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Die Unterwerfung der Geister

von

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Kapitel 3

Disclaimer: Gehört alles mir.
 

So…da ich bald meinen Klausurenmarathon beginne (um genau zu sein: von Mittwoch nächster Woche bis zum 15. Dezember) kann es etwas dauern, bis ich wieder zum uploaden komme. Ich hoffe, ich finde gelegentlich Zeit zum schreiben, garantiere aber für nichts. >_<
 

So, dann hoffe ich, mal, dass das Kapitel gefällt.

Mein Dank geht, wie immer, an meine Betaleserin ^^
 

_______________________
 

Kapitel 3
 


 

„Was gestern die Formel für den Erfolg war, wird morgen das Rezept für die Niederlage sein.“ – Arnold Glasow
 


 

Das war alles nur ein Traum.

Wirklich.

Sie waren nicht tot. Sie hatten ihn weggeschickt und regierten nun Pheneox.

Er war die Reserve. Man würde ihn nie brauchen. Er war eigentlich Unnütz. Er war nun in Varion, schlug sich mit depressiven oder aufgedrehten verzogenen Menschen herum.
 

Toskar würde ihm heute wieder auf den Geist gehen, so wie er jeden Tag und bei jedem Tat. Sein so genannter Mentor hatte sich garantiert wieder irgendeinen sinnlosen Zeitvertreib ausgedacht, damit er nicht auf dumme Gedanken kam.

Wenn er Glück hatte, kam heute ein Brief seiner Cousine an. Wenn er Pech hatte, einer von seinem Vater. Wenn er noch mehr Pech hatte, so wie es häufig der Fall war, was Briefe anging, so würde heute gar nichts für ihn ankommen.
 

Die Tür wurde aufgerissen und fiel laut quietschend zurück ins Schloss. Schlagartig öffnete Faris die Augen und versuchte sich aufzusetzen. Es ging nicht, ein kurzer Blick nach oben zeigte ihm, dass seine Handgelenke an den Holzpfosten seines Bettes gefesselt waren.

Er keuchte, die Augen weiteten sich vor Schreck. Hastig sah er sich um. Sein Blick fiel auf die Person vor seinem einfachen, alten Holzbett an dessen kurze Pfosten er gekettet war, die ihn mit einer gehobenen Augenbraue gelassen musterte und schweigend seinem Treiben zugesehen hatte.
 

Es war Lethen.

Faris schluckte.

„Gut, dass du wach bist, muss ich dich nicht wecken.“, begrüßte er ihn mürrisch und kam dann auf ihn zu. Er setzte sich an den Rand des Bettes, stützte sich mit einer Hand neben Faris rechter Seite ab und seufzte. „Hör mal: ich nehm’ dir jetzt die Fesseln ab. Bei der kleinsten falschen Bewegung allerdings, schlag ich dich nieder, denn ich habe weder die Lust, noch die Zeit, mit dir noch ’ne Runde Verstecken zu spielen. Hast du das verstanden?“ Der warnende Blick Lethens ließ Faris eifrig nicken. Zu gut spürte er noch die Schmerzen vom vorherigen Abend.
 

Unwillkürlich zuckte er zusammen, als er die Fesseln löste und dabei mit seinen Händen Faris Haut streifte. Danach stand er auf und bedeutete Faris, ihm zu folgen.

Sich die Gelenke reibend tat dieser wie ihm geheißen, ging die Treppe zusammen mit Lethen hinunter.
 

Kaum hatte er den Fuß von der letzten Stufe gehoben, schallte auch eine ihm wohlbekannte Stimme durch die Schenke.

„Nein, sieh sie dir an! Wird das mal süße Kinder geben!“

Faris mochte Faturo nicht. Alleine schon, weil er keinen Humor hatte. Beziehungsweise einen schlechten.

Zähneknirschend folgte er Lethen zu dem Tisch, an dem Faturo, sowie die braunhaarige Frau von gestern und noch zwei andere Männer saßen die sie anfeixten.

Ein kurzer Blick zu Lethen zeigte ihm, dass er den Scherz auch nicht für sonderlich gelungen hielt.

Sie setzten sich. Faris saß nun zwischen der Frau und Lethen, ihm gegenüber war Faturo.
 

Sie waren die einzigen Gäste, stellte Faris irritiert fest. Ein kurzer Blick zum Fenster sagte Faris, dass es früher Morgen war. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch das Dunkel der Nacht verflog allmählich.
 

„Ich will dir ein Angebot machen, Faris.“, begann Faturo und sah ihm forschend in die Augen.

Irritiert erwiderte Faris den Blick und runzelte die Stirn.

„Diese Söldner waren hinter dir her und das nicht, weil sie dich so unglaublich sympathisch fanden, wie du sicher gemerkt hast. Allerdings werden garantiert mehr Leute hinter dir her sein, wenn man dich jetzt gehen ließe. Sobald allerdings Lethen den Schwur mit dem Schutzgeist erneuert hat, wirst du absolut uninteressant für sie sein.“ Er machte eine kurze Pause. „Und für uns.“

Faris schwieg und dachte über die Worte nach. Er hatte Recht, bisher. Aber was hatte das mit ihm zu tun? Fragend hob er eine Augenbraue an.
 

„Sobald also Lethen diesen Schwur erneuert hat, brauchen wir dich nicht mehr. Die Ehe wird aufgelöst und du kannst gehen. Wir lassen dich frei, wenn du uns geholfen hast. Danach werden wir dich nicht weiter behelligen. Wenn du mitmachst und aufhörst dich gegen unsere Anweisungen zu stellen. Es ist mir egal, was du von uns denkst. Es ist mir egal, was du von unseren Plänen hältst, ich verlange nur von dir, dass du mit uns kooperierst. Dir wird nichts geschehen, das schwöre ich dir.“

Faris kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum und blickte die Tischplatte vor sich an.
 

Unschlüssig über das, was er von dem Angebot halten sollte und ob er wirklich darauf eingehen sollte, verharrte er im Schweigen, sodass Faturo wieder das Wort ergriff.

„Denk nach, Faris! Warum sollten wir dich danach töten? Das wäre absolut unnötig.“

Verächtlich schnaubte der junge Adelige und sah Faturo spöttisch an.

„Es wäre ein gutes Zeichen. ‚Keiner der alten Dynastie lebt mehr. Jetzt kann was Neues beginnen.’ Oder so was, keine Ahnung…“ Er schüttelte den Kopf und betrachtete wieder still die Tischplatte.

„Es ist Zeichen genug, dass der Rest deiner Familie nicht mehr lebt.“, gab Faturo ärgerlich zurück.

Faris sah auf. Ihm war etwas eingefallen. „Wann werden sie überhaupt beerdigt werden?“
 

Stille.
 

Plötzlich brach schallendes Gelächter unter den anderen aus.

Faris zuckte zusammen und blickte die anderen irritiert an. Lethen klopfte ihm lachend auf den Rücken, so dass Faris fast mit dem Oberkörper auf die Holzplatte vor ihm geknallt wäre. Er stützte sich schnell mit den Händen an und beobachtete dann, wie Lethen sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte.
 

Nachdem alle sich wieder gefangen hatten, erklärte Faturo den Lachanfall der Beteiligten, wobei er weiterhin ein amüsiertes Grinsen zur Schau trug.

„Junge, die werden nicht beerdigt! Wir wären schön blöd, wenn wir sie für den Scheiß den die angestellt haben auch noch Ehren würden. Die werden verbrannt und gut is’!“

Die Frau neben ihm kicherte leise.

Entsetzt starrte er Faturo mit aufgerissenen Augen an. „Und wie soll ich mich von ihnen Verabschieden?“, fragte er dann eher sich selbst als Faturo.

„Na bevor sie brennen.“, erwiderte dieser lapidar.

„Dann mach ich das nicht.“, kam prompt Faris’ Antwort. „Diese Dynastie war nicht von Grund auf schlecht. Wenn ihr sie verbrennt, verbrennt ihr auch die letzten Nachfahren die das Blut von Rumas in sich tragen. Und war der schlecht?“
 

Er ballte die Hände zu Fäusten und funkelte Faturo böse an. „Wenn er nicht gewesen wäre, würde es dieses Land nicht geben. Es wäre den anderen Ländern zum Opfer gefallen und Pheneox wäre zerteilt worden wie Kuchen, von dem jeder ein Stück abhaben will. Wäre euch das lieber gewesen?!“ Ungläubig schüttelte er den Kopf und kicherte leise.

„Nein. Wenn ich schon den Typen da heiraten soll, dann zu meinen Bedingungen! Ich will-“
 

„Was bildest du dir ein?!“ Scharf durchschnitt die Stimme Lethens seine Antwort. Ein Blick zu jenem zeigte Faris, dass er wirklich wütend zu sein schien. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden, zornig starrte er ihn an.

Faris wich schon mal etwas von ihm weg.
 

„Deine Familie hat dieses Land freiwillig aufgeben wollen! Hätten wir sie nicht umgebracht wären wir längst ein Teil eines anderen Reiches geworden.“, fauchte er ihn an.

„Außerdem…“, mischte sich nun die Frau ein, „war es deiner Familie wirklich scheißegal, wie es dem Volk geht. Zu viele würden den kommenden Winter nicht überleben, wenn wir jetzt nichts tun. Und dein werter Herr Papa wollte nichts tun. Glaub uns, wir lügen dich nicht an. Zur Not zeige ich dir die Unterlagen.“

„Vergiss nicht in welcher Position du dich befindest, Faris.“ Lethen starrte verbissen die Hand an, die auf dem Tisch ruhte. „Wir können dich in Pheneox auch ans Bett fesseln, damit du keinen Scheiß baust.“

„Das Angebot ist nur zu deinem Besten und erspart uns eine Menge Scherereien.“, fügte Faturo hinzu und lächelte ihn an.

Faris war verwirrt. Nicht nur, dass er das alles nicht gewusst hatte, er wusste nicht mehr, was er tun sollte. Das Angebot klang akzeptabel, doch konnte er ihnen überhaupt trauen? Und er wollte nicht, dass seine Familie einfach verbrannt wurde.
 

Er schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht.“ Flüsterte er geistesabwesend.

Lethen stöhnte entnervt auf, von den anderen war ähnliches zu hören.

„Wieso?“, fragte er energisch, ein genervter Unterton schlich sich in die Frage ein. Er schien diese Unterredung Leid zu sein.

„Es sind meine Eltern. Und meine Onkeln und Tanten und Cousinen und Cousins. Es-“ Hilfesuchend blickte er Faturo an. „Was würdest du sagen, wenn man deine Familie verbrennen wollte? Würdest du dem zustimmen?“
 

Der Angesprochene seufzte nach wenigen Augenblicken schwer und ließ den Kopf hängen. „Nein. Wahrscheinlich nicht.“, gestand er dann und tauschte mit den anderen am Tisch verschwörerische Blicke aus.
 

„Na ja.“, meinte nun einer der beiden für Faris unbekannten Männer. „Wir könnten auch so tun, als ob wir sie verbrennen und in Wahrheit sie irgendwo außerhalb der Stadt vergraben.“ Schlug er dann vor.

„Auf gar keinen Fall, welchen Grund sollte das haben? Sie haben es nicht verdient, bestattet zu werden.“

„Und was ist mit meiner Cousine? Was hat sie getan?!“, fuhr ihm Faris aufgebracht dazwischen.

Verunsichert starrte Lethen ihn an, ehe er mit der Zunge schnalzte und sich von ihm wegdreht.

Faturo nickte. „Ich denke, dann wäre es das Beste, so zu Verfahren, wie eben vorgeschlagen wurde.“ Er sah ihn an. „Wärest du jetzt bereit, das Angebot anzunehmen? Wirklich anzunehmen und nicht nur zum Schein? Wenn du abhaust verbrennen wir sie doch und kriegen tun wir dich sowieso früher oder später.“, fügte er noch flugs eine Drohung hinzu, die Faris geflissentlich ignorierte.

„Ja.“ Er nickte.
 

Sie machten sich kurze Zeit später auf den Weg zurück nach Pheneox. Faris ritt in der Mitte der Gruppe, da er so angeblich am besten geschützt war. Ihm war es egal, ob das stimmte, oder nicht und erklären ließ er es sich sowieso nicht. Es würde eh nichts bringen. Zu sehr drängte sich ihm bei so etwas die unangenehme Erinnerung an seinen Schwager auf, die, bevor sie ihn ganz erreichte, sofort von ihm abgeblockt wurde.

Er wollte sich nicht erinnern. Abgesehen davon, dass die Erinnerung nun einfach keine von den Guten war, würde er zwangläufig wieder daran denken müssen, dass sie alle, bis auf ihn, tot waren.
 

Er atmete tief durch und musterte dann die ihn umgebenden Mitglieder der Gruppe. Schräg vor ihm ritt Lethen und unterhielt sich gerade mit der braunhaarigen Frau, Viaca, angeregt über irgendein Thema. Mit einem mulmigen Gefühl besah er sich seinen Zukünftigen einmal genauer. Bisher hatte er ja dafür keine Zeit, beziehungsweise keine gute Gelegenheit gehabt.

Er musste zugeben, dass seine Albtraumhafte Vorstellung eines alten, verkrüppelten Bauern nun definitiv nicht auf Lethen zutraf. Entweder war er von Außerhalb, oder er war anderweitig zu dem braungebrannten Teint gekommen, Faris wusste es nicht. Gerade er verzog er den schmalen Mund seines markanten Gesichts zu einem Lächeln, erwiderte etwas zu Viaca. Die dunklen Augen funkelten und er begann mit dem linken Arm zu gestikulieren, während er sprach.
 

Langsam wurde Faris neugierig auf das Thema der beiden. Die wenigen Male, bei denen Lethen mit ihm gesprochen hatte, war er vollkommen abweisend gewesen und vermittelte ihm den Eindruck, dass es eine einzige Qual war, mit ihm reden zu müssen. Auch wenn Faris in gewisser Weise die Ablehnung anderer gewohnt war, so hatte man sie ihm selten so offensichtlich gezeigt, wie Lethen es tat. Er seufzte. Na ja, zumindest war er ehrlich.
 

Die weitere Reise verlief reibungslos, sodass sie zwei Tage später die Grenzen Pheneox’ passierten um weitere drei Tage danach endlich das Schloss erreichten in welchen vor einiger Zeit noch Faris Familie gelebt hatte.

Selbiger hatte gemischte Gefühle, sein altes Zuhause wieder betreten zu können. Einerseits war dies der Ort, an dem er geboren worden war und in dem er die meiste Zeit seines Lebens bisher verbracht hatte, auf der anderen Seite wurde ihm nun langsam und schmerzlich bewusst, dass sein Leben hier nicht mehr so werden konnte, wie er es kannte. Die meisten Personen, die er damit verband, waren schließlich tot.
 

Im Vorhof angekommen, stiegen sie ab und übergaben die Tiere den herangeeilten Dienern. Einige von ihnen kannte Faris. Scheinbar war bei dem Überfall auf das Schloss die Dienerschaft verschont geblieben.

Eine Sache, die ihn stutzig machte.

Er runzelte die Stirn, folgte jedoch schweigend den anderen.
 

Im Schloss selbst wurde Faturo stürmisch von einem circa sechsjährigen Mädchen mit schwarzen Haaren begrüßt, dass sich an seine Beine warf. Lachend bückte er sich zu ihr herunter, hob sie auf seinen Arm und keuchte leicht, als sie ihre kurzen Arme um seinen Hals schlang und kräftig zudrückte. Das Mädchen lachte vergnügt, lockerte ihre Arme und legte ihm den Kopf auf die Schulter. Mit ihr auf dem Arm nickte er noch einmal fröhlich dem Rest Gruppe zu und verschwand dann in einen der Nebenräume als auch schon das Mädchen begann, aufgeregt auf ihn einzureden. Fragend blickte Faris Viaca an, die den beiden lächelnd nachgesehen hatte und nun ihn anblickte. „Faína, seine Tochter.“ Erklärte sie kurz. Er nickte verstehend.
 

Kurz darauf wurde er von Lethen in die Gemächer geführt, die fortan die Seinigen waren. Er schien wenig Lust darauf zu haben, sich weiterhin mit ihm abzugeben, sodass er alles weitere, dass wohl wichtig war, mit ihm auf den Weg zu Faris’ Räumen klärte:

„Wir stellen Wachen vor der Tür auf, sodass keiner, der nicht zu uns gehört ohne unsere Erlaubnis nicht zu dir kommt. Gleichzeitig kannst du nicht ohne weiteres raus, also versuch es erst gar nicht, verstanden?“ Hätte er auch noch einen Tick schneller gesprochen, hätte Faris ihn nicht mehr verstanden. So schaffte er es gerade mal so eben. Lethen wartete derweil nicht Faris Antwort ab, sondern redete weiter. „Über den Balkon und durch die Fenster würde ich es auch nicht probieren, das Ergebnis wäre ein rascher Tod deinerseits.“ Faris nickte knapp und vergaß dabei, dass Lethen die Geste gar nicht sehen konnte, da er vor ihm ging.
 

Ruckartig blieb dieser plötzlich stehen, so dass Faris fast gegen ihn gerannt wäre. So jedoch kam er dieser wenige Zentimeter hinter ihm zum Stehen und atmete beruhigt aus, als er bemerkte, dass er der Kollision entgangen war. Lethen hätte ihn dafür sicher wieder eine gescheuert, dachte er, verzog das Gesicht und trat neben ihn.

Der andere öffnete die hohe Holztür, die knarrend aufschwang. Er betrat den Raum und zog Faris schnell am Arm mit sich hinein. Schwungvoll stieß er ihn dann in das Innere des Salons und ließ die Tür laut ins Schloss fallen. Überrascht stolperte Faris, fing sich jedoch dann und drehte sich irritiert zu Lethen herum.
 

„Kommen wir nun zu was anderem…“ Langsam und bedächtig schritt dieser auf ihn zu, sein Gesicht war das exakte Gegenteil von jenem, welches er hatte, wenn er mit Viaca sprach. Es war nun ernst, genervt und seine Ausstrahlung wandelte sich in die um, die Faris schon in der Schenke um ihn herum gespürt hatte: es war die, der absoluten Gewaltbereitschaft.
 

Eine Gänsehaut kroch durch seinen ganzen Körper und stellte seine Nackenhaare auf. Er rieb sich über die Arme und ging vor Lethen einige Schritte zurück. „Was?“, fragte er leise, beinahe angsterfüllt.

Sollte jetzt die Fortsetzung der Schlägerei in der ‚Alten Kaschemme’ folgen? Er schluckte.

„Wenn du trotz der Vereinbarung versuchen solltest, abzuhauen, oder uns irgendwie sonst in die Quere zu kommen, lernst du mich wirklich kennen, Faris. Ich akzeptiere deinen Wunsch, dass deine Familie bestattet werden soll, wenn ich auch dagegen bin.“ Seine Augen bohrten sich in die von Faris. Dieser zuckte zusammen, als er bei seinem Rückwärtsgang gegen eine Kommode stieß. Er warf dem Gegenstand einen überraschten Blick zu und warf dann den Kopf wieder ruckartig in Lethens Richtung, als er hörte, wie dieser direkt auf ihn zukam.

„Aber weitere Sonderwünsche gibt es nicht mehr, verstanden?“

Am Klang seiner Stimme merkte Faris, dass widersprechen äußerst unangebracht war, denn sie deckte sich perfekt mit seinem Gesichtsausdruck. Er drückte sich mehr gegen die Kommode, als Lethen direkt vor ihm zum Stehen kam. Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Lippen als er auf ihn hinab sah und zum nächsten Thema überging:
 

„Die Hochzeitsnacht…“

Faris hatte einen Augenblick lang das Gefühl, sein Herz würde aufhören zu Schlagen, nur um dann zu versuchen, die versäumten Herzschläge so schnell wie möglich wieder aufzuholen. Er konnte spüren, wie sich sein Gesicht farblich der weißen Wand hinter ihm anpasste.

Er hatte das vollkommen vergessen. Alleine schon, weil er nicht dachte, dass Lethen auf sie bestehen würde.
 

Besagter schmunzelte leicht, als er die Reaktion Faris’ beobachtete und fuhr dann lakonisch fort: „…lassen wir ausfallen. Glaube auch nicht, dass wir sie irgendwann nachholen müssen, oder?“

Erleichtert seufzte Faris auf, die Körperspannung, die ihn eben befallen hatte, ließ etwas nach.

„Enttäuscht?“

Ruckartig blickte er wieder zu Lethen, die Augen vor Unglauben geweitet.

Bitte WAS?!

Amüsiert stützte Lethen beide Arme neben Faris auf der Kommode ab, sodass dieser ihm seitlich nicht ausweichen konnte.

„Nicht, dass ich keine Männer mag, aber…“ Er beugte sich nach vorne, die Augen bohrten sich in die von Faris, welcher alarmiert sich weiter nach hinten drückte. Wie paralysiert fühlte er sich, unfähig und verdammt dazu, zu sehen wie Lethens Gesicht immer näher kam. Doch anstatt seiner Lippen, legte Lethen lediglich seinen Zeigefinger auf Faris Lippen. „…ich glaube zumindest das sollten wir uns für einen anderen, passenderen Augenblick aufsparen.“ Schloss er, grinste ihn unverschämt an, um ihm dann einen herzhaften Kuss auf die Wange zu drücken und sich von ihm zu lösen.

Faris verließ seine Kraft.

Kaum, dass Lethen einige Schritte von ihm weggetreten war, knickten Faris Beine ein und er sank kraftlos zu Boden. Der Kuss brannte auf seiner Haut, schien sich in jede Faser einzubrennen um unvergesslich für ihn zu werden, wie eine Narbe. Er verzog das Gesicht vor Ekel und wischte sich hart mit dem Handrücken über die Stelle, die Lethen mit seinen Lippen berührt hatte.

Dieser lachte bei dem verstörten Anblick des jungen Adligen leise auf und begab sich zur Tür.

„Unglaublich, dass ich dich Kind heiraten soll.“ Waren seine letzten Worte, ehe er durch die Tür verschwand und diese laut zurück ins Schloss fiel.

Faris war allein.
 

Lethen tat sich selbst Leid. Und andererseits war er verdammt wütend. Mit Faris’ Cousine hätte er ja noch Leben können, aber dieses Kind da war die absolute Höhe! Er konnte nicht glauben, dass Faris 16 sein sollte. Zumindest geistig schien er dieses Alter nicht erreicht zu haben.

Ungläubig schüttelte er den Kopf.

Dieser Junge würde ihnen in keinster Weise noch weiter nützlich sein. Wie denn auch, wenn er laufend Sachen tat oder sagte, die ihn als völlig weltfremd und vor allem dumm erscheinen ließen?!

Er murrte, als er sich wieder auf den Weg zurück zu den anderen machte.

Kein Wunder, dass sie ihn weggeschickt haben.

Kein Wunder.
 

Es waren bereits mehrere Tage seit Faris’ Rückkehr vergangen. Er hatte diese beinahe vollständig in seinen Gemächern verbracht und sich dabei entsetzlich gelangweilt.

Wenn er nicht die Zeit zu verschlafen versuchte, so tigerte er endlos lange sinnlos im Zimmer herum, blickte aus den Fenstern oder erträumte sich irgendwelche Luftschlösser. Natürlich hatte er die Möglichkeit, etwas zu lesen, doch ging er dieser Tätigkeit aus purer Faulheit selten nach.

An den schlechten Tagen dachte er an längst Vergangenes oder Lethen.

Meistens an Beide.

Meistens war es genau die Kombination die ihm den restlichen Tag vermieste. Wenn das überhaupt ging.

Er hätte nie gedacht, dass er die Ausritte und die anderen Beschäftigungsmaßnahmen in Varion jemals vermissen würde.
 

Faturo hatte ihm gestern den Termin für die Vermählung genannt. Mit einem stummen Kopfnicken hatte Faris es hingenommen, genauso wie die Information, dass nach der Hochzeit seine Familie offiziell verbrannt werde. Die inoffizielle Bestattung sollte kurz darauf folgen, einen passenden Ort hatte man schon gefunden.
 

An diesem Tag blickte Faris wie so oft aus dem Fenster, welches den Blick auf den Vorhof ermöglichte. Wenn auch zuerst alles wie gewohnt verlief, erschien am Nachmittag eine Gruppe von Reitern, die eine Kutsche eskortierten. Das Wappen, das auf dem Verschlag der Kutsche abgebildet war, erkannte Faris nicht, da er von Heraldik weitgehend eh keine Ahnung hatte und schon froh war, das eigene Wappen zu kennen.

Kaum war sie zum Stehen gekommen, öffnete sich der Verschlag der verhältnismäßig eher unauffällig gehaltenen Kutsche und ein junger Mann stieg aus jener ins Freie.
 

Die mittellangen, schwarzen Haare, hatte er zu einem Pferdeschwanz zurück gebunden und gingen ihm wohl, wenn er sie offen trug, bis zu den Schultern während die helle Haut einen entsprechenden - und ansprechenden - Kontrast zu dem Dunkel seiner Haare bildete. Er hatte feine Gesichtszüge, die dennoch nicht weiblich aussehen ließen. In der einen Hand hielt er einen versiegelten Brief, mit der anderen wischte er sich den Staub von der Schulter.

Fragend hob Faris eine Augenbraue an.

Wer war das?
 

Er schob den Gedanken beiseite, als er erkannte, wie Darian, einer von Faturos Vertrauten, der ebenfalls damals in der ‚Alten Kaschemme’ anwesend war, auf den Fremden zukam. Sie redeten miteinander, der Fremde überreichte lächelnd das Schreiben in seiner Hand. Faris erkannte, wie Darian das Siegel brach und den Brief zu lesen begann. Seine Stirn kräuselte sich, er blickte den Fremden zweifelnd an, sagte dann irgendetwas und verschwand zusammen mit ihm im Inneren des Gebäudes.
 

Beleidigt schlenderte Faris weg vom Fenster auf das Sofa zu, um sich auf dieses missgelaunt fallen zu lassen. Er hätte zu gerne gewusst, wer der Fremde war und was in dem Brief stand, den er übergeben hatte. Er murrte. Na ja, es ging ihn nichts an, somit würde es sicher nichts bringen, irgendwen danach zu fragen. Somit verbrachte er den Rest des Tages mit Grübeleien über den heute Angereisten und versuchte den Gedanken an den morgigen Tag zu verdrängen.

Er hatte Angst davor, dass Lethen irgendetwas mit ihm anstellte, wie er es vor wenigen Tagen getan hatte. Er berührte mit der Hand die Stelle, die Lethen grob geküsst hatte. Ihm war heute bewusst, dass er auf ein Machtspiel hereingefallen war und dieses in dem Augenblick, indem er Lethen zugestanden hat, ihn zu küssen, es haushoch verloren hatte. Er schnaubte.
 

Kein Wunder, dass er ihn nicht respektierte. Wie denn auch, wenn er sich benahm wie ein verhuschtes Weib?

Und am meisten verachtete sich Faris dafür, dass er nichts gegen diese Angst tun konnte. So etwas wie Selbstbewusstsein, so hatte man es ihm stets gesagt, war wichtig für die, die später Macht besitzen sollten. Er sollte nie mächtig sein. Er war nur eine Reserve, von der nie einer ausgegangen ist, dass man sie je benötigen würde.

War es also seine Schuld, dass er es nie entwickelt hat? Seiner Meinung nach nicht.
 


 

Faturo las sich das Schreiben zum erneuten Male durch, ehe er es an die junge, blonde Frau neben ihn weiterreichte, die den Namen Juno trug. Er musterte derweil die Gestalt vor sich, von der eben erfahren hatte, dass sie zwar eine gern gesehene Geldquelle werden würde, sobald man sie im Schloss aufnahm, jedoch der Grund, warum sie überhaupt hier war, war unglaublich. „Wegen so einer Lappalie schickt man also heutzutage seine Freunde ins Exil?“ Er nickte anerkennend. „Interessant.“
 

Sein Gegenüber neigte leicht den Kopf zur Seite, lächelte und überging einfach die Ironie, die vor allem in seinem letzten gesprochenen Wort saß: „Tatsache ist, dass mein Schweigen gut bezahlt wird und ich, Taluna sei Dank, noch lebe.“ Er strich eine Haarsträhne zurück hinter die Ohren. „Ich denke, mehr hat euch im Grunde genommen nicht zu interessieren.“

Das Lächeln wurde breiter, verriet aber in keinster Weise, ob ihn Faturos Worte irgendwie verärgert hatten, oder nicht.
 

Er blieb freundlich. Eine Eigenschaft, die Faturo nicht mochte, denn sie zeigte ihm zum ersten, dass er nicht ehrlich zu ihm und somit zweitens eine Gefahr war. Menschen, die nicht ehrlich waren, sind für ihn immer eine Gefahr, denn es kostete ihn meist wertvolle Zeit, ihre wahren Absichten zu erfahren und notfalls zu verhindern. Da war ihm Faris mit seiner einfältigen, weltfremden Art wesentlich lieber.

Er war leichter zu kontrollieren und zu manipulieren.

Faturo erwiderte das Lächeln. Falschspiel hin oder her, das Geld, welches bei der Beherbergung des jungen Mannes heraussprang war zumindest einen Versuch allemal wert. Gebrauchen konnten sie Geld immer, vor allem jetzt, wo das Land dringend reformiert und restauriert werden musste. Im Grunde genommen, aber das wollte er nicht zugeben, hatte er also gar keine Wahl.
 

„Ich denke zwar schon, dass ich ein gewisses Recht habe, zu erfahren, wen ich für eine lange Zeit ständig um mich herumkreisen haben werde, aber ich denke auch, dass heute nicht der richtige Tag ist, um dies zu klären. Im Grunde genommen spricht nichts dagegen, finanziell seid Ihr und ich ebenfalls abgesichert, also…“ Er erhob sich schwerfällig und streckte ihm die Hand entgegen. „Bleibt mir nur noch, Euch, Lazar, herzlich Willkommen zu heißen in Pheneox.“

Lazar stand in einer geschmeidigen Bewegung ebenfalls auf und schüttelte dann die von Faturo dargebotene Hand. „Vielen Dank.“
 


 

Lethen fand Faturo zusammen mit seiner Frau und der Tochter im Hofgarten. Nachdem Juno ihm von einem gewissen Lazar erzählt hatte, der sich hier einnisten würde, war er neugierig geworden. Er kannte Faturos Pläne und ein ‚komischer Kerl’, wie Juno ihn betitelte, wie Lazar, gehörte definitiv nicht dazu.

Faína rannte kreischend auf ihn zu, als sie ihn sah, und warf sich schwungvoll an seine Beine. Er grinste, warf dabei einen kurzen Blick zu dem Mädchen, welches sich an sein rechtes Bein klammerte und selbst dann nicht losließ, als er einfach weiterging.

„Tu ihr ja nicht weh!“, rief ihm ein gereizter Faturo schon entgegen, kaum, dass er drei Schritte gegangen war. Lethen murrte genervt. Das war so typisch für ihn. Sobald irgendjemand außer ihm und seiner Frau sich mit dem Mädchen beschäftigte, wurde man sofort beschuldigt, irgendetwas Böses im Schilde zu führen. Lethen konnte nur für Faína hoffen, dass er dieses Verhalten ablegen würde, sobald sie älter und selbstständiger wurde. So rief er nur ein: „Ja, ja…“ zurück und ging ungeachtet der Warnung weiter auf ihn zu- sehr zur Freude Faínas, die dies durch unentwegtes Lachen zeigte.
 

Kaum kam er vor Faturo zum Stehen, ließ sie ihn auch schon wieder los und rannte durch den Garten. Als sie sich zu weit entfernte, eilte ihr ihre Mutter rasch hinterher. So sehr traute sie ihrer Tochter nicht, dass sie sie alleine durch den Garten tollen ließ. Somit waren Lethen und Faturo alleine. Letzterer versicherte sich dessen, indem er noch einmal um sich blickte, ehe er ernst seinen Blick wieder Lethen zuwandte und die Arme vor der Brust verschränkte.

„Er ist mir suspekt. Ich traue ihm nicht!“, begann er sofort.

Lethen nickte. „Und warum? Wieso ist er überhaupt hier?“ Er erinnerte sich daran, dass alles, was Juno ihm mitgeteilt hatte, der Name des Fremden war und die Tatsache, dass er den Gästeflügel beziehen würde.
 

Faturo schnalzte mit der Zunge, lachte leise und schüttelte erneut ungläubig den Kopf: „Erinnerst du dich an das Gerücht, dass in Vazar der engste Vertraute des Kronprinzen versucht hat, ihn zu töten? Und dass dieser trotzdem darauf bestand, dass ihm nichts geschieht?“

Wortloses Nicken Seitens Lethens: „Und das ist er, oder was?“

„Exakt!“

Schweigen.

„Und das stand in dem Brief?!“, fragte Lethen entsetzt und verlagerte das Gewicht auf das rechte Bein.

„Exakt!“ Faturo nickte langsam und mit geschlossenen Augen. „Der Brief ist Unterschrieben vom Prinzen und trägt sein Siegel. Somit wäre die Echtheit weniger anzuzweifeln. Auch wenn es garantiert genügend Fälscher gibt, von denen der Brief stammen könnte. Na ja, auf jeden Fall soll er hier unterkommen, die Kosten würde er tragen. Er würde zu sehr fürchten, dass seine Familie oder das Volk doch noch auf die Idee kommt, ihn zu lynchen- Zu Recht wohlgemerkt!“, fügte er hinzu.

Angespannt dachte Lethen über das Gesagte nach: „Wir brauchen das Geld, nicht?“
 

Faturo schnaubte. „Alleine um die ganzen Schulden auch nur ansatzweise tilgen zu können…“, gab er missmutig zu.

„Dann verstehe ich, dass du zugestimmt hast.“ Er atmete tief durch, dachte kurz nach, ehe er weiterredete. „Dann wohl das übliche jetzt: Bestimmte Bereiche bleiben für ihn gesperrt, irgendjemand sollte inoffiziell ein Auge auf ihn werfen und dann sehen wir mal, was passiert.“ Er zuckte mit den Schultern. „Passt mir zwar auch nicht, aber soll man machen?“ Er seufzte, drehte sich um und entfernte sich von Faturo, der ihm fragend nachsah.

„Ich seh’ ihn mir mal an. Der interessiert mich jetzt wirklich…“, antwortete Lethen auf die unausgesprochene Frage, so als ob er Faturos Blick gesehen hätte. Dieser sah ihm lange nicht, bis er im Schloss wieder verschwunden war und überlegte.
 

Dieser Brief, den Lazar vorgelegt hatte, klang paradoxerweise so unglaublich, dass er wahr sein könnte. Auch kannte er die Gerüchte über den Prinzen, sie besagten, dass er eine zu nachsichtige und mitfühlende Person war. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Brief echt war, stieg somit umso mehr. Dennoch behielt er einen schalen Beigeschmack, wenn er über Lazar nachdachte. Zumal sich immer stärker die Frage in ihm aufdrängte, in wie weit Lazar für Faris gefährlich werden könnte. Er hatte Lethens Blick gesehen, als er über Lazar sprach und Faturo zuhörte. Er war wirklich neugierig auf ihn. Sogar mehr als das.

Und auf die Enttäuschung, die Faris für ihn darstellte, würde er sich sicher irgendeinen Ersatz suchen wollen, der ihm über ihn ‚hinweghalf’.
 

Faturo schnalzte gereizt mit der Zunge und kniff kurz die Augen zu. Zum Glück konnte Lethen sich wehren, dachte er.

Ansonsten müsste er sich wahrscheinlich jetzt ernsthaft Gedanken um das Leben seines Freundes machen müssen.
 


 

Lethen betrachtete lange die hoch gewachsene, schlanke Gestalt, die es sich auf dem Sofa des Raumes bequem gemacht hatte und nun erwartungsvoll zu ihm hochsah. Eine der geschwungenen Augenbrauen wurde angehoben, der Kopf nur wenige Millimeter zur Seite gelegt und trotzdem gab diese Komposition ihm sofort zu verstehen, dass Lazar zu wissen verlangte, wieso er ihn sprechen wollte. Eine Standesentsprechende Begrüßung hatte es schon gegeben, wobei Lethen wieder bemerkte, wie dämlich er das ganze Gehabe fand.

Aber wenn er es denn mitspielen musste…
 

Er räusperte sich, ging zu dem Sessel, der dem Sofa gegenüber positioniert war und setzte sich in diesen. Erst als er eine bequeme Sitzlage gefunden hatte, sah er wieder zu Lazar und begann endlich ihm mitzuteilen, worum es überhaupt ging.

„Der Brief, den Ihr Faturo gegen hat, ist, wie Ihr vielleicht selber wisst, etwas seltsam.“, begann er.

Lazar setzte sich auf und blickte ihn mit einem Ausdruck leichten Erstaunens an: „Was meint Ihr genau damit?“
 

„Niemand würde den Menschen, der versuchte, ihn zu ermorden ins Exil schicken…noch dazu auf seine Kosten!“, erklärte Lethen kurz und lehnte sich zurück. Der Andere nickte. „Natürlich…Ihr konntet nur das meinen.“ Ein feines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Nur leider kann ich mir das selbst nicht erklären. Jemand befreite mich aus dem Kerker, ich wurde für einige wenige Tage an einem mir völlig fremden Ort verfrachtet und danach über die Grenze geschmuggelt. Danach brachte man mich auf direktem Weg hierhin. Den Brief hat man mir wenige Minuten vor meiner Ankunft in die Hand gedrückt.“,

Ein Lid Lethens zuckte für einen Augenblick in die Höhe: „Woher wisst Ihr dann, dass ihr das Ganze dem Prinzen verdankt?“, fragte er lauernd.
 

Wenige Sekunden schwieg Lazar. „Ich weiß es nicht, man hat es mir nur gesagt. In dem Haus, in dem man mich gefangen hielt, nachdem man mich aus dem Kerker befreite. Aber ich denke mal, dass das Siegel des Briefes echt war.“ Er stieß seinen Oberkörper von der Lehne ab und stützte ihn nun auf die Unterarme die auf seinen Oberschenkeln ruhten. „Zudem kenne ich den Prinzen nun mal gut. Mordversuch hin oder her, ich war sein bester Freund, er hat mir alles anvertraut. Und er ist nicht fähig, mit diesem Gefühl der Vertrautheit zu brechen. Ich denke, das hat mir in erster Linie den Hals gerettet: Er mochte mich.“
 

Es machte Sinn. Das, was Lazar sagte und erklärte, machte Sinn, auch wenn die Geschichte immer noch unglaublich klang.

Doch da gab es noch einiges, was er wissen wollte: „Wieso habt Ihr überhaupt versucht ihn zu ermorden?“

Diesmal war das Schweigen länger. Zu lang für Lethen, der keine Lust hatte in die nachdenklichen grünen Augen Lazars zu blicken, auch wenn sie ihm gefielen.
 

„Euch ist klar, dass Ihr durch diesen Mordversuch ein erhebliches Risiko für mich darstellt? Beziehungsweise für meinen…Verlobten.“ Er sprach das Wort ungern aus, da es sich so außerordentlich falsch und schwer auf seiner Zunge anfühlte. Dementsprechend verzog er das Gesicht, was Lazars Lächeln breiter werden ließ.

„Es war ein dummes Spiel, das daneben ging. Eine Beschwörung, die die Seele in die verwandelte, welche sie in ihrem vorherigen Leben war. Es sollte nur zeigen, wessen Wiedergeburt man war.“ Die Hände stützte er nun rechts und links neben den Beinen ab und sah ihm direkt in die Augen. Das Lächeln war verschwunden, das Gesicht eine Perfektion der Ernsthaftigkeit. „Ich war zuerst dran. Kaum hatte die Beschwörung begonnen, verlor ich das Bewusstsein. Als ich aufwachte, kniete ich über Cael und hatte ihm gerade zum sechsten Mal mit einem Dolch in die Brust gestochen.“
 

Lethen schluckte schwer, ließ sich aber nicht anmerken, dass ihm ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen war, bei der Erzählung Lazars. Er hatte öfter von solchen Beschwörungen gehört, die auf das Strengste untersagt waren. Sie störten die Totenruhe. Vergangenes sollte ruhen und Wiedergeborenes eine erneute Chance bekommen, ohne die Schatten der Vergangenheit des letzten Lebens, das sie gelebt hatten: „Es war ein Glück für uns beide, dass ich sein Herz nicht getroffen hatte und sofort Hilfe zur Stelle war. Leider habe ich Cael danach nicht mehr zu Gesicht bekommen, sodass er mir nicht sagen konnte, wer ich denn war.“ Ein freudloses Lachen verließ seine Lippen, er ließ den Kopf hängen um ihn dann langsam zu schütteln. „Obwohl ich mir denken kann, dass es garantiert nichts Gutes war.“

Erneut schluckte Lethen. Die Situation war ihm zu angespannt, die Luft zu dick, als dass er eine weitere Sekunde in diesem Raum verbringen wollte. Er erhob sich rasch und ging einige schnelle Schritte zurück zur Tür. Er hörte, wie Lazar ebenfalls aufstand und ihn einholte, was er nicht besonders schätzte.

Gerade von ihm wollte er ja jetzt weg!

„Wann ist die Hochzeit?“, wechselte er dann das Thema und blieb stehen. Lethen tat es ihm gleich und drehte sich langsam um. Sein Gesicht war nicht mehr so ernst, wie vor wenigen Momenten, doch wirklich fröhlich sah er nicht aus. Was ganz richtig so war, wie Lethen fand, im Anbetracht der Geschichte, die er ihm eben aufgetischt hatte. „In zwei Tagen.“, antwortete er dann knapp.
 

Lazar nickte. „Und was macht Ihr nach der Hochzeitsfeier?“

Lethen blieb einen Moment die Luft weg. Und die Antwort. Beides fand er jedoch recht schnell wieder.

„Schlafen?“ Es sollte ironisch wirken, klang jedoch zu fragend dafür, zu lauernd, auf den besseren Vorschlag, den Lazar bestimmt bereit hatte. Ein schelmisches Lächeln schmückte das blasse Gesicht.

„Mit wem?“, fragte er dann weiter.
 

„Bitte seht die Frage nicht als Unverschämt an, jedoch habe ich mir sagen lassen, dass Ihr euch nicht sonderlicht gut mit Eurem Verlobten versteht und Ihr ihn, seid Eurer Ankunft im Schloss, kein einziges Mal besucht habt. Somit denke ich nicht, dass Ihr die Nacht mit oder bei ihm verbringen werdet. Liege ich richtig?“

Lethen musste schmunzeln. Anscheinend hatten die Bediensteten wieder einmal zu viel geplaudert. Aber die Frage gefiel ihm trotzdem. Wenn er Lazar eben noch für einen der merkwürdigsten Menschen hielt, die ihm je über den Weg gelaufen waren, so hatte er diesen Eindruck vollkommen zerstört. Vielleicht lag es auch daran, dass er nun, da er näher bei ihm stand und Lethen ihn genauer betrachten konnte, als in dieser halbdunklen Ecke in der sich zuvor gesessen hatten, bemerkte, dass Lazar gar nicht mal so unattraktiv war. Ganz im Gegenteil.

Anerkennend nickte er grinsend.
 

„Ihr liegt richtig.“ Er drehte sich um, ging zur Tür, wo er sich ein letztes Mal zu Lazar umwandte. „Doch ich warne Euch: sollte der Dämon, oder was auch immer, Euch erneut überfallen, werde ich tatenlos zusehen, wie Ihr mit dem nächst besten Gegenstand auf mich einstecht.“ Die Mundwinkel Lazars fielen einen erhebliches Stück zurück. Geknickt musterte er Lethen und fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare. „Haltet Ihr es für angebracht Eurer zukünftigen Affäre zu drohen…?“

Grinsend öffnete Lethen die Tür, ohne dabei den Blick von ihm abzuwenden. „Lieber jetzt, als später. Ich kläre das formale lieber so schnell wie möglich, Ihr versteht? Einen schönen Tag noch!“, flötete er und verließ den Raum schnellen Schrittes.
 

Zwei Tage später wurde Faris morgens rüde wachgerüttelt. Verwirrt blinzelte er, versuchte seine Schulter wegzuziehen und machte einen gewaltigen Satz nach hinten, als er vollkommen erschrocken erkannte, dass es Faturo war, der ihn weckte. Langsam beruhigte er sich wieder, als dieser sich von der Bettkante entfernte, aufstand und die Vorhänge and en Fenstern zur Seite schob.
 

Der wievielte war heute? Faris schluckte. Wenn Faturo da war, konnte das eigentlich nur heißen, dass es soweit war. Ein leichtes Unwohlsein breitete sich in seinem Magen aus, langsam schwang er die Beine aus dem Bett und stand auf.

„Du hast genau drei Stunden um dich für Vermählung fertig zu machen und zu frühstücken. Und wehe du pennst mir ein! Ich habe Lethen die Erlaubnis gegeben, dich zu treten, wenn das passieren sollte und ich denke, du hängst an deinen Schienbeinen.“

Das war Faturo. Immer für eine nette Drohung am Morgen gut. Faris murrte seine Zustimmung, woraufhin Faturo das Schlafzimmer verließ und den Bediensteten Platz machte, die ihm beim Ankleiden des traditionellen Hochzeitsgewandes helfen sollten und mussten, da nebenbei allerlei Rituale abgehalten wurden, die eine lange und – hach wie lustig! - fruchtbare Ehe gewährleisten sollten. Faris war sich sicher, das Faturo sich insgeheim scheckig lachte bei dieser Vorstellung.

Wie sehr er ihn doch nicht mochte…
 

Faris warf einen verdrießlichen Blick auf das Gewand, welches einer der Diener vorsorglich am Ende des ohnehin viel zu großen Bettes gelegt hatte.

Hose wie Oberteil bestanden aus weißem, dünnen Stoff, der mit goldenen Stickereien geschmückt war. Feine, dunkelrote Ornamente füllten zusammen mit traditionellen Symbolen und Formeln, die dem Paar Glück, Liebe und reichen Kindersegen garantieren sollten die weiße Leere. Den einzigen Kontrast dazu bildeten die schwarzen Stiefel, in dessen Leder wiederum Schriftzeichen geritzt worden war. Faris wusste nicht, was sie bedeuten sollten, da der Dialekt zu alt war. Und es interessierte ihn auch nicht wirklich.
 

Er knirschte gereizt mit den Zähnen, ließ sich aber artig von einem dazugekommenen Priester einmal in eine Weihrauchwolke hüllen, die ihn kurzzeitig schwindeln ließ.

Eine Magd riss eines der großen Fenster auf, sodass der Rauch rasch verflog und Faris wieder normal atmen konnte. Böse Geister, die ihn möglicherweise umschwirrten, sollten, laut des Priesters, vom Rauch eingefangen und durch das Fenster hinausgetragen werden. Faris hielt das für vollkommen Schwachsinnig, nickte aber schweigend.

Nachdem also auch die zeremonielle Badung mit ätherischen Ölen aller Art endlich vorbei war und er merkwürdigerweise einen penetranten Pfefferminzgeruch in der Nase hatte, wurde sein Haar gewaschen, getrocknet und mit einer viel zu harten Bürste malträtiert. Bis er letztlich Kleidung und Stiefel trug, wurde zudem all das von dem Priester mit Gebeten, Gesang und noch mehr Weihrauch begleitet, was dazu führte, dass einer der Diener kurzzeitig in Ohnmacht fiel.

Faris hätte es ihm am liebsten gleichgetan um von dem Rest des Tages bloß Nichts mehr mitzubekommen. Denn wie sollte der Tag enden, wenn er schon so schlecht begonnen hatte?
 

Wenige Stunden später hatte er in gebührendem Abstand vor dem Altar auf einem mit Gold überzogenen Holzsessel platz genommen der sich als genauso unbequem herausstellte, wie er schon aus der Ferne her ausgesehen hatte. Neben ihm hatte Lethen in einem Sessel Platz genommen, welcher dem von Faris gleich war und verzog für einen Augenblick das Gesicht, bevor er, wie Faris, versuchte, eine Position zu finden, die das Sitzen angenehmer werden ließ.

Sie fanden sie beide nicht.
 

Lethen trug dasselbe Gewand wie Faris, jedoch komplett in schwarz. Faris gestand ihm neidlos zu, dass er die bessere Figur darin machte. Dass er allerdings ständig ärgerlich an dieser Kleidung herumzupfte, zeigte ihm, dass sie ihm wohl gar nicht gefiel.

Er lächelte.

Zumindest hatten sie dann einmal etwas gemeinsam.
 

Versammelt hatten sie sich alle in der Kapelle des Schlosses. Alle bedeutete, dass, neben Faris und Lethen, auch Faturo, seine Frau Tjelka, Darian, Juno und der Rest der Gruppe anwesend waren und in sich die vorderste der Reihen gesetzt hatten, die unmittelbar in einiger Entfernung zum Altar standen.

Vergleichsweise zum Rest des Schlosses, war dieser Ort eher schlicht gehalten.

Die Fenster waren schmal, klein und ohne jegliches Bundglas, wie es in anderen religiösen Einrichtungen gerne verwendet wurde. Der Boden bestand aus Marmor und hinterließ, wie der Rest der Kapelle, den Eindruck, nur selten gepflegt worden zu sein.
 

Der Hohepriester, der hinter dem Altar stand, begann nun zu Sprechen. Faris und Lethen schalteten auf Durchzug. Ersterer, weil er schon so oft auf Hochzeiten dieser Art war, dass er den Text mittlerweile fast auswendig konnte und er somit nicht mehr von Interesse war und Letzterer, weil er generell kein Interesse an dem hatte, was der Priester sprach und somit es sogar vorzog, sich mit Faris zu unterhalten.

„Wie lange dauert das?“, flüsterte er, ohne ihn anzusehen. Faris Augen huschten kurz zu ihm herüber, ehe er antwortete. Scheinbar war er überrascht, dass er überhaupt mit ihm redete. „Wenn er schnell redet, ungefähr eineinhalb Stunden.“

Lethen seufzte genervt und rollte mit den Augen: „Klasse…“

Einige Minuten schwiegen sie, als Faris endlich die Frage stellte, die ihm schon seit zwei tagen auf der Zunge brannte:

„Wer kam da vor zwei Tagen an? Ein Gesandter?“ Lethen, der den Kopf gegen die hölzerne Lehne hinter sich gelegt hatte, neigte diesen nun ein wenig zu Faris und blickte zu ihm. „Du meinst Lazar?“, er Grinste. „Ja, ja, so ähnlich. Wieso fragst du?“

„Hab gesehen, wie er angekommen ist. Woher kommt er?“

„Vazar.“

„Und wie lange bleibt er?“

„Lange.“

Er ärgerte sich über die knappen Antworten Lethens und schwieg deswegen ab sofort. Ein Gespräch wollte er anscheinend ja doch nicht mit ihm führen. Doch irgendwie vermisste es Faris, mit jemanden sich zu unterhalten. Oder einfach jemanden um sich zu haben. Also versuchte er es weiter:
 

„Was will er hier überhaupt?“

„Wieso fragst du mich das Ganze? Hast du sonst nichts zu tun? Es geht dich Nichts an!“

Leicht verschreckt schwieg Faris für eine Weile, ehe er wieder genug Mut fasste, das Gespräch fortzuführen. „Stimmt, hab ich nicht. Ihr lasst mich ja nicht raus.“, antwortete er leicht beleidigt, wobei er sich wie ein Kleinkind vorkam. Lethens Grinsen wurde breiter. „Was würdest du denn dann machen, wenn wir dich frei herumstromern lassen?“

Faris zuckte mit den Schultern. „Mal wieder Ausreiten zum Beispiel.“

„Und weiter?“
 

Faris schwieg, erkannte, das er es nicht wirklich viel an seiner Langeweile ändern würde, Er hatte schon vorher nicht viel zu tun gehabt und der einzige Grund, warum er in Varion so beschäftigt gewesen war, war, dass seine Freizeit mit unsinnigen Beschäftigungen gefüllt wurde. Beschäftigungen, deren er innerhalb kürzester Zeit überdrüssig geworden war. Aber es ging auch um etwas völlig anderes.

„Ich will nicht mehr eingesperrt sein. Ich werde noch Irre in diesen Zimmern, das ist der Punkt! Ich will mich einfach wieder etwas freier bewegen können, das ist alles.“, versuchte er ihm dann zu erklären, obwohl er sich denken konnte, das Lethen entweder zu Ignorant dafür war oder ihn nicht verstehen wollte.“
 

Auf ein Zeichen des Hohepriesters hin legten sie beide den Unterarm auf eine schmale Steinplatte, die sich zwischen den beiden Sesseln befand und sie somit voneinander trennte. Erst als der Priester fort fuhr, begann auch Lethen wieder zu sprechen.

„Och du Armer…“ Seine Stimme troff vor Ironie. „Na, bald ist ja deine Familie beerdigt, dann kannste die ja besuchen gehen. Wie wär’s?“ Das Lächeln wurde so breit, dass er Zähne zeigte. Er war ihm wirklich egal.

Als Faris das begriff wandte er den Blick endgültig wieder zum Priester und beschloss für den Rest der Zeremonie zu Schweigen. Es hatte ihn getroffen, was Lethen gesagt hatte.

Seine Mutter hatte ihm einmal gesagt, dass es unmöglich ist, dass eine Person jedem egal war oder von nur gehasst oder geliebt wurde. Nach Lethens Worten zweifelte er an daran. Im Grunde genommen fuhr er damit fort, ihn so zu behandeln, wie seine Familie es bereits getan hatte. Nun gut, seine Mutter und seine Cousine waren zwar eine Ausnahme, doch was brachte ihm dieses Wissen, wenn sie doch auch beide tot waren?
 

Etwas Warmes legte sich um sein Handgelenk. Er zuckte leicht erschrocken zusammen und blickte zu diesem. Helles Licht hatte sich um jenes gebildet, wie bei Lethen auch. Der Priester hatte begonnen, eine Beschwörungsformel zu sprechen und je weiter er redete, desto kühler wurde das Licht und das Leuchten verschwand in ebensolcher Schnelligkeit wie die angenehme Wärme. Der Armreif der entstanden war, erinnerte Faris entfernt an jenen, den er in der ‚Alten Kaschemme’ gelassen hatte.

In dem Eisen waren Vertiefungen, die feine, geschlängelte Linien über den gesamten Reif zogen. Farblich waren diese in einem dunklen Rot nachgezeichnet worden, ansonsten war das Schmuckstück vollkommen Schwarz.
 

Mit den letzten feierlichen Worten verstummte der Priester. Etwas verspätet erhob sich Faris zusammen mit Lethen, der exakt denselben Armreifen nun fest um sein Handgelenk trug.

Entgeistert fragte sich Faris, was denn jetzt noch kam, als es ihm siedendheiß wieder einfiel. Er schluckte und musste sich zusammenrissen dort stehen zu bleiben, wo er war, damit er nicht vor Lethen zurückfuhr, der nun näher kam und sein Gesicht in beide Hände nahm.
 

„Der bessere Zeitpunkt…“, flüsterte er verschwörerisch und erinnerte ihn an ihre letzte Begegnung in Faris’ Gemächern. Faris stand einfach still auf der Stelle und wagte nicht mehr zu Atmen. Er wollte das nicht! Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, er zitterte. Gerade jetzt wünschte er sich, dass diese Kraft, die ihm damals im Wald das Leben gerettet hatte, wieder erscheinen möge um ihm Lethen vom Hals zu schaffen. Doch scheinbar hatte sie entweder keine Lust oder wollte ihm schlicht und ergreifend nicht helfen, denn es tat sich Nichts zu seinen Gunsten. So kniff er die Augen zu wartete einfach darauf, dass es vorbei war.
 

Es war nicht so schlimm, wie Faris es sich vorgestellt hatte. Das nun wirklich nicht. Eigentlich fühlte es sich sogar ganz gut an, was Lethen da tat. Zumindest so gut, dass Faris sich gedankenverloren dazu hinreißen ließ, ihn zu erwidern. Irgendwann löste sich Lethen von ihm, nahm seine Hände wieder von Faris Gesicht und musterte ihn irritiert. Scheinbar hatte er mit so einer Reaktion nicht gerechnet. Als Faris wieder bewusst wurde, was er getan hatte schlich sich eine leichte Röte in sein Gesicht. Er drehte sich weg, kreuzte die Arme vor der Brust und blickte beschämt zu Boden.

Eine Sekunden geschah nichts, dann erklang ein Geräusch, welches Faris an jenes erinnerte, wenn jemand laut ein dickes Buch zuschlug. Mit erhobener Augenbraue blickte er zu den vordersten Sitzreihen, in denen die einzigen Gäste saßen und höchst amüsiert dem Geschehen zugesehen hatten. Abgesehen von Faturo, der hatte lieber gelesen.

„Gut, nachdem wir auch das erfolgreich über die Bühne gebracht haben, können wir uns jetzt anderen Sachen widmen.“, begann er dann und stand auf. Die Anderen taten es ihm daraufhin gleich.

„Trennen wir die beiden Tratschtanten wieder, so niedlich sie auch zusammen aussehen mögen und-“ Faturo stockte als er den mörderischen Blick Lethens auffing, dem nun wirklich nicht zum spaßen zumute war und schluckte den Rest seines Satzes herunter. „Was ich sagen will ist: Gehen wir!“

Er war der somit der erste, der beinahe Fluchtartig den Raum verließ um genug Abstand zwischen sich und Lethen zu bringen. Faris wurde von zwei Wachen zurück in seine Gemächer gebracht, was dieser eher missmutig geschehen ließ. Er wollte nicht wieder alleine sein. Dennoch folgte er ihnen anstandslos und schweigend.
 


 

Erst spät in der Nacht konnte Lethen sich von den Anderen verabschieden und verließ die Sitzung in welcher sie ihr weiteres Vorgehen besprochen hatten. Die Hochzeitsfeier sollte nachgeholt werden, zu einem Zeitpunkt, indem das Land wieder soweit stabil war, dass man sich so um außenpolitische Kontakte kümmern konnte, wie es ihnen gebührte. Während dieser Besprechung waren seine Gedanken immer wieder zu Faris abgedriftet. Er wollte es nicht wahrhaben, doch empfand er langsam so etwas mit mitleid für ihn. Viaca hatte Recht, als sie vor einigen Tagen noch zu ihm meinte, dass er ja alles ausbaden müsse, was Generationen seiner Familie verbrochen hatten und dass es deswegen nicht gerecht sei.

Und dieser Kuss war auch etwas absonderlich verlaufen. Lethen hatte nun wirklich eher damit gerechnet, dass Faris entweder stumm alles über sich ergehen ließ oder ihn schlug. Aber scheinbar hatte er doch mehr gefallen daran gefunden, als Lethen gedacht hatte, was ihn irritierte.
 

Nun stand er vor der Tür, die in Lazars Schlafzimmer führen sollte, klopfte und trat dann, ohne eine Antwort abzuwarten, ein. Es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit im Zimmer so weit gewöhnt hatten, dass er das breite Bett am ende des Raumes erkannte. Eine dunkle Silhouette erhob sich aus jenem. Ein leichtes Lächeln schlich sich in Lethens Gesicht, als er vorsichtig zu dem Bett trat und abwartend neben diesem stehen blieb. Lazar hatte sich aufgesetzt, die decke war soweit von seinem Körper heruntergerutscht, dass Lethen erkennen konnte, dass er nackt war. Es wurden keine Fragen gestellt. Es wurde nicht geredet. Lazar griff schweigend nach dem Gürtel seiner Hose, riss ihn kraftvoll näher zu sich. Lethen stützte Arme wie Beine neben Lazar ab, der sich wieder nach hinten hatte fallen lassen und nun begann den Gürtel zu öffnen während er den Kopf zur Seite legte, damit Lethen, der diesen küsste, mehr Platz hatte.

Lethen vergaß für diese eine Nacht alles, was ihn bis eben noch in irgendeiner Weise beschäftigt hatte.

Vorerst, und auch nur für diese Nacht.
 

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Konstruktive Kritik etc. ist, wie immer, erwünscht ^^

Und danke fürs Lesen :)

Falls es wer getan hat TT



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