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Feuertanz

Harry/Draco
von

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Der Kreis schließt sich

Entschuldigt die, wie immer, lange Wartezeit. Ich hoffe, ihr seit alle gut ins neue Jahr gekommen :o) Mein ganz besonders großer Dank geht an folgende Reviewer:
 

Yami-san (die Cliffs werden sogar noch gemeiner *g*), x-Haruka-x (vielen Dank für dieses Wahnsinnskompliment ^///^) und nawatobi-chan (vielen Dank für das Lob^.^)
 

So, ich hoffe, ich habe niemanden vergessen und wünsche allen Lesern viel Spaß mit Kapitel 23 :o)
 

ooOoo
 

Staub tanzte im Licht der Morgensonne, das durch schadhafte Schindeln in die Scheune einfiel und helle Kreise auf den lehmigen Boden zeichnete. Trotz der frühen Stunde war die Luft warm und stickig. Es roch nach altem Holz, nach Erde und der unterschwelligen Süße getrockneten Heus. Harry bemerkte nichts davon; er starrte, stumm um Absolution bittend, auf Dracos Rücken, betrachtete hilflos die angespannten Schultern unter weißem Stoff.
 

Die Stille lastete schwerer als jedes anklagende Wort auf Harry, seit er sich endlich durchgerungen und Draco von Voldemorts Botschaft berichtet hatte. Die glühende Wut in den grauen Augen war wie ein Hieb gewesen; dann hatte Draco sich abgewandt. Wortlos. Und Harry hatte sich gefühlt, als wäre in diesem Augenblick jedes Leben in ihm erloschen.
 

„Eine offensichtlichere Falle hätten sie dir nicht stellen können, ist dir das eigentlich klar?“, unterbrach Draco das unangenehme Schweigen.
 

„Ja.“
 

Noch niemals zuvor hatte Harry sich so sehr gewünscht, eine andere Antwort geben zu können. Ein anderes Schicksal zu haben, unwichtig für diesen Krieg zu sein. Dracos Schultern sackten herab, als er bitter lachend kapitulierte.
 

„Und nichts was ich sage, kann dich zurückhalten.“
 

Das übermächtige Verlangen Draco zu berühren, ließ Harry vorwärts stürzen. Er schlang ungestüm seine Arme um Dracos bebenden Leib; das Gesicht in dessen Nacken vergraben, flüsterte er ihm Beteuerungen ins Ohr, dass alles gut ausgehen würde. Nicht mehr als ein leeres Versprechen, ein heuchlerisches Verleugnen der Tatsachen. Harry wusste das, und als Draco sich umwandte, ihn ansah, erkannte er, dass Draco es ebenfalls wusste.
 

Diesmal war das Schweigen nicht erdrückend. Harry war versunken im Anblick Dracos, sog jede Kontur, jede Linie des blassen Gesichts in sich auf. Das spitze Kinn, das feine hellblonde Haar, das in die, von hoffnungsloser Akzeptanz erfüllten, grauen Augen fiel. Dracos Finger an seiner Wange ließen Harrys Augen brennen, bannten jedes Wort, das ihm auf der Zunge lag – und jene Dinge, die er Draco sagen wollte, hallten in seinem Verstand wider, ohne dass er sie über die Lippen brachte.
 

„Draco!“
 

Beim Klang der kindlich hellen Stimme fuhr Harry zusammen. Er registrierte die Erleichterung, die Dracos Gesicht aufleuchten ließ, den Schatten darauf vertrieb. Nur widerwillig ließ Harry ihn los und sah Megan an, die ihm einen kurzen Blick voller Trotz zuwarf, bevor sie offenbar nicht länger widerstehen konnte und sich in Dracos einladend ausgebreitete Arme stürzte. Harry zwang sich dazu, die Augen abzuwenden, ihnen ein wenig private Widersehensfreude zu gewähren, auch wenn eine egoistische Stimme in ihm danach verlangte, Draco in den verbleibenden Stunden für sich allein zu haben.
 

Megan klammerte sich auch dann noch an Draco fest, als sie den Kopf wandte und Harry ansah; in den hellbraunen Augen lag blanker Zorn.
 

„Du darfst da nicht hingehen!“
 

Die Worte waren mit einer solchen Schärfe hervorgebracht worden, dass Harry für einen Moment sprachlos war. Er hob die Hände, wollte das Kind beschwichtigen, doch Megan ballte ihre kleinen Hände zu Fäusten.
 

„Nein! Nurai hat es gesagt. Sie hat gesagt, dass du nicht in die Dunkelheit gehen sollst, weil sonst das Hosghaj bricht!“
 

Harry warf Draco einen fragenden Blick zu, der nur die Schultern zuckte und sich hinkniete, damit er mit Megan auf Augenhöhe war.
 

„Erzähl mir vom Hosghaj“, bat er lächelnd.
 

ooOoo
 

Nachdenklich betrachtete Rabastan die Konturen des schlanken Körpers unter der Bettdecke. Der bloßgelegte Rücken hob sich im gleichmäßigen Rhythmus der ruhigen Atemzüge. Und wieder spürte Rabastan glühenden Hass in sich aufwallen. Dieses lodernde, alles vernichtende Gefühl schien sich in seinen Geist gebrannt zu haben, seit der Dunkle Lord ihn vor zwei Tagen zu sich gerufen hatte.
 

Die Schreie drangen gedämpft durch die Türen, und doch war es, als würden sie hundertfach verstärkt in Rabastans Ohren gellen. Mit dem bitteren Geschmack der Vorahnung betrat Rabastan die privaten Räume seines Meisters und die gequälten Laute verstummten.
 

Nichts als gelassene Ruhe spiegelte sich auf Voldemorts Miene wider, als er sich umwandte und den Zauberstab senkte. Er schenkte Rabastan ein schmales Lächeln und trat zur Seite, gab den Blick frei auf die zusammengekauerte Gestalt, die seinen Zorn zu spüren bekommen hatte. Nur das Wissen, dass jeder Fehler tödlich sein konnte half Rabastan, sein ausdrucksloses Gesicht zu bewahren, auch wenn er innerlich zu Eis erstarrte. Er versuchte in den Zügen Voldemorts zu lesen, einen Grund zu finden, warum er ihn hatte rufen lassen. Ob der Dunkle Lord herausgefunden hatte, dass…
 

„Schaff sie fort.“
 

Der Befehl wurde von einer ungeduldigen Geste unterstrichen und es kostete Rabastan seine gesamte Willenskraft, auf Bellatrix zuzugehen und ihren erschlafften Körper voller Gleichgültigkeit hochzuheben. Er konnte den sauren Geruch der Angst an ihr wahrnehmen. Ihr Atem ging schnell und abgehackt, hinter ihren geschlossenen Lidern zuckte es, als durchdringe der Schmerz ihre Ohnmacht. Jeder Schritt Rabastans war eine weitere Überwindung, als würde er durch tiefen Schlick waten. Er ließ Voldemort hinter sich, vergaß alles um sich herum und sah nur sie. Die Kälte wich einer glühenden Hitze. Eine dunkelrote Wolke des Hasses; seine Finger verkrampften sich, pressten sie dichter an seine Brust und Bellatrix erwachte. Die grauen Augen richteten sich in namenloser Furcht auf sein Gesicht, zuerst trübe und unfokussiert, doch dann klärte sich ihr Blick, zeigte Erkennen.
 

„Rabastan…“
 

Nur ein atemloses Flüstern, durchzogen von Qual. Ihre Finger griffen nach seiner Robe, zerrten kraftlos daran, als wäre er der letzte Halt, den sie noch hatte.
 

„Rabastan.“
 

Wieder und wieder wisperte sie seinen Namen mit heiserer Stimme, voller Hoffnung, voller Wärme, wie in jenen Nächten, in denen sie in sein Bett schlich Diese wenigen Stunden, die ihnen genügen mussten. Ihr Kopf sank gegen seine Brust, zitternd schlossen sich die Lider über den fiebrig glänzenden Augen, als sie sich ihm vertrauensvoll überließ. Und in seinem Inneren schwelte eine Glut, die nach Vergeltung schrie.
 

Kühl, seidig und glatt floss Bellatrix’ Haar durch seine Finger. Er brauchte nicht zu fürchten, dass sie vor dem Morgengrauen erwachte, dass sie trotz allem, was geschehen war, seine Pläne durchkreuzte. Noch immer hallten ihre Schreie durch seinen Geist, die sie unter Voldemorts Folter ausgestoßen hatte. Mit zitternden Fingern strich er eine dunkle Strähne beiseite und betrachtete schuldbewusst ihr im Schlaf weiches Gesicht. Der Schmerz hatte ihr Wahrheiten in den Mund gelegt, die sie sonst wohl nicht ausgesprochen hätte.
 

„Warum hat er das getan?“
 

„Versagt… mein Diener hat versagt und er hat mich dafür büßen lassen…“ Sie sah ihn an, als suche sie in seinen Augen jene Vergebung, die Voldemort ihr nicht hatte gewähren wollen. „Das Mädchen… er sollte nur das Mädchen bringen, doch er hat versagt.“
 

„Warum ist sie wichtig?“
 

Rabastans Ton war einschmeichelnd; voller Trost und Verständnis entlockte er ihr die Antworten, die er hören wollte.
 

„Ihr Tod wird Potter näher an den Abgrund treiben… und wenn das Hosghaj bricht…wenn es bricht…“ Bellatrix richtete sich auf, ihre Arme zitterten unter der Last ihres Körpers und für einen Moment schienen ihre Augen in wildem Triumph zu glühen. „Wenn es bricht, wird ihn niemand mehr aufhalten können!“
 

Bellatrix sank zurück, erschöpft durch die Anstrengung und lächelte auch noch, als sie in einen unruhigen Schlaf glitt.
 

Rabastan beugte sich vor, presste seine Lippen auf ihre Stirn.
 

„Wenn das Hosghaj bricht…“
 

Die schwelende Glut in seinem Inneren hatte durch ihre Worte neue Nahrung gefunden.
 

„Und was, wenn es nicht bricht?“
 

ooOoo
 

Severus betrat das Haus durch die Hintertür, den Zauberstab erhoben, auf lauernde Gefahren gefasst. Falsche Informationen hatten ihn einen ganzen Tag verlieren lassen. Und nur Merlin wusste, was derzeit von Lucius verlangt wurde. Eine reine Zeitverschwendung; nichts weiter als eine perfide Art, ihn vom Schloss fernzuhalten. Der Flur lag still und verlassen vor ihm, dennoch entspannte er sich nicht. Es wäre geradezu fahrlässig von Ollivander, sich nicht durch versteckte Fallen abzusichern. Er schlich weiter vorwärts, betrat den Raum zu seiner Rechten und erstarrte angesichts der Gestalt, die sich über einen am Boden liegenden Körper beugte, der eindeutig als der Ollivanders identifiziert werden konnte. Severus’ Reflexe reagierten schneller als sein Verstand.
 

Expelliarmus!“
 

Ein überraschter Schrei, ein Wirbel aus braunen Roben und Severus hielt zwei weitere Zauberstäbe in der Hand. Sein eigener Stab war auf Tonks’ blasses Gesicht gerichtet. Mit schreckensweiten Augen starrte sie ihn an, die nunmehr leeren Fäuste geballt. Auf ihrer Wange klaffte ein Schnitt, aus dem Blut hervorquoll. Mit einem Kopfnicken deutete Severus auf Ollivander.
 

„Hast du ihn getötet?“
 

„Nein! Ich bin nicht wie deinesgleichen!“
 

Trotz der Angst, die sie ohne Zweifel verspürte, brachte Tonks es fertig, ihm verächtlich vor die Füße zu spucken. Severus hielt sich nicht damit auf, sie für ihre Dummheit zu tadeln, oder gar ihren Mut zu loben; seine Gedanken kreisten bereits darum, ob diese neue Situation einen Vorteil brachte, oder ob sie eine Katastrophe war. Kehrte er mit leeren Händen zu Voldemort zurück, wäre seine Strafe der Tod. Brachte er dem Dunklen Lord den Zauberstab, wäre der Horkrux für den Orden verloren. Nachdenklich betrachtete er den leblosen Körper Ollivanders, ein vager, schrecklicher Gedanke begann in seinem Geist Form anzunehmen, als Tonks ihn in die Realität zurückriss.
 

„Worauf wartest du, Todesser? Ich bin unbewaffnet, eine bessere Gelegenheit bekommst du nicht!“
 

Severus ließ seinen Blick kurz über das im Zimmer angerichtete Chaos gleiten. Brandspuren an den Wänden, zerbrochene Möbel – alles Anzeichen eines Kampfes.
 

„Hat er dich erkannt?“
 

„Was?“ Tonks blinzelte, für einen Moment scheinbar zu überrascht, um ihren Trotz noch aufrechterhalten zu können.
 

„Ob er dich erkannt hat, du dummes Mädchen!“ Severus gab sich keine Mühe, seine Ungeduld zu verbergen. Zu viel stand auf dem Spiel – und wenn Ollivander ihr Gesicht gesehen hatte…
 

„Ja“, antwortete Tonks knapp, die Arme vor der Brust verschränkend. „Und was bringt dir diese Information, Snape?“
 

„Eine Chance.“ Severus warf ihr die erbeuteten Zauberstäbe zu und beobachtete voller Genugtuung die grenzenlose Überraschung auf ihrem Gesicht. „Verschwinde von hier, bevor ich es mir anders überlege und deiner scheinbaren Todessehnsucht doch noch nachgebe.“
 

Fassungslos starrte sie auf die beiden Zauberstäbe in ihrer Hand, bevor sie misstrauisch zurückwich.
 

„Remus hatte es angedeutet, dass du noch immer auf unserer Seite stehst, aber ich…“
 

„Verschwinde!“ Severus feuerte ohne weitere Vorwarnung einen Fluch in ihre Richtung, der nur wenige Handbreit neben ihr einen Tisch zertrümmerte. „Und sag diesem verdammten Werwolf, er soll seine Zunge hüten!“
 

Tonks hatte sich zu Boden geworfen, als das rote Licht auf sie zugeschossen war. Jetzt rappelte sie sich langsam auf und sah Severus voller Wut an.
 

„Du Bastard!“
 

Die Kommode hinter ihr ging in Flammen auf, doch diesmal wich Tonks nicht zurück, sie sah Severus nur voller Verachtung an und disapparierte, die Zauberstäbe fest umklammert.
 

Für einen Moment starrte er auf die Stelle, an der sie bis eben noch gestanden hatte; dann fiel sein Blick auf Ollivander und Kälte breitete sich in ihm aus. Ein weiteres Opfer, das er dem Plan darbrachte, ein weiteres Opfer seiner Rache. Doch diesmal trug es einen Namen, wurde von ihm persönlich ausgewählt und zur Schlachtbank geführt. Ein weiteres Gesicht, welches er seiner dunklen Sammlung hinzufügen konnte.
 

Severus schloss die Augen, als er glaubte eine Stimme zu hören; dunkel, rauchig an seinem Ohr:
 

„Severus…“
 

Mit geballten Fäusten stand er da, bildete sich ein, dass vertraute Hände nach ihm griffen.
 

„Ich liebe dich…“
 

Allein die Erinnerung bedeutete bittersüße Qual – und James’ Gesicht vertrieb den beißenden Geschmack der Schuld.
 

Enervate.“
 

Severus sah hinab, in furchtsame Augen und war nun bereit, ein weiteres unschuldiges Leben zu opfern.
 

„Anscheinend wurde dir etwas Wichtiges gestohlen – und du wirst dem Dunklen Lord erklären, wie es dazu kam.“
 

ooOoo
 

„… Nurai hat erzählt, dass damals das Hosghaj zerbrochen ist, und Ignis glaubt, dass es wieder passieren könnte“, erklärte Megan. „Ignis glaubt auch, dass Nurai rechtzeitig eingreifen muss, aber Nurai sagt…“ Megan brach ab und biss sich unentschlossen auf die Unterlippe.
 

„Was sagt Nurai?“ Draco lächelte Megan ermutigend an, deren Blick unruhig zwischen ihm und Harry hin- und herhuschte.
 

Sie atmete tief ein, sah stirnrunzelnd zu Boden, und ihre zögernde Antwort klang wie auswendig gelernt: „Wenn Harry dem Ramhos verfällt, wird das Hosghaj brechen. Aber alle haben etwas Wichtiges vergessen…“ Die kleinen Finger spielten nervös mit dem Rocksaum und Megan sah Draco an, als wolle sie ihn um Verzeihung bitten, als sie verzweifelt ausrief: „Sie hat es gesehen, in meinen Erinnerungen. Ich habe es ihr nicht verraten! Bestimmt nicht!“
 

„Was hat sie gesehen, Megan?“, fragte Draco, dessen Lächeln nun etwas verblasste. „Was haben alle anderen vergessen?“
 

„Liebe“, flüsterte Megan.
 

Es war fast wie ein Hieb in den Magen. Und für einen Moment glaubte Harry, nicht mehr atmen zu können. Er hatte das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen, als Dracos Wangen flammendrot aufleuchteten. Hitze breitete sich in Harry aus, köstlich süß und verzehrend; pures Glück peitschte durch seine Venen. Megan war vergessen (aber nicht diese alles bedeutenden Worte, die sie soeben ausgesprochen hatte), Ginny war vergessen, alles schien in den Hintergrund zu rücken und er sah nur noch Draco.
 

„Harry?“
 

Harry zuckte wie ertappt zusammen, und schnappte nach Luft, als Hermines Stimme aus dem vorderen Teil der Scheune erklang. Jäh verengten sich Dracos Augen, ob aus Enttäuschung oder Wut, vermochte Harry nicht zu sagen. In ihm selbst wütete die Unzufriedenheit über diese Unterbrechung wie ein wildes Tier.
 

„Ich bin hier“, rief er seufzend und sah Hermine an, die zögernd näher kam. Ihr Blick huschte unruhig zu Draco, bevor sie Harry ansah.
 

„McGonagall will dich sprechen.“
 

„Ich komme.“
 

Schlanke Finger gruben sich in Harrys Arm, hielten ihn entschlossen zurück, und Harry erschrak über den zornig-stürmischen Ausdruck in Dracos Augen.
 

„Bis später, Potter!“
 

Eindeutig ein Befehl, dennoch lächelte Harry und ließ seine Finger blitzschnell über Dracos Handrücken gleiten, bevor er aufstand und zu Hermine trat, die ihre Aufmerksamkeit diskreterweise Megan zugewandt hatte. Sie winkte ihr freundlich zu und runzelte verblüfft die Stirn, als das Mädchen ihr trotzig die Zunge herausstreckte und sich hinter Draco versteckte.
 

„Sympathisches Kind“, murmelte Hermine, als sie neben Harry in die flirrende Hitze des Morgens hinaustrat.
 

Harry grinste sie an und zuckte die Achseln.
 

„Sie ist ein wenig schüchtern.“
 

„Tatsächlich?“ Auch Hermine lächelte, doch dann wurde ihr Gesicht jäh ernst. „McGonagall hat uns erzählt, was gestern passiert ist…“
 

„Ich weiß, dass es eine Falle ist“, unterbrach Harry sie. „Und ich…“
 

„Darum geht es nicht. Du hast einiges verpasst.“ Hermine blieb stehen und sah ihn ernst an. „Es geht darum, dass McGonagall Mrs. Weasley nicht mitnehmen will. Ich weiß nicht, wie es inzwischen ausgegangen ist, und eigentlich hatte sie Ron zu dir geschickt, aber Ron…“
 

„Wollte mich nicht sehen“, vervollständigte Harry den Satz beherrscht und nahm seinen Weg stur wieder auf. In seinen Ohren summte es unangenehm.
 

„Er wollte dich nicht zusammen mit Malfoy sehen. Das ist ein Unterschied, Harry.“ Hermine griff nach seinem Arm und zwang ihn dazu, erneut stehen zu bleiben. „Gib ihm ein paar Tage, um das zu verdauen. Bitte.“
 

Mit einer unwirschen Bewegung riss Harry sich los. Er wollte sich nicht mit Ron streiten. Nicht ausgerechnet jetzt. Die Bedrohung schien wie eine dunkle Mauer vor ihm aufzuragen und es gab kein Entkommen.
 

„Mir läuft die Zeit davon, Hermine, und vielleicht kann ich Ron diese Frist nicht einräumen.“
 

„Sprich nicht, als wärst du schon tot!“, fuhr Hermine ihn an. „Der Orden wird dich nicht opfern. Im Gegenteil. Komm jetzt.“ Den Mund grimmig verzogen, zerrte sie Harry hinter sich her.
 

Harry konnte Mollys aufgebrachte Stimme schon hören, als die Tür zu Minervas Büro noch einige Schritte entfernt war.
 

„Du wirst mich hier nicht einsperren können, Minerva!“
 

Hermine betrat den überfüllten Raum, ohne eine Antwort auf ihr Klopfen abzuwarten. Harry blinzelte, überrascht, dass so viele ihm teilweise völlig fremde Menschen hier versammelt waren. Rons Blick kreuzte sich mit seinem, dann wandte sein Freund sich ab und Harry schnürte es die Kehle zu. Die Zwillinge standen abseits und unterhielten sich leise. Arthur Weasley griff nach seiner Frau, die ihre Hände auf Minervas Schreibtisch krachen ließ.
 

„Ich bin kein Risiko!“
 

„In deinem jetzigen Zustand bist du das sehr wohl, Molly“, antwortete Minerva ruhig; der Ausdruck in ihren Augen war voller Mitgefühl, als sie nach den zitternden Händen Mollys griff. „Du bist beinahe wahnsinnig vor Angst und Schmerz, und wir können uns keine Schwäche erlauben. Nicht heute Nacht. Nicht, wenn so viel auf dem Spiel steht.“
 

„Ich weiß genau, was auf dem Spiel steht“, entgegnete Molly kalt und riss ihre Hände zurück. „Es geht um Ginnys Leben. Und um Harrys. Ich werde ganz sicher nicht untätig hier herumsitzen und warten! Zumal du jeden ausgebildeten Zauberer gebrauchen kannst, der sich im Kloster befindet.“
 

Minervas Lippen wurden sehr schmal; sie lieferte sich ein stummes Blickduell mit Molly – und verlor. Nickend gab sie klein bei und Molly gab sich keine Mühe, den wilden Triumph in ihren Augen zu verbergen, als sie vom Schreibtisch zurücktrat. Minervas Blick huschte unruhig über die Gesichter der Anwesenden, bevor sie auf die Karte an der Wand deutete.
 

„Wir werden in Gruppen operieren und den Wald an fünf verschiedenen Stellen betreten. Damit decken wir ein größeres Gebiet ab und bieten ihnen nicht soviel Angriffsfläche. Wir kommunizieren auf dem üblichen Weg. Welche Gruppe auch immer Ginny findet, bringt sie hierher und schickt einen Patronus zu den anderen.“ Sie sah Harry durchdringend an. „Mr. Potter, Sie werden mit Alastor und mir gehen, und Sie werden nicht einmal atmen, bevor ich es Ihnen erlaube. Sie bleiben in unserem Schatten, ist das bei Ihnen angekommen?“
 

„Ich dachte, ich soll mich Voldemort stellen“, antwortete Harry ruhig. „Darauf läuft es doch hinaus.“
 

„Überlassen Sie das Denken gefälligst mir!“ Minervas Augen blitzen zornig hinter der Brille auf. „Sie werden genau das tun, was ich Ihnen sage und jeden Heldenunsinn unterlassen!“
 

Ihre Wut traf ihn beinahe körperlich und Harry brachte es nur noch fertig zu nicken. Minerva fixierte ihn noch einen Augenblick, dann löste sie die Versammlung auf.
 

„Wir treffen uns eine Stunde vor Sonnenuntergang.“
 

Im Hinausgehen spürte Harry eine Hand auf seiner Schulter. Er drehte den Kopf und sah direkt in Rons blaue Augen; fragend, hoffnungsvoll, bittend.
 

„Wir holen sie da schon raus.“
 

Harry nahm dieses Friedensangebot nur zu gern an. In seinem Inneren breitete sich köstliche Wärme aus, als er nach Rons Hand griff und diese kurz drückte.
 

„Ja.“
 

Ron rang sich die erbärmliche Kopie eines Grinsens ab, dann wurde sein Blick ernst.
 

„Und danach reden wir über diese andere Sache.“
 

Das warme Gefühl in Harrys Brust kühlte rapide ab, doch er nickte. Er schuldete Ron eine bessere Erklärung, als ein läppisches: Es ist einfach passiert.
 

ooOoo
 

Der Flaschenhals kollidierte klirrend mit dem Glas, als Rodolphus sich ungeduldig einschenkte. Rabastan betrachtete seinen Bruder aufmerksam: Den unsteten Blick, das Zittern der Hände, die Unsicherheit in den Bewegungen.
 

Dennoch, es dauerte zu lange und die Sonne stand schon tief.
 

„Ein neues Geschenk?“, fragte Rabastan und deutete mit unverhohlenem Ekel auf das zusammengekauerte Bündel Mensch, das an einem der Bettpfosten angekettet war. Das Mädchen hatte ihn nur bei seinem Eintreten angesehen und versuchte sich seitdem möglichst unsichtbar zu machen.
 

Rodolphus’ Blick flackerte, als er das Mädchen betrachtete, sein halbvolles Glas umklammernd, und Rabastan somit genug Zeit verschaffte, um die Flasche mit einigen Tropfen des Trankes der lebenden Toten zu präparieren.
 

„Willst’ sie ausleihen?“, fragte Rodolphus nuschelnd und entblößte grinsend Zähne, als er seinen Bruder wieder ansah.
 

Interesse heuchelnd, begutachtete Rabastan das Mädchen genauer. Mehr Kind denn Frau, vermutlich recht hübsch, wenn die Blutergüsse ihr Gesicht nicht derartig entstellt hätten. Doch ob hübsch und viel zu jung oder nicht, sie war schon so gut wie tot.
 

„Nein. Sie sieht nicht so aus, als würde sie weitere Strapazen überleben.“
 

Der restliche Whiskey bahnte sich seinen Weg durch Rodolphus’ Kehle; erneut ertönte das leise Klirren, als er sich nachschenkte.
 

„Is’ gleichgültig. Is’ nur wertloser Dreck.“ Rodolphus wischte sich einige Tropfen des scharfen Getränks vom Kinn und grinste Rabastan betrunken an, während er dessen Glas auffüllte. „Und ich bekomm’ immer Nachschub…“
 

„Indem du ihm deine Frau überlässt.“
 

Die bitteren Worte waren heraus, bevor Rabastan sie zurückhalten konnte und Rodolphus’ Glas zersprang krachend an der gegenüberliegenden Wand. Rodolphus Lestrange war aufgesprungen und stand schwankend vor Rabastan.
 

„Bellatrix hat sich das ausgesucht! Ich hab’ der Schlampe bestimmt nich’ gesagt, dass sie in sein Bett springen soll!“
 

„Aber du hast sie kampflos aufgegeben. Dabei ist sie deine Frau!“
 

Mit beiden Händen stützte sich sein Bruder auf dem Tisch ab und brachte sein Gesicht nahe an Rabastans. Noch immer war er betrunken, dennoch war er auch noch immer wie ein lauerndes Tier; bereit zuzuschlagen.
 

„Ganz genau, sie ist meine Frau – nicht deine.“
 

Aber ich bin es, zu dem sie geht, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.
 

Rabastan unterdrückte das lauwarme Siegesgefühl – in diesem Spiel zwischen ihm und Bellatrix hatte es immer nur Verlierer gegeben – und zwang sich dazu, gelassen die Schultern zu zucken.
 

„Du hast Recht, es geht mich nichts an.“ Er hielt seinem Bruder die Flasche hin. „Lass uns lieber den kommenden Sieg feiern.“
 

Rodolphus grabschte lachend nach der Flasche und schluckte das dunkle Getränk hinunter. Rabastan nippte lächelnd an seinem Glas, ohne die Lippen zu öffnen und zählte die Sekunden. Er beobachtete, wie sein Bruder unsicher nach der Tischkante griff, die Flasche entglitt seinen Fingern, dann ging der schwere Körper krachend zu Boden.
 

„Es scheint fast, als wärst du nicht in der Lage, Lucius und mich zu begleiten“, stellte Rabastan lächelnd fest. „Aber keine Sorge, Bruder, der Dunkle Lord wird von deiner Verfehlung nichts erfahren.“
 

Die Flasche zerschellte im Kamin, dessen Flammen die möglichen Beweise gierig verschlangen. Für einen Moment starrte Rabastan nachdenklich ins Feuer. Alles, was er bis jetzt getan hatte, barg gewisse Risiken, die dennoch berechenbar waren – einzig Lucius war eine unbekannte Größe in seinem Plan. Er würde Malfoy nur ungern töten müssen, er könnte sich als durchaus nützlich erweisen. Dennoch, wenn Lucius herausfand, welchen Köder er Peter hatte schlucken lassen… Es wäre vielleicht nicht zu verhindern. Jeder wusste, was Malfoy für seine Frau empfand. Vielleicht die beste Seite an ihm, doch zugleich war es seine größte Schwäche.
 

Sein Blick richtete sich auf das Mädchen und ihr geschwollenes Gesicht wurde zu dem Narzissas.
 

Avada Kedavra.“
 

Grünes Licht erhellte den Raum und das Mädchen brach lautlos zusammen. Sollte Wurmschwanz tatsächlich Erfolg haben, würde er Narzissa zum Ausgleich seiner Schuld den gleichen Dienst erweisen wie diesem Schlammblut: Einen schnellen Tod.
 

ooOoo
 

„Mylord, ich kam zu spät und habe versagt.“ Severus blinzelte nicht einmal, als er die Worte sprach, die seinen Untergang bedeuten konnten. Er deutete auf den zitternden Ollivander, der zwischen ihm und Voldemort kniete. „Ich fand ihn bewusstlos vor, Euer Eigentum wurde gestohlen.“
 

Hatte zuerst noch milde Überraschung in Voldemorts Blick gelegen, als Severus mit Ollivander aufgetaucht war, glühten seine Augen jetzt in namenloser Wut. Als die dürre Gestalt zischend aufsprang, begann der alte Mann um sein Leben zu flehen:
 

„Mylord! Ich bitte Euch um Gnade! Es waren Auroren… viele Auroren… ich hatte nicht die geringste Chance…“
 

Er brach röchelnd ab, als Voldemorts Finger sein Kinn umklammerten und dessen schrecklich wissenden Augen sich in die Ollivanders zu brennen schienen. Severus straffte die Schultern und richtete seinen Blick wenige Handbreit neben das Geschehen, als Blut aus Ollivanders Nase tropfte. In seinem Zorn wütete Voldemort ohne Rücksicht in dem Geist des Mannes.
 

„Eine jämmerliche Frau!“ Der Dunkle Lord stieß Ollivander angewidert von sich. „Diese kleine Possenreißerin war es, die dich bestohlen hat! Die mir etwas äußerst Wichtiges entwendet hat!“
 

Ollivander kroch wimmernd rückwärts; Spuckefäden tropften von seinem Mund zu Boden, ehe er sich würgend erbrach. Voldemort richtete seinen Zauberstab auf den Mann, doch dann sah er auf, und Severus’ Eingeweide wurden klein und heiß, als der Dunkle Lord lächelte.
 

„Töte du ihn für mich, Severus.“
 

Voldemort wandte sich um und setzte sich auf den steinernen Thron. Die Finger spielten ein aufgebrachtes Stakkato auf den Armlehnen, als er Severus lauernd betrachtete. Sich seiner Schuld nur zu bewusst, richtete Severus seinen Zauberstab auf Ollivander. Bittere Galle lag ihm auf der Zunge – dennoch nahm er diese Strafe ergeben an.
 

„Und Severus…“
 

Wie hatte er auch nur eine Sekunde glauben können, dass der Dunkle Lord ihn so billig davonkommen ließ. Er kannte seine Untergebenen. Er kannte Severus; wusste welche Strafe ihn treffen würde.
 

„… lass dir Zeit.“
 

Als Sectumsempra Ollivander die ersten Schreie entlockte, verlor sich Severus’ Seele im dunklen Sumpf des Selbsthasses.
 

ooOoo
 

Träge streichelte Harry über Dracos Körper, zeichnete verschlungene Muster auf die weiße Haut und mied den vernichtenden Blick zum Fenster. Die Zeit schien mit jeder Sekunde schneller zu verstreichen. Harry hatte sich bis jetzt nicht dazu durchringen können, über das zu sprechen, was am Morgen vorgefallen war, und auch Draco hatte beharrlich geschwiegen. Stattdessen waren die letzten Stunden wie ein Rausch gewesen; gierig und ausgehungert, wollten sie die Nähe des jeweils anderen bis zum Letzten auskosten.
 

Harry war müde und hellwach zugleich und er genoss es, Dracos Herzschlag an seiner Wange zu spüren. Dracos Finger glitten in gleichmäßigem Rhythmus durch Harrys Haar und über seinen Nacken; tröstlich und beruhigend. Er spürte wie Dracos Arme sich besitzergreifend um ihn legten. Harry presste seine Stirn gegen Dracos Brust, atmete zitternd ein und ignorierte das Brennen in seinen Augen.
 

„Die Sonne geht unter.“
 

Das Beben in Dracos Stimme war deutlich zu vernehmen und alles in Harry sträubte sich dagegen, ihn jetzt zu verlassen. Harry sah auf, blickte in Dracos Augen, die ihn dunkel vor Schmerz betrachteten.
 

„Draco, ich… ich…“
 

Draco richtete sich auf und brachte Harry mit einem kurzen Kuss zum Schweigen. Dann sah er ihn an; wissend, akzeptierend.
 

„Ich weiß. Komm jetzt.“
 

Harrys Finger waren klamm und taub, als er nach seinen Sachen griff und sie umständlich anzog. In seinem Kopf wirbelten Gedankenfetzen umher und keiner war wirklich greifbar. Furcht vor dem Kommenden, davor, erneut zu versagen. Erleichterung, dass es vielleicht bald vorbei sein könnte; die ständige Wut, die Flucht, das Versteckspiel. Der Wunsch, Draco zu sagen was er empfand. Betäubende Angst bei dem Gedanken daran, ihn vielleicht nie wieder zu sehen.
 

Dracos Finger, die nach seiner Hand griffen, waren ebenso kalt wie seine eigenen. Schweigend gingen sie nebeneinander durch die Gänge des Klosters und Draco ließ Harry erst los, als sie nur wenige Schritte von dem weit geöffneten Eingangstor entfernt waren. Harry spürte, dass Draco hinter ihm zurückfiel und blieb stehen. Er schloss die Augen, als Dracos Arme sich um ihn legten, und der warme vertraute Körper sich gegen seinen Rücken presste. Dracos Lippen auf seinem Nacken lösten sanfte Schauder aus, vertrieben die Kälte. Harry schnappte nach Luft, als er einen harten Stoß in seinem Rücken spürte, der ihn vorwärts trieb. Fort von Draco, hinaus in das rotglühende Sonnenlicht.
 

„Potter!“
 

Wie durch dichten Nebel drang Alastors Stimme an seine Ohren; dann stand der alte Auror auch schon neben ihm, zerrte Harry mit sich durch die Menschenmenge. Er sah, wie Remus ihn anlächelte, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Er erkannte Ron und Hermine, die sich an den Händen hielten wie Kinder, die sich im Wald verirrt hatten. Mollys geballte Fäuste. Arthurs angespanntes Gesicht. Die ungewöhnlich ernsten Mienen der Zwillinge. Minerva, deren Mund schmal und hart wirkte. Namenlose Klosterbewohner, die mit entschlossenen Blicken ihre Zauberstäbe umklammerten.
 

Das Ausgangstor ragte vor Harry auf und erst jetzt fiel diese dumpfe Starre von ihm ab. Er warf sich halb herum, suchte und fand Draco, der im Halbschatten des Klosters an der Wand lehnte und ihn ansah. Es war wie ein Stich ins Herz. Und in diesem Augenblick vergaß Harry alles andere; er wollte nur noch zurück und Draco sagen was er für ihn empfand.
 

„Es geht los, Junge. Vergiss nicht, was Minerva gesagt hat. Keine Heldentaten.“
 

„Nein! Warte, ich…“
 

Verzweifelt widersetzte Harry sich Alastors hartem Griff, als sie apparierten und zähflüssige Schwärze ihn einhüllte.
 

ooOoo
 

Ausatmen.
 

„Achtundneunzig.“
 

Einatmen.
 

„Neunundneunzig.“
 

Ausatmen.
 

„Hundert.“
 

Die Zahlen waren ihr Mantra, um die ewige Dunkelheit zu ertragen, die Stille, das Scharren der Ratten. Hier unten hatte sie gelernt, dass Zeit nur ein Wort war. Dass sich die Sekunden in der Finsternis verloren, mit den Schatten zu einer trägen, erstickenden Masse verschmolzen, die nicht messbar, nicht länger real war.
 

Ginny umklammerte ihre Knie, wippte vor und zurück; rhythmisch, beruhigend, konstant – und sie zählte, um nicht den Verstand zu verlieren.
 

„Eins.“
 

Dumpfe Schritte, vielleicht ihrer Einbildung entsprungen.
 

„Zwei.“
 

Flackernder Feuerschein zu ihrer Rechten und Ginny blinzelte dem Licht hoffnungsvoll entgegen.
 

„Drei.“
 

Die Gitter öffneten sich kreischend und der Mann, der sie nicht zurück zu Filch gebracht hatte, sah mit angewidertem Gesicht auf sie herab. Ihre Zunge, ein geschwollener Fremdkörper in ihrem Mund, kratzte über aufgesprungene Lippen, bereit um einen Schluck Wasser zu betteln, als der Mann etwas murmelte und einen Becher heraufbeschwor. Voller Gier griff Ginny danach, stürzte klares, köstlich süßes Wasser ihre ausgetrocknete Kehle hinunter. Ihr Magen krampfte sich zusammen, doch sie gab dem würgenden Gefühl ihres Körpers nicht nach, atmete mit geschlossenen Augen und zählte lautlos, bis eine Hand ihren Arm umklammerte und sie grob auf die Füße zerrte.
 

„Ich hoffe für dich, dass du laufen kannst – dass du rennen kannst.“
 

Ginny sah auf, sah in graue Augen, ähnlich einem klirrend kalten Wintermorgen, und lachte heiser. Ihre Beine zitterten so erbärmlich, dass sie kaum stehen konnte, und er wollte, dass sie rannte – ein fantastischer Witz. Ginny kicherte noch, als sie von dem Mann in rotglühende Helligkeit gestoßen wurde. Sie schloss die Augen, wollte die tiefstehende Sonne nicht ansehen, die sich wie eine blutende Wunde im wolkenlosen Himmel ausmachte. Das duftende Gras dämpfte ihre Schritte, war reines Leben unter ihren Füßen.
 

„Sag, Rabastan, wie lange wollen die Ratte und dein Bruder uns warten lassen?“
 

Ginny sah auf und traf auf die desinteressierten Augen Lucius Malfoys. Dracos Augen. Ginny überlegte, ob der Mann wohl wusste, wie sein Sohn sich die Zeit vertrieb – und mit wem. Sie spürte erneut hysterisches Gelächter in sich aufsteigen und wusste, dass sie den schmalen Grat zum Wahnsinn fast erreicht hatte. Sie ballte die Fäuste, klammerte sich an den Schmerz, als ihre Nägel sich in das weiche Fleisch ihrer Handballen gruben. Ein Schmerz, der sie daran erinnerte, dass es noch nicht vorbei war, dass sie noch lebte und dass sie nicht aufgeben würde.
 

„Der Plan wurde geändert. Du wirst mit meiner Gesellschaft vorlieb nehmen müssen“, antwortete Rabastan und überreichte Lucius einen Zauberstab. „Den hier wirst du brauchen.“
 

Zögerlich nahm Lucius den Zauberstab entgegen, dann schlossen sich seine Finger so fest darum, dass die Knöchel weiß hervortraten.
 

„Ich bin bereit, Lestrange.“
 

Eisige Ruhe schlug über Ginny zusammen, als Rabastan seinen Griff um ihren Arm verstärkte und apparierte. Die klebrige Schwärze des Nichts schreckte sie nicht länger und als modrige Waldluft ihre Lungen füllte, war sie bereit, um ihr Leben zu rennen. Sie sah sich um, erblickte Bäume und noch mehr Bäume, die anscheinend nur diese kleine Lichtung aussparten, auf der sie standen. Angenehme Kühle legte sich erfrischend auf ihre schweißverklebte Haut. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne konnten das dichte Blätterwerk nicht durchdringen und wieder sah sich Ginny den Schatten der Dunkelheit gegenüber.
 

„Sie sind bereits hier“, stellte Rabastan fest und sah auf Ginny herab. „Wir gewähren dir einen Vorsprung. Welchen Weg du nimmst, ist gleich. Findet dich der Orden zuerst, bist du in Sicherheit – wenn nicht, stirbst du.“
 

Er stieß sie in Richtung der Bäume und Ginny taumelte. Ihr Blick huschte zwischen den Männern hin und her, als könne sie so abschätzen, ob sie logen und irgendein perverses Spiel mit ihr spielten. Wenn der Orden dich zuerst findet… wilde Hoffnung breitete sich in Ginny aus. Sie könnte es schaffen, könnte diesem Alptraum entkommen, könnte leben. Abermals ergriff jene eisige Ruhe von ihr Besitz. Sie hatte eine Chance; wenn sie nicht in Panik geriet, hatte sie wirklich und wahrhaftig eine Chance. Mit einem letzten Blick auf Lucius’ angespannte Züge wandte sie sich um und rannte los.
 

Die Finsternis hüllte sie ein. Ihre Schritte wurden durch den weichen, morastigen Waldboden gedämpft, als sie in halsbrecherischem Tempo durch den Wald stolperte. Nach wenigen Metern ging ihr Atem keuchend und Ginny rief sich energisch zur Ordnung. Wenn sie die Orientierung verlor und im Kreis lief, würde sie sich den Todessern auf dem Silbertablett servieren.
 

Adrenalin jagte durch ihre Venen, ließ ihr Herz schneller schlagen, trieb das bitter benötigte Blut in die beanspruchten Muskeln. Furcht schärfte ihre Sinne, ließ sie jedes noch so kleine Geräusch wahrnehmen, trieb sie vorwärts. Ginny wagte nicht anzuhalten und sich umzusehen; ihr Vorsprung war knapp. Außer dem entfernten Ruf eines Vogels war kein Laut zu hören; einzig ihr keuchender Atmen hallte in ihren Ohren wider. Stechender Schmerz schoss mit jedem Atemzug durch ihre Lungen, ihre Muskeln brannten und Ginny verlor ihren zuvor noch so beständigen Mut. Sie würde es nicht schaffen. Der Orden war nicht hier, war nicht an diesem schrecklich finsteren Ort. Wie hatte sie nur hoffen können? Wie hatte sie den Todesser glauben können? Es war nichts weiter als ein perfides Spiel, eine Farce…
 

Heller Lichtschein zu ihrer Linken und Ginny brach nach rechts aus; ein weiteres Flackern, hervorgerufen durch Lumos, trieb sie wieder in die andere Richtung. Mit fliegenden Flanken warf Ginny sich herum, holte das letzte aus sich heraus und dachte daran, dass sie sterben würde. Lähmende Angst überschattete die Furcht und beeinträchtigte ihr Denken. Sie schluchzte heiser auf, als eine kleine Waldlichtung vor ihr auftauchte. Der Mond beschien die bemooste Erde und in Ginny erwachte der Wunsch, einfach aufzugeben. Sich fallen zu lassen und auf die gnädige Erlösung des Todes zu warten.
 

„Ginny!“
 

Beim Klang der bekannten, geliebten Stimme, warf Ginny den Kopf herum. Hoffnung, heiß und kalt zugleich, erwachte erneut, durchflutete sie. Sie vergaß, was sie gesehen hatte, vergab ihm alles. Er war hier. Er war tatsächlich hier.
 

„Harry!“
 

ooOoo
 

Lucius’ Finger waren klamm und steif, doch der Zauberstab in seiner Hand zitterte nicht, als er ihn auf das Mädchen richtete, das schluchzend auf Harry Potter zurannte.
 

Potter sollte zusehen. Und der Zeitpunkt war perfekt.
 

Es gibt noch etwas, das du wissen solltest, Lucius.
 

Nichts, was er nicht schon getan hatte. Hundertfach.
 

Solltest du aus irgendeinem Grund nicht in der Lage sein, das Mädchen zu töten, sollte ich auch nur den leisesten Verdacht haben, dass du mich hintergangen hast, wirst du das bitter bereuen…
 

Sie vergrub ihr Gesicht an Potters Brust, ihr Körper zitterte als hätte sie Fieber, als er schützend einen Arm um sie schlang.
 

… und deine wundervolle Frau wird meinem treuen Diener Wurmschwanz zum Geschenk gemacht.
 

Lucius konnte Minerva McGonagall erkennen, die auf die Lichtung rannte. Den Zauberstab erhoben; misstrauisch wie ein gefangenes Tier, zum Sprung bereit.
 

Ich frage mich, Lucius, was du bereit bist zu tun, um deine Familie zu retten.
 

Severus hatte ihm diese Frage scheinbar vor einer Ewigkeit gestellt, in einem anderen Leben. Und noch immer gab es nur eine Antwort darauf, es hatte immer nur eine einzige Antwort gegeben.
 

„Alles“, flüsterte Lucius und richtete seinen Stab auf Ginnys ungeschützten Rücken.
 

ooOoo
 

Narzissa stand am Fenster und beobachtete die einbrechende Dunkelheit, als die Tür sich öffnete. In dem Wissen, dass es nicht Lucius sein konnte, wirbelte sie wachsam herum – und erstarrte, als sie in Peters wässrige Augen sah.
 

„Ich dachte mir, dass du einsam sein könntest – jetzt, wo Lucius nicht hier ist.“
 

Reflexartig sprang Narzissa hinter den Tisch, brachte Abstand zwischen sich und die gedrungene Gestalt. Sie tastete nach ihrem Dolch und spürte den Griff beruhigend vertraut in ihrer Hand. Kristallklare Ruhe nahm ihren Fingern das Beben, verdrängte die Angst. Sie würde sich verteidigen, würde Peter töten, wenn er auch nur einen Schritt näher kam.
 

„Warum hast du Angst? Als könnte ich dir auch nur ein Haar krümmen. Dein wunderschönes Haar…“ Peter streckte eine Hand nach ihr aus und seufzte wie ein verliebter kleiner Junge. „Weißt du, dass es aussieht wie mondbeschienenes Wasser? Hast du auch nur die geringste Vorstellung, wie oft ich mir vorgestellt habe, mit meinen Händen… wie oft ich dich angesehen habe und dich…“ Er brach ab, sein Blick flackerte unruhig über ihren Körper und in Narzissa wuchs die Erkenntnis, dass Peter den Verstand verloren hatte.
 

„Du wirst mich nicht anfassen“, stellte sie ruhig und klar fest.
 

„Aber natürlich werde ich. Du gehörst mir.“
 

Peter sprach mit unerschütterlicher Sicherheit, mit einer Gewissheit, die Narzissa kalten Schweiß auf die Stirn trieb. Die aufkeimende Panik raubte ihr für einen Moment die Konzentration – und Peter nutzte die Gelegenheit. Ein einziges Wort genügte und der Dolch wurde Narzissas Fingern entrissen. Peter sprang vor, erstaunlich schnell und gewandt. Zu überraschend, als dass Narzissa rechtzeitig hätte reagieren können. Sie spürte seinen Körper gegen ihren prallen. Fiel, schlug hart auf und jegliche Luft, die sie zum Schreien hätte nutzen können, wurde aus ihren Lungen gepresst.
 

„Du gehörst mir, hast immer schon mir gehört!“
 

Peters Atem streifte widerlich heiß ihr Gesicht. Ekel schlug in einer Woge über ihr zusammen, als sie seine gierig tastenden Finger auf ihrer Haut spürte.
 

„Und du wirst für mich lächeln, Narzissa. Du wirst lächeln… Dein wunderschönes Lächeln…“
 

Würgende Schreie entrangen sich ihrer zugeschnürten Kehle, als sie blind vor Angst zuschlug. Wieder und wieder traf sie Peters Körper, fühlte das weiche Fleisch seiner Lippen unter ihren Fäusten aufplatzen, spürte seine zerrenden Hände in ihrem Haar, auf ihrem Leib.
 

„Lächle, Narzissa. Für mich… nur für mich…“
 

„Nein!“
 

Der Stoff ihres Kleides gab mit einem ekelhaft reißenden Geräusch nach, kühle Luft streifte ihre nackte Haut und betäubende Hilflosigkeit trieb Narzissa heiße Tränen in die Augen.
 

„Nein! Nein! Nein!“
 

Sie kreischte, doch ihre heisere Stimme klang erschreckend leise. Peters Kichern, nah, so widerwärtig nah, raubte ihr fast den Verstand. Wieder schrie sie. Schrie verzweifelt mit ihrem Geist und ihrer brechenden Stimme nach Lucius. Sie trat nach Peter, versuchte wild, sich dessen grabschenden Händen zu entziehen. Sein Blut tropfte auf sie nieder, schrecklich warm und feucht. Narzissa grub ihre Fingernägel in sein Gesicht und spürte grimmigen Triumph, als er ebenfalls schrie und sie los ließ. Narzissa kroch rückwärts, das Haar hing ihr wirr im tränenverschmierten Gesicht. Sie konnte Peters Blut auf ihren Lippen schmecken und spuckte angewidert auf den Boden.
 

Wahnsinn spiegelte sich in Peters Augen, als er sich erneut auf sie stürzte und sie wutentbrannt schlug. Narzissa hörte das Knirschen ihres Nasenbeins, dann schoss glühendes Feuer durch ihr Gesicht. Sie schnappte gurgelnd nach Luft, als Blut ihre Kehle füllte und die Qual sie erblinden ließ. Betäubende Verzweiflung breitete sich in ihr aus, ließ ihre Arme schwer wie Blei erscheinen – dennoch war sie nicht bereit aufzugeben.
 

Narzissa biss hasserfüllt zu, als sie Peters Zunge an ihren Lippen spürte – und jetzt war es sein Blut, das ihren Mund füllte. Er kreischte wie ein verwundetes Tier und wieder sah Narzissa seine Faust auf sich zurasen. Sie schloss die Augen, wusste, dass es vorbei war, wusste, dass sie Lucius nie wieder sehen würde und dieser Gedanke war schrecklicher als alles andere; er nahm ihr auch den letzten Funken Hoffnung.
 

Stupor!“
 

Narzissa spürte Peters Leib erstarren, sah Severus mit entsetztem Gesicht an der Tür stehen, den Zauberstab noch immer erhoben, und raffte das letzte Quäntchen Kraft in sich zusammen. Sie stieß Peter von sich hinunter, stemmte sich unsicher hoch, erblickte ihren Dolch, so lächerlich nah, dass sie nur die Hand auszustrecken brauchte, um ihn zu erreichen. Noch immer glaubte sie Peters Stimme zu hören, die ihr befahl zu lächeln, glaubte noch immer seine Finger auf ihrer Haut zu spüren – und tödlicher Seelenfrieden überkam sie.
 

„Du wirst mich nie wieder lächeln sehen!“
 

Das Kerzenlicht brach sich rotglühend in der Klinge, als Narzissa Peter mit einer einzigen fließenden Bewegung blendete.
 

ooOoo
 

Expelliarmus!“
 

Das Wort riss ihm den Zauberstab aus den steifen Fingern. Lucius wirbelte herum, bereit sich mit bloßen Händen auf den Angreifer zu stürzen und pures Entsetzen betäubte seinen Geist, als er Rabastan erblickte, der an einem der Bäume lehnte und Lucius’ Zauberstab betrachtete.
 

„Ich denke, wir sollten sie laufen lassen.“
 

Ungläubig riss Lucius die Augen auf, sein Blick flackerte zur Lichtung, auf der Ginny Weasley sich von Potter losriss und sich fahrig über die Augen wischte. Der alte Auror Moody beschwor einen Patronus und Minerva stellte sich schützend vor Harry und das Mädchen.
 

Lucius hatte verloren.
 

„Warum?“
 

Mehr brachte er nicht über die tauben Lippen. Erneut sah er Rabastan an, der gelassen auf ihn zuging und dabei die Szene auf der Lichtung beobachtete. Ein zweifaches Knistern verriet Lucius, dass Minerva ihre Schützlinge in Sicherheit gebracht hatte.
 

„Weil er einmal zu oft Hand an die Falsche gelegt hat. Weil es seine Pläne durchkreuzt. Weil es heißt, dass Potter ihn vielleicht besiegen kann. Weil ich ihn sterben sehen will.“ Er reichte Lucius den Zauberstab. „Weil ich noch immer ihre Schreie hören kann.“
 

„Bellatrix“, flüsterte Lucius tonlos. Die Erkenntnis, für wen er verraten worden war, bohrte sich wie ein Dolch in seine Brust. „Du willst ihm Bellatrix wegnehmen? Bist du wahnsinnig?“
 

Rabastan lächelte vage und Lucius glaubte tatsächlich, so etwas wie Irrsinn in seinem Blick erkennen zu können.
 

„´E´ Hosghaj meq moj Ramhos sang Chalhos. Weißt du was diese Worte bedeuten?“
 

„Nein!“ Glühender Zorn ließ Lucius die Fäuste ballen. Alles war verloren. Und das nur, weil Rabastan offensichtlich seinen Verstand verloren hatte. „Du verdammter…“
 

„Wenn das Licht sich der Dunkelheit übergibt, wird das Gefüge brechen“, fuhr Rabastan fort, ohne auf Lucius zu achten. „Und wenn das geschieht, wird der Dunkle Lord nicht mehr aufzuhalten sein. Warum glaubst du, sollte Potter zusehen? Der Tod des Mädchens hätte ihn einen Schritt näher an den Abgrund getrieben – der Dunkle Lord würde gewinnen.“ Rabastans Augen verengten sich. „Ich bin nicht bereit, ihm diesen Sieg zu überlassen. Ich bin nicht länger bereit, ihm Bellatrix zu überlassen.“
 

Lucius wurde kalt, sehr kalt, als die Bedeutung dieser Worte in seinem Geist Form annahm. Er erinnerte sich an Severus’ Andeutungen über Draco. An die Frage, ob Potter vielleicht im Stande wäre, die Gefühle seines Sohnes zu erwidern. Die verstreuten Teile des Mosaiks setzten sich zusammen, und das entstehende Bild raubte Lucius die Luft zum Atmen.
 

Draco, der Potters Vertrauen erlangen und ihn vor den Dunklen Lord bringen sollte. Draco, der ebenso verzweifelt seine Familie retten wollte wie Lucius. Draco war der Schlüssel. Und wenn Potter Draco tatsächlich vertraute, wenn er ihn vielleicht sogar liebte…
 

„Der Dunkle Lord wird nicht erfahren, was heute Nacht geschehen ist. Ich glaube, wir haben beide das gleiche Ziel, Lucius. Er wird nicht gewinnen!“
 

Rabastans Stimme riss Lucius aus den schwirrenden Gedanken. Er konnte ein entsetztes Schaudern nicht unterdrücken, als er daran dachte, dass dies hier vielleicht nur ein Aufschub war. Dass der Dunkle Lord eventuell bereits gewonnen hatte.
 

Wenn Potter tatsächlich liebte, war er eine tödliche Waffe.
 

ooOoo
 

Severus hatte Narzissa den Dolch entrissen, bevor sie Wurmschwanz mehr als sein Augenlicht nehmen konnte. Jetzt lehnte sie sich zitternd gegen ihn und das Gefühl in einem surrealen Albtraum gefangen zu sein, der nur aus Blut und Schreien bestand, und aus dem es kein gnädiges Erwachen gab, ließ ihn schwindeln. Dennoch erlaubte er sich keine Schwäche – noch nicht.
 

Severus murmelte beruhigende Nichtigkeiten, während er sich neben sie kniete und ihr eine Decke um die nackten Schultern legte, als ihre Hand seine Wange berührte.
 

„Danke, Severus.“
 

Ihre Stimme brach wie Glas und Severus wünschte sich, er wäre früher gekommen. Wünschte sich, dass er ihr das hier hätte ersparen können. Wünschte, er könnte etwas sagen, das ihr helfen würde. Die Decke war heruntergerutscht, als sie sich bewegt hatte und nun brach sich das Kerzenlicht in der goldenen Kette um ihren Hals. Severus erstarrte, fühlte Hitze und Kälte zugleich über sich hinwegfegen, als er die Schlange auf dem Medaillon erkannte.
 

Bilder stiegen in ihm auf. Bilder von Narzissa, die diese Kette trug, den Anhänger verborgen im Ausschnitt ihres Kleides…
 

Der letzte Horkrux war so nah gewesen und er hatte es nicht erkannt. Er hatte die Malfoys nie eingeweiht, wonach genau er suchte. Seine Dummheit verfluchend, griff er mit zitternden Fingern nach Salazar Slytherins Zeichen.
 

„Woher hast du das?“
 

„Der Hauself der Blacks hat es mir gebracht. Zu Weihnachten vor zwei Jahren. Es hat Regulus gehört.“
 

Severus konnte ein schadenfrohes Schnauben nicht unterdrücken. Er konnte sich nur zu gut daran erinnern, dass dieser Köter Sirius wild entschlossen gewesen war, alle schwarzmagischen Gegenstände aus dem Haus zu verbannen. Es war köstliche Ironie, dass ausgerechnet Black beinahe dafür gesorgt hätte, dass dieser Horkrux verloren ging. Stattdessen hatte dieser Hauself nicht nur Black ans Messer geliefert, sondern auch noch dafür gesorgt, dass das kostbare Stück in Narzissas und jetzt endlich in seine, Severus’, Hände fiel. Endlich war es soweit. Endlich hatte das Warten ein Ende. Zum Guten oder zum Schlechten: Der Kreis würde sich schließen.
 

Bald.
 

Doch zuerst…
 

„Kann ich dich allein lassen? Ich muss mich um dieses Problem kümmern.“
 

Mit einem Kopfrucken deutete er auf Wurmschwanz und Narzissas Gesicht verzog sich vor Ekel und Hass. Grimmig nickend rückte sie von Severus ab, sodass er sich erheben konnte.

Mobilicorpus.“

Peters ohnmächtiger Leib schwebte auf die Tür zu und Severus folgte mit grimmiger Miene.

„Du wirst Lucius nichts davon sagen“, verlangte Narzissa flüsternd. „Ich will nicht, dass er sich Vorwürfe macht.“
 

Severus sah sich um, betrachtete Narzissa, die zusammengesunken auf dem Boden saß; sie wirkte hilflos wie ein Kind. Er fragte sich, ob Peter sie in den Nächten erneut heimsuchen würde. Ob sie aus blutigen Träumen erwachen und bebend neben Lucius in der Dunkelheit liegen würde – ob sie diese schrecklichen Augenblicke jemals vergessen könnte. Dann sah sie ihn an, und es lag keine Schwäche in ihrem Blick; die blauen Augen sprachen von Entschlossenheit und Mut.
 

„Er wird nichts erfahren, wenn du das wirklich wünschst.“
 

Narzissa verzog die Lippen und raffte ihr zerrissenes Kleid über der Brust zusammen, als sie schwankend aufstand.
 

„Lass es nicht zu schnell enden, Severus.“
 

Er versprach es ihr, als er durch die dunklen Gänge in Richtung der Kerker schlich. Er versprach es James, als er in die tiefsten Katakomben der Festung eindrang. Er versprach es sich selbst, als er Peter auf feuchten Steinen ablegte. Hier unten würde ihn niemand finden, niemand hören, niemand retten.
 

Dunkle Seile, die jeden Fluchtversuch zu verhindern wussten, legten sich um Peters Körper. Für einen Moment betrachtete Severus das runde Gesicht, friedlich und unschuldig in der erzwungenen Bewusstlosigkeit, wie das eines kleinen Jungen – wäre es vom in dem Fackellicht glänzenden Blut nicht grotesk entstellt –, dann hob er seinen Zauberstab.
 

Ennervate.“
 

Peter versuchte zu blinzeln, mit jenen ekelerregenden Fetzen, die nun von seinen Augenlidern übriggeblieben waren, doch Severus wusste, dass er in tiefster Dunkelheit gefangen war – Narzissa hatte ganze Arbeit geleistet.
 

„Du hast einen tödlichen Fehler begangen, Peter.“
 

Wurmschwanz’ Körper bäumte sich gegen die Fesseln auf, auf seinem Gesicht zeichneten sich jäh eintretende Pein, Verwirrung und Panik ab. Severus ahnte, worum der dickliche Mann sich gerade verzweifelt bemühte: Seine Animagusform anzunehmen, um entkommen zu können. Severus beobachtete Peters Mühen ungerührt, bis dieser endlich begriff, dass sein angeschlagener Körper die nötige Konzentration nicht aufbringen konnte und wimmernd aufgab.
 

„Snape?“ Ein beschämendes Quieken. „Das war alles ein Missverständnis! Ich wollte nie… ich hätte nie… Ich werde Narzissa nie wieder anrühren. Ich schwöre es Snape! Du musst mir helfen, Snape! Ich kann nichts sehen! Und es tut weh – was hast du mit mir gemacht? Wenn der Dunkle Lord…“
 

„Er kann dir nicht mehr helfen“, unterbrach Severus ihn sanft. „Und ich spreche nicht von Narzissa… Du warst schon so gut wie tot, als du James verraten hast.“
 

Peter wurde ganz still, nur sein keuchender Atem erfüllte den Raum. Seine blinden Augen rollten in den Höhlen und Severus konnte sauren Schweiß riechen.
 

„James? James Potter?“ Peter leckte sich nervös über die Lippen. „Was hast du mit ihm zu schaffen? Du hast ihn gehasst! Er hat dich gehasst!“
 

„Tatsächlich?“
 

Severus lächelte, als er die Spitze seines Zauberstabes gegen die Schläfe hielt und eine winzige Erinnerung herauszog, die er als silbrigen Schatten über Peters Stirn legte. Wie Perlmutt schimmernd drang das Schemen in die verschwitzte Haut ein, und Peters Körper krampfte sich zusammen. Severus wusste, was er sah.
 

James’ Gesicht, das über ihm aufragte. James’ Hände, die über seinen Körper glitten. James’ Lippen, die ihn zärtlich küssten… „Ich liebe dich, Severus.“
 

„Nein!“ Peter warf sich wild herum. „Nein! Das kann nicht sein!“
 

„Begreifst du es endlich?“, schrie Severus, kniete sich neben Peter auf den Boden und öffnete mit einem Ruck dessen Roben. „Begreifst du jetzt, warum du sterben wirst? Was du damals getan hast? Was du mir genommen hast?“
 

Der Hass schoss wie Gift durch seine Adern, als er Peters Haut mit Sectumsempra klaffende Wunden zufügte. Er ignorierte die Schreie, spürte nur den Hass und den Triumph.
 

Er presste eine Hand auf Peters Mund, dämpfte die Schreie zu einem dumpfen Wimmern, und beugte sich zu seinem Ohr hinab.
 

„Ist es nicht pure Ironie, dass ausgerechnet deine Artgenossen sich um dich kümmern werden? Dein Blut wird sie anlocken und sie werden hungrig sein…“
 

Peter atmete schnell und stoßweise gegen Severus’ Handfläche. Alle Muskeln angespannt, versuchte er sich verzweifelt zu befreien. Todesangst verzerrte seine Züge und ließ seine Blase erschlaffen.
 

„Das hier wird nicht schnell vorbei sein – und ich werde jede Sekunde genießen!“
 

Severus stand auf und Peter flehte kreischend um sein Leben. Das Licht auf ein Minimum dämpfend, betrachtete Severus ungerührt die heranhuschenden Schatten.
 

Und er sah zu. Lange Zeit.
 

Doch der Triumph schmeckte schal im Vergleich zu seinem Verlust, den auch der grausamste Tod nicht ausmerzen konnte.
 

ooOoo
 

Noch immer zitterten Harrys Beine vor Erleichterung, während er auf das Klostertor zutaumelte. Ginny neben McGonagall lief vor ihm; sie warf ihm einen flüchtigen Blick über die Schulter zu. Ihre Augen waren voller Schmerz, voller Verlust – und er bedauerte aus ganzem Herzen, sie so verletzt zu haben.
 

„Beeil dich, Potter. Ich trau dem Braten einfach nicht!“, murmelte Alastor und stieß Harry vorwärts.
 

Sowohl McGonagall als auch Alastor waren zutiefst beunruhigt darüber, wie glatt alles verlaufen war. Kein Angriff der Todesser, kein Voldemort, der Harry töten wollte – es war beinahe unwirklich einfach gewesen. Vielleicht ein wenig zu einfach.
 

Harry war zu müde, um sich den Kopf darüber zu zerbrechen, warum die Todesser nicht angegriffen hatten. Er war zu ausgelaugt, um sich noch in dieser Nacht mit Ginnys Gemütszustand zu befassen. Einzig die Erleichterung beherrschte sein Denken – und der Wunsch, dieses kostbare Geschenk, noch mehr Zeit mit Draco verbringen zu können, in vollen Zügen zu genießen.
 

Sie erreichten das alte Gemäuer, Ginny ließ sich ein wenig zurückfallen und Harry hoffte inständig, dass sie nicht ausgerechnet jetzt auf ein klärendes Gespräch bestehen würde. Er wusste nicht, ob er die Kraft dazu aufbringen könnte. Minerva verschwand mit Moody durch das hohe Tor und Ginny blieb zögernd stehen. Sie drehte sich nicht herum und Harry wollte sich seufzend seinem Schicksal ergeben, als Draco sich aus dem Schatten des Klosters löste.
 

Harry bemerkte Ginnys brennende Blicke kaum, sah nur noch Draco, dessen Augen wie geschmolzenes Silber waren. Draco. Dessen Finger sich so angenehm kühl auf seiner Wange anfühlten. Dessen Atem zischend ausgestoßen über seine Haut floss. Dessen Arme sich verlangend um seinen Körper schlossen. Dessen Lippen warm, vertraut und weich auf seinen lagen.
 

Als Harry das nächste Mal aufsah, war Ginny verschwunden. Und nicht einmal das beißend schlechte Gewissen, das ihn bedrängte, konnte dieses pure Glück in seiner Brust verdrängen, das allein durch Dracos Hand in seiner ausgelöst wurde.
 

Harry umschloss Dracos Finger fester, sah ihn an und plötzlich schien alles so einfach.
 

„Ich liebe dich.“
 

Tbc…



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Siddhartha
2008-03-25T03:00:31+00:00 25.03.2008 04:00
*hrharhar*
So will ich Severus sehen... Peter bestrafend *g*

*hach* Dracos Augen wie geschmolzenes Silber... *schwärm*
(Nieder mit Ginny >D~)
Von:  PickedYou
2008-01-14T18:21:12+00:00 14.01.2008 19:21
*_____*
Whaaa wie SÜß! >////<
Also das ist mal ein würdiger abschluss für dieses Kapitel.;____; *schnüf* *gerührt ist*
Fragt sich bloß wie Draco jetzt darauf reagiert.
So ganz einfach is das ja nu auch nich.
Aber ich frag mich was Lucius den jetzt genau vor hat?Ö__Ö
So ganz klar is mir das nämlich nich.
Ohhh ich bin schon ganz hibbelig vor spannung! o>___<o
Freu mich schon aufs nächste Kapitel.^___^

PS.: Na hör mal muss kja mal gesagt werden. Und ich finde du hast dir das Kompliment wirklich verdient.X3~
Von:  Kari09
2008-01-13T21:43:53+00:00 13.01.2008 22:43
.... wow..... ich war völlig weg... mein bruder kam rein, aber ich hab ihn nicht bemerkt. deine story hat mich völlig gefesselt
einfach hammer geil! aber ich frag mich: was passiert jetzt mit lucius? boah un ein glück, dass sev kam um cissa zu helfen!! ich dacht scho, jetzt wirds eng. aber warum hat rabastan det mädel umgebracht un in ihr cissa gesehn? das hab ichnet so ganz verstanden... ich fand die fanfic einfach super! bidde schreib schnell das nächste kapitel!
lg Kari
Von: abgemeldet
2008-01-13T15:22:06+00:00 13.01.2008 16:22
ohhhhhhhhhh er hat es endlich mal gesagt
aber was passiert jez mit Lucius?? sie haben schließlich versagt.
oh man schreib ganz hscnell weiter
Von:  ninale
2008-01-13T13:45:29+00:00 13.01.2008 14:45
Q___Q ich liebe diese story!

du schreibst sooo fesselnd! es ist unglaublich! *bei jedem kapitel mitgefiebert hat*

wahnsinn!

ich kann gar nicht sagen, wie SEHR ich mich auf das nächste kapitel freue!

wie du die intrigen ausspielst, sich immer wieder neue verbindungen öffnen zwischen so vielen interaktionen.. das ist eine kunst, wie du das machst! das schafft bei weitem nicht jeder! sowas macht einen hervorragenden schriftsteller aus! spannung bis zum letzten satz!

diese FF ist eine meiner größten Favoriten! ich liebe sie! *es immer nur wieder sagen kann*

schreib schön weiter!

Liebe Grüße
Nina
Von: abgemeldet
2008-01-13T02:42:53+00:00 13.01.2008 03:42
ich wurde wärend des lesens gänzlich in das gechehen der story eingesaugt und war wirklich gefesselt!!!

oi, harry hats gesagt!
er hat es gesagt und es wird wohl noch herzzerreißender...

snape hat seine rache an der miesen ratte!!!!
ja das war ein abschnitt mit vollkommender genugtung

ich freue mich mit schmerzenden herzen aufs nächste kapitel


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