Zum Inhalt der Seite

My Wish for the Forbidden Kiss Remains

-道ならぬ恋 michi naranu koi –
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Für mich und meinen Egoismus

My Wish for the Forbidden Kiss remains

-道ならぬ恋 michi naranu koi –
 

Kapitel 19

Für mich und meinen Egoismus
 

誰の わけでもなく

誰の鳴でもなく

誰の道でもなく

誰の夢でもなく
 

Für niemanden, außer mir

Niemandes Werden

Niemandes Weg

Niemandes Traum

[1]
 

Toshiyas Händedruck war fest um Sarahs schlanke Finger. Sein Wohnzimmer war hell erleuchtet, ein starker Kontrast zur mitternächtlichen Dunkelheit draußen. Es war ganz ruhig, eine seltene Stunde, in der die Audioanlage nicht lief. Nur Sarahs warme Stimme war zu hören. Toshiya verstand nicht, was sie am Telefon sagte. Nur ab und zu konnte er ein „Yes“, „But“, „No, no, I’m...“, „Okay“ verstehen. Sein Name fiel auch einige Male, sowie das Wort „baby.“ Aus der Anrede „Dad“ bekam er die Bestätigung, dass sie mit ihrem Vater redete. Das Gespräch änderte sich alle paar Minuten. Mal machte Sarah nur zustimmende Geräusche, während sie seine Hand drückte, dann lag sie ganz locker in seinem Griff und redete laut und heftig auf den Hörer ein.

„No! I am not coming back!“

Er lächelte, als er diesen deutlich betonten Satz verstand. Sarah sah ihn Hilfe suchend an und er nahm sie in seine Arme. Verständlicherweise war es schwer für sie ihrer englischen Familie beizubringen, was in den letzten Tagen geschehen war. Um so froher war er über ihre Entscheidung in Japan zu bleiben und mit ihm ihr Kind großzuziehen. Bis zum letzten Moment hatte er nicht geglaubt, dass sie bei ihm bleiben würde, dass sie sich wirklich für ein Leben hier entschließen würde. Auch wenn das Thema zwischen ihnen nie offen zur Sprache gekommen war, wußte er, dass sie Japan von Anfang an nur für eine Station in ihrer Kariere, ihrer Erfahrungen gesehen hatte. Manchmal befürchtete er immer noch, dass sie auf einmal im Flieger sitzen würde, wenn er einen ganzen Tag nichts von ihr hörte oder sie sich nicht zurückmeldete. Mit jedem Schritt, den sie unternahm um ihr Leben hier zu verfestigen, wurde er sicherer in seiner Entscheidung ihr Kind großzuziehen. Sie waren nicht allein. Seine Freunde waren da, ein bisschen elterliche Familie hatte er auch noch in Tokio und mit der Band würde schon alles funktionieren. Sie waren auf einem aufstrebenden Ast.
 

„I am alright. Please, do not worry too much, dad!“, beteuerte Sarah und fasste Toshiyas Hand fester an. Sein Beistand bedeutete ihr viel. Er war eigentlich noch selbst ein Kind, auf Spaß und Freiheit geprägt, aber er lernte Stück für Stück was es hieß, Verantwortung zu übernehmen. Zunächst hatte sie geglaubt sein Ehrgeiz erwachsen zu werden und sich um ihr Kind zu kümmern sei eine helle Flamme, die schnell erlöschen würde, aber nun war er immer noch genauso dabei und unterstützte sie bei allem so gut wie er eben konnte. „As soon as the baby is born, I’ll come and visit you. I promise. Until then, why don’t you come over and see how nice I am living here? You’d be surprised to see what a peaceful place Tokyo is... Yes, it is crowded, but it’s much saver than London. And think of what opportunities my baby will have with bilingual education! Dad!

Okay, listen to me. I’ll call back tomorrow, alright? You have to cool down now, digest the news and tomorrow we’ll talk again. Don’t get crazy!“

(„Sobald das Baby geboren ist, komme ich dich besuchen. Versprochen. Bis dahin... warum kommst du nicht hierher und siehst dir an wie gut ich hier lebe? Du wirst überrascht sein, was für ein friedlicher Ort Tokio ist... Ja, natürlich ist es hier voll, aber viel sicherer als in London. Und denk daran was für Möglichkeiten mein Kind haben wird, wenn es zweisprachig aufwächst! Paps!

Okay, hör mir zu. Ich ruf dich morgen zurück, in Ordnung? Du musst dich beruhigen, die Neuigkeiten verdauen und morgen sprechen wir noch mal. Mach dich nicht verrückt!“)

Seufzend beendete sie das Telefonat mit einem kräftigen Druck auf den roten Hörer. Der Signalton des beendeten Gesprächs klang lauter als gewohnt. Danach war nichts außer ihrer und Toshiyas ruhiger Atmung zu hören. Er nahm ihr das Telfon aus der Hand und legte es auf den Couchtisch. Eine zeitlang sagten beide nichts, dann fragte er, ob ihr Vater sehr wütend gewesen sei.

„Es geht“, murmelte Sarah, „Eigentlich ist er weniger entsetzt darüber, dass ich schwanger bin, sondern darüber, dass er dich nicht kennt und ich ihm erklären musste, dass du ein mittelloser Musiker bist.“ Sie lachte bei den letzten Worten um ihnen den Ernst zu nehmen, aber es gelang nicht recht.

„Ich würde ja ’rüberfliegen und ihn kennen lernen, aber ich leider mittellos“, schmollte Toshiya und kniff ihr in den Oberarm. Dann legte er seine flache Hand wieder auf ihren Bauch, um in drehenden Bewegungen darüber zu streichen. „Was hat der Arzt gesagt?“

Sarah räkelte sich in seiner Umarmung in eine bequemere Position, sodass sie beide längst auf dem Sofa lagen: „Alles in Ordnung, normale Entwicklung und so weiter. Im Moment kann er eben noch nicht viel sagen, weil es noch so früh ist. Er hat mir Eisentabletten verschrieben.“

Sie drehte ihren Kopf und küsste Toshiya. Er reagierte empfindlich darauf, dass er mit Dir en grey den Durchbruch noch nicht geschafft hatte, und glaubte fest daran es eines Tages zu schaffen. Sarah war skeptischer. Musik war schön, Musik machte Spaß, aber damit Geld zu verdienen war mehr Glückssache als alles andere. Außerdem war der Stil von Dir en grey nicht angepasst genug für die breite Masse. Das Publikum für solchen Indie... Punk... Visual Key oder was auch immer war schmal und vor allem wenig zahlungskräftig. Einige stressgeplagte Schüler und ausgeflippte Studenten, die sich vom strengen Alltag befreien wollten, noch einige Freaks, die auf der Suche nach etwas Seltsamen waren, darauf ließ sich doch keine Karriere bauen, oder? Toshiya lebte in guten Verhältnissen, die ihm seine Eltern bezahlten. Soweit sie wusste, leiteten die eine „kleines, unbedeutendes Hotel“ wie er immer sagte. Ganz so unbedeutend konnte es nicht sein, bei dem Auto und der Wohnungseinrichtung. Absolut mittellos war er also nicht, denn er bekam genau wie sie selbst großzügige Unterstützung, aber es gefiel ihr nicht, dass sie sich auf ihre Eltern verlassen musste, wenn sie ihr eigenes Kind versorgen wollten.

Toshiya unterbrach den Kuss und lehnte den Kopf zurück. „Wie wollen wir in Zukunft wohnen?“ Er sah sie nicht an, sondern starrte an die Decke. Sarah beobachtete sein Profil. So entspannt waren seine Züge, so selbstsicher und zufrieden dieses Gesicht auch aussah, ansehen konnte er sie nicht, wenn er solche Gesprächsthemen anfing.

„Fragst du, ob wir zusammen wohnen sollten?“, sprach sie ihn direkt an und endlich sah er sie an, um zu nicken.

„Wenn es dir recht ist“, erklärte er, „Du bist eh die meiste Zeit bei mir und das Geld, das wir für deine Wohnung sparen könnten, würde sich lohnen. Je früher, desto besser. Ich dachte, wir warten nicht, bis du hochschwanger bist oder so. Und sobald das Kind geboren ist...“

„...sollten wir sowieso zusammen wohnen“, beendete Sarah einstimmend den Satz. Sie richtete sich auf und sah sich in seiner Wohnung um: „Genug Platz für zwei einhalb Menschen hast du hier ja.“

„Eben“, sagte er, „Wir könnten das Gästezimmer zum Kinderzimmer machen.“

„Und wo schlafen dann deine Kumpels, wenn du nach einer Party als Gastwirt gebraucht wirst?“, fragte sie kritisch. In ihren Augen war diese Wohnung ein inoffizieller Spielplatz, Toshiyas pubertäres Zeichen von Unabhängigkeit. Zum einen wäre es natürlich ihr Kind hier großzuziehen, weil es irgendwo hier –entweder auf diesem Sofa, im Bett, auf dem Fußboden, in der Küche? –gezeugt worden war, aber zum anderen war dieses Wohnzimmer ein kleiner Drogenumschlagplatz. Hier kiffte und soff er mit seinen Kumpels, ließ Musik dröhnen, während sie nächtelang Videospiele durchzockten. Oder er verschanzte sich einfach nur stundenlang mit Kaoru zu einem Bass-Gitarren-Duett. Wäre es nicht gut, wenn er dafür noch Platz behalten würde? Oder anders gesagt, wollte sie ihr Kind hier lassen?

„Erstmal im Wohnzimmer auf dem Boden und mit einem Neugeborenen hier gar nicht mehr in unserer Wohnung“, entschloss Toshiya und küsste Sarahs Hals. Seine Hand lag immer noch ruhig auf ihrem Bauch. Es waren die kleinen Dinge, die Veränderung brachten, die kleinen Verzichte, die ihn erwachsener machen würden.
 

Danke, mir geht’s gut. Keine Ahnung was ich je an dieser Frau gefunden habe. Nächsten Freitag gehen wir einen trinken?Ich hasse meine Arbeit, ich liebe meinen Beruf...Bis morgen
 

Die strich über die Anzeige seines Handys. Kaorus Antwort hörte sich ehrlich an und das war eine Menge, denn er konnte schlecht lügen. Nein, genau genommen war die Antwort nicht ehrlich gewesen. Die konnte herauslesen, dass es ihm nicht besonders gut ging und dass er sich fragte, wie es dazu gekommen war, wie sich die seine süße Shizuka in so ein Monster verwandelt hatte. Trotzdem befriedigte ihn diese Antwort, denn Kaoru schien einzurechnen, dass Die es so verstand.

Alles klar, holen wir die After Show Party von letzten Freitag nach! Schlaf gut und denk nicht zu viel nach. Sehen uns morgen!

Die las die Nachricht noch einige Mal, bevor er sie abschickte, gerade bevor Miyako an seine Zimmertür klopfte. Er rief sie herein und war überrascht darüber, dass sie einen seiner Pyjamas trug. „Ich darf doch, oder?“, fragte sie und zog an dem Oberteil um darauf hinzuweisen was sie meinte.

„Klar“, entgegnete er und legte sein Handy auf den Nachttisch. Er saß in Shirt und Trainingshose auf seinem Himmelbett, seine Gitarre auf der einen Seite, ein Sportmagazin auf der anderen. Seine Haare waren noch nass vom Schweiß, aber als er vom Joggen nach Hause kam, hatte Miyako das Bad blockiert. „Ist was passiert?“, fragte er etwas besorgt, denn sie schien dringend mit ihm zu sprechen. Es war später Abend und für gewöhnlich ging sie früh schlafen, wenn sie am nächsten Morgen zur Uni musste.

„Ich habe mich nach dem Gespräch mit Shizuka letztes Wochenende an der Uni etwas umgehört. Wegen ihrer Bemerkung über Megumi, eurer Stylistin“, erklärte sie und setzte sich auf den Bettrand. Ihre Haare waren noch feucht vom Duschen und durchnässten den Pyjama am Rücken. Die griff nach dem Handtuch, das er sich zum Duschen bereit gelegt hatte und legte es ihr um die Schultern. Sie fuhr fort: „Sie ging früher zum gleichen Institut wie Shizuka jetzt. Modedesign und so hat sie wohl studiert, bis sie für eine Blitzkarriere als Popsternchen ihr Studium geschmissen hat. Das ist aber nicht das eigentlich interessante.“ Miyako sah ihn bedeutend an: „Wir wissen wie extrem Kyo sein kann und bei dem was er in Sachen Liebe hinter sich hat, sollten wir ihn vor allem beschützen, was ihm noch mehr verletzten würde. Darum hat uns Shizuka gewarnt.“

Die schüttelte verständnislos den Kopf: „Wieso? Ist sie eine Männer fressende Bestie? Damit kommt er doch klar. Wenn sie meint mit ihm zu spielen, wird er sie abschreiben, weil ihm das nicht interessant genug ist, das weißt du doch.“ „Sie wird nicht mit ihm spielen, das ist das gefährliche“, entgegnete sie, „Menschen sind doch so. Wenn sie etwas einmal probiert haben, können sie sich davon trennen, wenn es giftig ist, auch wenn es noch so gut schmeckt. Aber wehe, wenn sie es niemals probieren können, dann erträumen sie sich den himmlischsten Geschmack auf Erden und hängen dem ewig nach. Besonders solche Virtuosen wie Kyo.“

„Und warum sollte er sie nie mal probieren können? Ist sie schon verheiratet oder was?“

Miyako lächelte mitleidig: „Schlimmer, sie ist lesbisch und eine absolute Männerhasserin.“

Die riss die Augen weit auf, als er dies hörte.

„Oh shit.“
 

Er trat sicher auf.

Kaoru ging von Kyo begleitet durch ihre Stammkneipe The Tr!p, nicht suchend ging er, sondern mit Bestimmung zu dem Tisch ihrer Gruppe, dem Tisch an dem sie immer saßen, der immer für sie frei gemacht wurde. Ihre erste Starallüre, sagte Kaoru dazu immer ironisch. Die Kneipe war voll gepackt, trotzdem kam er ohne größere Probleme durch die Menge. Selbstbewusst musste er sich kaum drängen, Menschen wichen ihm rücksichtsvoll aus, Gruppen öffneten sich. Kyo folgte ihm, die Augen fest auf Kaorus Rücken gerichtet, nutzte er die Schneise, die der größere Körper vor ihm durch die Menge schnitt.

Sobald sie den Tisch erreichten ertönte lautes Gegröle. Kaoru erkannte Sarah sich mit Miyako und anderen Frauen unterhaltend, Toshiya mit Yukino anstoßend, Die eine Gruppe von Bekannten belustigend. Als letztere Kaoru und Kyo sahen, standen einige von ihnen auf um sie zu begrüßen und Sitzplatz neben Die frei zu geben. Lässig ließen sie sich auf die weiche Bank fallen, nickten hier, grüßten da. Die klopfte Kaoru zur Begrüßung auf die Schulter und reichte ihm ein Bier zum Anstoßen.

„Auf uns!“, sagte Kaoru und tickte mit seiner Flasche an Dies, während er seinen Blick fest auf ihm ließ. Die Umstehenden hoben ihre Getränke über ihre Köpfe und brüllten: „Auf Dir en grey!“ Der Boden nässte sich mit einer Mischung aus allen möglichen süßen und klebrigen Flüßigkeiten, die beim Erheben und Anstoßen der Gläßer verspritzten. Die wich kurz dem Inhalt eines Pinnchens aus, dann sah er in Kaorus Augen und stoß nochmal an. „Auf uns“, wiederholte er, während er sicher war, dass nur Kaoru und er die Worte auf ihre Weise verstanden. „Uns“ schloß zwei oder mehr Personen ein. Selbst als sie tranken beobachteten sie sich weiter. Kaoru glaubte einen kleinen, goldenen Schimmer in Dies Iris zu sehen und obwohl er wusste, dass es kitschig war und nur die orangen Lichtstrahler diesen Effekt erzeugten konnte er nicht wegsehen. Da waren sie nun zu zweit, prosteten sich zu und die Umwelt verstand es wie sie wollte, wie sie sollte. Die Gitarissten einer Band priesen sich selbst nach einem erfolgreichen Konzert. Wie sonst konnte es jemand verstehen, der nicht wusste was vor oder nach diesem Konzert war. Sie sollten es nicht verstehen. Nur Die verstand das „Auf uns!“ so, wie Kaoru es gemeint hatte und das war gut.

Das Bewusstsein um ihr Geheimnis reichte gerade aus um ein sich näher kommen zu vermeiden. Noch einmal legte Kaoru seine Hand auf Dies Schulter und drückte diese fest. Dies Lächeln wurde zu einem Grinsen.

„Ich verspreche, dass ich dich lieben werde. Ich werde sie vergessen und dich lieben.“

Die wartete und würde warten.
 

Sie war nicht zu übersehen. Ihre kleine Gestalt auf dem Barhocker stach aus der Menge heraus. Nicht nur auf Grund ihrer Kleidung, nicht weil sie außergewöhnlich hübsch war. Es war ihre Gestik, ihre Haltung von unverkennbarem Selbstbewusstsein. Wie sie lachte während sie sich mit diesem oder jenem unterhielt, wie ruhig sie dasaß, um hin & wieder mit ihren Händen rätselhafte Zeichen in die Luft malte. Megumi war eine besondere Frau. An der Anzahl von Männern und Frauen, die ihr Getränk und Gespräch anboten bemerkte Kyo, dass er bei Weitem nicht der Einzige dieser Meinung war. Nur manchmal unterhielt sich Megumi mit einer dieser Personen länger. Aber jede nahm sie aus.

Erstaunt erkannte Kyo seine alte Freundin Sakura, die sich an Megumis Beute beteiligte. Sakura hatte ihn zu Shinyas Abendessen damals begleitet und war seit einiger Zeit eine gute Freundin. Sie war ein wenig über-emotional, besonders wenn es um ihre Geliebte ging, mit der sie zwar keine besonders glückliche, dafür aber umso leidenschaftliche Beziehung führte. Die kleine Sakura war heiter, lieb und harmlos. Kyo schätzte ihre Gesellschaft, denn sie fragte bei unangenehmen Themen nicht nach, störte sich nicht an seiner manchmal schroffen Art und ihre Trotteligkeit tat ihrer Hilfsbereitschaft keinen Abbruch. Offensichtlich zog Sakura Kratzbürsten an; eine plausible Erklärung für die Bekanntschaft mit Megumi.

Kyo stand vom Sofa auf und verließ seine Freunde ohne Kommentar. Vor einer Stunde waren sie aus dem Tr!p ins Onajin gewechselt. Sie hatten Spaß, aber von Zeit zu Zeit wurde Kyo langweilig. Zwischen Die & Kaoru musste etwas passiert sein, denn sie hockten nur noch zu zweit in einer Ecke und verpesteten die Umgebung mit ihren Pheromonen. Toshiya war albern, Shinya anti-kommunikativ –Kyo entfernte sich von seiner Gruppe und ging zu Sakura. Der Club war nicht besonders voll und so ließ er Megumi nicht aus den Augen, während er die Freundin begrüßte und ein wenig rumplauderte. Er überlegte wie er Sakura auf Megumi ansprechen könnte ohne sein besonderes Interesse an ihr zu verraten. Bevor es ihm gelang stand sie schon vor ihm.

„Ich kenne Dich“, sagte sie und flüsterte Sakura etwas ins Ohr. Diese lachte leise und strich sich verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Ich brauch euch ja wohl nicht mehr vorzustellen?“

„Doch bitte“, log Kyo mit einer gefälschten Verlegenheit, „Ich kann dem Gesicht gerade leider weder Namen noch Zusammenhang zuordnen.“

„Megumi“, sagte Megumi selbst, „Die Frau, die letzten Freitag dich auch optisch zum Rockstar gemacht hat.“ Ihre Stimme klang anders als damals in der Garderobe. Weicher, weiblicher war sie ohne diesen Befehlston.

„Ah~“, machte Kyo, als wäre sie ihm gerade wieder eingefallen, „Die verrückte Stylistin…“

Megumis stark geschminkte Augen blitzen ihn an, er fürchtete sich nicht. Frauen behaupteten immer so kompliziert zu sein, dabei dachten sie auch nur an eins: Aufmerksamkeit, meist in Form von Bewunderung, Liebe, Bestätigung. Megumi war es offensichtlich nicht gewohnt vergessen zu werden. Sie war jemand der in Erinnerung blieb. Sie war interessant und verdammt stolz darauf. Kyo kannte das, er verstand das. Diese Frau war wie er.

„Ich werde dafür sorgen, dass du mich nicht wieder vergisst“, sagte Megumi mit einem amüsierten Grinsen, „Dieses ständige Neuvorstellen ist doch mühsam oder nicht, Kyo?“

Das Diskolicht blitzte in auf und ab: rot-blau-grün-gelb-rot; es mischte sich mit Megumis wilden, bunten Haaren zu einem Spektrum von Farben –mitten drin ein rundes Gesicht. Ihre Haut war wechselhaft farbenfroh, die tiefliegenden Augen schwarz. Die Scheinwerfer wechselten sich damit ab dieses Gesicht von verschiedenen Seiten zu beleuchten, die Schatten sprangen unruhig hin und her, während die Kreolen links und rechts aufblitzten.

„Wäre dir sehr verbunden, wenn du mir da helfen könntest“, erwiderte Kyo seelenruhig, „Ich bin zu meinem Bedauern allerdings sehr, sehr vergesslich.“

Er beobachtete wie sich ihr geschlossener Mund seitlich verlängerte und die Winkel sich spöttisch nach oben zogen.
 

nobody but me

not for anybody else

nobody else’s way

nobody else’s dream [1]
 

„Seltsam.”

Miyako drehte sich zu ihrer Freundin um: „Was ist seltsam?“

„Ich habe es noch nie gesehen, dass Megumi sich solange mit dem gleichen Mann unterhält.“ Sie folgte dem Fingerzeig und entdeckte Kyo neben einer kleinen, rundlichen Frau mit wildem Haar. „Vielleicht hat er sie angekettet oder hypnotisiert?“, lachte sie, ging aber sofort zu Die & Kaoru um ihre Entdeckung zu zeigen.

„Ist das eure Megumi?“, fragte sie und zerrte Die aus der Ecke an eine Stelle von der er die Bar sehen konnte. Wenig begeistert ließ er sich mitschleppen, wenig begeistert ließ Kaoru ihn gehen. „Ja, das ist sie. Wusste gar nicht, dass sie auch hier ist.“

„Kaum verwunderlich“, bemerkte Miyako während sie die zwei beobachtete, „Schließlich ist das hier ein Schwulen & Lesbenclub.“

„Vergisst man manchmal…“, murmelte Die, „Selbst Kyo wie es scheint.“ Wenn er Kyo und die Hintergründe nicht kennen würde, wäre er nie auf die Idee gekommen, dass der kleine Mann bei dieser Unterhaltung Hintergedanken haben würde. Nur eine Unterhaltung mit einer Frau, aber gerade diese Frau machte es kompliziert. Sie war interessant; Die hatte es auf gemerkt. Kyo mochte interessante Menschen, Verrückte, Freaks –Leidensgenossen?

„Das kann nicht gut gehen“, murmelte er und Miyako nickte zustimmend: „Dann red lieber jetzt mit ihm, bevor es zu spät ist.“ Er fluchte, verfluchte das Schicksal dafür Kyo das antun zu müssen und Kyo dafür nicht 1 und 1 zusammenzählen zu können. Megumi hatte keinen Freund und war hier: im Onajin, dem Homosexuellen-Club Tokyos. Zumindest durch den Ort sollte ihm nun klar werden, dass sie lesbisch war.

Lesbisch, das klang so endgültig. Ob es gar keine Chance mehr für Kyo gab? Immerhin hatte selbst Die mehr oder weniger das bekommen was er wollte: Kaoru. Mehrmals winkte er Kyo, wurde gesehen und deutete ihm mitzukommen, doch Kyo schüttelte immer nur den Kopf und drehte sich wieder weg. Hinzugehen und ihm von Megumi wortwörtlich wegzuziehen würde wohl auch nicht funktionieren. Vielleicht würde Kyo doch darauf kommen oder war schon längst aufgeklärt? Und selbst wenn nicht, sollte Die ihm nicht mindest diesen Abend gönnen, wo er sich doch so gut amüsierte? Miyako war schon längst zu Toshiya aufs Sofa gegangen und so drehte Die sich schweren Herzens um, um zu Kaoru zurückzukehren. Dieser war mit einem Bekannten in eine Diskussion über Gitarrenverstärker verwickelt und Die nahm nur halbherzig daran teil, sondern gab stattdessen nur hin & wieder ein zustimmendes Grunzen von sich, während er die Katastrophe beobachtete, die sich an der Bar zusammenbraute.
 

Toshiya war etwas überrascht als Shinya ihn fragte, ob er bei ihm übernachten könne.

„Dann nimmt Yukino das Auto und fährt jetzt nach Hause. Dann kann ich trinken und sie muss nicht alleine mit der Bahn fahren.“

Er nickte: „Klar! Nur...“ Nur war es noch früh und Shinya ließ seine Freundin normalerweise nie alleine nach Hause gehen. Ob etwas nicht in Ordnung war? Yukino saß etwas abseits, ihr Gesicht ausdruckslos wie eh & je. Zu der Wohnung fuhren genug Bahnen, auch spät in der Nacht. Shinya musste einen Grund haben aus dem er heute Nacht nicht mehr nach Hause zurück fahren wollte.

„Nur..?“, wiederholte Shinya langsam.

„Nur bleiben Sarah und ich nicht besonders spät. Sie darf sich nicht überanstrengen. Wenn dir das nichts ausmacht, gerne. Aber wenn du länger bleiben möchtest, frag doch Die. Den kehren sie ja immer am raus.“

„Na da wird heute voraussichtlich Kaoru übernachten“, gluckste Shinya und nickte zu den beiden herüber, „Weiß ich auch ohne Nachfrage.“

„Aber sicher nicht auf dem Sofa“, bemerkte Sarah, „Oder hast du Angst sie die ganze Nacht zu hören?“

„Um ehrlich zu sein: Ja!“, gestand er und lachte in sich hinein, „Und davor zu stören. Ich gönne ihnen ihre Rühe und ihr Glück.“ Als er dies sagte, war sein Gesicht bemerkenswert ruhig und entspannt –nicht auf die gleiche Weise ruhig wie sonst, sondern eher: friedlich. Toshiya klopfte ihm auf die Schulter. „Komm Shin, penn bei uns. Du störst uns nicht.“

„Ich mache morgen ein japanisches British Breakfast“, versprach Sarah, „Das Beste aus zwei Inselstaaten.“

Toshiya lächelte sie an. Sie waren dabei ihr gemeinsames Leben aufzubauen, ihre eigene kleine Familie. Zwischen all ihren Freunden, die noch alleine oder unsicher durch die Welt irrten, wollte Toshiya nun ein kleines Reich von Heimlichkeit in seiner Wohnung einrichten. Dir en grey stand zu ihm, sie hatten versprochen ihn zu unterstützen. Er wollte auch eine dieser Säulen sein. Sobald einer von ihnen nicht wusste wohin er sollte, Stress in der eigenen Beziehung hatte –bei Toshiya und Sarah sollte er Anlauf finden.
 

Ein Gefühl von zufriedener Aufregung durchströmte Kaoru. Er brauchte Aufregung um zufrieden zu sein, denn so fühlte er das Leben, sich selbst bis in jede Zehe, durch und durch in jeder Pore. Und seine Beziehung, Freundschaft –was auch immer- mit Die hatte sich zu etwas außerordentlich Spannenden, Aufregendem entwickelt.

Es stand draußen in der Nacht, die eigentlich keine mehr war, sondern nur noch eine Mischung aus vielen Lichtern, die so bunt wie kalt waren, dort benutzte er die Wand des Clubs Onajin als Unterlage um etwas auf die Rückseite eines einseitig bedruckten Flyers zu krickeln. Das Papier hatte nur DinA6 Maße, sodass er sehr klein schreiben musste, und sein Kugelschreiber stockte alle paar Takte, aber er hatte schon einen Flyer voll geschrieben. Zwischen von Hand gezogenen Notenlinien schrieb er die Melodie auf, die ihn gerade erfüllte. Eine Gitarrenmelodie, zu der er schon im Kopf die Begleitung komponierte und eine Stimme ohne Text hörte. Hastig schrieb er alles auf, bevor er es wieder vergaß. Der Bass dröhnte durch die Wand des Clubs durch, ganz leicht spürte er die Vibrationen an den losen Plakaten, die hier und dort angekleistert worden waren.

Wie immer hatte er das Gefühl dieses Mal etwas besonders außerordentliches geschaffen zu haben. Gleich morgen früh würde er es mit seiner Gitarre ausprobieren, nur ein zwei Tage, dann wäre das Lied weit genug um es Dir en grey zu zeigen.

Als er fertig war, ging er zurück in den Club. Er musste sich nicht mehr hinten an der langen Schlange anstellen, von Leuten die darauf warteten hineingelassen zu werden. Früher einmal, seit dem Konzert am Freitag, dem 13. nicht mehr. Anstandshalber blieb er beim Türsteher stehen, um sich ein wenig mit ihm zu unterhalten.

„Es ist unglaublich wie viele Analphabeten hier herumschwirren“, knurrte der Türsteher, ein breit geschulterter Mann mittlerem Alters, ihm zu, „Überall steht es geschrieben, dass dieser Club ein Treffpunkt für Homosexuelle ist, aber Nacht für Nacht schwärmen immer mehr Heteros hier her. Das bringt viel Unzufriedenheit von den Homos, die hier unter sich sein wollten. Aber wir können ja niemanden wegen seiner Sexualität raushalten, selbst wenn man sie jedem ansehen würde. Sonst dürften wir uns nicht mehr über die normalen Clubs beschweren, die unsere Leute nicht rein lassen. Verzwickt was?“

„Ich muss gestehen, dass in meiner Gruppe auch einige sind…“, begann Kaoru, wurde aber sofort unterbrochen: „Ach, ihr seid anders! Wenn deine Leute mit dir und deinem Freund feiern wollen, dann sollt ihr das auch zusammen tun.“ Kaoru lachte und zündete sich eine Zigarette an. Dir und deinem Freund.

„Was?“, fragte der Türsteher und ließ ein weiteres Pärchen hinein. Kaoru überlegte kurz, nahm um Zeit zu gewinnen einen langen Zug von seiner Zigarette, dann schaute er dem großen Mann amüsiert ins Gesicht. „Das klingt bestimmt komisch, aber das ist das erste Mal, dass jemand Die meinen Freund genannt hat. Sonst sind wir für alle immer nur Die und Kaoru.“

„Hä? Warum das denn?“, die tiefe Stimme des Türstehers klang mehr als einfach erstaunt, „Ihr seid nun mal zusammen. Was ist dabei es auszusprechen?“

Dass jemand einfach so seine Schlüsse zog, einfach die Tatsachen sah und es ohne Angst benannte, beeindruckte Kaoru. Er wusste nicht warum, gerade jetzt, so eine alltägliche Kleinigkeit, obwohl er doch schon viel Größeres gesehen, erlebt hatte. Vielleicht, weil er sich in den letzten Wochen mit kaum etwas anderem als Shizuka und/ oder Die beschäftigt hatte, sodass es ihm über den Kopf gewachsen war bis er es nicht mehr überschauen konnte. Jeder machte einen großen Terz darum, als gäbe es nichts Wichtigeres, keine Miete zu zahlen, als könne man von Luft und Liebe leben. Dabei ging es nur um die Entscheidung mit jemanden zusammen zu sein oder nicht. Und nun war da dieser Mann, der sie nur flüchtig kannte, und entschied es: diese beiden Menschen waren zusammen. Ohne großes Wenn und Aber.

„Ja, sind wir wohl…“, murmelte Kaoru glücklich, „Zusammen, meine ich.“

„Was wisperst du da so unsicher?“, lachte der Mann und das warme Lachen tat gut, „Natürlich seid ihr zusammen. Ich sehe euch doch, wenn ihr reinkommt, wenn ich meine Rundgänge mache und wenn ihr zusammen nach Hause geht. Ihr seid so was von ein Paar. Mehr als die meisten Paare, die ich so hier die ganze Nacht lang sehe.“

„Ach ja?“, lachte nun auch Kaoru, „Wir haben aber keinen Sex –miteinander zumindest nicht.“

„Pf…“, machte der Türsteher, „Selbst schuld.“

Kaoru grinste zufrieden und rauchte an die Tür gelehnt. Warum auch immer er es diesem Mann erzählte, es tat ihm gut. Es könnte dieses Phänomen sein mit Fremden offener sein zu können als mit engen Freunden, weil man sie nach Belieben vermeiden zu können glaubte, sobald es unangenehm wurde. Vielleicht war es aber auch die Offenheit und angenehme Art dieses Türstehers.

„Freu dich drauf. Mit jemanden besonderem wie deinem Die ist es sicher toll.“

„Mhh… mach ich“, sagte Kaoru und drückte seine Zigarette an der Wand aus, „Wenn er `ne Frau wäre, hätten wir bestimmt schon längst…“

„Nun hat sich der liebe Gott nun mal vergriffen und euch beide zu Kerlen gemacht“, der große Mann sprach als gäbe es nichts alltäglicheres, zuckte nur gelangweilt mit den Schultern, „Wirst schon sehen. Hat alles seine Vorzüge. Und wenn jemand ein Problem damit hat, ist das sein Problem nicht euers. Wenn jemand wegen seiner Probleme versucht, euch Probleme zu machen, dann kriegt er stattdessen Probleme mit mir, klar? Ich hab hier zwei starke Arme für alle Leute in Tokyo, denen es geht wie euch.“ Dabei fasste er sich an seine Bizeps und zeigte Kaoru seinen Rücken. In dicken, weißen Buchstaben stand es dort auf dem schwarzen Shirt geschrieben: S ECURITY
 

Der Hecksensor piepte leise, als Sarah den BMW ihres Freundes in der Tiefgarage einparkte. Sie genoß den Lebenstandart, den Toshiya ihr bot. Zwar hatte sie in ihrer alten, eigenen Wohnung nicht unkomfortabel glebt, aber mit dem stetigen Gedanken an die Rückkehr nach England war ihr die Studentenbude nie richtig heimisch geworden. Toshiyas Wohnung war modern, zentral, groß –und von seinen Eltern bezahlt.

„In sieben einhalb Monaten darf ich wieder trinken und du musst neun Monate lang fahren“, sagte sie zu Toshiya, der vom Beifahrersitz aus einige Worte mit Shinya auf der Rückbank gewechselt hatte. „Darüber reden wir dann...“, gab er zurück und zwingerte Shinya zu. Recht benommen beobachtete der das Paar. Seit er Toshiya kannte, ahatte er ihn auf einer Party nie soviel Cola trinken sehen. Egal was man sagte, Sarah hatte einen guten Einfluß auf ihn.

Sie stiegen aus und nahmen den Aufzug in die oberste Etage. Während Toshiya noch den Dreck von seinen Stiefeln klopfte, schloß Sarah mit ihrem eigenen Schlüßel auf und geleitete Shinya ins Wohnzimmer. „Möchtetst du noch etwas essen oder trinken?“, fragte sie höflich und er bat dankend um Wasser. Aus dem Flur hörte man immer noch das Klacken von Metalverschlüssen. Toshiyas kniehohe Stiefel brauchten Zeit –in der Sarah schon Wasser ins Wohnzimmer gebracht und sich ein Brot geschmiert hatte. Die Küche war nur durch eine brusthohe Theke vom Wohnzimmer getrennt, sodass Shinya sie beim hantieren sehen konnte. Sehr routiniert waren ihre Handgriffe, so sehr, dass er sich nicht zurückhalten konnte zu sagen: „Du hast dich schnell eingewöhnt hier.“

Sarah sah ihn verwundert an: „Findest du?“

„Dafür, dass ihr kaum eine Woche zusammen wohnt... Ja!“

Sie lächelte verstehend und nickte: „Ja, das mag sein. Aber wir sind nun ja schon eine Weile zusammen und Toshiya fasst seine Küche nie an. Es ist schon alles nach meinem Kopf sortiert.“

„Ihr hättet ruhig Bescheid sagen können, dann hätten wir euch beim Umzug geholfen“, bemerkte Shinya und nippte am Wasserglaß. Als Yukino und er umgezogen waren hatte der gesammte Freundeskreis einen Aufstand darum gemacht, gerade mal das Dekorieren hatten sie selbst machen dürfen.

„Danke, das ist lieb von dir“, sagte Sarah und setzte sich zu ihm, „Aber es gab ja nicht viel zu tun. Nur ein paar Kisten von A nach B zu tragen. Kein Renovieren, kein Möbelschleppen. Aber wenn es zum Einrichten des Kinderzimmers kommt, melden wir uns bestimmt noch mal bei euch.“ Sie zwinkerte ihm zu –auf die gleiche Art wie Toshiya vorhin im Auto. Daher hatte er das also in letzter Zeit.

Hungrig schlang sie das Brot hinunter. Bis endlich Toshiya kam, stand sie schon wieder in der Küche und räumte den Teller weg. Sie sahen ein wenig seltsam aus, wenn man Shinya fragte.

Sarah war fast so genauso groß wie Toshiya, aber nicht nur das. Sie waren beide dünn, dabei war sie zierlich und er schlacksig. Ihre blonden, langen Locken umrahmten ihr Gesicht, unschuldig, hübsch, besonders, irgendwie herausstechend mit vollen Lippen und hohen Wangenknochen. Shinya verstand, wie sie so viele Männer in ihren Bann zog. Dagegen sah Toshiya regelrecht ungepflegt aus, nicht nur durch die zwei Jahre Altersunterschied, sondern auch wegen seiner angeborenden, jugendlichen Züge eines Asiaten sah er um Längen unreifer aus. Die blauen Strähnen in seinen wilden Haaren unterstrichen diesen Effekt.

Sie standen sehr eng dort, in dieser Küche und Shinya schämte sich ein wenig für seine Rolle als Beobachter. Irgendetwas flüsterte Sarah in Toshiyas Ohr, dann umarmten sie sich, er küsste ihre Stirn und legte ihr seine Jacke um. Eine Lederjacke mit Nieten und Aufnähern über einem poppigen Top in hellblau mit der Aufschrift „loving.“ Shinya konnte dem Kontrast, der ihm in den Augen schmerzte, nicht ignorieren.

Sie grüßte „Gute Nacht“ und Toshiya nahm zwei Bierflaschen aus dem Kühlschrank. Wortlos nahm Shinya eine und öffnete sie mit einem Feuerzeug, dass auf dem Tisch rumlag. Toshiya setzte sich ihm gegenüber. Sie sprachen nicht. In Gedanken versunken dachte Toshiya an den Tag, an dem er hier mit Die gesessen hatte, als er von dessen Gefühlen für Kaoru erfahren hatte. Es musste Jahre her sein und doch war es erst dieses Sommer gewesen. Damals, als Kaoru Shizuka gerade erst kennen gelernt hatte, als Yukino gerade erst nach Tokyo gekommen war, Dir en grey Plattenlabels noch um Verträge angebettelt hatte.

Er stand auf, um das Fenster zu öffnen, aus dem er damals Shizuka und Kaoru entdeckt hatte. Die Straße war schwarz und leer, nur kalte Nachtluft ströhmte ihm entgegen.

„Es ist kühl geworden“, murmelte er.

„Das ist der Dezember“, sagte Shinya.

Gemeinsam sahen sie aus dem Fenster hinaus, der hineinströhmenden Luft entgegen. Aus der hellen Wohnung heraus konnte man draußen kaum etwas in der Dunkelheit erkennen. Es war als würde diese Dunkelheit, dieses Fremde langsam hereingekrochen kommen. Fröstelnd musste Toshiya sich losreißen. Bemerkte Shinya es nicht oder kannte er nur nicht die Angst davor?
 

„Wenn ich diese verfickte Schlampe nur sehe, kriege ich schon das Kotzen, ey! Toshiya is ja sowas von hirngewaschen, das geht mal gar nicht!“

Der Name seines Freundes erweckte Kyos Aufmerksamkeit für die junge Frau die ein paar Meter neben ihm an der Bar sich vor ihrer Freundin aufregte. Es war unschwer zu erschließen, dass es um Sarah und ihn ging. Beiläufig hörte er zu, während er sich noch mit Megumi und Sakura unterhielt. Es war nichts Außergewöhnliches, dass sich Frauen Sarah hassten; dafür, dass sie schöner war zum Beispiel oder intelligenter –oder nivealoser. Die meisten Frauen, deren Leben aus Männerfangen und Party bestand, waren Misogyninnen, mehr als jeder Schwuler.

„Diese verdammten Heteros“, sagte Megumi auf ein mal genervt, „Können die ihre Probleme nicht bei sich behalten oder wo anders vom Stapel lassen?“

Kyo ließ sich ihre Worte im Kopf nachhallen. SeinVerdacht, dass sie lesbisch sein könnte, war also begründet worden. Entgegen Dies Befürchtungen, war er durchaus im Stande eins und eins zusammen zählen zu können. Er hatte es schon länger geahnt, spätestens, seit er sie hier in diesem Club gesehen hatte. Aber die Erkenntnis traf ihn keineswegs schwer. So wie er niemanden für absolut heterosexuell hielt, existierte auch keine absolute Homosexualität. Notfalls gab es immer ein erstes Mal.

„Sie reden über Freunde von mir“, sagte er beiläufig und drehte sich zum Barmann um noch ein Bier zu bestellen. Sakura nickte: „Armer Toshiya und arme Sarah, warum sollen sie soetwas verdient haben. Dabei sind sie doch so ein schönes Paar.“

Er grunzte. Leider passten sie wirklich gut zu einander, sodass er zugeben musste, sich Sarah gegenüber von Anfang an falsch verhalten zu haben. Doch konnte man es ihm verübeln, nach ihrer gemeinsamen Vergangenheit? Nachdem sie quasi eine Beziehung geführt hatten, nachdem sie ihn mit Die betrogen hatte... er hatte Toshiya schützen wollen. Nun waren die beiden fest zusammen und erwarteten ein Kind. Dieses Bewusstsein war mehr als seltsam. „Ein schönes Paar, ja...“, murmelte er und bezahlte sein Bier. Die Stimme der fluchenden Frau war wieder lauter geworden: „Und das Größte an der Sache ist ja noch ihre angebliche Schwangerschaft! Ey, das Kind kann von jedem Wixer in Tokyo sein –wenn sie überhaupt schwanger ist. Brauch wohl Kohle und Toshiya soll’s mal auslegen, wa?“

Kyo war wie elektrisiert, seine Hand verkrampfte sich um die Bierflasche, während er sich fragte, wie sie es aus reinem Neid allein wagen konnte, soetwas zu sagen. Er stand vom Barhocker ab und drehte sich zu der Sprecherin um. Unerwartet spürte er eine Hand auf seiner Schulter, die ihn zurück hielt. Megumi sah ihn ernst an. „Was machst du?“, fragte sie ihn.

Er sah ihre schwarz umrandeten Augen und blickte in tiefe Traurigkeit. „Ein bisschen radikal sein“, antwortete er und die Hand verschwand, „Sie hat kein Recht soetwas über meine Freunde zu sagen.“ Megumi wandte sich stillschweigend ab und ging durch die Masse davon. Er konnte sich die Enttäuschung darüber nicht verkneifen, auch Sakuras unschuldiger, aufmunterner Blick half nicht dagegen. Trotzdem ging er an der Bar entlang zur Sprecherin, langsam und gemächlich, die Bierflasche ruhig in seiner Hand wie ein Trumpf in einem Krieg, hörte ihre Abneigung, ihre Verachtung, ihren Neid –die pure Erbärmlichkeit. Dann stand er hinter ihr, sah sie gestikulieren, ihren Oberkörper sich beim Lachen schütteln, beobachtete, wie sie ihr trägerloses Top alle paar Takte in Form zupfte, ihre Haare in den Nacken warf, sich im Gesicht rumfummelte und ihre tupierte Frisur knetete, dabei stetig über Sarah lästerte. Ganz langsam hob er seine Bierflasche, er musste sich strecken, denn sie war größer als er, besonders auf diesem hohen Barhocker. Es war eine Genugtung wie die Gesichter ihrer Zuhörer entgleisten, als er den Inhalt der Flasche genußvoll über ihren Kopf goß, die klebrige Flüßigkeit sich über Haare, Gesicht, Schultern, Kleidung und Boden verteilte.
 

Kaoru eillte durch die Menge, boxte sich fast den Weg frei, während Die sich nebenbei ebenso drängelte um die Bar zu erreichen. Vom Podest aus, das auf der anderen Seite der Tanzfläche lag, hatten sie die Szene an der Bar schnell entdecken können. Es war als hätte ein allgemeines Raunen sie wie eine dunkle Ahnung schon längst erreicht, bevor eine schrille Frauenstimme schrie. Endlich erreichten sie Kyo um den sich ein kleiner Halbkreis von Schaulustigen gebildet hatte, dessen Mitte teilte er sich mit einer klitschnassen Frau. Ihre Haare klebten in ihrem Gesicht, ihr Make-up war verschmiert und obendrein ihr weißes Top durchsichtig. Der süßliche Geruch von Bier und die leere Flasche in Kyos Hand beantworteten Kaoru fast alle Fragen. Schnell stellten Die und er sich neben Kyo und gaben ihm Rückhalt gegenüber der kreischenden Frau. Ohne dass sie fragten erklärte Kyo nüchtern mit starrem Blick auf die Frau, dass diese Sarah und Toshiya durch den Dreck gezogen hätte. Kaoru schüttelte nur den Kopf: „Aha –und jetzt?“

Kyo sah mit einem unschuldigen Blick zu ihm hoch. Das runde Gesicht mit den großen Mandelaugen und den Schmolllippen sah überhaupt nicht aus wie Kyo, sondern wie ein kleiner Junge, der beim Fußballspielen aus Versehen eine Fensterscheibe eingeschossen hatte.

Kaoru blickte zu Kyo herab und hörte sich die Erklärung an.

„Es ist einfach mit mir durchgegangen. Ich will hier auch gar nicht ewig stehen bleiben, aber die Leute hinter mir lassen mich nicht durch.“

Kaoru blickte sich um und bemerkte, dass die Menge um sie herum viel zu sensationslustig war um Kyo hieraus entkommen zu lassen. Das Gekreische brach und brach nicht ab, gierige Gesichter waren überall um sie herum, Gelächter und Finger bedrohten sie von überall.

„Lass uns einfach gehen“, sagte Die mit fester Stimme und griff Kyo und Kaoru an den Oberarmen. Allein der sichere Tonfall ließ sie gehorchen. Es war ein Sache von Willensstärke. Niemand würde wahrhaft handgreiflich werden, oder? Sie drehten sich um und gingen auf die Mauer aus Menschen zu. Kaoru konzentrierte sich darauf aufrecht zu gehen, selbstbewusst zu erscheinen, genau wie vor einigen Stunden im Tr!p, als sich die Masse ebenfalls vor ihm geteilt hatte. Die wählte zwei Frauen als Stelle um aus dem Kreis auszubrechen. Sie bewegten sich kein Stück, sondern sahen ihn hochmütig an. „Ich muss hier durch“, sagte er, doch sie blieben stehen und zuckten mit den Schultern.

Kaoru trat hinter ihn und ein Hass kam in ihm auf; ein Hass auf diese Menschen, die sich aus lauter Neugierde zu solchen Tieren entwickelten. Als würde es in ihm anschwellen fühlte er sich als müsste er Kotzen für lauter Wut.

„Lasst uns durch“ , sagte er deutlich hinter Die hervor und obwohl oder gerade eben weil sie ihn nur hinter dessen Schulter halb erkennen konnten, traten sie beiseite, nur damit sich die nächste Reihe wieder vor ihnen schloss.

„Ihr Wixxer! Ich mach euch fertig! Sowas von!“ Das Gekreische kam näher, schickte den Geruch von Bier vorweg. Kyo drehte sich auch noch nicht einmal um, als er wusste dass sie direkt hinter ihm stand. Die und Kaoru waren vor ihm um sich den Weg frei zu kämpfen, sein Rücken war schutzlos. Eine klebrige Hand schloss sich um seinen Hals. Hektisch riss er sich los und drehte sich entgegen seines Vorsatzes um. „Du hast sie ja wohl nicht mehr alle?“, schnauzte er sie an.

Sofort stand Die wieder neben ihm und drohte der Frau mit seiner bloßen Erscheinung. Kyo war einen guten Kopf kleiner als sie, doch sein großer Freund war auf der gleichen Augenhöhe. Die Spannung in der Luft baute sich nicht ab, die Menschenmauer um sie herum lockerte sich kein Stück. Er fragte sich, ob es nur seine eigene Angst war, die diese Situation so bedrohlich machte. Er hatte Angst vor dieser Frau, obwohl er nicht wusste was genau er vor ihr zu befürchten hatte. Ihre Künstlichkeit, ihr Wesen, das soviel Platz einnahm, ihre schrille Stimme, alles an ihr bedrohte ihn, er...

Eine weitere Frauenstimme mischte sich in die Szene, die weitaus tiefer, kontrollierter, ruhiger war –kurz angenehmer. Ein stetiger Singsang, der die Aufmerksamkeit von ihm nahm. Alle Augen hingen nun an der kleinen Gestalt, die auf dem einzigen besetzten Barhocker saß. Um sie herum war es menschenleer, aber bei ihr war es eine andere Leere. Nicht die Leere des Kreises, der Kyo einschloß, nein es war die Geräumigkeit eines Respektradiuses. So saß Megumi dort, die Beine überschlagen, betont läßig mit den Ellenbögen auf die Bar gelehnt und sang:

Overdressed and Underfucked and

Overdressed and Underfucked oh-oh-oh- [2]

Ihre Gesicht sprach von Verachtung und Belustigung, während sie sang und sang, sich über jeden Einzelnen ihrer Zuhörer lustig machte. Auch über Kyo, der wie fasziniert an ihren Lippen hing und ihre Erscheinung tief in sich einsog. Die Frau, die ihn gerade noch bedroht hatte, konnte nichts mehr als zu Boden zu sehen und sich ihrer Blöße zu bedecken, die ihr nassen, weißes Top bescherrte. Keiner wagte etwas zu sagen, langsam drehten sich die Menschen aus Scham weg, gaben Wege frei um auszubrechen, aber das brauchten die drei Männer nicht mehr. Sie blieben stehen, beobachteten Megumi und hörten ihrem seltsamen Singsang zu, bis der breitschultrige Türsteher, mit dem Kaoru sich angefreundet hatte, kam und nach einer Erklärung verlangte.

Megumi hörte auf zu singen und zeigte auf die nasse, junge Frau: „Das hast du davon, wenn du Homophoben hierrein lässt. Jetzt ist einem von uns das Glaß ausgerutscht, weil sie ihre Schwulenwitze nicht sein lassen konnte.“

„Ich glaube da hat jemand wohl ein Problem“, knurrte der Mann und klopfte im Vorbeigehen Kaoru auf die Schulter, „Junge Frau, die Party ist für dich hier zu Ende! Lass dich nie wieder hier blicken.“

Einen Moment lang überlegte Kaoru, ob er die Lüge aufklären sollte, doch er zögerte zu lange und es schon schob der Türsteher sie vor sich her zum Ausgang. Er nickte Megumi und bedankte sich, aber sie winkte nur ab, schnippste den Barmann herbei und rief Kyo zu, er schulde ihr nun einen Drink.
 

„Warum bist du bei Dir en grey?“, fragte Toshiya in die Stille des Raumes hinein, „Was treibt dich an?“

Shinya sah nur wenig überrascht auf, obwohl die Frage ohne jeden Zusammenhang sehr plötzlich kam. Toshiya kam es vor, als würde Shinya nie etwas überraschen, sondern als würde dieser alles hinnehmen, das passierte. Aber gerade darum fragte er.

Shinyas Blick blieb so ruhig, dass nur eine Lüge folgen konnte. „Na, weil ich Kyo schon seit der Mittelschule kenne bin ich bei Dir en grey und ich spiele Schlagzeug, weil ich es gut kann und es mir Spaß macht.“

Diese Aussage brachte Toshiya dazu nach besseren Worten zu ringen. Er verstand ihn nicht, nie war er mit Shinya besonders eng befreundet gewesen, aber nun, wo sie kurz davor standen Verträge zu unterschreiben, die zugrunde legten, dass sie die nächsten Jahre zusammen arbeiteten, wollte er mehr über ihn wissen, musste er ihn verstehen.

„Ach komm“, sagte er deshalb bittend, „Speiß mich nicht mit sowas ab!“

Shinya sah lange in sein aufgewühltes Gesicht, bis er meinte; „Ich will wissen, warum du fragst.“

„Weil ich dich nicht verstehe“, gestand Toshiya, „Kyo brauch die Musik und die Bühne als Ventil, Kaoru will die Bestätigung für sein Genie, Die will den Erfolg und den Hype, genau wie ich bis vor Kurzem. Aber dich, Shinya, dich scheint das alles gar nicht zu interessieren. Wenn du das alles nicht brauchst, dann warum? Warum willst du ein Rockstar werden? Du könntest auch so Musik machen und dabei einer Arbeit nachgehen, die unkomplizierter, sicherer wäre, mit der du Yukino schon viel früher ein besseres Leben als jetzt bieten könntest.“ Seine Augen waren so aufgewühlt wie sein Innerstes. Trotz der späten Stunde waren diese Augen nicht müde, sondern wach, lebendig, so sehr, dass sie im Licht funkelten. Hinter ihm war die Nacht schwarz und undurchdringlich.

„Du weißt doch, dass mein Vater tod ist“, begann Shinya und Toshiya nickte, denn Kyo hatte ihm einmal erzählt, dass während Shinyas Jugend dessen Vater Stück für Stück von Tumoren aufgefressen worden war, dass Shinya deswegen so kühl und berechenend geworden war.

„Ich besitze keine Photographie mehr von ihm, gar nichts hat Mutter übrig gelassen, das an ihn erinnern könnte“, erzählte Shinya, wobei er Toshiya nicht mehr ansah, sondern stattdessen auf die Bierflasche in seinen Händen blickte, „Es ist als hätte es ihn nie gegeben, als hätte ich mir meine Erinnerung an ihn nur eingeredet. Dabei hat er existiert. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass er einmal existiert hat, sonst wäre ich ja gar nicht.

Aber das ist die ganze Wahrheit. Wir Menschen existieren nur, nichts weiter. Es gibt kein Jenseits und auch keine Seelen unserer Ahnen, keinen Gott der Christen und keinen großen Buddah –das alles sind nur menschliche Vorstellungen, weil wir die matrialistische Realität nicht ertragen konnen. Wenn wir tod sind, wenn wir aufhören zu existieren, dann zeit es sich, wieviel wir bedeuten. An der Menge von Tränen und an der Erinnerung, die von uns bleibt.

Ich will so bedeutend werden, dass ich nicht wie mein Vater einfach so ausgelöscht werden kann. Etwas soll daran erinnern, dass ich gelebt habe.“

Seine Worte hallten im Raum und in Toshiyas Ohren noch viel länger nach, obwohl sie nicht besonders laut gesprochen worden waren. Es war die Kraft in Shinyas Stimme.

„Ich bin Yukino kein guter Ehemann, so wie ich meiner Mutter kein guter Sohn sein kann. Aber trotzdem bin ich so egoistisch, dass ich weiterleben möchte, auch nach meinem Tod. Ich kann nicht wie Die sein, den alle lieben, oder wie du und soviel Aufmerksamkeit auf mich ziehen, alles was ich kann ist Musik machen, den Takt schlagen. Darin bin ich gut und damit will ich den Beweis meiner Existenz erbringen.

Mir Dir en grey werden wir erfolgreich werden, unsere Musik wird zu CDs gepresst und vielen, vielen Menschen vorgespielt werden. Darin werden wir weiterleben, wie Hide in seiner Musik. Damit wir niemals aufhören zu existieren.“

Wieder schwiegen sie. Der Ausbruch hatte Toshiya gewissermaßen überwältigt. Er konnte nicht sagen, alles davon verstanden zu haben, es war zu groß für ihn. Vorrübergehend beschloss er sich zu setzen, bis die Nachwirkung der kleinen, aber umso heftigeren Rede abgeklungen war. Dann fing er an zu kichern.

„Ich dachte, dass ich ein gutes, tiefgründiges Argument gefunden hätte, um meinen Beweggrund zu erklären, dass ich dafür Respekt verdient hätte“, lachte er selbst ironisch.

„Um es meinen Eltern zu erklären, warum ich immer noch bei dieser Band bin, warum ich sie nicht aufgeben werde, aber das kommt mir nun noch lächerlicher vor.“

„Was war es denn?“, fragte Shinya und zeigte ein seltenes Interesse an einer anderen Person.

„Für mein Kind wollte ich es tun“, erklärte Toshiya, „Man sagt doch, dass Kinder ihren Vätern auf den Rücken sehen und ihnen folgen. Ich will mein Leben richtig leben, nie feige sein, willenskraft zeigen, erfolgreich sein, etwas besonderes schaffen. Mein Kind soll nicht wegen seiner jungen Eltern bemitleidet werden, sondern beneidet.“

„Aber das ist doch gut“, sagte Shinya, „Das ist ein viel besserer Beweggrund.“

Und trotzdem wollte Toshiya sich selbst nicht glauben.
 

Woher sie gekommen war, wusste Kaoru nicht, aber auf einmal stand Shizuka vor ihm, als er sich mit Die zurück zum Sofa aufs Podest drängeln wollte. Sie hatte es auf ihn abgesehen, denn ihr hier zu begegnen war alles andere als ein Zufall, in diesem Gedrängel genau vor ihr zu landen mehr als unnatürlich. Die stand genau hinter ihm und stieß gegen seinen Rücken, als Kaoru plötzlich stehen blieb. Da war sie, seine Ex, mit einem anderen Mann und lächelte ihn freundlich an. „Hallo, Kaoru.“

Sie sah immer noch verdammt niedlich aus, sie hatte sich die Haare blond gefärbt und es stand ihr gut, machte sie noch unschuldiger auch wenn sie gerade am Arm dieses anderen hing. Es versetzte Kaoru einen Stich, obwohl er sie für die Szene nach dem Konzert letztens hassen wollte. Das hier war fast genauso grausam.

„Darling“, sagte sie mit süßer Stimme zum Mann an ihrer Seite, „Das hier ist Kaoru.“ Ihr neuer Freund sah gut aus, war groß gewachsen und obwohl Kaoru es nicht gelten lassen wollte, durchaus sympatisch. Das war also sein Ersatz –oder die neue, bessere Version von ihm. War es nicht schnell gegangen, dafür, dass sie ihn letzte Woche noch so heißblütig geliebt hatte? Oder spielte sie ihnen allen nur etwas vor?

„Ah, der böse Ex?“, lachte der Darling und streckte ihm seine Hand entgegen, „Ich bin Kyosuke.“

Es blieb Kaoru nichts anderes über als einzuschlagen und einen freundschaftlichen Händedruck zu geben. „Der böse Neue? Freut mich!“ Der Mann konnte nichts dafür, wollte wohl das Bestmöglichste aus der Situation machen. Kaoru konnte es ihm nicht verübeln, dennoch drehte er sich schnell zu Die um, der sich unsicher aus der Szene heraushalten wollte, doch gerade jetzt brauchte Kaoru ihn. Er würde hier vor Shizuka kein mitleiderregender Tropf sein. Kurzentschlossen trat er einen Schritt zur Seite und zog Die neben sich.

„Mein Neuer“, sagte er und fühlte sich stolz. Ja, das hier war seiner. Gut, Die hatte davon so ganz offiziel noch nichts gewusst, aber das würde er eben nachholen. Die und er ein Paar, das war eben so. Auch ohne Liebesgeständnis und Sex waren sie das und nicht erst seit gestern. War er eben nicht besser als Shizuka, machte er es eben offiziell. Er hatte mir ihr wegen Die Schluss gemacht. Warum sollte er es nun noch verstecken?

Gleichermaßen zu seiner Beruhigung wie zu seiner Belustigung passte Die sich der Situation hervorragend an, indem er sein sympathischtes Lächeln auflegte und Shizukas neuem Freund ebenfalls die Hand entgegen streckte. „Hallo, ich bin Daisuke.“

Die Männer schüttelten sich die Hände, aber man sah Kyosuke seine Überraschung an, doch nach einem Moment fasste er sich wieder und sagte: „Ja, ich kenne euch. Ihr seid eine super Band. Herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Auftritt am 13. Sehr beneidenswert!“

Lächelnd stand Kaoru dabei, während Die sofort ein Gespräch anfing als würde nichts zwischen ihnen stehen. Die, der leichte Lebemann, konnte jedes Thema ausdehnen und sich jedem Gesprächspartner anpassen. Die Situation hatte all ihre Gehässigkeit verloren, sogar Shizukas freundliches Lächeln war angenehm. Sein Freund hatte die Situation gerettet. Sein Freund, seiner! Ha-ha!

„Du bist ein Arschloch, Kaoru“, sagte Shizuka ihm ehrlich, „Sei zu Die bitte noch besser als zu mir.“ Erstaunt wollte er etwas erwidern, doch auf einmal küsste sie ihn auf die Wange und verschwand in der Menge. Verwirrt fasste er sich ins Gesicht, wo gerade noch ihre sanften Lippen gelegen hatten. Was war das denn gewesen?

„Sagmal gewöhnt man sich daran eigentlich?“, fragte Kyosuke ihn auf einmal gespielt genervt, „Die ist so klein, dass man die ständig verliert!“

Kaoru lachte ihn an: „Ich empfehle ein Halsband.“
 

„Ich bin also dein Neuer?“, schnurrte Die Kaoru ins Ohr, nachdem Kyosuke sich getummelt hatte, um seine Freundin zu suchen. Sie standen immer noch mittem im Club zwischen Bar und Podest, die Leute um sie herum drängelten, doch niemand störte sich an den zwei Männern, die sich festhielten. Die hatte Kaoru von hinten umarmt und sprach direkt am Ohr. Alles kribbelte vor Aufregung in ihm. Dass Kaoru es so direkt gesagt hatte, vor anderen seine Hand hielt, das war alles unglaublich. Zu gut, um es einfach zu glauben. Dabei war die Gewissheit zum Greifen nah. Die Anspielungen, ihre Techtelmechtel, natürlich hattte es schon seit einiger Zeit diese Richtung der Entwicklung gegeben, aber es ausgesprochen hatte keiner von beiden. Auszusprechen, dass sie ein Paar waren, das war neu.

„Wenn du mich als deinen Neuen haben willst?“, sagte Kaoru mit einem fragenden Unterton. Warum war er sich unsicher? Lag es nicht mehr als auf der Hand, dass Die darauf brannte?

Kaoru drehte sich in seinen Armen und sah ihn an. Erfüllt von Glück betrachtete Die sein Gesicht. Das Warten hatte ein Ende. Hier war Kaoru und er war sein. So simpel war das. „Und wie“, antwortete er, erfasste Kaorus Gesicht und küsste ihn, nahm ihn ein. Ganz eng standen sie da, pressten sich gegeneinander, hielten sich so fest wie sie konnten.

„Meiner!“, knurrte Kaoru ihn zwischen den Küssen an und biss auf Dies Unterlippe. Nicht zaghaft, nicht süß –wild und besitzergreifend.

Alles löste sich auf, die Monate der Verzweiflung, des Wartens, der Trauer und der Wut –dies hier war die Antwort und die Lösung. In diesem Moment war Kaoru, so kitschig und abgedroschen es auch klang, das absolute Glück.
 


 

[1] Der Text stammt aus Kyos veröffentlichter Textsammlung „Kyo - Just a line to ask you, how are you? To you who has no name, with love from the end of the earth…“

[2] Grossstadtgeflüster – „Overdressed Underfucked“ Album: Bis einer heult!!!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tetsu
2009-05-23T11:57:40+00:00 23.05.2009 13:57
Ah, das Ende hat auch mich in den absoluten kitsch verfallen lassen und ich musste doch wirklich ein paar Tränchen zurückhalten.
Trotz all der Unsicherheit, die Kaoru noch so mitnimmt... das ist es. Das ist es wirklich. Die beiden. So zusammen.
Da gerät Shizuka in Vergessenheit und all das mit ihr wirkt einen Moment lang wirklich bedeutungslos. Aber wenn alles wirklich so einfach wäre wie in dem Moment bestünde das Leben aus lauter Happy Ends.
Ich hoffe das es gut geht. Denn so kritisch ich auch immer in die Zukunft sehe - aus jeder Kleinigkeit gleich große, ankommende Probleme sehen will - ich weiß, dass es auch gut gehen kann.
Und das wünsche ich den beiden.

Tetsu
Von: abgemeldet
2009-05-23T08:57:24+00:00 23.05.2009 10:57
herrje...gut dass du mich dran erinnerst...oo;
ich bin schlimm, ich gebs zu x.x
Aaaalso~
Das Kapitel hat mir wieder sehr gut gefallen ** Wie immer **
Allerdings find ich diese Sache mit Megumi echt mies ;_; Ich hatte mich schon so für Kyo gefreut xD
Aber wer weiß, vllt schafft ers ja sie zu einer hete zu machen ** Hoffentlich xD~
Am besten gefallen hat mir die Stelle in der Disco xD Kyo kippt dem Mädel da einfach sein Bier über den Kopf oo; Das hat mich echt gewundert, vor allem, weil es ja um Sarah ging. War aber richtig schön umschrieben die Szene, vor allem an der Stelle, wo Megumi dann anfängt zu singen, das hat mir super gefallen ^^
Sooo...jetzt heißt es wieder (diesmal hoffentlich nicht allzuuu lange >.<) warten aufs näcshte Kapitel ^^
Und ich freu mich wirkclih riesig drauf ^^
_pinkuuu_
Von:  kikiyaku
2009-05-18T17:39:00+00:00 18.05.2009 19:39
Oh ich hab so drauf gewartet, vor allem nachdem du es scheinbar öfter editiert hast und dann ständig die Hoffnung aufglimmte, dass es weiter geht, wo es soweit oben stand. Das Kapitel ist, entsprechend meiner Erwartung, absolut klasse geworden <3
Ich habe es sicherlich schon mal in irgend einem Kommentar erwähnt: Ich liebe deinen Schreibstil! Er lässt sich so wunderbar lesen und..ich wiederhole mich sicher. >//<
Am besten hat mir die Szene gefallen, wo Kyo sein Bier über der Tusse ausgekippt hat und wie Megumi alles gerettet hat mit ihrer selbstbewussten, coolen Art und vorallem auch die Szene, wo Kaoru Die als seinen Neuen vorgestellt hat! Ich fand das Gespräch zwischen den Vieren vor allem niedlich und amüsant.
Was mir wirklich einen Denkanstoß gegeben hat, war wohl eindeutig Shinyas Aussage. Gefällt mir sehr gut, wie du Shinya an sich darstellst und was du zu seinen Beweggrund gemacht hast.

Hoffentlich geht es bald weiter! Ganz bald >//<
Wobei Gut Ding wohl Weile haben will :D
LG♥
Kiki
Von:  KaoChaos
2009-05-17T22:30:09+00:00 18.05.2009 00:30
SO SÜß!
Mir fällt einfach nicht mehr ein.. ich wollte schon vor einer Stunde schlafen und ich kann nicht, weil diese FF einfach so wahnsinnig geil geschrieben ist!
Bitte sag mir, dass du weiter schreibst >o<
Ich häng da voll dran, das ist absolut geil *___*

Also brav weitermachen!!

Toshi
Von: abgemeldet
2009-05-17T19:16:34+00:00 17.05.2009 21:16
ein neues kapitel ** ich habs noch net gelesen aba ich muss schon ein kommentar schreiben xxxD ich werds jetz nämlich wieder ausdrucken und lesen und wenn ich dran denke hoffentlich hinterher wieder ein kommentar schreiben ich freu mich gerade, dass endlich nach soooooooo langem warten ein neues kappi da is **
so..
_pinkuuu_


Zurück