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Feuertanz

Harry/Draco
von

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Misstrauen

Draco hatte dem Refektorium den Rücken gekehrt, kaum dass er sein Frühstück hinunter gewürgt hatte. Er war sich der Tatsache bewusst, dass alle Augenpaare im Saal jede Geste seinerseits beobachteten. Und er wusste, dass keiner der Anwesenden ihm freundlich gesonnen war. Nun saß er in der Nähe der Außenmauer, Stille und Abgeschiedenheit genießend. Draco sah nicht auf, als ein Schatten neben ihm auftauchte. Nur das Lächeln, welches seine Mundwinkel umspielte, wurde eine Spur schmaler.
 

„Ich wusste, dass du kommen würdest, Zabini.“
 

„So?“ Blaise ließ sich neben Draco auf der Bank nieder, die unter einer alten Eiche stand.
 

„Ja. Bis auf ein paar Erstklässler bist du hier der einzige Slytherin. Du suchst Gesellschaft, nicht wahr?“
 

„Ich suche Informationen, Malfoy.“
 

Draco lächelte hintergründig und zuckte mit den Schultern.
 

„Und du glaubst tatsächlich, dass ich damit dienen könnte?“
 

„Ich weiß, dass du deine kleinen Geheimnisse liebst“, entgegnete Blaise verächtlich. „Aber ich habe weder Zeit noch Lust bei deinen Spielchen mitzumachen. Also machen wir es doch einfach kurz: Warum bist du hier?“
 

Dracos Blick glitt über die Außenmauer, die jene grünen Hügel verbarg, die dieses Tal einschlossen. Ein sommerlich warmer Windstoß zerzauste Dracos Haar und trocknete den Schweiß, der auf seiner Stirn perlte.
 

„Ich bin ein Flüchtling, genau wie du“, antwortete er schließlich ausweichend.
 

„Ich kenne dich, Draco. Also hör auf mit dieser Geheimnistuerei“, fauchte Blaise.
 

Draco wandte seinen Kopf und sah ihn angriffslustig an.
 

„Was willst du denn hören, Zabini? Dass ich im Auftrag des Lords hier bin?“, fragte er höhnisch. „Ich bin verstoßen worden! Ich muss mich hier verstecken, weil mein Leben keinen Knut mehr wert ist. Also hör auf, mir irgendwelche Intrigen anzudichten.“
 

Blaises Augen verengten sich, und er zeigte lächelnd seine Zähne. „Wirklich, Malfoy, beinahe hättest du mich überzeugt“, erklärte er gelassen, ehe er aufstand und sich von Draco entfernte. Dessen Blick war nicht zu definieren, als Blaise ihn über die Schulter hinweg noch einmal ansah. „Aber wie gesagt, ich kenne dich, Malfoy. Und ich weiß, dass du lügst…“
 

Während Draco Blaise dabei beobachtete, wie dieser im Inneren des Klosters verschwand, fröstelte er plötzlich trotz der Hitze. Eine Detonation ganz in der Nähe erweckte seine Neugierde und er ging langsam auf den ehemaligen Friedhof zu.
 

ooOoo
 

Alastor sah Harry streng an.
 

“Ich will kein Wort hören, wenn du dich verteidigst, Potter. Ist das angekommen?“
 

Harry nickte grinsend und hob seinen Zauberstab, um zu signalisieren, dass er bereit war. Er hatte zwar nicht damit gerechnet, von Moody geschont zu werden, doch schon nach kurzer Zeit wusste Harry, dass der Ex-Auror keine Gnade kannte. Seine Konzentration verflüchtigte sich, als einer von Moodys Flüchen an der Klostermauer abprallte und Steinfragmente wie Pfeilspitzen in alle Richtungen flogen. Harry warf sich zu Boden und rollte sich zu einer Kugel zusammen, um nicht getroffen zu werden.
 

„Was ist los, Potter?“, höhnte Alastor, als Harry schockiert blinzelnd die schwelende Mauer betrachtete. „Wird Zeit, dass du aufwachst. Diesmal habe ich extra daneben gezielt.“
 

Moody hob erneut seinen Zauberstab.
 

Ohne weiter nachzudenken rief Harry:
 

Protego!“
 

Seufzend musterte der Ex-Auror seinen Schüler, der betreten dreinblickend den Zauber auflöste.
 

„Komm mal her, Potter.“
 

Harry befolgte den Befehl nur zögernd, irgendetwas in Moodys Stimme machte ihn misstrauisch. Freundschaftlich legte Alastor einen Arm um Harrys Schultern und schlug einen väterlichen Ton an:
 

„Du weißt doch, wie es geht. Es muss reichen, wenn du die Worte in Gedanken formst.“
 

„Ich versuche es ja. Aber das ist gar nicht so einfach, wenn einem Flüche um die Ohren fliegen!“, entgegnete Harry eingeschnappt.
 

Moody nickte kichernd. „Verstehe. Allerdings wird es auf einem Schlachtfeld auch nicht anders sein. Anscheinend müssen wir das Problem anders lösen.“
 

Harry zuckte hilflos die Schultern und wollte zu einer Frage anheben, als er Moodys Zauberstab an seinem Kehlkopf spürte.
 

Silencio.“
 

Wütend riss Harry sich los und griff sich an die Kehle – er brachte nicht einmal ein Krächzen hervor. Moody grinste nur, als Harry wütend gestikulierte und wild mit seinem Zauberstab herum fuchtelte.
 

„Na, na, Potter, ich kann ganz gut von den Lippen ablesen. Wer nicht hören will, muss fühlen.“
 

Harry verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte Alastor zornig an. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammen gepresst. Leise lachend wandte Moody sich von ihm ab und ging auf seine Ausgangsposition zurück.
 

„Das habe ich gesehen, Potter!“
 

Mit brennenden Wangen starrte Harry Alastors Rücken an. Seine zu einer wüsten Geste erhobene Hand sackte kraftlos herab.
 

„Bereit, Potter?“, bellte Moody und schoss, ohne auf eine Antwort zu warten, einen Fluch ab.
 

Harry machte nicht einmal den Versuch sich zu verteidigen, sondern ließ sich einfach zu Boden fallen.
 

„Du sollst nicht abhauen! Du sollst dich wehren!“
 

Blinde Wut vereitelte jeden klaren Gedanken. Harry konnte sich nicht auf die ungesagten Worte konzentrieren, konnte sie nicht im Geiste Gestalt annehmen lassen. Er verlagerte sich darauf, Moodys Angriffen hakenschlagend auszuweichen.
 

„Potter! Wenn du nicht sofort anfängst zu zaubern, klebe ich dich zusätzlich am Boden fest! Du bist doch kein Karnickel!“
 

Wenn es Harry vergönnt gewesen wäre, hätte er seinen Frust am liebsten laut heraus geschrieen. Doch in Anbetracht der Umstände musste er sich damit begnügen, Moody todbringend anzustarren. Gewaltsam kämpfte er sowohl Zorn als auch Panik nieder, zwang seine Beine zum Stillstand, und konzentrierte sich auf die Worte. Diese leuchteten vor seinem inneren Auge zwar nicht wie eine Muggel-Reklametafel auf, nahmen jedoch langsam Gestalt in seinem Geist an. Zuerst verschwommen, dann immer deutlicher, bis Harry alles bis auf diese Worte komplett ausblenden konnte.
 

Moodys nächster Fluch prallte am Protego-Zauber ab, und der Ex-Auror musste nun seinerseits zur Seite springen, um nicht getroffen zu werden.
 

Zufrieden lachend rappelte er sich auf und löste den Schweigezauber.
 

„Geht doch, Potter. Der Unterricht ist für heute beendet.“
 

Erneut wutentbrannt stapfte Harry auf den alten Zauberer zu.
 

„Das war absolut unfair!“
 

Alastors Lächeln erstarb.
 

„Glaubst du etwa, der Feind ist fair, Potter? Glaubst du wirklich, der Krieg ist fair? Hör auf zu plärren wie ein Kind, und fang an zu lernen! Wenn du so weiter machst wie bisher, bist du ein gefundenes Fressen für jeden Todesser!“, schnaubte Moody aufgebracht, ehe er wütend vor sich hinmurmelnd davon humpelte.
 

Harry sah ihm bestürzt hinterher. Er bemerkte erst, dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte, als seine Nägel in das weiche Fleisch seiner Handballen schnitten.
 

„Ich werde es euch schon noch beweisen, dass ich es schaffe!“, flüsterte er erstickt.
 

„Grandiose Vorstellung, Potter“, ertönte es hinter ihm und Harry schloss für einen Moment die Augen. Soviel Pech hatte er einfach nicht verdient.
 

„Hau einfach ab, Malfoy!“
 

„Würde ich ja tun. Aber ich hab anscheinend wirklich Hausarrest“, spöttelte Draco. „Ist nicht so leicht zu verschwinden, wenn diese unsichtbare Mauer einen aufhält.“
 

Es wunderte Harry nicht, dass Draco versucht hatte sein neues Gefängnis zu verlassen – schließlich hatte er seine Grenzen ebenfalls ausgetestet.
 

„Das Kloster ist groß genug. Geh irgendwen anderes nerven.“
 

„Warum sollte ich? Du bietest dich ja geradezu an“, entgegnete Draco gelassen. Seine Augen weiteten sich überrascht, als er plötzlich Harrys Zauberstab an seiner Kehle spürte.
 

„Ich bin absolut nicht in der Stimmung, Malfoy. Also geh!“
 

„Und was, wenn nicht?“
 

Harry hatte schon einen Fluch auf der Zunge, als er sich an Minervas Worte erinnerte.
 

„Wenn es nicht zu viele Umstände macht wäre ich dankbar, wenn Mr. Malfoy am Ende der Woche noch lebt!“
 

Leise fluchend ließ Harry seinen Zauberstab sinken. Er würde ihr beweisen, dass er sich beherrschen konnte. Draco sah ihn argwöhnisch zu, wie Harry zurücktrat und sich unbehaglich mit den Fingern durch die Haare fuhr.
 

„Sind dir etwa die Flüche ausgegangen, Potter?“
 

„Ich greife niemanden an, der unbewaffnet ist.“
 

Dracos Mundwinkel zuckten verdächtig, als er um Beherrschung rang.
 

„Diese edelmütige Masche musst du dir wirklich langsam mal abgewöhnen“, feixte er. Davon wird einem ja regelrecht schlecht.“
 

„Wie gesagt: Hau einfach ab“, entgegnete Harry müde.
 

Er hatte es satt, sich mit Malfoy herumzuärgern. Er hatte es satt, dass ihm jeder sagte, er benähme sich wie ein Kind. Und er hatte es satt, hier eingesperrt zu sein. Ohne Draco anzusehen, ging Harry zu einer kleinen Anhöhe und ließ sich auf dem Boden nieder. Seine Arme schlang er um die Knie, während er seinen Blick über das grüne Meer der Hügel gleiten ließ. Das vom Wind gestreichelte Gras warf Wellen, als würden die Gezeiten der See auch hier Relevanz haben und schimmerte silbrig im Sonnenlicht.
 

Draco war lautlos hinter Harry getreten. Er hatte die Hände tief in den Taschen seiner Hose vergraben und betrachtete für einen Moment Harrys zerzaustes Haar.
 

“Warum tust du das eigentlich, Potter? Warum opferst du dich?“
 

„Ich opfere mich nicht, Malfoy. Ich trage nur meinen Teil dazu bei, Voldemort zu stürzen.“
 

„Aber warum?“
 

„Weil es falsch ist, was er tut. Weil er meine Eltern getötet hat. Und weil es… weil es anscheinend meine Bestimmung ist…“
 

„Das ist es nicht.“ Nicht einmal ein Hauch des üblichen Spottes lag in Dracos Stimme.
 

Harry drehte sich überrascht um.
 

„Was?“
 

„Das alles sind nicht deine Beweggründe“, erklärte Draco und schützte blinzelnd seine Augen gegen das grelle Licht. „Du tust es, weil du nach der Annerkennung lechzt. Du bist süchtig nach diesem Gefühl, gebraucht zu werden, und wenn der einzige Weg dorthin über den Tod führt, bist du bereit, diesen Preis zu zahlen. Um es kurz zu machen: Du willst einfach Everybody’s Darling sein. Aber so läuft das nicht in der Praxis. Du wirst irgendwem auf die Füße treten müssen, um zu überleben. Denn wenn du vor der Entscheidung stehst, ob du leben oder sterben willst, wirst du leben wollen, so wie jeder andere auch.“
 

Harry brauchte einen Augenblick, um sich zu fassen. Dracos Worte verwirrten ihn und dementsprechend bissig fiel seine Antwort aus:
 

„Machst du hier etwa gerade einen auf Psychologen, Malfoy? Darauf, von dir analysiert zu werden, kann ich gut verzichten.“
 

Wütend wandte er sich wieder dem Tal zu und zuckte zusammen, als Draco leise lachte.
 

„Ich hatte nie vor, dich zu analysieren. Was glaubst du, warum ich das hier habe?“
 

Dracos entblößter Arm tauchte in Harrys Sichtfeld auf, und sein Augenmerk fiel auf das Dunkle Mal, das sich obszön auf der weißen Haut ausmachte.
 

Du vergleichst dich mit mir?“, fragte Harry mit zusammengebissenen Zähnen. „Was auch immer meine Gründe sind – sie sind das Gegenteil von deinen!“
 

„Sind sie das?“ Gelassen rollte Draco den Ärmel seines Hemdes wieder herunter. Harry war sich gar nicht bewusst, dass er erleichtert aufatmete, als das Mal unter dem hellen Stoff verschwand.

„Ich tat auch nur das, was ich in diesem Moment für richtig hielt. Ich tat das, was alle von mir erwartet hatten. Ich tat es, um zu überleben.“
 

„Als wenn du jemals in Gefahr gewesen wärst!“, spie Harry verachtend aus.
 

„Meine Tante ist besessen vom Dunklen Lord. Sie hat meine Mutter verraten, als diese zu Snape ging und um Hilfe bat. Sie hätte mich ebenfalls angeklagt“, verteidigte Draco sich ruhig.
 

Er sah Harry erst jetzt an, weil dieser mit geballten Fäusten aufsprang.
 

„Snape!“ Harry würgte den Namen des verhassten Menschen aus, als wäre er ein Stück knorpeliges Fleisch. „Ich würde eher sagen, dass er deine Mutter verraten hat! So wie er es auch bei Dumbledore getan hat! Sie ist selber Schuld, wenn sie sich ausgerechnet ihm anvertraut.“
 

Heller Zorn verwandelte die silbrigen Iriden in dunkles schiefergrau, als Draco mit einem Schritt näher an Harry herantrat.
 

„Du bist immer sehr schnell mit deinem Urteil, was Potter?“, zischte er. „Für dich sind Schwarz und Weiß anscheinend mit einer klaren Linie getrennt, nicht wahr?“ Draco machte noch einen Schritt auf Harry zu, der angesichts dieser kalten Wut, die ihm entgegenschlug, sprachlos stehen blieb. “Mein Vater ist für dich der sadistische Bastard, der mich dazu gezwungen hat, seinem Weg zu folgen. Ich bin nur der verwöhnte reiche Junge, der nichts Besseres zu tun hat, als seinem Vater nach dem Mund zu reden. Und meine Mutter hat eigentlich gar nichts zu melden, wenn wir schon bei diesen Schubladen sind! Selbstverständlich ist Snape ein Verräter, der kein Gewissen besitzt, wohingegen Dumbledore immer die Güte in Person war!“
 

Ein weiterer Schritt Dracos überbrückte die letzte Distanz, die zwischen ihnen geherrscht hatte, und Harry konnte Dracos warmen Atem auf seinem Gesicht spüren, als dieser ihm entgegenschrie:
 

„Du wirfst mir doch so gerne Engstirnigkeit vor, Potter, weil ich Schlammblüter verachte. Ist das, was du tust, auch nur einen Deut besser? Ist deine Engstirnigkeit gerechtfertigter als meine?“
 

Harry schüttelte entsetzt den Kopf, war nicht fähig eine Antwort zu formulieren, doch Dracos Finger krallten sich um Harrys Schultern, als er eine Reaktion erzwingen wollte.
 

„Fällt dir jetzt etwa nichts mehr ein, Potter?“, höhnte er. „Bist du zu schockiert darüber, dass du mir ähnlich sein könntest?“
 

„Lass mich los, Malfoy“, befahl Harry tonlos.
 

Draco riss seine Hände zurück, als hätte er sich verbrannt.
 

„Vergiss es, Potter. Ich kann mir schon denken, was du antworten würdest.“
 

Abscheu lag in Dracos Blick, als er sich umwandte und auf das Kloster zuging. Abwesend rieb Harry sich über die schmerzenden Schultern, während er ihm langsam folgte. Seine Gedanken kreisten unablässig um das, was Draco gesagt hatte. Und ohne zu wissen warum, schämte er sich plötzlich.
 

ooOoo
 

Der vorherrschende Geruch, eine Mischung aus abgestandenem Bier und kaltem Essen, hüllte Severus ein, als er die Halle betrat. Die Spuren des gestrigen Gelages waren noch nicht von den Hauselfen beseitigt worden, die soeben das Frühstück servierten. Er stieg über den am Boden liegenden McNair hinweg, der seinen Rausch ausschlief, und ging auf den langen Tisch zu, der das Zentrum der Halle darstellte. Sein knappes Nicken galt nur Lucius und Narzissa – den restlichen Anwesenden schenkte Severus keine Beachtung.
 

„Severus!“, grölte Rodolphus, der unglücklicherweise neben ihm saß. „Welch Überraschung, dich hier unter dem gemeinen Volk anzutreffen. Wie kommen wir zu der Ehre?“
 

Severus’ Finger schlossen sich fest um den Becher mit heißem schwarzem Kaffee, während er seinen Blick halb gelangweilt, halb angeekelt über Rodolphus’ Gesicht gleiten ließ.
 

„Es überrascht mich, Rodolphus, dass gerade du dich zum gemeinen Volk zählst. Wo doch deine Frau beste Kontakte zu unserem Herrn pflegt.“
 

Gespanntes Schweigen breitete sich am Tisch aus, als die restlichen Todesser darauf warteten, wie Rodolphus auf diese mehr als offensichtliche Provokation reagieren würde. Kurz flammte Zorn in dessen dunklen Augen auf, ehe er bösartig lächelte.
 

„Wie wahr, Severus. Meine Stellung ist unvergleichlich gewinnbringend. Sieh nur, was für ein reizendes Geschenk unser Lord mir gemacht hat.“ Ein kurzer Ruck an einer schmalgliedrigen Eisenkette genügte, um das schmutzige Gesicht eines Mädchens unter dem Tisch auftauchen zu lassen. „Ich leihe sie dir gern aus“, fügte Rodolphus gehässig hinzu, als Severus seine Augen von dem halbnackten Körper abwandte.
 

„Danke, aber im Gegensatz zu dir bin ich nicht pädophil“, teilte er dem Anderen in angewidertem Ton mit.
 

„Sie ist siebzehn“, zischte Rodolphus aufgebracht. „Vielleicht stimmen die Gerüchte ja doch, die über dich im Umlauf sind.“ Er grinste verschlagen, als Severus nicht sofort antwortete. „Wenn du schon mein großzügiges Angebot ablehnst, kann man schnell auf falsche Gedanken kommen.“
 

Lucius hob fragend eine Augenbraue, als Severus hintergründig lächelte und mit den Schultern zuckte.
 

„Dein Angebot ist nicht mehr als ein unterernährtes Füllen, das zudem auch noch wie ein Schweinekoben riecht. Mag ja sein, dass so etwas deinen Ansprüchen genügt, Rodolphus, mir verdirbt dieser Anblick den Appetit.“
 

Severus’ Worte wurden mit johlendem Gelächter quittiert, also machte Rodolphus gute Miene zum bösen Spiel.
 

„Severus hat Recht. Du stinkst. Geh dich waschen, Weib!“
 

Ein weiterer harter Ruck an der Kette entlockte dem Mädchen ein Keuchen und sie kroch unter dem Tisch hervor. Die schmutzigblonden Flechten hingen ihr wirr ins Gesicht, als sie ihr dünnes Leibchen zusammenraffte und mit gesenktem Kopf auf die Tür zuging.
 

„Warte!“ Narzissas Augen waren nur schmale Schlitze, als sie ebenfalls erhob. Lucius Finger schlossen sich fest um ihr Handgelenk.
 

„Wohin willst du?“, fragte er leise ohne aufzusehen.
 

„Anscheinend hat mein werter Schwager es versäumt, seinem Geschenk passende Kleidung zu besorgen“, entgegnete Narzissa vernehmlich. „Ich werde ihr etwas von mir leihen, bis Rodolphus in der Lage ist, für sein Eigentum zu sorgen.“ Sie warf angriffslustig ihren Kopf zurück und blitzte den grinsenden Rodolphus wütend an.
 

Rabastan lachte leise und brach so den letzten Rest an Spannung, der noch am Tisch vorherrschte. „Meinen Glückwunsch, Lucius. Deine Frau versteht es, sich wie eine Lady zu benehmen.“
 

„Meine Frau ist eine Lady!“, erwiderte Lucius nonchalant. Seine Finger glitten noch ein letztes Mal sanft über Narzissas Handrücken, ehe er sie mit einem Nicken entließ.
 

Mit steifen Schritten lief Narzissa auf das Mädchen zu, das ihr aus furchtsam geweiteten Augen entgegensah und griff nach ihrem Arm, um sie aus der Halle zu bringen.
 

Severus wandte sich wieder seinem Frühstück zu und mied Lucius’ durchdringenden Blick.
 

„Das war eine nette Geste deinerseits, Severus. Wirst du auf deine alten Tage etwa weich?“, fragte Lucius so leise, dass nur Severus ihn verstehen konnte.
 

„Ich habe ihr eine kurze Verschnaufpause verschafft. Gerettet habe ich sie damit nicht.“
 

„Das ist mehr, als ein versklavtes Schlammblut in dieser Umgebung erwarten kann“, entgegnete Lucius gelassen und griff nach einem Stück Brot.
 

ooOoo
 

Narzissa eilte durch den schwach beleuchteten Gang. Ohne innezuhalten nahm sie eine der Fackeln von den feuchtglänzenden Wänden. Das Mädchen hatte sich ihren Schritten angepasst und blickte immer wieder dankbar zu ihr auf. Die lange Kette, die um ihren Hals lag, klirrte leise bei jedem Schritt und der Klang zerrte an Narzissas Nerven.
 

„Halt die Kette fest. Dieser Krach ist ja kaum auszuhalten“, fuhr sie das Mädchen an, das sich beeilte, dem Befehl folge zu leisten. Sie kannte die Launen der ansässigen Bewohner inzwischen.
 

Als sich ein Schatten aus einem Seitengang löste, zuckte die Sklavin zusammen und drückte sich an die kahle Steinwand zu ihrer Linken.
 

„Narzissa, wie seltsam, dass ich dich ausgerechnet hier treffe. So ganz allein…“
 

Reflexartig griff Narzissa in ihre Rocktasche und musste entsetzt feststellen, dass sie ihre Waffe nicht bei sich trug. Peter hielt etwas in der Hand, das im Licht der Fackel matt glänzte – es war ihr Dolch.
 

„Suchst du das hier?“
 

Narzissa schauderte bei dem Gedanken daran, dass Peter in ihren Räumlichkeiten gewesen war, und beschloss, sich eine Katze anzuschaffen.
 

„Dass du dich hier in den dunklen Ecken herumdrückst wundert mich keineswegs, Rattenkopf“, entgegnete sie verächtlich, ohne auf die eigentliche Frage zu antworten. Ihre Finger wurden feucht. Sie umfasste den Stiel der Fackel fester, als Peter sich ihr in den Weg stellte und seine begehrlichen Blicke über ihren Körper glitten.
 

„Lass mich vorbei, Wurmschwanz!“
 

„Nicht doch, meine Liebe, warum so abweisend? Das ist doch der perfekte Zeitpunkt, um sich mal ganz in Ruhe zu unterhalten. Lucius wird uns nicht stören.“
 

Narzissa hielt die brennende Fackel vor sich wie einen Schild, als Peter lächelnd näher kam und sich in obszöner Geste über die Lippen leckte.
 

„Lucius würde dich schon allein für dieses dreckige Grinsen töten“, stieß Narzissa hervor, während sie das Mädchen hinter sich weiter zur Wand drängte. „Geh in die Halle zurück!“, befahl sie ihr.
 

Doch Peter zückte seinen Zauberstab.
 

„Du bleibst schön hier!“, knurrte er und das Mädchen kauerte sich zitternd hinter Narzissa zusammen. „Und du legst jetzt diese Fackel weg. Lucius wird mich nicht töten – er wird es niemals erfahren!“
 

„Das glaubst aber auch nur du!“, höhnte Narzissa. Ihre Augen suchten verzweifelt nach einem Fluchtweg und blieben schließlich an Peter hängen, der sie abschätzend musterte.
 

„Sei ein braves Mädchen, Narzissa. Vielleicht gefällt es dir ja.“
 

Wäre ihre Lage nicht so prekär gewesen, hätte Narzissa angesichts dieser Worte gelacht. Sie stieß das Mädchen vorwärts und deckte sie gleichzeitig mit ihrem Körper, um sie vor einem Angriff Peters zu schützen.
 

„Lauf!“
 

Ein panischer Schrei ließ Narzissa herumwirbeln. Eine dunkle Gestalt ragte vor ihr auf und hatte eine bleiche Hand im schmutzigen Haar der Sklavin vergraben, die mit vor Angst verzerrtem Gesicht zu ihm aufblickte.
 

„Was geht hier vor?“, fragte der Dunkle Lord mit seidenweicher Stimme. Seine gefürchteten, rot lodernden Augen glitten über Narzissa und Peter, der sich kriecherisch verbeugte.
 

„Nichts, Mylord. Narzissa und ich haben uns nur unterhalten.“
 

„So?“ Voldemorts Blick bohrte sich in Narzissas Augen, die rasch zu Boden sah.
 

„Ich wollte dem Mädchen etwas zum Anziehen besorgen, als Wurmschwanz mich aufhielt, Mylord.“
 

„Ich denke nicht, dass sie Kleidung benötigt. Zumindest nicht in nächster Zeit“, erklärte Voldemort schmal lächelnd, als er Peters unruhigen Blick bemerkte. „Ich denke, wir werden sie in Peters Obhut zurücklassen.“
 

Peter betrachtete das Mädchen abschätzend, ehe er dankbar sein Haupt senkte. Widerwille schüttelte Narzissa, als Wurmschwanz der verschreckten Sklavin ein sadistisches Lächeln schenkte.
 

„Sie gehört Rodolphus, Mylord. Er hat nichts darüber verlauten lassen, dass er sie teilen will“, wagte Narzissa einzuwerfen.
 

„Nicht jeder wacht so eifersüchtig über sein Hab und Gut wie Lucius, meine Liebe. Wurmschwanz wird sie schon nicht beschädigen.“
 

Die spinnenartigen Finger entließen das Mädchen aus ihrem Griff und Voldemort bot Narzissa seinen Arm.
 

„Begleite mich zurück in die Halle.“
 

„Aber…“
 

„Das war keine Bitte, Narzissa.“ Wieder dieser seidige Tonfall, der durch die Luft schnitt wie eine Klinge.
 

Narzissa biss sich auf die Lippen und nickte ergeben.
 

„Natürlich, Mylord.“ Sie mied den ängstlichen Blick des Mädchens, das flehentlich zu ihr aufsah.

„Bring sie später zu mir, Wurmschwanz“, befahl Narzissa beherrscht, ehe sie die dargebotene Hand Voldemorts ergriff. „Immerhin habe ich Rodolphus versprochen, sie einzukleiden.“
 

„Wurmschwanz wird deiner Bitte sicher nachkommen“, bestätigte Voldemort an Peters Stelle. Dann führte er sie durch den Gang zurück in die Halle.
 

„Du solltest dein Mitleid nicht an derartige Kreaturen verschwenden“, eröffnete Voldemort ihr spöttisch, als sie um eine Biegung verschwanden und die angstvollen Schreie nur noch ein schwaches Echo in Narzissas Ohren waren.
 

Narzissa blendete das Geschehen hinter sich so gut es ging aus versuchte ihrer Stimme einen heiteren Beiklang zu geben, als sie lächelnd antwortete:
 

„Das tue ich nicht, Mylord. Ich wollte meinem Schwager einen Gefallen tun.“
 

Sie betraten die Halle und Narzissa sah Lucius erbleichen, als er sie an der Seite seines Herrn erblickte.
 

„Du lügst beinahe so charmant wie deine Schwester“, erklärte Voldemort mit einem dünnlippigen Lächeln. Narzissas Körper wurde von kalter Angst ergriffen, als er hinzufügte: „Du solltest bedenken, dass ich dich auch Wurmschwanz hätte überlassen können.“
 

„Ihr habt es aber nicht getan“, flüsterte Narzissa bebend, sie spürte Lucius Blicke auf sich, wagte es jedoch nicht ihn anzusehen.
 

Voldemorts Finger strichen sanft über ihre Wange, als seine Augen sich in die ihren brannten.
 

„Du bist der Schlüssel zu Lucius’ Loyalität. Sollte er sich als Verräter erweisen, würde ich anders entscheiden.“
 

Narzissas Körper erbete vor Ekel, als die trockenen Lippen ihren Handrücken streiften. In ihrem Kopf wirbelten tausend Gedanken gleichzeitig umher, doch nur ein einziger davon hatte Bedeutung: Lucius hatte sich getäuscht. Der Lord glaubte ihm nicht!
 

ooOoo
 

Als Harry das Kloster betrat, riss ihn ein heiseres Lachen aus seinen trüben Gedanken. Überrascht sah er in die fröhlichen Gesichter um sich herum.
 

„Harry! Ich habe dich schon überall gesucht!“, ertönte Hermines Stimme hinter ihm, als Harry sich drängte durch die schwatzende Menge drängte, welche den Weg zum Refektorium versperrte.
 

„Was ist denn hier los? Gibt’s was zu feiern?“
 

„Und ob! Fred und George sind zusammen mit Charley Weasley hier eingetroffen. Du hättest Mrs. Weasleys Gesicht sehen sollen; sie konnte es kaum fassen und strahlte vor Glück. Komm mit, sie sind bei Professor McGonagall.“
 

Noch während sie sprach zog Hermine den grinsenden Harry energisch hinter sich her, und ließ ihn erst los, als sie vor Minervas Tür standen. Dumpfes Schluchzen, vermischt mit gutmütigem Gelächter drang an Harrys Ohr, ehe Hermine die Tür aufstieß und den Blick auf die vereinte Familie freigab. Das Kerzenlicht warf warme Schimmer auf die Szenerie, die etwas seltsam Heiteres an sich hatte. Molly lachte und weinte gleichzeitig, während sie Fred und George an sich drückte, die anscheinend gerade ihre Geschichte erzählten. Ron bemerkte kaum, dass Hermine gefolgt von Harry eintrat. Wie gebannt hing er an den Lippen seiner Brüder.
 

„Das Ministerium hat also unseren Laden dichtgemacht, weil unsere Eltern gesuchte Verbrecher sind“, erklärte George gerade lachend seinem Vater, und Fred begrüßte Harry mit einem Grinsen.
 

„Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie wir uns gefühlt haben…“
 

„Wir sind ja so stolz auf euch“, krähte George.
 

„Fred! George! Darüber macht man keine Scherze!“, rügte Molly ihre Zwillinge liebevoll.
 

„Was habt ihr dann getan?“, fragte Minerva, die sich nicht um das vergnügte Lächeln scherte, welches ihre Gesichtszüge weicher aussehen ließ.
 

„Wir haben uns nach Rumänien abgesetzt. Ich meinte natürlich: Wir haben Charly gesucht“, gab Fred Auskunft.
 

„Wir wollten Bill und Fleur schließlich nicht bei der Familienplanung stören“, warf George todernst ein und handelte sich eine Kopfnuss von Molly ein.
 

„Ihr seid geflüchtet?“, warf Arthur entsetzt ein. „Vor dem Ministerium?“
 

„Wir haben uns nur ein Beispiel an unseren kriminellen Eltern genommen“, entgegnete Fred mit einer leichten Verbeugung.
 

Arthur schüttelte fassungslos den Kopf:
 

„Ihr seid in höchster Gefahr und scherzt auch noch darüber…“
 

„Ach, Dad!“ George schlug seinem Vater tröstend auf die Schulter. „Um uns zu erwischen, muss das Ministerium bei Mum in die Lehre gehen.“
 

„Sie war immer die einzige, die das geschafft hat“, bestätigte Fred seufzend.
 

„Immerhin musste ich euch großziehen!“, empörte Molly sich scherzhaft. Dann drückte sie George wieder schluchzend an ihre Brust. „Ach, meine Jungs, dass ich euch wiederhabe…“
 

Betreten blickten die restlichen Anwesenden sich im Raum um, damit Molly die Möglichkeit hatte sich wieder zu fassen. Hermine zupfte an Harrys Hemd und deutete mit einem Kopfnicken auf die Tür. Harry folgte erleichtert dieser Aufforderung. Er würde noch genug Gelegenheiten haben, Fred und George zu begrüßen.
 

„Sie weint immer wieder zwischendurch“, erklärte Hermine, als sie vor der Tür standen.
 

Noch immer standen einige Bewohner des Klosters schwatzend im Gang, das plötzliche Auftauchen der Zwillinge aufgeregt diskutierend.
 

„Verständlich“, brummte Harry zustimmend, während er sich dem Speisesaal zuwandte.
 

„Wie war dein Unterricht bei Moody?“, wollte Hermine wissen, als sie das Refektorium betraten.
 

„Anstrengend.“
 

„Inwiefern?“ Hermine hob eine Augenbraue.
 

Harry unterdrückte ein Seufzen. Es würde sich wohl nicht vermeiden lassen, ihr einen exakten Bericht zu liefern.
 

„Er hat mich mit Silencio zum Schweigen gebracht und mich über den Friedhof gescheucht. Und beim nächsten Mal wird er mich zusätzlich mit einem Klebefluch am Boden fixieren, damit ich nicht weglaufen kann. Reicht das oder brauchst du noch weitere Details?“, beendete Harry bissiger als gewollt seine kleine Ansprache.
 

Hermine setzte sich an einen der Tische und griff nach dem bereitstehenden Brot. Ihr Schweigen zerrte an Harrys Nerven, noch dazu appellierte der klare wissende Blick, mit dem sie ihn betrachtete, effektvoller an sein Gewissen als jeder Vorwurf.
 

„Es tut mir Leid“, gab Harry zerknirscht zu. „Ich hätte meinen Frust nicht an dir auslassen dürfen.“
 

Ein kleines Lächeln zupfte an Hermines Mundwinkeln, als sie Harry den Brotkorb reichte.
 

„Entschuldigung angenommen. Hast du Hunger?“
 

Dankbar lächelnd nahm Harry das Friedensangebot an. Sein Blick fiel auf Draco, der wieder an seinem einsamen Platz am anderen Ende der Halle saß. Die schmale Gestalt sah verlassen in der lachenden Menge aus. Wie eine kleine düstere Insel. Und plötzlich verspürte er eine seltsame Mischung aus Schuld und Mitleid.
 

„Ist das, was du tust, auch nur einen Deut besser?“
 

Harry wusste darauf noch immer keine Antwort.
 

Tbc...



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Siddhartha
2008-03-24T17:25:26+00:00 24.03.2008 18:25
Ach der arme Draco... Kann sich Harry nicht mal langsam zu ihm gesellen? ♥__♥
Die Szene mit Narzissa und Peter ist so... ekelig, aber auch egreifend >__<
Von:  Rejah
2006-12-23T14:18:23+00:00 23.12.2006 15:18
moin ^^
NoirFin hat recht, harry wird immer seltsamer...auch in den büchern hatte er immer so einen aggressiven touch... <.<
Von: abgemeldet
2006-10-16T11:11:39+00:00 16.10.2006 13:11
wow einfach nur mitreisend und spannend geschrieben
ich hab jedesmal Herzklopfen vor aufregung
schreib ganz schnell weiter^^
Von: abgemeldet
2006-10-15T18:51:51+00:00 15.10.2006 20:51
Ich bin wie immer begeistert von den Bösen Dialogen, aber Harry is ein Arsch, sorry, aber er is einer!!! Ich mag Harry immer weniger, der ist selbstsüchtig und agressiv, aber du schreibst klasse, genauso wird es glaub ich auch im siebten ablaufen...
Bin (wie immer ^^) gespannt wies weitergeht (was hoffentlich schnell lesbar sein wird ^=^)
K.t.Y. ^.~
NoirFin


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