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Bergnebel

von

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Überlegungen

Überlegungen
 

Lyrux wusste nicht was er tun sollte. Einerseits war ihm Lienna nicht mehr so wichtig wie früher – andererseits konnte er den Gedanken nicht ertragen, dass Elar gewinnen und Lienna für sich erobern würde, wo Lyrux doch solange um sie gekämpft hatte. Er starrte noch immer auf die Hufspuren die Liennas und Elars Pferd im nassen Schnee hinterlassen hatten und wartete darauf, dass Sheena etwas sagte. Doch sie stand nur da und schien ihn nicht zu beachten. Lyrux fuhr sich durchs Haar um die Schneeflocken abzuschüttlen, die darauf gelandet waren.
 

Sheena bewegte sich plötzlich wieder – sie warf das Feuerholz auf den Boden und bestieg ihr Pferd. Lyrux bedachte sie mit einem verwunderten Ausdruck im Gesicht, als verstehe er nicht, was sie vorhatte.
 

„Du willst ihnen doch nicht etwa hinterher?“, fragte er ungläubig und ritt auf ihre Höhe. „Sie werden schon wiederkommen, wenn ihnen kalt wird. Und dann werden sie sich auch wieder bei mir entschuldigen.“
 

„Sich bei dir entschuldigen?“, erwiderte Sheena mit ärgerlicher Stimme und blickte ihn mit ernsten Augen an. „Vielleicht solltest du dich bei ihnen entschuldigen.“ Lyrux riss empört den Mund auf. War Sheena nicht immer auf seiner Seite und seiner Meinung gewesen? Warum sagte sie jetzt so etwas? Lyrux wusste selber, dass er übertrieben und irgendwo auch Unrecht gehabt hatte, doch jetzt wo sie es aussprach wurde es ihm erst richtig klar. Schludbewusst senkte er den Kopf und hoffte, dass sie nicht bemerkte wie er rot wurde. Doch dann spürte er, wie sie ihm ihre Hand unters Kinn hielt und seinen Kopf nach oben richtete, so dass er ihr in die Augen blicken konnte. Es wunderte ihn, dass Sheena lächelte.
 

„Denk daran, Lyrux,“, sagte sie leise und kam seinem Gesicht sehr nahe, „denk daran, dass du nicht der einzige Zauberer bist, der auf Donara lebt. Du musst Liennas und Elars Gefühle akzeptieren. Elar hatte Angst und du weißt genau warum! Das hatte nichts mit Magie zu tun sondern mit seiner Verletzung und damit, dass er seinen Vater nicht enttäuschen will. Ich finde, wir sollten den Beiden nachreiten und sie zurück holen. Wir müssen zusammenhalten und keiner sollte allein wandern!“ Lyrux atmete einmal tief ein und aus, dann wandte er den Blick in die Richtung der Hufspuren und spornte sein Pferd an. Er sah nicht, wie Sheena lächelte, als er sich aufmachte, sich zu entschuldigen. Er hörte nur, wie sie ihm folgte, so wie ein Hund seinem Herrchen.
 

Nach einer Weile beugte sich Lyrux von seinem Pferd hinunter, um den Boden nach weiteren Fußspuren abzusuchen. Er entdeckte Elars und schräg daneben die von Lienna – beide mit großen Abständen zwischen den Hufaufschlägen. Er schüttelte den Kopf. War Elar Lienna so wichtig? Wichtiger als er ihr war? Schnell vertrieb er den Gedanken und bedeutete Sheena ihm zu folgen. Sie ritten schweigen nebeneinander her und das einzige was sie hörten, war der Wind, der die Flocken um ihre Ohren wirbelte und sie in der Luft tanzen ließ. Mit der Zeit, wurden sie immer dicker und größer und Lyrux hatte Schwierigkeiten den Weg weiter vorne zu erkennen. Um ein Haar, hätte er die Kreuzung nicht bemerkt, die sie soeben erreicht hatten. Schnell sprang er vom Pferd und untersuchte den Boden. Alle Spuren führten nach links, also schlugen auch Sheena und Lyrux diese Richtung ein. Nur der Zauberin waren die zwei anderen Spuren aufgefallen, die schräg aus dem Dickicht auf die Kreuzung geführt hatten. Elar war nicht allein gewesen, das wusste sie.
 

Als der Schnee so dicht war, dass man kaum noch die Hand vor Augen sehen konnte, hielten Lyrux und Sheena an. Sie schoben den Schnee ein wenig beiseite und breiteten eine Decke auf der fei gewordenen Fläche aus, bevor sie sich setzten. Lyrux holte einen Brotkanten aus seiner Tasche und teilte ihn sich mit Sheena. Schweigend saßen sie da und ließen sich ein wenig von ihren Pferden vor dem schräg fallendem Schnee schützen. Es war kalt, der Himmel war grau und ließ keine einzigen Sonnenstrahlen durch das Wolkendach auf Donara herab scheinen.
 

Sheena und Lyrux setzten sich ihre dicken Wollkaputzen auf und banden sich weitere Schals um ihre Hälse, damit die Kapuzen nicht sofort wieder herunter rutschten. Nach einer Weile wurden die Flocken weniger und kleiner und Lyrux und Sheena trabten weiter. Sie folgten dem geraden Weg weitere Minuten, bis sie auf eine große Lichtung kamen. Lyrux sah sofort, dass hier etwas nicht stimmte. In der Mitte der Lichtung war der Schnee niedriger und nur von dem so ebend gefallenen Schnee bedeckt, fast als hätte jemand dort vor einer Weile ein Feuer ohne Holz entzündet. Rasch stieg Lyrux ab und rannte auf der Lichtung hin und her, während Sheena im Sattel sitzen blieb. Erschrocken entdeckte Lyrux im weißen Schnee Blutstropfen und in einer anderen Ecke lag Elars Schwert. Er untersuchte die Spuren im Schnee – alles deutete auf einen Kampf hin und Elar und Lienna waren beide hier gewesen. In Lyrux Kopf überschlugen sich die Gedanken. Es konnten nur die Zauberer gewesen sein, die hinter Elar her waren und als Lienna ankam hatten sie sich auch gleich um sie gekümmert. Als er sich rasend umwandte, stand Sheena hinter ihm und blickte traurig auf Elars Schwert, welches Lyrux in den zitternden Händen hielt.
 

„Sie haben sie mitgenommen, nicht wahr?“, fragte sie und Lyrux riss verwirrt die Augen auf.
 

„Mitgenommen? Vielleicht sogar getötet!“, schrie er und warf Elars Schwert voller Wut so weit er konnte auf die Lichtung. Sheena schüttelte wissend den Kopf und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
 

„Hätten sie sie getötet, hätten sie sie hiergelassen und nicht mitgenommen. Sie müssen noch am Leben sein – aber in ihrer Gewalt.“, sagte sie und blickte sich nach weiteren Spuren um, die sie zu den Zauberern führen könnten.
 

„Hätten wir uns nur nicht so viel Zeit gelassen.“, flüsterte Lyrux und ballte die Hände zu Fäusten – er machte sich schreckliche Vorwürfe. Er war Schuld, dass die Zauberer sie geschnappt hatten! Er hatte den Streit begonnen und Elar beleidigt und Lienna verjagt! Er allein. Verzweifelt sank er auf den nassen Boden und fuhr sich stöhnend durch die blonden Haare. Er spürte, dass Sheena neben ihm stand und darauf wartete, dass er wieder aufstand. Es schien sie wohl gar nicht zu berühren.
 

„Wir werden sie suchen, Lyrux.“ Er stand mühsam auf und blickte sich mutlos um.

„Und wo sollen wir anfangen?“
 

„Wir folgen ihren Spuren. Sie sind nach Norden gegangen.“, meinte Sheena und zeigte ihm die Spuren, die sie im Dickicht entdeckt hatte. Lyrux holte tief Luft und nickte dann mit zugeschnürter Kehle. War ihm Lienna doch noch so wichtig? Und Elar auch? Schnell holte er dessen Schwert wieder und hielt nach ihren Pferden Ausschau, konnte sie jedoch nirgendwo entdecken. Entweder waren sie weggelaufen, oder die Zauberer hatten sie mitgenommen. Noch einmal fuhr sich Lyrux durch die Haare und seufzte.
 

„Mach dir keine Vorwürfe, Lyrux.“, versuchte Sheena ihn zu trösten. „Du kannst ganz gewiss nichts dafür.“ Er nickte und wenig später hatten sie ihre Pferde bestiegen und folgten den fast schon eingeschneiten Hufspuren nach Norden.



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