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Schwarz und Weiß

von

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Schwarz und Weiß

Es gibt kein Schwarz oder Weiß. Es gibt immer nur Grau. Mal mit mehr Schwarz, mal mit mehr Weiß. Aber es gibt kein reines Schwarz und kein reines Weiß. Nur Grauschattierungen.
 

Langsam legte Jessie den Hörer auf. Sie wandte dem Telefon den Rücken zu und ging zum Fenster. In zehn Minuten würde er also hier sein.

„Zehn Minuten...“ flüsterte sie leise. Dann schwieg sie und blickte hinunter auf die Straße. In Gedanken ließ sie das Gespräch noch einmal Revue passieren.
 

„Ich muss dich sehen, Jessie.“

Er hatte sich noch nicht einmal mit Namen gemeldet, doch sie hatte ihn eh sofort an der Stimme erkannt. Das wusste er. Er wusste immer alles über sie.

„Warum? Warum jetzt auf einmal?“ hatte sie ihn gefragt.

„Weil ich dich vermisse. Ich habe dich nicht vergessen, Jessie. Niemals... Weißt du noch, wir haben doch immer von einer Zukunft geträumt... Davon wegzulaufen... Alles hinter uns zu lassen... Nur noch wir zwei...“

Jessie hatte seiner Stimme gelauscht und wieder einmal war sie versucht, seinen Worten zu glauben und zu vertrauen. Aber konnte sie das? Sie hatte es noch nie gekonnt, obwohl sie es immer versucht hatte. Warum denn jetzt? Gäbe es dazu irgendeinen Grund?

„Okay...“ hatte sie geantwortet. „Okay...“
 

Langsam lehnte Jessie die Stirn gegen das kalte Fensterglas. Sie schloss die Augen und stellte sich sein Gesicht vor. Die dunkelbraunen, warmen Augen. Das schwarze, leicht gelockte Haar. Die stets gebräunte Haut. Die weißblitzenden Zähne. Die schlaksige Gestalt. Die warme Haut, die sie immer so gern berührt hatte. Die weichen Lippen, die sie immer so gern berührt hatte...

Jessie seufzte leise.

„Alex...“ murmelte sie leise, so wie man seine Lieblingsspeise probiert, nachdem man sie sehr lange nicht mehr gegessen hat.

„Alex.“

Ihr Stimme wurde weicher. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.

„Verdammt...“ schluchzte sie. „Verdammt, Alex, verdammt! Was tauchst du hier wieder auf? Warum lässt du mich nicht einfach mein Leben leben? Du und ich – das ging doch noch nie gut! Das wird es auch diesmal nicht – ganz gleich, was geschieht!“

Die Tränen rannen ihr sturzbachartig die Wangen herunter. Sie barg das Gesicht in den Händen und sank langsam auf die Knie.

Du brichst mir doch nur wieder das Herz... Du wirst es wieder tun – und dann wirst du wieder zurückkommen. Dann, wenn ich es gerade überstanden habe. Du hast doch immer dieses Timing. Das wird sich wohl nie ändern, was? Verdammt, Alex...

Jessie rollte sich auf dem weichen Teppichboden zusammen und schmiegte sich an die warme Heizung. Wärme, genau das, was sie jetzt brauchte.

Das kastanienbraune Haar fiel ihr über das Gesicht. Sie hatte die blauen Augen geschlossen und atmete ganz flach. Vielleicht konnte sie ja jetzt einfach sterben. Dann wäre es alles doch so viel leichter... Aber das wollte sie ja gar nicht. Sie spürte schon wieder, wie sich die Schmetterlinge in ihrem Bauch breit machten. Das Kribbeln der Anspannung, der Vorfreude, der Aufregung auf die baldige Begegnung kroch ihr durch die Adern.

Alex – boy of summer. Sommerkind. Immer trug er die Sonne mit sich. Das Feuer des Sommers, seine Wärme und seine Unbeschwertheit.

Langsam spürte sie, wie sich ihre Mundwinkel hoben und sie wusste, dass sie langsam wieder lächelte. Jessie seufzte leise und wischte sie die Tränen vom Gesicht. Dann stand sie auf und ging ins Bad.

Sie wusch sich das Gesicht, da sie nicht wollte, dass Alex die Tränenspuren sehen würde. Anschließend blickte sie sich lange ins Gesicht. Tief versank sie im Anblick ihrer eigenen Augen.

Willst du es noch einmal versuchen? Willst du ihm wirklich noch einmal trauen?

Sie schloss erneut ihre Augen und lauschte schweigend dem Rauschen in ihren Ohren und dem sanften Pochen ihres Herzens. Sie liebte Alex noch – das stand außer Frage. Das hatte sie nie in Frage gestellt – und er genauso wenig.

„Ich liebe ihn,“ sagte sie langsam und öffnete dabei die Augen. „Aber kann ich mit ihm leben? Können wir zusammen leben?“
 

Es klingelte. Jessie strich sich energisch das Haar aus dem Gesicht und blickte sich noch einmal fest in die Augen. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Ungeduldig klingelte es noch einmal.

„Ich komme!“ rief sie und ging zur Tür.
 

Es gibt kein Schwarz und kein Weiß. Es gibt immer nur Grau. Mal mit mehr Schwarz, mal mit mehr Weiß. Aber es gibt kein reines Schwarz und kein reines Weiß. Nur Grauschattierungen. Aber manchmal kann man sich sein Grau selbst zusammenmischen. Mit mehr Schwarz... Oder mit mehr Weiß...Man muss einfach nur die richtige Entscheidung treffen...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-05-28T16:52:56+00:00 28.05.2007 18:52
Genial! Klasse Story..
Super geschrieben und alles..
Ich finds auch sehr gut, dass du das ende offen gelassen hast..
Wirklich ein großes Lob von mir!
lg
Von:  Himeka
2007-03-15T17:33:17+00:00 15.03.2007 18:33
oh miiiii miiiii miiiiiiiiiiiiiiiiiii!
weißt du was?
diese story ist Klasse! Sie ist super mega genial!
Wenn ich mal wieder an irgendetwas zweifle, werde ich sie lesen und garantiert die richtige entscheidung treffen ^___^
ich glaube ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr mir die geschichte gefällt...
*knuddel*


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