Ich lief den beinah erstarrten Bahnsteig entlang, der, wie im Zeitlupentempo, farblos an mir vorüberzog. Kalt und leblos fühlte er sich an, und etwas Todtrauriges, unendlich Tragisches lag in der Luft, das mir langsam die Kehle zuschnürte. Heiße Tränen liefen mir über die gefrierenden Wangen, die eisigen Wölkchen meines flachen Atems schlugen mir kristallen ins Gesicht.
Plötzlich wurde das einheitlich blasse Grau durchbrochen, harsch durchtrennt von einem blauschwarzen Klumpen. Meine Tränen erstarrten zu Eis. Verschleierten meinen Blick. Ließen den toten Bahnsteig noch mehr gefrieren. Ich wollte anhalten, seinen leblosen Körper berühren – den Körper meines einzigen Freundes in dieser tristen, trostlosen Welt. Doch ich konnte nicht. Meine Beine trugen mich einfach an ihm vorbei.
In eben diesem Augenblick, als meine schweren Schritte das zerrissene, zerzauste Schwarz hinter sich ließen, spürte ich etwas an meiner Schulter. Es war nur ein Lufthauch, doch trug er mir das Wertvollste in dieser Welt zu. Ich zog nur eine hässliche, verklebte Feder aus meinem Haar, doch diese Feder flüsterte mir zu: „Ich bin für dich da!“
Auf einmal löste sich die Starre, erlöste den Bahnsteig wie mich. In Gedanken dankte ich ihm ein letztes Mal, dem einzigen Trost in der schwarzen Gestalt eines Raben, der mir selbst dann noch etwas so unscheinbar Wertvolles gesandt hatte, als er seine gebrochenen Schwingen über den leblosen Boden spreizte.
Mit einem Mal umfing mich eine goldene Wärme, die mir auf weißen Engelspfoten folgte. Sie legte ihren zarten Arm um mich und wisperte mir in sanften sprachen ins Ohr. Ich verstand nicht, die Worte zu deuten, doch spürte ich ihren liebenden Klang, die heilende Wirkung, den tröstlichen Sinn.
Nun konnte ich ihr Gesicht erkennen, sah das smaragdgrüne Lächeln ihrer zärtlichen Augen, vernahm die weiche Bewegung der goldenen Worte: „Folgen wir trotz dieser Dinge unseren leitenden Wegen, ziehen vorüber, so gern wir auch hielten. Doch geh lieber weiter, hüte dich vor den Weichen aufs Abstellgleis!“
