr das Tuch auf die Lippen legte, zuckte sie zusammen. "Halt still, ich weiß, dass es brennt. Trotzdem ist es ein bewährtes Mittel bei solchen Wehwehchen." Keena sah ihn finster an, und gegen meinen Willen musste ich grinsen. Während Zaphykel nun auch die unschöne Beule an Keenas Stirn betupfte, nickte er in Brakalus Richtung: "Sagt der eigentlich auch mal was?" nun war es an uns beiden, Keena und mir, breit zu grinsen. "Selten," meinte ich und Keena fügte voller Bosheit hinzu: "Stumm wie ein...Fisch!" das letzte Wort betonte sie ein bisschen stärker, als nötig gewesen wäre und daraufhin brach ich in echtes Gelächter aus. Zaphykel blinzelte ein paar Mal, ehe er mit einstimmte. Brakalu sah uns finster an. "Viele Narrren endeten nurr am Galgen, weil sie ihrre lose Zunge nicht unterr Kontrrolle hatten," sagte er schnippisch. "Er hat gesprochen," sagte Keena begeistert und ich musste husten. "Nun ist gut, du bist unfair!" der kleine Inconnu musterte uns düster, seine ausgefransten Ohren zuckten leicht. Mitten in die unerwartet eingetretene Heiterkeit meldete sich eine mir wohlbekannte, hochmütige Stimme: "Welch seltsamer Anblick das doch ist! Zaphykel, ich muss sagen, jetzt überraschst du mich!" wir verstummten schlagartig und ich wandte den Kopf, um Mikata einen Blick voller Verachtung zuwerfen zu können. "Was willst du?" sie ignorierte mich und starrte den Elfen an. "Zaphykel?" der Angesprochene strich sich das Gewand glatt und faltete ernst die Hände im Schoß. Gelassen sah er die Lurikeen an. "Prinzessin, Euer Vater will nur, dass wir sie beaufsichtigen, denn er glaubt nach wie vor, dass sie ihre Meinung ändern werden. Abgesehen davon, dient es auch ihrem Schutz," Mikata schnaufte, doch Zaphykel fuhr gelassen fort: "Sie würden zwar niemals gegen unseren Willen fliehen können, aber da draußen würde man sich auf sie stürzen wie ein Rudel toller Hunde, das erschlagen werden muss. Wir sollen sie bewachen, festhalten- aber von seelischer Grausamkeit war doch keine Rede." Eine Rede war allerdings, was der Elf gesprochen hatte, und für sein Wesen sogar eine extrem lange. Ich beobachtete ihn mit gemischten Gefühlen. Mikata sah Zaphykel nur verärgert an: "Hat Rhee dich mit ihrem Unsinn jetzt auch schon eingelullt? seit Tagen läuft sie herum und zieht eine Jammermiene. 'Diese armen Kinder, so weit von zu Hause fort und immer eingesperrt, das würde ich nicht ertragen'," äffte sie die blonde, freundliche Elfe nach. Zaphykel schwieg. "Nun, wie dem auch sei," knurrte Mikata und sah mich an. Ein listiges Funkeln war plötzlich in ihre Augen getreten. "Was hältst du von einem kleinen Übungskampf? echte Skalden," sie grinste mit kaum verhohlener Verachtung, "sind doch einem netten Duell niemals abgeneigt? oder hast du Angst vor einem bisschen Trainig?" ich sog scharf die Luft ein und spürte das Blut, das mir ins Gesicht schoss. Neben mir drückte Keena warnend meinen Arm. Ich beachtete sie nicht, sondern starrte, schäumend vor Wut, die Lurikeen an. Natürlich wollte sie mich provozieren, aber ich wusste beim besten Willen nicht, warum. Ich hatte ihr die letzte Zeit wahrlich keinen Grund dazu gegeben. "Nun komm," sagte Mikata hartnäckig. "Oder traust du dich wirklich nicht? ooch..." ich vergrub die Unterlippe zwischen den Zähnen und musterte abschätzend ihre wie eh und je gepanzerte Gestalt. "Ich habe weder Waffen noch Rüstzeug," sagte ich und imitierte ihren herablassenden Ton. Sie fegte meinen Einwand mit einer ungeduldigen Geste beiseite. "Du wirst ausgerüstet werden, keine Sorge. Fairness gehört zu den wenigen Dingen, die wir beide wahrscheinlich gleichermaßen schätzen."

"Prinzessin Mikata, Ihr solltet das nicht tun," sagte Zaphykel halblaut. "Du hältst dich da raus!" der Ton der Lurikeen war so kalt und schneidend, dass der junge Elf tatsächlich schwieg. Keena knurrte leise. "Da ist doch was faul," sagte sie und machte sich nicht die Mühe, ihren Ton zu dämpfen. Mikata würdigte sie weder einer Antwort, noch eines Blickes. Ihre Augen blieben auf mich gerichtet. Zornrot stand ich auf. "Bring mir die Sachen!" befahl ich wütend. Das Funkeln verstärkte sich und sie nickte. "Abgemacht!" und schon verließ sie zügigen Schrittes unser Gefängnis. Mit zusammengekniffenen Augen sah Keena ihr nach. "Warum besteht sie jetzt darauf? da stimmt etwas nicht, darauf wette ich. Weißt du was, Llienne? lass mich gehen, der werd ich kräftig den Arsch..."

"Nein." Das kleine Wort reichte schon, um meiner Freundin den Mund zu versiegeln. Dabei hatte ich nicht einmal geschrien. Ich blieb regungslos stehen und starrte mit leicht verengten Augen zum Boden. "Es ist ja nur ein Trainingskampf...!"

"Trotzdem, du bist nicht gerade..."

"Lass mich in Ruhe, Keena. Das ist meine Sache. Ich lasse mich nicht dermaßen beleidigen- nicht von der!" ich knurrte beinahe und die Valkyn legte den Kopf schräg. Ohne allen Spott fragte sie: "Wirst du allmählich doch erwachsen, wie?" ich sah sie ausdruckslos an und im selben Moment kehrte Mikata zurück. Erhaben lächelnd winkte sie zwei zum Tragen mitgebrachte, beinahe monströs anmutende Männer mit, die ohne jede Mühe einen kompletten Schuppenpanzer, einen kleinen Schild mit passender Einhand-Axt sowie ihrem größeren, schweren Gegenstück in den Armen hielten. Die irgendwie breitgeschlagen wirkenden Gesichter mit den ausgeprägten Stirnwülsten, ihre dunkle Haut und der mächtige Körperbau kennzeichneten die Männer eindeutig als Firbolg, von denen ich in Midgard schon gelegentlich etwas gehört hatte- stark wie Trolle sollten sie sein, aber über mehr Intellekt verfügen... auf einen knappen Wink von Mikata hin, gingen die beiden ein wenig in die Knie und luden ihre Last vorsichtig ab. Mit einer etwas plumpen Verbeugung zogen sie sich danach zurück. "Ich soll in- und mit hibernianischem Rüstzeug kämpfen?" fragte ich, nicht gerade mit Abscheu, aber allen Zeichen von Unzufriedenheit. Mikata lachte spöttisch. "Willst du dem Fisch vielleicht seine Kleider vom Leib reißen und stattdessen in albionischen Fetzen rumlaufen?" höhnte sie, was ihr gleichermaßen einen bösen Blick von Brakalu und mir einbrachte. "Du kannst natürlich auch nackt gegen mich antreten- dann hätten wir alle mal wieder was zu lachen," fügte die Lurikeen feixend hinzu. "Verschwinde, ich will mich umziehen!" fauchte ich und riss aufs Geratewohl die Beinlinge an mich, ohne sie überhaupt richtig anzusehen. Mikata verneigte sich spöttisch und stolzierte hinaus. Ich war so wütend, dass es mir nicht gleich gelang, die Beinlinge überzustreifen. Keena stand stumm auf und half mir. "Beruhig dich doch," sagte sie kühl. "Es gibt nichts Unverzeihlicheres, als im Zorn in den Kampf zu ziehen- das kann fast sofort eine Niederlage bedeuten und im schlimmsten Fall den Tod." Ich warf ihr einen herrischen Blick zu -sie musste gerade reden!- aber nickte dann widerwillig. "Ja, ja, du hast ja Recht...hilf mir doch mal bitte mit diesem elenden Kettenhemd..."
 

Es war eine völlig andere Llienne, die hoch erhoben ins Freie trat. Ich erkannte mich selbst kaum wieder: Statt dem einfachen Hemd trug ich einen ungefärbten, aber stabilen und relativ leichten Schuppenpanzer, wie es für Hibernias Kämpfer üblich war. Die Äxte allerdings waren anderer Herkunft und wiesen deutliche Gebrauchsspuren auf, obwohl sich jemand die Mühe gemacht hatte, sie wieder herzurichten und zu schärfen. "Hibernia besitzt keine Äxte," flüsterte mir Keena zu, die meinen Blick bemerkt hatte. "Muss von irgend einem Leichenfledderer stammen." Ich verzog das Gesicht, sagte aber nichts, sondern trat Mikata entgegen, die mich schon mit einem gewohnt überheblichen Lächeln erwartete. Innerlich kam ich mir beinahe albern vor, gegen eine Person anzutreten, die soviel kleiner und -auf den ersten Blick- schwächlicher war als ich. Doch ich hütete mich, die Lurikeen zu unterschätzen- dass sie eine schmerzhafte Handschrift besaß, hatte ich ja schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. Unser Trainingskampf sollte auf dem Hügel vor Tir na nOgh stattfinden, und als ich der jungen Frau folgte, hörte ich sie leise lachen: "Ich hoffe, du weinst gleich nicht." Ich biss die Zähne zusammen und starrte bedächtig auf sie hinab. "Wir werden sehen, wer heult," sagte ich brodelnd. Sie lächelte nur. Ihren Hohn konnte ich verhältnismäßig gut ertragen, aber ihre so offensichtlich arglose Selbstsicherheit machte mir leicht zu schaffen. Warum befürchtete sie nichts, rein gar nichts? oder war das auch nur Teil ihres Spiels, um mich noch weiter zu verunsichern und sich eventuell Vorteile in unserem nun unausweichbaren Duell zu verschaffen? ich wusste es nicht. "Sag mal...warum hasst du mich eigentlich so?" fragte ich unvermittelt und gegen meinen Willen. Ihre Antwort fiel -welche Überraschung- schnippisch aus: "Ich hasse dich nicht, ich kann dich nur nicht leiden."

"Gut, warum kannst du mich nicht leiden?" und sag jetzt nicht 'Weil ich dich hasse', schoss es mir durch den Kopf- das hätte ich ihr ohne zu zögern auch noch zugetraut. Nichts dergleichen geschah, stattdessen schwieg sie einen Moment und knurrte dann: "Halt die Klappe und konzentrier dich lieber, oder willst du dich vor all dem Publikum zum Gespött machen?" ich blinzelte irritiert, sah mich um und musste schlucken: Mikata hatte recht. Wie auf einem öffentlichen Fest hatten sich mehr und mehr Leute zusammengefunden, um uns zuzusehen. Ein paar halbwüchsige Elfen, zwei Firbolg, die Kelten, die uns tagtäglich bewachten und einige Lurikeen, die ihrer Prinzessin zujubelten. Sie winkte stolz zurück und ich registrierte mit einem faustgroßen Klumpen in der Kehle, wie sie über mich nur verächtlich raunten, eine Lurikeen kicherte verdruckst und ein junger Elfenkrieger hob gar einen Finger an die Kehle und machte eine bezeichnende Geste. Rasch wandte ich den Blick wieder ab. Keena sah sich wütend um, ehe sie so laut brüllte, dass eine Elfe neben ihr fast ihren Jüngsten fallen ließ: "Nun aber, auf, Llienne! du packst das, schäl sie aus ihrer albernen Rüstung und zeig ihr, wie Midgarder kämpfen!" ich konnte nicht anders, als sie breit anzulächeln. Eine kleine Gestalt zwängte sich zwischen zwei merklich empörten Lurikeen hervor, stellte sich neben die Valkyn und sah sich einen Moment um, ehe sie mir aufmunternd zunickte. Ich spürte, wie meine Nervosität nachließ und lächelte Brakalu ebenfalls zu, ehe ich meine volle Aufmerksamkeit Mikata zuwandte, deren Miene sich merklich verfinstert hatte. "So, reicht das jetzt?" fragte sie kalt. Ich grinste humorlos. "Ich warte nur auf dich, Kleine." Ihre Augen verdunkelten sich bedrohlich und ihre Stimme klang schneidend: "Nur ein Trainingskampf!"

Ich nickte. "Ja."

"Also dann..." Mikata stellte sich in Positur, zückte ihr für meine Verhältnisse albernes kleines Schwert und hob gleichzeitig ihren viel zu großen Schild. Ohne ein weiteres Wort gingen wir aufeinander los. Ich umklammerte meinen Zweihänder und führte einen harten Schlag gegen sie, den sie im letzen Moment durch ein Hochreißen ihres Schildes abblockte. Zwar hatte ich nicht getroffen, sah aber befriedigt, wie die Lurikeen unter dem Zusammenprall zurückstolperte. Ich ließ ihr keine Chance, sich wieder zu fangen und setzte mit einem noch stärkeren Hieb nach. Abermals konnte sie blocken, doch dieses Mal verlor sie den Halt und setzte sich unsanft auf den Hintern. Die Menge raunte. "Hast du genug?" fragte ich kühl, die Axt schwingend. "Fahr zur Hölle!" grollte sie und warf sich herum. Mit einem geschickten Satz war sie wieder auf den Beinen- und sprang mich mit erhobenem Schwert an. Ich sah den wirbelnden Stahl, das tödliche Blitzen -Trainingskampf!?- und duckte mich in letzter Sekunde. So trennte die durch die Luft sausende Klinge nicht meinen Kopf, sondern den größten Teil meiner beiden Zöpfe ab. Durch ihren eigenen Schwung wurde Mikata beinahe von den Füßen gerissen und stolperte ohne alle Eleganz an mir vorbei. Mit einem gezielten Tritt half ich der Entscheidung, ob sie fallen sollte, oder nicht, nach. Abermals landete sie auf dem Allerwertesten, doch sie gab mir keine Zeit, zu triumphieren- stattdessen drehte sie sich blitzschnell zu mir herum, ohne sich aufzurappeln, umklammerte ihr Schwert mit beiden Händen und stieß mir die Spitze mit aller Gewalt in den Oberschenkel. Ich brüllte auf vor Schmerz- der Schuppenpanzer nahm dem Stoß zwar einen Teil der Wucht und mein Knochen wurde nicht zertrümmert, aber der plötzlich explodierte Schmerz war dennoch gigantisch. Mikata riss ihre Waffe zurück, sprang nun doch auf und holte zum entscheidenden Hieb aus. Da tat ich das, was schon längst überfällig gewesen war: Ich stieß einen seltsamen Laut aus, beinahe eine Art Zirpen- meine geistige Energie hüllte die Lurikeen ein und versetzte sie schlagartig in einen tiefen Schlummer. Ich trat ein Stück zurück, setzte mich und sang leise eine tröstliches Lied zu Ehren Bragis. Zwar verheilte die Wunde nicht und auch der Blutfluss verringerte sich nur geringfügig, aber ich hatte schon das Gefühl, als könne ich den Schmerz leichter ertragen. Etwas ungelenk rappelte ich mich auf, ehe die Wirkung des Zaubers nachlassen konnte. Voller Zorn starrte ich die schlafende Lurikeen an, trat an sie heran und zertrümmerte mit einem mörderischen Stoß und unter gewaltiger Kraftanstrengung ihren Schild. Klappernd stürzten die Teile zu Boden. Eine Frauenstimme rief irgend etwas, ich verstand die Worte nicht, aber der Tonfall war ängstlich und schrill- in diesem Moment ebenso süße Musik in meinen Ohren wie die von Bragi komponierten Lieder. Ich stimmte ein grimmiges Kampfgemurmel an, ehe ich der Lurikeen meine rauhen Kampfschreie entgegen schleuderte. Schlagartig wich ihre Benommenheit und mit einem schmerzerfüllten Laut wich sie zurück. "Stopp," rief sie, "aufhören! es ist nur ein Trainingskampf- Schluss, sage ich!" ich zitterte vor Zorn und hob die Axt. "Für deine feigene Verlogenheit sollte ich dir den Schädel einschlagen," sagte ich mitleidlos. Sie starrte mich an. "Ich..."

"Du hast verloren, sieh es ein. Gibst du auf?"

Stille war eingetreten. Alle starrten uns an. Brakalu hatte anerkennend die Arme vor der Brust verschänkt und Keena zitterte vor verhaltenem Triumph. Doch das sah ich nicht, meine Augen blieben auf die Königstochter gerichtet, die meinen Blick halb fassungslos, halb zornig erwiderte. "Nun?" fragte ich erneut, die Situation insgeheim auf bösartige Weise genießend, obwohl der Schmerz in meinem Bein noch immer scheußlich war. Mikata spuckte auf die Erde. "Schade," sagte ich kühl und schwang die Axt. Ein paar Leute schrien erregt und Mikata kniff die Augen zusammen. Als sie feststellte, dass ihr Kopf noch ganz war, öffnete sie sie vorsichtig wieder: Die große Axt hatte sich kein Fingerbreit neben ihr in den Boden gebohrt, der Stiel zitterte noch leicht von der Wucht, mit der ich die Waffe ins Erdreich getrieben hatte. "Nur ein Trainingskampf," sagte ich und wandte mich ab. Insgeheim rechnete ich damit, dass die junge Frau einen feigen Angriff von hinten starten würde -ich spannte mich sicherheitshalber- doch Mikata hockte geschlagen auf der Erde. Ohne eine sichtbare Verletzung, aber trotzdem besiegt, ließ sie den Kopf hängen und blickte voller Scham zwischen ihre Beine. Einen Moment war es noch still, dann erhob sich, außer sich vor Wut, die Stimme eines Lurikeen: "Fauler Zauber! Prinzessin Mikata hat noch nie ein Duell verloren!" die Elfe mit ihrem Kind stimme mit ein: "Das war übles Teufelswerk aus Midgard! tötet sie, sie wird von bösen Gottheiten gelenkt!" ich sah mich entsetzt um. Tatsächlich bewegten sich die beiden Firbolg, die Keltenwächter und eine Gruppe Jungelfen auf mich zu. Die meisten hatten keine Waffen, doch in ihren Augen glimmerte die Rachsucht. Völlig aussichtslos für mich. Keena stieß einen entrüsteten Schrei aus. "Feiges, verlogenes Volk, ihr könnt es nur nicht vertragen, dass eure dumme Göre von Prinzessin einmal einen ehrlichen Kampf verloren hat! wahrscheinlich habt ihr sie vorher immer absichtlich gewinnen lassen, darum hatte sie auch so ein großes Maul!" ihre Worte wechselten über in ein schmerzerfülltes Fauchen, als ihr jemand mit dem Handrücken über den Mund schlug. Brakalu sah sich erschrocken um und wurde von einer Seite zur anderen gedrängt, denn die Vergelter traten sich in der Hast, mich zu packen, beinahe selbst auf die Füße. Mit einem Ruck zog ich die Axt aus dem Boden, warf mein kurzes Haar in den Nacken und blickte mich wild um. Wenn mein Leben nun doch ein so jähes Ende finden sollte, dann wollte ich mich wenigstens verteidigen können. Ich war umzingelt, rechnete schon mit dem ersten Angriff, als eine volle, klare Stimme scharf alles andere übertönte: "Ihr hört sofort auf, sofort!"

Augenblicklich erstarrten die Hibernianer. Ein junger Lurikeen fand als erster seine Sprache wieder. "Eure Hoheit, Majestät," setzte er an, doch eine schallende Ohrfeige des Königs schnitt ihm augenblicklich das Wort ab. "Was haben Wir gesagt?" fragte Mikatas Vater mit eisiger Stimme. "Diese jungen Midgarder sind Unsere Gäste. Und wie behandelt ihr sie? zu..." er überblickte kurz seine Untertanen, "gut zwei dutzend Leuten auf einen einzigen Gegner, der nicht einmal ist...das ist erbärmlich, mehr als erbärmlich." Der Geohrfeigte versuchte einen letzten Anlauf: "Bitte, Majestät, es war so, diese Hexe," er deutete anklagend auf mich, "hat Eure Tochter, die königliche Prinzessin Mikata, mit faulem..." erneut hob der alte Lurikeen die Hand und der Jüngere duckte sich ängstlich. "Fauler Zauber sagst du? interessant, sehr interessant. Wir haben den kurzen, aber eindrucksvollen Kampf mitverfolgt, mein Junge. Hier kann von Betrug und schmutzigen Tricks keine Rede sein." Sein ganzer Zorn entlud sich jetzt auf den unglücksseligen Lurikeen und dieser fing sich prompt zwei weitere klatschende Schläge auf die Wange ein. "Geht, geht Uns aus den Augen! alle!" donnerte der König. "Geht in eure Häuser und schämt euch für heute, Hibernianer zu sein. Los, verschwindet, sofort!" sie gehorchten ausnahmlos, schlichen fort wie geprügelte Hunde und ließen die Köpfe hängen. Bald befanden sich nur noch Keena, Brakalu und ich auf dem Hügel. Mikata drehte sich um und wollte den anderen eilig folgen, doch die schneidende Stimme ihres Vaters ließ sie zusammenfahren und stehenbleiben: "Du bleibst hier!" Mikata wand sich wie unter Schmerzen und trottete zu uns zurück. Der Blick, den sie mir zuwarf, war mehr als nur hasserfüllt. Eine ganze Weile musterte der König seine Tochter nur, während mir die Kraft aus dem verletzten Bein wich und mich veranlasste, mich ungelenk ins Gras sinken zu lassen. Ich murmelte erschöpft mein wohltuendes, schmerzlinderndes Lied und betastete gleichzeitig vorsichtig meinen Oberschenkel. Dieses falsche Biest, soviel zu ihrem Trainingskampf. Hätte ich keine Kettenrüstung getragen, hätte mich die Attacke wahrscheinlich das Bein gekostet. Der König folgte meinem Blick, ehe sein Kopf zu der nunmehr sehr niedergeschlagen wirkenden Prinzessin herumruckte. "So, Mikata," sagte er leise und musterte sie aus leicht verengten Augen. "Willst du mir erklären, was du dir nur dabei gedacht hast, Llienne zu einem solch unsinnigen Duell herauszufordern? du hättest sie töten können- und sie dich ebenso. Was, um Himmels Willen, sollte das?" die Prinzessin scharrte unbehaglich mit ihrer Stiefelspitze. "Ich..." setzte sie an, biss sich auf die Lippen und brach wieder ab.

"Nun? sprich ruhig weiter."

Da stieß die junge Frau zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: "Eure...Eure Gäste, wie Ihr sie nennt, sind unsere Feinde! aber trotzdem leben sie hier, essen unser Brot und trinken unseren Wein...sie...sie kommen hierher und jeder schenkt ihnen Aufmerksamkeit und Ihr bemüht Euch wegen Murdaigean so sehr um sie...warum wollt Ihr Midgarder," sie spie das Wort regelrecht aus, "warum wollt Ihr ausgerechnet Midgarder schicken und nicht mich? das ist nicht fair." Erstaunt sah ihr Vater sie an. "Woher weißt du überhaupt von Murdaigean?" fragte er scharf. Mikata wurde blass und sah schnell zur Seite. "Ich...ich...gut, ich gebs zu, ich habe gelauscht, als Ihr davon gesprochen habt," sagte sie nach einem merklichen Moment des Zögerns. Das war eine Lüge, ich spürte es instinktiv. Warum ich mir da so sicher war, konnte ich nicht genau sagen, aber ich hätte einen Eid darauf geschworen, dass Mikata ihren Vater anlog. "Verstehe ich das richtig? du warst eifersüchtig?" fragte der König ungläubig. Mikata senkte nur reumütig den Kopf. Neben mir hörte ich Keena verächtlich schnauben. Ein kurzer Blick in ihr Gesicht bestätigte mir, dass die Valkyn der Prinzessin ebenso wenig glaubte wie ich. "Hhmmm," machte der König. Stirnrunzelnd sah er auf den demütig gesenkten Schopf seiner durch und durch zerknirscht wirkenden Tochter herab. "Also gut," sagte er versöhnlich. "Es ist ja noch einmal gut ausgegangen. Du wirst dich jetzt bei Llienne entschuldigen und mir schwören, dass du solche Dummheiten nicht wieder machst!" sie drehte sich zu mir um und ihr Gesicht war völlig ausdruckslos, nur ihre Augen schimmerten kalt. Ihre Stimme dagegen war umso reumütiger, als sie kurz das Haupt vor mir neigte: "Bitte verzeiht mir mein Betragen, Llienne. Ich werde Euch nicht mehr belästigen und bitte Euch um Entschuldigung für mein dummes Verhalten." Keena schnaubte nochmals, was ihr einen missbilligenden Blick des Königs einbrachte. Ich hingegen betrachtete abschätzend das Gesicht der Lurikeen. Auch diese Worte waren nicht ernst gemeint, das spürte ich. Sie hasste mich nach wie vor und diese Niederlage war eine Demütigung, die sie mir gar nicht verzeihen konnte- und die höchstwahrscheinlich nicht ungesühnt bleiben würde. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der König mit einem Anflug von Unmut die Arme vor der Brust verschränkte, und so gab ich nach: "Es ist gut, Prinzessin. Vergessen wir, was war- ich nehme die Entschuldigung an." Mikata nickte und schenkte mir ein Lächeln und einen eisigen Blick. Der König klatschte kurz in die Hände. "Na also, damit wäre das dann doch noch geklärt. Ich verlasse mich auf euch beide," er sah mahnend von Mikata zu mir und wieder zurück, "und ich schätze es überhaupt nicht, wenn mein Vertrauen enttäuscht wird. Nun denn, ich kehre in den Palast zurück. Wehe, ihr geht aufeinander los, wenn ich gerade nicht hinsehe." Er schmunzelte, doch ich war mir nicht sicher, ob die Worte wirklich so scherzhaft gemeint waren. Ich schluckte kurz und starrte ihm nach. Innerlich hatte ich gerade endlich einen Entschluss gefasst. Ich wollte nicht einen Tag länger mit seinem Ungetüm von Tocher verbringen, ich wollte endlich aus diesem fremden Land raus und ich wollte auch die immer beinahe körperlich schmerzenden Blicke der Hibernianer nicht mehr sehen. Es machte mich krank, verfolgte mich sogar in meinen Träumen. Und wenn es nur eine Möglichkeit war, um all dem ein Ende zu setzen...

"Ah...Eure Hoheit?" er blieb stehen und sah mich fragend an. "Mh?" ich holte tief Luft, trat zu ihm und beugte langsam das unverletzte Bein. Keena verfolgte mein Tun mit großen Augen und ich hörte, wie sie leise ein paar Worte mit Brakalu wechselte. Ich beachtete die beiden nicht. "Eure Hoheit," sagte ich mit fester Stimme, "ich habe mich entschieden."

"Ah? und was genau meinst du, mein Kind?"

"Ich habe meine Meinung geändert. Ich werde für Euch nach Murdaigean reisen."



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