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Verschlungene Pfade

Brillante Meuchelmörderin und tollpatschige Marinesoldatin auf Abwegen
von

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Von Gesetzlosen - Tashigi

Auf den Hauptstraßen von Arbana, die allesamt unter anderem entweder zu einem der zahlreichen Marktplätze oder zu dem Palast der Königsfamilie führten, tummelten sich die Menschen wie Obstfliegen auf einem besonders attraktiven Stück Apfelkuchen.

Nur quälend langsam kroch die Sonne von ihrem höchsten Stand am südlichen Teil des Himmels gen Westen. Die Mittagshitze hatte ihren Höhepunkt erreicht und zwischen den Duft von frisch gefärbter Seide, duftenden Speisen und exotischen Gewürzen hatte sich längst der beißende Geruch von Schweiß gemischt. Innerhalb des Menschengedränges fiel das Atmen immer schwerer und die verhüllende Kleidung, die die empfindliche Haut Ortsfremder eigentlich vor der Sonne schützen sollte, verschlimmerte das Ganze noch zusätzlich.

Das Klima war unerträglich an diesem Tag; es machte die Massen zugleich träge und reizbar und weckte selbst in den Einheimischen den Wunsch, schnellstmöglich in eine der schattigen Gassen zu gelangen. Aber auch diese füllten sich – ebenso wie die Wirtshäuser - zunehmend mit schwitzenden Leibern und frustrierten Reisenden, die ganz offensichtlich Streit suchten.

So blieben den Bewohnern der Stadt nur die eigenen Häuser; diejenigen, die nicht aus Arbana stammten, mussten sehen, wo sie blieben.

So auch eine junge Frau, die sich langsam und mit unsicheren Bewegungen ihren Weg durch den allgemeinen Tumult zu bahnen versuchte. Die rechte Hand unbewusst auf dem Schwertgriff, war sie so sehr darum bemüht, niemanden anzurempeln, dass sie noch weniger voran kam als die meisten anderen Leute um sie herum. Und obwohl sie vor Erschöpfung bereits kaum merklich schwankte, entschuldigte sie sich bei jedem zweiten Schritt, weil es in dem Gedränge unvermeidlich war, gegen andere Menschen zu stoßen – oder angerempelt zu werden.

Als Tashigi von einem vertrauenswürdigen Marinemitglied die Nachricht erhalten hatte, ihr Vorgesetzter sei unterwegs nach Alabasta und wolle sie an einem abgelegenen Ort wegen einer dringenden Angelegenheit sprechen, war sie sofort aufgebrochen. Sie hatte sich noch rasch die blaue Jacke angezogen, weil ihr Hemd kurzärmlig war und sie einen Sonnenbrand hatte vermeiden wollen, und war dann regelrecht losgestürmt. Sie war beunruhig, denn sie war sich ganz sicher, dass Kapitän Smoker die Verfolgung der Strohhutbande nicht abgebrochen hätte, wenn nicht etwas Unerwartetes von äußerster Wichtigkeit vorgefallen wäre.

Das Gasthaus, in dem sie übernachtet und die Botschaft sie erreicht hatte, lag etwas außerhalb der Stadt. Tashigi mochte den nächtlichen Trubel in den Hauptwirtshäusern Arbanas nicht, denn so viele Menschen verunsicherten sie immer ein wenig.

Als sie aufgebrochen war, hatte sie zunächst gar nicht bemerkt, dass es heute sehr heiß war - selbst für die üblichen klimatischen Verhältnisse auf einer Wüsteninsel - und dass man am Morgen ein Fest in der nähe des Marktplatzes gefeiert hatte, zu dem zahlreiche Leute geströmt waren. Nun wollten all diese Menschen auch wieder zurück in ihre Unterkünfte. Dass sie seit dem letzten Abend nichts mehr gegessen und getrunken hatte, war der sich im Urlaub befindenden Marinesoldatin auch irgendwie entgangen.

Und nun verschwamm vor ihren Augen alles, wenn auch nur ein wenig. Ihr Gang war taumelnd und ihr Atem keuchend vor Erschöpfung. Mit einer beinahe schon mechanischen Handbewegung wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und versuchte, weiter voran zu kommen. Aber langsam war sie sich gar nicht mehr so sicher, wo sie von hier aus hin musste.

In ein heftiges Ausatmen der jungen Frau mischte sich ein resignierender Seufzer.

Es half alles nichts; auch wenn sie es eilig hatte und die Nachricht, die ihr Vorgesetzter ihr vollkommen unerwartet hatte zukommen lassen, sie nervös machte.

Sie duckte sich etwas, um niemanden versehentlich anzustoßen, und folgte dann einer kleinen Personengruppe, die sich langsam, aber erfolgreich, von der Menschenmasse absetzte, um wie die Schwertkämpferin in einer der Seitengassen Schutz vor der prallen Sonne zu suchen.

Hartnäckig heftete Tashigi sich an die Fersen der Leute vor ihr, fiel aber ein ganzes Stück zurück, als sie beinahe eine ältere Frau angerempelt hätte, und benötigte dann einige Minuten, um diese um Verzeihung bitten und wieder zu den Personen, denen sie folgte, aufschließen zu können.

Aber schließlich fand sie so in der Tat eine der schattigeren Ecken Arbanas. Kaum war sie der glühenden Hitze entgangen, ließ sie sich ermattet an einer Häuserwand und blieb so eine ganze Weile reglos am Boden sitzen. Der Stein, aus dem das Gebäude bestand, war angenehm kühl.

Normalerweise machte Tashigis Kreislauf ihr nicht so zu schaffen. Vielleicht hatte sie am vorigen Abend zu viel trainiert, bei dem Versuch, düstere Gedanken zu vertreiben. Oder, was wahrscheinlicher war, sie hätte einfach etwas trinken sollen. Es war schon merkwürdig, was man so alles vergessen konnte, wenn man sich in Aufruhr befand. Aber mit Sicherheit würde es ihr gleich besser gehen.

Nach einigen Minuten schloss sie die Augenlider und ihr Atem wurde wieder ruhiger, beherrschter, wie es bei einem Schwertkämpfer sein sollte.
 

Jedoch bemerkte sie nicht, dass jemand in Begriff war, an ihr vorbei zu schreiten, es sich dann aber anders überlegte, innehielt und sie einen Augenblick lang musterte.

Erst als sie eine ihr unbekannte Männerstimme vernahm, hob die junge Frau den Kopf wie ein aufgeschrecktes Reh.

„Ähm… wie bitte?“, brachte sie ein wenig verlegen hervor, nachdem sie erste Überraschung überwunden und sich vergewissert hatte, dass auch wirklich sie gemeint gewesen war.

„Ob alles in Ordnung ist.“

„Ich… ich glaube schon, ja.“ Noch während Tashigi sprach, stellte sie verwundert fest, dass sich um sie herum kaum noch Menschen befanden. Hatte sie etwa geschlafen? Die Marinesoldatin warf einen flüchtigen Blick zum Horizont und war nur noch verwirrter, als sie feststellte, dass die Sonne sich kaum weiter bewegt hatte.

Aber wo waren die ganzen Leute hin? Eben war die Gasse doch noch belebt gewesen. Merkwürdig. Vielleicht war das allgemeine Gedränge wieder abgeebbt. Natürlich, so musste es sein.

„Sicher?“

„Äh…“ Ganz kurz – sie wollte nicht indiskret wirken – musterte sie den Mann, der da vor ihr stand und eher beiläufig als in irgendeiner Weise besorgt klang. Er schien recht jung und von muskulöser Gestalt, was nicht zu übersehen war, denn sein Oberkörper war unbekleidet; ein Umstand, der Tashigi ein wenig unangenehm war. Gleichwohl wies seine Haut – zumindest auf den ersten Blick – keine Anzeichen von einem nahenden Sonnenbrand auf. Überhaupt wirkte er so, als mache die Hitze ihm nicht das Geringste aus. Sein Haar und seine Augen waren dunkel und vielleicht hätte er bedrohlich ausgesehen, wären da nicht die vereinzelten Sommersprossen in seinem Gesicht, die diesem ein beinahe jungenhaftes Aussehen verliehen. Er trug einen in Orange gehaltenen Hut und um seinen Hals hingen zwei Ketten. Von der einen vermutete der weibliche Marineleutnant, dass sie aus roten Holzperlen gefertigt war. Die andere bestand aus einem braunen Band, an dem ein totenkopfähnliches Objekt baumelte, das Tashigi fast für den Schädel eines Widders gehalten hätte; jedoch war es nicht größer als der Kopf einer Maus.

„E- Entschuldigung“, stammelte die junge Frau schließlich und beeilte sich, wieder auf die Beine zu kommen, wobei sie sich noch für die Dauer eines Wimpernschlags an der Hauswand abstützen musste. Es war ihr unangenehm, dass ein Fremder wegen ihr extra hatte anhalten müssen. Vielleicht kam er ja jetzt zu spät zu einem wichtigen Termin oder zu einer Verabredung oder verpasste sein Schiff… oder… oder… als der Mann sie fragend anblickte, neigte sie entschuldigend den Kopf und fügte hastig hinzu: „Es tut mir Leid, dass ich…. Dass Sie extra… also… mir geht es gut, vielen Dank!“ Sie versuchte ein Lächeln.

Und wurde nur noch unsicherer, als der Mann vor ihr in schallendes Gelächter ausbrach. Ebenso schnell verstummte das Lachen aber auch schon wieder; stattdessen grinste er nun breit.

„Ähm… habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte sie irritiert.

„Nein, nein.“ Der Mann winkte ab. „Tut mir Leid, ich wollte nicht unhöflich sein.“ Allerdings verblasste sein Grinsen nicht zur Gänze. Dann wandte er sich ab, um seinen Weg fortzusetzen. Im Gehen hob er die Hand zu einer Geste, die eine entfernte Ähnlichkeit zu einem nachlässigen Winken aufwies. „Man sieht sich. Vielleicht. Irgendwann mal… oder so.“

Während der Dunkelhaarige in den Menschenmassen untertauchte und Tashigi sah, wie die Leute ihm aus dem Weg traten und es wieder voller um sie herum wurde, bemerkte sie auch die Tätowierung auf seinem Rücken, die ihr mit einem Mal ins Auge stach. Sie blinzelte, aber das auffällige Zeichen der Whitebeard-Piratenbande, das jedes Mitglied der Marine schon einmal gesehen hatte, verschwand nicht. Es war also gar keine Einbildung! Der Kinnladen der jungen Frau sackte ein Stück hinunter, ihre rechte Hand umschloss Shigures Griff fest und sie wollte ihm schon nachrufen oder hinterher stürmen – so genau wusste sie selbst nicht, was sie wollte, während sie dem Gesetzlosen fassungslos nachstarrte – da war er auch schon aus ihrem Blickfeld verschwunden und sie erkannte, dass es in dem Gedränge unmöglich war, ihn wieder aufzuspüren, geschweige denn zu verfolgen.

Vollkommen überrumpelt stand sie da, die Knöchel ihrer Rechten, die noch immer den Schwertgriff umschloss, traten weiß hervor und sie ärgerte sich über sich selbst. Sie hätte es früher bemerken müssen!

Viele Piraten waren gut darin, sich zu verstellen. Dessen war sie sich doch nur zu deutlich bewusst. Das beste Beispiel dafür war immer noch Lorenor Zorro.

Lorenor Zorro… dieser Name war verbunden mit so vielen Dingen, die Tashigi ein Rätsel waren, dass ihr fast schon schwindelig wurde. Er warf etliche Fragen auf; Fragen, auf die sie wahrscheinlich niemals Antworten erhalten würde, weil es keine Antworten gab.

Wieso hatte er sie nicht getötet? Wieso hatten er und seine Gefährten ihr Leben im Kampf gegen Crocodile riskiert? Weshalb musste ein so talentierter Schwertkämpfer nur ein Verbrecher sein? Und wieso hatte sie sich damals in dem Geschäft in Logue Town so sehr von ihm – einem Fremden - beeindrucken lassen, ohne auch nur seinen Namen zu kennen? Warum, zur Hölle, war er ihr an diesem Tag, bevor sie die Wahrheit über ihn herausgefunden hatte, sogar sympathisch gewesen und aus welchem Grund hatte die Erkenntnis, dass dieser Mann ein Gesetzloser und ehemaliger Kopfgeldjäger war, sie getroffen wie ein Hieb in die Magengrube? Wieso hatte Lorenor Zorro sich überhaupt verstellt und weshalb musste sie immer in den unmöglichsten Situationen über derlei dämliche Fragen nachdenken?

Sie ließ sich einfach viel zu leicht täuschen!

Die Motive des grünhaarigen Schwertkämpfers waren unwichtig. Er war ein Verbrecher, ein Pirat. Ein Mann, dem man schon nachgesagt hatte, er sei eine blutrünstige Bestie, als er noch Jagd auf solche gemacht hatte. Nicht, dass Kopfgeldjäger bessere Menschen wären als Piraten oder dass ihnen die Legendären Schwerter eher zustünden, aber zumindest stillten sie ihren Blutdurst dadurch, dass sie anstelle von Unschuldigen andere Verbrecher umbrachten. Meistens jedenfalls.

Zu allem Überfluss aber war Lorener Zorro jetzt auch noch ein Gesetzloser der Meere; jemand, der brandschatzte und mordete, wann immer sich die Gelegenheit bot.

Aber er hatte ihr weisgemacht, ein ehrbarer Mann zu sein, damals auf Loguetwon. Sie hatte ihn für einen guten Menschen gehalten, für einen echten Schwertkämpfer, wie es nur noch wenige auf der Welt gab. Aber das war eine Lüge gewesen, nichts weiter als eine List. Und für diese schändliche Täuschung würde er teuer bezahlen! Damit würde sie ihn nicht so einfach durchkommen lassen. Niemals.

Tashigi löste sich schleunigst aus ihrer Erstarrung, als ihr wieder einfiel, dass sie es eilig und keine Zeit für so etwas hatte. Während sie die Gasse entlang hastete, Menschen auswich und sich wünschte, am Morgen etwas Flüssiges zu sich genommen zu haben, erneuerte sie jedoch lautlos ihren Schwur, Lorenor Zorro in einem fairen Duell zu besiegen, seine Katana zu konfiszieren und den ehemaligen Kopfgeldjäger festzunehmen.
 

Völlig außer Atem kam die junge Frau rund eine Stunde später an einer kleinen Bucht an, die sich – verglichen mit ähnlichen Orten auf Alabasta - zwar nicht sonderlich gut zum Schwimmen eignete und auch nicht als Hafen genutzt wurde, aber auch nicht so wirkte, als wäre sie in dieser Hinsicht vollkommen unbrauchbar.

Und tatsächlich: Als sie sich auf der Suche nach ihrem Vorgesetzten, der sich hier mit ihr hatte treffen wollen, genauer umsah, entdeckte sie eine Stelle im Wasser, die man aus der Ferne nicht wirklich sehen konnte, da Felsen und Klippen sie zuverlässig vor Blicken schützten. Trotzdem hatte es den Anschein, dass man von dort aus sehr wohl an Land gehen konnte, wenn man es geschickt anstellte. Tashigi war sich sogar ziemlich sicher, dass sich dort gerade ein Marineschiff befand.

Es irritierte sie, dass Smoker bei der Sache, über die er mit ihr sprechen wollte, so viel Wert auf Geheimhaltung legte. Das war doch sonst nicht seine Art.

„Na endlich“, vernahm die Marinesoldatin plötzlich eine tiefe Stimme hinter sich, die sie zu gut kannte, als dass sie nicht sofort gewusst hätte, wem sie zuzuordnen war. Dennoch erklang sie so unvermittelt, dass Tashigi reflexartig herum fuhr und ihr die Überraschung ihr förmlich ins Gesicht geschrieben stand.

„Anstatt mich anzustarren, als wäre ich von den Toten wiederauferstanden, könntest du zumindest so tun, als würdest du dich freuen mich zu sehen.“

Sofort bereute sie es, für einen Moment unaufmerksam gewesen und dann auch noch so schreckhaft zu sein.

Hielt Smoker sie nun etwa für respektlos? Oder – noch schlimmer – glaubte er vielleicht sogar, sie empfände es als ärgerlich, dass er so plötzlich hinter ihr aufgetaucht war?

Tashigi beeilte sich damit, das scheinbare Missverständnis zu klären.

„Äh... nein, natürlich freue ich mich, Sie zu sehen, Käpt’n!“, versicherte sie hastig und salutierte, während sie nur zu deutlich spürte, dass ihre Wangen eine rötliche Färbung annahmen.

Ihr Gegenüber brummte etwas Unverständliches, um dann lediglich leicht den Kopf zu schütteln.

„E-… es tut mir Leid! I-… Ich wollte nicht den Eindruck erw-“, fuhr sie stotternd fort, aber der Blick des Marinekapitäns brachte sie dazu, sich zu unterbrechen. Nun sah sie ihn unsicher an. „Äh…“

„Das war nicht ernst gemeint, Tashigi“, erklärte Smoker ihr im Tonfall eines erneuten Kopfschüttelns. „Und vergiss nicht, dass du gerade nicht im Dienst bist. Spar dir für den Moment also ruhig die Formalitäten.“

„Oh… A-… Ach so. Tut… tut mir Leid!“ Sicherheitshalber verbeugte sie sich entschuldigend, geriet dabei aber so sehr aus dem Gleichgewicht, dass sie sich rasch wieder gerade hinstellte, um nicht zu stolpern und auch noch gegen ihren Vorgesetzten zu prallen.

Tashigi war sich beinahe sicher, dass sie aus Verlegenheit rot geworden war – warum musste auch immer ihr so etwas passieren? -, doch zu ihrer Erleichterung sah Smoker ebenso großzügig darüber hinweg wie über das Beinahe-Missgeschick. Statt sie zu tadeln, kam er direkt zur Sache:

„Würde es dir etwas ausmachen, deinen Urlaub noch heute abzubrechen und auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen?“ Etwas in der ansonsten vollkommen ausdruckslosen Stimme ließ die junge Frau aufhorchen. Mehr als das war nicht notwendig, um sie zu einem entschlossenen Nicken zu bewegen, obwohl sie sich beim besten Willen keinen Reim auf das alles machen konnte.

„Natürlich breche ich meinen Urlaub ab, wenn ich gebraucht werde!“ Es machte ihr tatsächlich nichts aus. Im Gegenteil, sie vermisste ihre Arbeit bereits. Und es erfüllte sie sogar ein wenig mit Stolz, dass ihr Kapitän sie extra aufgesucht hatte. Natürlich wusste sie, dass er sie schätzte, aber es gab nun einmal viele bessere Schwertkämpfer als sie. Solche, die nicht aufgrund ihres Geschlechts schwach waren.

Schleunigst verdrängte sie den in ihr aufkeimenden, unliebsamen Gedanken an Lorenor Zorro – wie sie ihn hasste für das, was er ihr angetan hatte! - und konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche. Ihre Pflicht gegenüber ihrem Vorgesetzten, der Marine und vor allem gegenüber der Gerechtigkeit - den vielen Menschen, die regelmäßig unter Kriminellen zu leiden hatten -, war wichtiger als ihr verletzter Stolz.

Smoker nickte, offenbar zufrieden mit ihrer Antwort. „Gut.“

„Aber wieso… ich weiß immer noch nicht…“, setzte Tashigi nun ein wenig unsicher an, unterbrach sich aber und beschloss abzuwarten. Für einen Moment sah es so aus, als habe ihr Vorgesetzter nicht vor, ihr Details zu offenbaren.

„Es gab da einen gewissen Zwischenfall“, beantwortete ihr Gegenüber dann aber doch endlich die unausgesprochene Frage; zumindest teilweise. Verächtlich fügte der Offizier hinzu: „Wenn man es denn so nennen will. Einem der Insassen einer Gefängnisinsel ist ein Ausbruch gelungen.“ Der Mann schnaubte und murmelte etwas, das verdächtig nach „diese dämlichen Bastarde“ klang.

Tashigi zögerte kurz, aber schließlich fragte sie, einem plötzlichen Impuls folgend: „Handelt es sich etwa um einen Piraten?“

Abermals schnaubte ihr Vorgesetzter verächtlich. „Wenn das alles wäre, würde ich nicht das unbändige Verlangen verspüren, den alten Säcken einen Tritt in den Hintern zu verpassen, dass sie...“ Smoker war anzusehen, dass er diverse auf die Weltregierung bezogene Beleidigungen hinunterschluckte, bevor er fortfuhr: „Ja, ein verdammter Pirat. Und mehr als das.“

„…Sir?“ Nun war Tashigi so nervös, dass sie beinahe damit begonnen hätte, vor Unruhe und Ungeduld von einem Fuß auf den anderen zu treten. Das alles kam ihr sonderbar vor und das flaue Gefühl in ihrer Magengegend machte es nun wirklich nicht besser. „Ist er… ist dieser Pirat also sehr gefährlich?“ Noch während sie sprach, bemerkte sie, wie lächerlich diese Frage eigentlich war. Natürlich war dieser Pirat sehr gefährlich, sonst würde sich jemand anderes als der Weiße Jäger um ihn kümmern können. Bestimmt hätte dieser lieber weiterhin die Strohhutbande verfolgt. Nur ein direkter Befehl vom Hauptquartier, wenn überhaupt, wäre dazu in der Lage, Smoker von diesem Sinnen abzuhalten.

Doch ihr Vorgesetzter wies sie nicht noch einmal extra darauf hin, sondern entgegnete trocken: „Wäre er es nicht, würde man wohl kaum nach Hina und mir verlangen, meinst du nicht?“ Diese Worte und der leicht unterkühlte Tonfall, in dem er sie ausgesprochen hatte, sorgten dafür, dass Tashigis Augen sich merklich vor Erstaunen weiteten.

„Miss Hina Blackcage? Aber… aber weshalb denn? Ich meine... Ich dachte, Sie würden…“ Der Offizier behielt seine gleichgültige Miene bei. Als er nichts erwiderte, erkundigte sich Tashigi – sobald sie sich wieder gesammelt hatte - mit fester Stimme: „Um welchen Pirat handelt es sich, Käpt’n?“

„Du kennst ihn“, offenbarte der Weiße Jäger ihr mit einem unheilschwangeren Unterton in der Stimme, der die junge Schwertkämpferin zwar Böses schwanen ließ, aber nicht auf den Namen vorbereite, den sie nun zu hören bekam: „Crocodile.“

Für einen Augenblick schien Tashigis Herzschlag auszusetzen und die Schwertkämpferin wünschte sich in diesem Bruchteil einer Sekunde nichts sehnlicher, als dass Smoker einen Piraten meinte, der rein zufällig denselben Namen hatte. Aber das war eine alberne Idee. Sie geriet unmerklich ins Taumeln, fing sich jedoch rasch wieder.

Deswegen hatte ihr Kapitän sich also an sie gewandt! Weil er wusste, dass sie sich noch immer – und vollkommen zu Recht - die Schuld daran gab, dass die Marine dereinst bei dem Versuch, den ehemaligen Samurai unschädlich zu machen, versagt hatte.

Es war ihre Chance, mit der Sache ein für alle Mal abzuschließen.

Aber glaubte Smoker denn tatsächlich, dass sie sich dieses Mal als nützlicher erweisen würde? Was, wenn sie wieder versagte? Das letzte Mal hatte sie Piraten unterstützen müssen! Sie konnte sich gut vorstellen, welchen Ärger das Hauptquartier ihrem Vorgesetzten deswegen noch zusätzlich gemacht hatte.

„Tashigi“, hörte sie diesen nun mit Nachdruck sagen. Schwang da etwas ein Anflug von Besorgnis in seiner Stimme mit? Aber wieso?

Erst jetzt bemerkte Tashigi, dass sie den ihr gegenüber stehenden Mann entgeistert anstarrte. Sie hielt es sogar für möglich, ein wenig bleich geworden zu sein. Abermals schob sie die egoistischen Selbstzweifel beiseite. Viel wichtiger war es doch, irgendwie in Erfahrung zu bringen, was Crocodile plante. Wo er sich aufhielt. Wie vielen Menschen er Schaden zufügen könnte, nur weil sie hier wie angewurzelt stand und so am Ende gar noch dazu beitragen würde, dass man sie zu einem Arzt brachte.

„Tashigi?“

„E-… Entschuldigung. Machen Sie sich bitte keine Sorgen, es geht mir gut.“ Sie lächelte schwach, vielleicht nicht sonderlich überzeugend; jedenfalls hob der Offizier kaum wahrnehmbar die Brauen. „Weiß man denn, wo ungefähr Crocodile sich zurzeit aufhält?“

Tashigi hoffte inständig, dass Smoker ihretwegen keinen Umweg in Kauf genommen hatte. Aber eigentlich glaubte sie das kaum; so wichtig war sie schließlich nicht.

„Das ist es ja. Schenkt man den Gerüchten glauben, kann er nicht weit von Alabasta sein. Wenn nicht sogar auf der Insel selbst.“

„Wäre… das nicht dumm von ihm? Ich meine, hier wird man ihn doch sicher erkennen.“

Der Offizier zuckte beinahe unmerklich mit den Schultern. „Deshalb schenkt die Regierung den Gerüchten auch keinen Glauben. Erwähnte ich, dass die alten Säcke mich mal kreuzweise können?“ Damit wandte der Marinekapitän sich um und blies den Rauch seiner beiden Zigarren ärgerlich dem Wind entgegen.

Tashigi erstaunte die Einstellung ihres Kapitäns zu seinen Vorgesetzten schon lange nicht mehr. Und nach ihrem letzten Aufenthalt auf Alabasta konnte sie das erstmals wirklich nachvollziehen.

Noch immer konnte sie kaum fassen, dass man versucht hatte, sowohl Smoker als auch sie selbst dazu zu nötigen, die ihnen angebotenen Orden zusammen mit der damit verbundenen Beförderungen anzunehmen, nur um den Schein zu wahren, die Marine hätte Sir Crocodile unschädlich gemacht und Alabasta vor dem Untergang bewahrt.

Dabei wusste doch jeder, dass Piraten schlechte Menschen waren; selbst dann, wenn sie sich gegenseitig ermordeten.

Wozu also dieses Theater? Tashigi verstand es einfach nicht. Dennoch würde sie ihren Fehler wiedergutmachen und ihre Pflicht gegenüber der Marine und sich selbst erfüllen.

Wortlos und mit grimmiger Entschlossenheit im Blick folgte sie ihrem Kapitän.
 


 

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Und wieder ein Kapitel. ^-^

Hoffe mal, dass es einigermaßen Gelungen ist. o.o

Hm... ja, wer der Pirat war, dem Tashi da eher zufällig begegnet ist, dürfte klar sein.

Und das war ganz sicher nicht sein letzter Auftritt in dieser ff. *hihi*

Aber irgendwie habe ich Angst, die Charas nicht so ganz IC hinbekommen zu haben. o.o

Wie üblich wird auch dieses Kapi bestimmt noch einige Male fleißig überarbeitet. ^^"

Hm. Nja, wie dem auch sei... auch hier gilt wieder:

Vielen Dank für's lesen, etwaige Verbesserungsvorschläge und Kommentare! ^-^



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Minerva
2006-10-14T09:46:10+00:00 14.10.2006 11:46
Hmmm...wer könnte wohl der Sommersprossige pirat gewesen sein...schwierige Frage *doppelgrins*
Ace-schatz ich hoffe er taucht noch ganz ganz ganz oft auf mal wieder ein Super kapi von dir
Gut gemacht


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