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Beat me baby!

von

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Kapitel 14 und 15

Puh, was ein Akt! Aber es geht voran! Ich will eigentlich nicht zu viel sagen, daher presse ich die Lippen zusammen und wünsche euch Spaß beim Lesen!

Für Kommis bin ich immer sehr dankbar ;)
 

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Kapitel 14
 

Wie viele Tassen Kaffee ich am folgenden Tag getrunken hab, konnte ich kaum noch sagen. Fakt war, meine Nacht war trotz des frühen Heimwegs sehr kurz. Ich lag stundenlang wach und hatte nachgedacht. Überwiegend über mich. Viel über Lukas. Noch mehr darüber, was die Zukunft mir und ihm bringen konnte. Eine wirkliche Erkenntnis habe ich dadurch nicht erhalten. Außer vielleicht, dass mein bisheriger Lebensstil äußerst vergnüglich war, die Erfahrung mit Gideon jedoch Warnung genug war, bessere Wege einzuschlagen. Auch Joe’s Worte kreisten immer wieder in meinem Kopf. Seine Bitte, Lukas nicht das Herz zu brechen, war doch sehr eingehend gewesen. Immerwieder durchspielte ich den Ablauf einer möglichen Beziehung um zu ermitteln, auf wie vielen Wegen ich wohl fremdgehen würde oder woran sie früher oder später scheitern würde. Die Tatsache, dass wohl oder übel ich der Buhmann sein würde, entsprach nicht meinem Geschmack. Das ich mir selbst diese Rolle zuspielen würde, stand für mich außer Frage.
 

Dank der heutigen Kosmetik für Männer sah ich nicht so furchtbar schlecht aus wie ich geschlafen hatte. Ein bisschen Roll-on hier und Feuchtigkeitsgel da, und schon sieht der Mann von heute gepflegt und munter aus. Ich würde mit Lukas einfach in ein kuscheliges kleines Restaurant gehen, ein dunkles Plätzchen suchen und alles wird gut. Naja, fast alles. Ich war mir immernoch unsicher, was ich mit mir selbst anfangen sollte. Meine Libido schrie zwischendurch immer wieder auf und wollte Beachtung, zugleich erinnerte mich der leichte pulsierende Kopfschmerz, dass ich noch mehr als nur einen Schwanz hatte.
 

Mein Herz klopfte leicht, als ich auf Lukas Wohnungstür zuging und noch mehr, als ich nach dem Klingeln auf seine Antwort wartete. „ Soll ich gleich runter kommen?“ Ich bejahte. Mit dem Klang seiner Stimme erhielt ich einen leichten Stich in der Brust. Wie viel Verantwortung hatte ich?
 

Es dauerte nicht lange, dann stand er vor mir. Lukas trug einen nahezu bodenlangen schwarzen Mantel und hatte sich einen dicken schwarzen Wollschal um den Hals gewickelt. Er fröstelte leicht, als er an die frische Luft trat und lächelte mich an. „Ich hätte dich mal wieder nicht erwartet.“

„Versprochen ist versprochen.“ Ich zwinkerte ihm zu.

Lukas beugte sich plötzlich vor und küsste mich sanft auf die Wange. Sein süßer Duft umfing mich und wickelte mich wohlig warm ein. Auch meine Libido nahm sofort wieder ihre Arbeit auf. Ich fühlte mich wie jemand im tagelangen Hungerstreik, dem man grad ein kleines verführerisches Törtchen unter die Nase gesetzt hatte. Ich räusperte mich kurz. In Erinnerung an Lukas Geburtstag reichte ich ihm meinen Arm und er hakte sich lächelnd unter.
 

„Also Fremder, wohin gehen wir?“ Er lehnte sich in sanfter Vertrautheit gegen meinen Arm und sah zu mir auf. „ Nunja, ich kenne da einen hervorragenden Afrikaner, wenn dir etwas S-Bahn fahren nichts ausmacht?“

„Oh, Afrikanisch! Wie exotisch!“ Lukas kicherte vergnügt und drückte sanft meinen Arm. „Dann führe mich mal dorthin.“
 

Am Anfang war es einfach. Wir plauderten über unseren Tag, wobei Lukas sich zurück hielt, da aufgrund seiner Krankschreibung er aktuell nicht viel machen konnte. Er verriet mir, dass er als Chemielaborant beim Robert-Koch-Institut tätig war, der Gips schränkte ihn jedoch soweit ein, dass er seine Arbeit derzeit nicht ausüben konnte. Es schien ihn zu belasten, wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig deuten konnte.

Beim Essen selbst überraschte er mich. Sein Appetit war recht ausgeprägt und obwohl er das meiste nicht kannte, zeigte sich Lukas als sehr probierfreudig. Er ließ es sich nicht nehmen mir immer wieder einen Kostehappen zuzuschieben. Nichts was mir wirklich lag, sodass ich ihn früher oder später ein wenig ausgebremst hab dabei. Er schien es aber nicht weiter übel zu nehmen, sondern aß genüsslich weiter und bedauerte nur lächelnd meinen Verlust.
 

Lukas trug einen enganliegenden schwarzen Pulli mit V-Ausschnitt und Dreiviertelarmen. Auch im schwachen Lichtschein konnte ich die feinen Linien auf seinen Unterarmen sehen, die nicht vom Pulli bedeckt wurden. Wir waren mit dem Essen fertig. Seine Augen funkelten im Kerzenlicht und verdunkelten sich dann leicht, als sie meinen Blick bemerkten.
 

„Möchtest du sie nur anstarren oder auch wissen, woher sie kommen?“ Er spach leise mit einem rauen Unterton. Schief lächelnd ergriff er sein Glas. Ich zündete mir nervös eine Zigarette an. Zum Glück nahmen in Berlin nicht alle das Rauchverbot so tot ernst. Gierig sog ich den beißenden Qualm ein und pustete ihn langsam wieder aus.

„Die Frage ist eher, ob du mir überhaupt sagen möchtest, woher die Narben kommen?“ Der nächste Zug an der Kippe und wieder betrachtete ich ihn abschätzend. Lukas rutschte leicht auf seinem Stuhl hin und her. „ Das Leben ist nicht immer einfach, weißt du?“ Er grinste kurz. „ Was sag ich da, ich glaub für dich war die größte Hürde jemals schnell genug die nächste Nummer zu finden.“
 

„Autsch.“ Ich umhüllte mich mit mehr Rauch. Im Grunde hatte er Recht. Ich hab in meinem Leben immer alles erreicht,was ich wollte. Schule, Studium, Job...nur Lukas versuchte sich eisern meiner Statistik zu entziehen. Jeden anderen hätten diese Worte verletzt. Ich überspielte sie mit gewohnter Coolness und beschloss für mich ihn später dafür leiden zu lassen...im Bett und am besten unter mir.
 

„Entschuldige... Ich kam früher mit Problemen nicht so gut klar und das ist leider das Ergebnis davon.“ Er rieb sich gedankenversunken den ungegipsten Unterarm und blickte ins Leere. Ich weiß nicht wieso, doch ich zögerte nicht, als ich das Bedürfnis hatte in zu berühren. Meine Hand legte sich sanft auf seine Hand und meine Finger strichen sanft über seine. Die Stimmung schlug um. Seine Augen fanden meine und flackerten leicht. Bemüht ernst meinte ich leise:

„Lukas, es kann nunmal nicht jeder so ein grandioses Arschloch sein wie ich.“ Ich begleitete die Worte mit einem sanften Kopfschütteln und einem ironischen Grinsen. Es funktionierte. Ein Lächeln fand sich zurück in sein Gesicht.
 

„Du bist unmöglich.“ Erlachte nun leise und seine Finger spielten sanft mit meinen. Kurze Stille.

„Was machen wir hier eigentlich Alex?“ Unsicher hob er bei der Frage die Augenbrauen an, blickte auf unsere Hände und dann wieder mich an. Bis eben war die Berührung für mich etwas völlig normales gewesen. Nun zog ich meine Hand zurück, als hätte ich sie mir verbrannt.

„Ich weiß es um ehrlich zu sein nicht, Lukas.“ Schweigen herrschte wieder. Er blickte nachdenklich in mein Gesicht, dann auf meine Hand, schließlich auf seine.
 

Ein letzter Zug am Glimmstängel und er verschwand traurig im Aschenbecher. „Ich versuche zur Abwechslung mal normal zu sein.“ Ich lächelte kurz. „Bin nicht so gut drin, hm?“

Auch Lukas schmunzelte. „Es geht. Bei dir ist das nur so...befremdlich.“ Ich hatte den Eindruck, dass er noch etwas dazu sagen wollte, doch wieder verblieb er im Schweigen. /Vielleicht ist es deine Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen, Alex-Baby?/ Ich seufzte leise. War es wirklich der richtige Zeitpunkt, meine Gedanken offen zu legen? Würde ich ihm damit vor den Kopf stoßen? Joe’s Worte kreisten in meinem Kopf wie die Geier über einem Stück Aas. /Vermutlich würde von Lukas auch nicht viel übrig bleiben, wenn ich hier rum experimentiere./
 

„Ich mag dich Lukas.“ Er blinzelte überrascht. Eine solche Aussage schien er nicht zu erwarten. „ Und genau das ist das Problem.“ Ich grinste schief. „ Ich bin nicht gut darin, mit anderen Menschen umzugehen. Zumindest nicht außerhalb des Bettes.“ Ein verschmitztes Lächeln, eine kleine Zweideutigkeit.“ Ich bin, wie ich bin.“, und hier war ich in voller Größe. Der Gefühlskrüppel der Nation, der krampfhaft die richtigen Worte suchte und immer die falschen traf.
 

Lukas lehnte sich ein Stück zurück. Er schien zu erkennen, dass hier kein größeres Liebesgeständnis kommen würde, geschweige denn ein Schwur zur Treue oder Besserung. „Heißt das, mehr als ein kurzes Intermezzo ist für dich nicht drin?“ Seine Augen flackerten. Doch es waren keine Tränen. Er schien verunsichert. Kämpfte Lukas grad mit seinen Grundwerten? Es könnte auch Zorn sein, aber wütend erschien er mir nicht.
 

Ich lachte leise auf. „Versteh mich nicht falsch. DU hast viel an mir geändert. Aber ich befürchte, dass ich immernoch schlecht bin.“ Ich schüttelte den Kopf und friemelte die nächste Zigarette aus der Packung, mein Feuerzeug zippte leise. „Ich weiß es.“ Qualm umhüllte mich.

„Das heißt, du verschwindest. Denn aus deinem Bett kannst du mich schlecht werfen.“ Er schien noch immer verunsichert und nun doch etwas angegriffen. Beschwichtigend hob ich die Hände.
 

„Versteh mich nicht falsch. Verdammt Lukas, ich bin mies in sowas!“ Ein Lachen, der nächste nervöse Zug an der Zigarette.„Ich möchte... ein Freund sein, verstehst du?“ Ich berührte wieder kurz seine Finger, strich sanft über die blasse Haut. Er ließ mich gewähren und erwiederte die Berührung sacht.

„Ein Freund?“ Eine kleine Welle der Enttäuschung schwang mit seinen Worten mit. Mein Herz versetzte mir einen deutigen Stich, aber ich tat unbeeindruckt und zog erneut an der Zigarette, die nach und nach zu einem kleinen Stummel mutierte.
 

Freund war definitiv nicht das Wort, was sich Lukas vom heutigen Abend erhofft hatte. Und um ehrlich zu sein, hätte ich ihm auch gerne mehr geboten. Wenn ich mehr Arsch in der Hose gehabt hätte. Wenn ich mir selbst vertraut hätte. So verdammte ich mich gerade erstmalig zu einem Leben am Rand. Aber wenn es das einzig Gute war, was ich für ihn tun konnte, dann würde ich gerne am Rand stehen und auf ihn aufpassen. So wie Joe es tat. Ein lächerlicher Vergleich mit dem Film Bodyguard kam mir in den Kopf. Ich schüttelte den Gedanken dezent aus meinem Kopf und verlachte mich innerlich selbst. /Du wirst noch zu einer richtigen Queen Alex, wenn du so weiter machst./ Während ich mich selbst auslachte wäre es mir fast entgangen, dass Lukas sanft meine Finger drückte.
 

Seine Gesichtszüge erschienen so unglaublich sanft, dass ich ihn am liebsten augenblicklich zu einem Kuss über den Tisch zu mir herangezogen hätte. Aber es würde keinen solchen Kuss mehr geben, wenn ich mal etwas richtig machen wollen würde. /Scheiß auf deine Libido, Alex, dieses eine Mal!/

„Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass ich verstehe, was du mir sagen willst.“ Seine Finger verließen meine. „Und ich erahne, wie schwer das für dich ist. Ich fühle mich geehrt.“ Ein zaghaftes Lächeln. Dann griff er zum Wein und nahm einen größeren Schluck. Seine Wangen glühten danach sacht. Ja der gute afrikanische Rotwein, der hatte es schon in sich.

Er senkte leicht den Kopf . „Ich bin froh, dass ich nicht ganz auf dich verzichten muss.“ Seine Worte kamen leise, aber mit einem kleinen Lächeln. Ich griff zu meinem Glas und trank ebenfalls einen beherzten Schluck. Es war raus. Es war schlecht formuliert und bei weitem nicht das gewesen, was ich mir über Nacht an Worten zurecht gelegt hatte, aber irgendwie hatte ich es geschafft ihm mitzuteilen, dass ich es nicht auf den Versuch ankommen lassen würde, ihn unglücklich zu machen. Das hatte ich doch, oder?
 

Ich war nie der Typ, der nicht wusste, was er will. Und genau genommen wusste ich auch jetzt, was ich wollte. Doch das Problem war, dass meine Verlangen sich widersprachen. Ich wollte Lukas. Ich wollte nichts mehr, als seinen schlanken Körper unter meinen Berührungen erzittern zu sehen. Aber ich wollte einen glücklichen Lukas und eine kleine Stimme in mir lachte immer höhnisch bei dem Gedanken, dass ich ihn glücklich machen könnte. Ich konnte andere beglücken, aber einen Glückszustand von Dauer aufrechtzuerhalten, der sich außerhalb der Laken abspielte, dazu war ich nicht in der Lage, oder? Das kleine Kichern begann erneut.
 

Ich blickte Lukas an. Er sah nicht glücklich aus. Aber auch nicht tot unglücklich. Sein Blick ruhte auf mir, als könne er jeden Gedanken lesen, der durch meinen Kopf schoss. Und sein Blick sagte mir, dass es okay wäre. Ein Hauch Sehnsucht ging damit einher. Sehnsucht nach dem, was sich Lukas von diesem Date gewünscht hatte. Oder war es etwas anderes. Irgendwie hielt mich sein Blick gefangen, doch wenn ich von meinem Standpunkt nicht abweichen wollte, musste ich jetzt wegsehen. Ich musste diesen Moment brechen.
 

Eine Zigarette konnte im richtigen Moment wie eine Wand zwischen zwei Personen sein. Ich baute also mit einer weiteren Kippe eine kleine Mauer. Mehr fiel mir nicht ein. Und auch Lukas ließ die Schultern leicht sinken und lächelte traurig. „Zeit zu gehen, hm?“ Ich winkte dem Kellner für die Rechnung zu um Lukas Worte zu bestätigen.

„Besser ist’s, muss morgen wieder auf Arbeit und möchte dich doch noch nach Hause bringen.“ Ich zwinkerte ihm durch meine Rauchwand zu. Er merkte es und lächelte. Eine leichte knisternde Stimmung lag immernoch zwischen uns, auch wenn Lukas nun endgültig mein verbotenes Früchtchen war. Vielleicht auch gerade deswegen.
 

Nachdem ich bezahlt hatte, half ich ihm in seinen Mantel. Ich ließ es mir nicht nehmen, ihm dabei sanft über den Rücken zu streichen. Er wich nicht zurück und verharrte diesen Augenblick, dann machten wir uns mehr oder weniger zeitgleich auf den Weg zur Tür.
 

Die Kälte umfing uns unweigerlich, als wir auf die Straße traten. Es war Anfang November und bereits jetzt gefühlte Minusgrade im zweistelligen Bereich. Ich bot Lukas meinen Arm an und ohne zu zögern hakte er sich unter. Er lehnte sich sanft gegen mich und diese Vertrautheit stimmte mich zufrieden. Es würde schwer werden, meine Finger still zu halten, aber wenn es Momente wie diesen bewahren würde, wäre ich damit einverstanden. Zumindest für eine Weile.
 

Auf die S-Bahn wartend legte ich meine Arme um ihn, um ihn warm zu halten. Auch hierzu sagte Lukas nichts. Allgemein verlief unser Heimweg sehr schweigend. Die Bahn kam diesmal für meinen Geschmack zu schnell. Wartete man an Abenden wie diesen sonst locker mal 15 Minuten, so waren es heute gerade mal fünf Minuten, die ich Lukas so wärmen durfte. Zugegeben, fünf Minuten, in denen ich meinen Entschluss immer wieder hinterfragte, aber wenn ich auf den kleinen Blondschopf hinab sah, war ich mir doch wieder sicher./Einmal im Leben nicht das Arschloch sein./ Ich sagte mir diese Worte immer wieder. In meinem Kopf schrillte zugleich das höhnische Lachen, dass mich daran erinnerte, was ich sonst so gerne tat, und wie unfähig ich darin sein würde, ihn nicht unglücklich zu machen. Ein Augenblick zum Weglaufen, hätte ich nicht Lukas in den Armen gehabt. Die Bahn kam. Innen war sie gut beheizt und weiterer Körperkontakt nicht notwendig. Ich bedauerte es etwas. Wir saßen schweigend nebeneinander. Es war kein angenehmes Schweigen. Es wurde auch nicht besser, als Lukas langsam seinen Kopf gegen meine Schulter lehnte. Was hätte ich in diesem Augenblick alles gerne getan.
 

Meine Hände ruhten jedoch zusammengefaltet in meinem Schoß. /Einmal Alex. Ein einziges Mal./ Ich biss die Zähne zusammen und atmete tief durch. Hatte ich gewusst, dass es so schwer werden würde? War es denn schwerer als die Rolle des Mistkerls zu riskieren? Vielleicht war es nur schwer für den Augenblick und sobald meine Libido endlich ein neues Objekt der Begierde gefunden hätte, würde es leichter werden. /Vielleicht./ Kein Zustand, der in mir Behaglichkeit hervorrief.
 

Kurz vor seiner Haltestelle löste sich Lukas von mir. „Ich will Mittwoch mit Maik und Stephen ins Kino.“ Ich blinzelte ihn etwas verwundert an. Offensichtlich hatte ich mich arg in meinen Gedanken verloren. „Willst du mit?“

„Was wollt ihr euch denn ansehen?“ Lukas lächelte peinlich berührt. „Einen Twilight Rerun, bevor der vorletzte Teil ins Kino kommt.“ Ich hob fragend eine Augenbraue. Klar war dies ein Thema, dass man nicht umgehen konnte dank der Medien. Zugegebenermaßen hatte ich mich jedoch bisher vollends vor diesem Thema drücken können.
 

„Puh, ich steck da gar nicht drin...“ Er grinste vergnügt. „Kein Problem, ist nen kleiner Marathon, Teil eins bis drei und du bist up to date für den ersten Teil des letzten Buches.“

„Der erste Teil des... Teil eins bis drei?“ Ich ging das eben Gehörte durch und fragte mich, ob ich DAS wirklich verkraften würde. Lukas erhob sich und hinterließ einen kalten Fleck an meiner Seite. Er lachte offenherzig. „Freunde machen so einen Quatsch Alex...“
 

Da hatte er mich. Freunde. /Du hast es so gewollt, Alex./ „ Okay, okay, ich tu mir das an, aber wenn ich es nicht mehr ertrage, darf ich mich betrinken,ja?“ Wieder ein Lachen. Die freundliche Stimme der S-Bahn verkündete seine Haltestelle. Er drehte sich einmal lachend um eine der mittig stehenden Haltestangen. Meine Libido zuckte kurz bei diesem Anblick. Unartige Bilder schossen mir in den Kopf und mussten bekämpft werden. Kälte war ein gutes Mittel.

„Ja, ich denke den ein oder anderen Prosecco vorab werden wir uns auch genehmigen. Also ist Betrinken okay.“ Er betätigte den Türöffner und verließ den Wagen. Ich sprang auf und eilte ihm nach, klapste ihm leicht auf den Po. „Du versaust mich!“ Er lachte wieder. Ich legte lächelnd meinen Arm um ihn und begleitete ihn noch bis zu seiner Wohnungstür. /War doch ein guter Abend, oder? Für dein erstes sexfreies Date, hast du dich tapfer geschlagen Alex. Da ist so ein kleiner freundschaftlicher Klaps auch okay./ Ich hoffte es.
 

Es wäre schön, wenn ich doch nur einen Augenblick meinen Kopf abstellen könnte. Aber er arbeitete immerzu. An Lukas Tür zögerte dieser kurz. Sein Blick ruhte auf mir, begleitet von dem für mich nicht zu deutenden Gefühl, dass er auch vorhin im Restaurant mit im Blick trug. Ich strich ihm einmal kurz über die Wange.
 

„Schlaf gut, Lukas.“ Meine Stimme war rau und leicht belegt. Gern hätte ich jetzt mehr getan, als diese flüchtige Berührung. Lukas Wangen waren immernoch leicht gerötet und ich fragte mich , ob es noch vom Wein kam, der Kälte oder an mir lag. Er lächelte nur sanft, drehte sich um und schloss die Tür zum Hausflur auf. „Schlaf gut Alex.“ Er blickte sich für diese Worte noch einmal kurz um, dann verschwand er im Hausflur. Es schüttelte mich leicht. Auf dem Weg zurück zur Bahn erkannte ich den Kerl in der Fensterspiegelung nicht wirklich. Wenn das ich war, wo war dann der Rest von mir?
 

Leise lachte die höhnische Stimme in meinem Kopf. Immer wieder drang sie zu mir durch. Würde ich meine Libido jeh besiegen? Ich hatte den Abend überstanden, aber nicht ohne Lukas Nähe zu genießen, zu suchen oder mir sogar zu erschleichen. Ich schüttelte leicht den Kopf. Vielleicht war es Zeit für einen Absacker am Neuen Ufer und einem bedeutungslosem Abenteuer. Aber das hatte ja auch vorab schon so gut geklappt...
 

Kapitel 15
 

Ich bin an diesem Abend nicht ins Ufer und ohne weitere Abenteuer heimgekehrt. Mein Kopf platzte fast aus allen Nähten und innerlich wusste ich , dass ich meine Libido nicht mit irgendeinem kleinen knackigen Hinterteil ruhig stellen könnte.
 

Dieses Gefühl setzte sich fort an jedem Abend den ich in den kommenden Wochen mit Lukas und seinen Freunden verbrachte. Joe war häufiger mit von der Partie, verabschiedete sich aber meist frühzeitig, um noch etwas auf die Pirsch zu gehen, wie er sagte. Ich beobachtete jedesmal, wie bei diesen Worten ein kleiner Schatten über Lukas Gesicht huschte. Wenn es ihn aber wirklich noch verletzte, wusste er es auf Dauer gut zu überspielen. Ob seine quirligen Freunde es wirklich merkten, wenn sie Joe scherzend verabschiedeten, glaubte ich kaum.
 

In dieser Zeit nahm ich es mit so gut wie allem auf: Dem Twilight Marathon, Cocktailabenden, Abende mit Liebesschnulzen, Kaffeerunden mit Kuchen und ich erwies mich durchaus als begabter Gesellschafter. Zudem nutzte Lukas jeden Moment, der sich ergab, um mit mit etwas Nähe zu teilen, ob es nun ein vielsagender Blick, ein leichtes Anlehnen oder sogar ein wenig Kuscheln auf der Couch war. Nie etwas Sexuelles, leider, oder zum Glück, ich wäre wohl schwach geworden. Wenn wir diese Nähe teilten, verschwanden meine Kopfschmerzen für eine Weile. Doch wenn ich später alleine in meine Wohnung zurückkehrte, kamen sie wieder und bohrten sich gnadenlos durch meine Gedankenwelt. Und einher ging der Gedanke, was ich früher getan hätte und wie aussichtslos mir jetzt ein Weg in irgendeinen Darkroom erschien.
 

Auf Lukas und mich reagierten Maik und Co. Anfangs skeptisch. Es wurde jedes mal von neuem gewitzelt, ob wir nun ein Paar seien. Lukas ertrug diese Sticheleien mit dem Lächeln einer Heiligen Statue, ich knirschte grummelnd mit den Zähnen. Die Runde lachte dann, Lukas und ich blickten uns schweigend an und schienen uns mit unseren Augen immer wieder gegenseitig zu fragen, was wir hier taten. Aber ich blieb dabei, ich wollte ihn nicht verletzen. Irgendwann hörte auch das Sticheln etwas auf. Die von uns ausgeteilten kleinen Zärtlichkeiten gehörten somit zum freundschaftlichen Habitus und keiner versuchte mehr uns in peinliche Situationen zu bringen. Vielleicht waren auch einfach Lukas und ich es, die mit dem Alltag besser umgingen. Ich wollte ihn jedoch noch immer, daran hatte sich bisher nichts geändert, zu meiner eigenen Verwunderung.
 

Es war mitten in der Vorweihnachtszeit, als die Herrschaften beschlossen, gemeinsam den Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz unsicher zu machen und im Anschluss ins Haus B einzukehren. Der erste Schnee war mittlerweile gefallen. In der Dunkelheit wurde der Alexanderplatz liebevoll vom Weihnachtsmarkt beleuchtet, dessen Fahrgeschäfte, Imbissbuden und Händler ein buntes Gemisch an verschiedenen Düften, Lauten und Lichtsignalen von sich gaben. Es wurde in einer kleinen und völlig überfüllten Glühweinbude der erste Glühwein mit Schuss zu sich genommen und schnell glühten auch alle Gesichter. Ich war nie ein Weihnachtsmensch und sah da keine gegenteilige Entwicklung, aber mit Lukas an meiner Seite schien das sich nähernde Weihnachtsfest doch etwas von jener Beschaulichkeit zu besitzen, die man mir früher immer nahe bringen wollte.

Maik erzählte lautstark eine Anekdote aus seinem Frisörsalon. Der Kerl war tatsächlich Frisör. Ein Bilderbuchschwuler. Seine Stimme war noch immer zu schrill für meinen Geschmack, aber ich hatte mit der Zeit gemerkt, dass Lukas sich einen doch recht erwählten Freundeskreis angelegt hatte und somit war auch Maik, trotz der Tatsache, dass man ihn nicht reden hören wollte, immer ein offener Gesprächspartner.
 

Die nächste Runde Glühwein mit Schuss brachte die Idee mit sich , dass man doch eine Runde Riesenrad fahren könnte. Seit das Alexa am Alexanderplatz stand, war dahinter jährlich ein größerer Rummel, der auch ein Riesenrad bereit hielt. Vergnügt kichernd schob sich unsere Gruppe also Richtung Riesenrad mit dem festen Vorhaben einen Mengenrabatt bei dem Betreiber für unsere Gruppengröße herauszuschlagen. Ein paar vergnügt kreischende Kerle waren doch eine ausgezeichnete Werbung. Zumindest waren wir für uns dieser Ansicht.
 

Das Riesenrad hatte immer Gondeln für kleinere Gruppen und so teilte man sich in eine dreier und eine vierer Gruppe auf. Ich hatte das Glück, die kleine Gondel mit Lukas, Stephen und Martin zu teilen. Die zwei kuschelten sich verliebt und vergnügt zusammen und freuten sich unglaublich über die Aussicht. Lukas war ziemlich nahe an mich herangerutscht und umklammerte etwas verkrampft meinen Arm.
 

„Alles okay bei dir?“ Ich flüsterte leise an sein Ohr. Zögerlich öffnete er die Augen und blickte zu mir auf. „ Das kann ich nicht sagen. Das ist zu peinlich!“ Seine Wangen glühten vom Glühwein. Verlegen rückte er sich seine Brille zurecht und blinzelte über den Rand der Gondel, nur um kurz darauf wieder etwas fester an meinem Arm zu klammern.

„Ich dachte wirklich, ich könnte das...“ Ich war etwas verwundert und mir nun nicht mehr ganz sicher, wovon dagerade die Rede war. Meine Hand umfasste sanft sein Kinn und zwang ihn so, mich anzusehen.
 

„Okay, was ist los?“ Ein Hauch Sorge schwang mit meinen Worten mit. Ein erneuter verzweifelter Seufzer entkam Lukas Lippen. „Ich dachte echt, ich könnte das und das mir der Alkohol helfen könnte, aber... Ich hab so eine verdamte Höhenangst!“ Er verbarg sein Gesacht an meiner Brust und ich legte sanft meine Arme um ihn. Ein kleines Lachen schüttelte meinen Brustkorb. Innerlich hatte ich befürchtet, Lukas würde von etwas anderem reden, aber so fand ich meine Souveränität wieder und drückte ihn schützend an mich. „Dummerchen, warum fährst du dann mit?“ Er löste sich wieder leicht von mir, musste erneut die Brille zurecht schieben und schniefte leicht. „Naja, alle fahren. Ich wollte nicht der Dumme sein, der draußen steht.“
 

Ich grinste ihn an. /Der Dumme, der draußen steht. Moment mal Alex, bist du das nicht gerade?/ Mein Versuch ein guter Mensch zu sein verspottete mich also von neuem. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel. Lukas konnte sich nicht bewusst sein, was seine Worte in mir auslösten und er sollte es auch keinesfalls spüren. Ich strich ihm also stattdessen sanft eine blonde Strähne aus dem Gesicht und lächelte tapfer weiter. „ Keine Sorge, ich pass auf dich auf. Also halte dich ruhig weiter fest.“ Den letzten Teil des Satzes sagte ich mit einem Zwinkern und erhielt dafür einen kleinen Klaps gegen die Schulter. Dennoch wich er mir nicht wirklich von der Seite. Unser frischvermähltes Ehepaar schien davon nicht viel mitzubekommen, die zwei waren mit einer heftigen Knutscherei beschäftigt. Ich beneidete die beiden einen kurzen Augenblick und musste mich dann ermahnen, dass ich nicht an solchen Quatsch wie die Ehe glaubte und schon gar nicht beziehungstauglich war.
 

Dennoch, eine wilde Knutscherei mit Lukas wäre nach meinem Geschmack gewesen. Der klammerte sich nun schweigend an mich und ließ mehr als zaghaft seinen Blick über die Stadt kreisen. Je höher die Gondel kam umso mehr schnitt der Wind. Ein Grund mehr für Lukas nahe bei mir zu sitzen. Ich lächelte darüber, denn dieser Gedanke erfüllte mich wirklich mit einem leichten Prickeln. Erst jetzt merkte ich, als wir den höchsten Punkt passierten, dass Lukas nicht mehr vorsichtig über den Rand spähte, sondern tatsächlich mich ansah. Ich hielt seinen Blick für einen Moment.
 

Seine hellen grauen Augen fastzinierten mich nicht zum ersten Mal und ich konnte wieder in diesem Blick ein Gefühl sehen, was ich nicht deuten konnte. Bevor ich mich verlieren würde, brach ich den Blickkontakt jedoch ab, drückte stattdessen Lukas Hand sanft. „Hast es gleich geschafft.“ Ich versuchte aufmunternd zu klingen, aber eigentlich hasste ich mich selbst, dass ich immernoch versuchte, ein verdammter Held zu sein, indem ich ihn nicht noch fester an mich drückte.

Lukas nickte leicht und blieb an mich gelehnt bis wir wieder aussteigen durften. Maik, Joe und Maiks Freund waren zwei Gondeln vor uns ins Riesenrad eingestiegen und begrüßten uns freudig. Es war kurz vor 12 Uhr Mitternacht. Der Pegel wurde mit einem Glühwein to go aufrecht gehalten und die S-Bahn Richtung Warschauer Straße angestrebt.
 

Es folgten kleine Witzeleien über Lukas Höhenangst und seinen Heldenmut, dennoch in ein Riesenrad einzusteigen. „Lukas, Prinzesschen, wenn du diesen Mut mal auf die Männerwelt übertragen würdest, hätten deine Bettpfosten keine Spinnenweben mehr.“ Joe grinste verschmitzt bei diesen Worten, der Rest der Meute gröhlte, ich setzte zumindest ein Lächeln auf. Lukas blickte zu Boden, erwiederte aber nichts darauf. Ein kurzer Blick zu mir, dann nippte er an seinem Glühwein un drehte sich zu Johannes um.
 

„Mal sehen, der Abend ist noch jung, und wenn er schon so gut beginnt?“ Alle Mann gröhlten erneut. Ein Passant, der an uns vorbei ging, gab eine Beschimpfung gegen Homosexuelle von sich, die umgehend von wüsteren Worten aus dem Mund von Stephen, der sonst recht gelassen wirkte, gekontert wurde. Aber auch dies tat der Stimmung keinen Abbruch und Lukas wurde weiter hinterfragt, wie er sich denn heute seinen Traummann angeln wolle. Er ließ es mit einem eher gequälten Lächeln über sich ergehen, gab aber genug verruchte Antworten, um die kleine Schar bei Laune zu halten.
 

Die Disco war unglaublich voll an diesem Abend. Wie bei unserem ersten Besuch hier standen wir in der Schlange und warteten. Es war mittlerweile kurz nach Mitternacht. Es ging erstaunlich schnell voran, sodass wir nach 10 Minuten Anstehen unsere Jacken an der Garderobe abgeben konnten. Vom großen Dancefloor dröhnte der Weihnachtsschlager „Last Christmas“ und die Meute strömte jubelnd Richtung Tanzfläche.
 

„Also ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich brauch erstmal was zu trinken!“ Joe war neben mir geblieben und sah Lukas und Co. nach. „Ja, ein Whisky-Cola oder sowas wäre jetzt gut.“

Er klopfte mir in seiner lachenden Weise mal wieder etwas zu derbe auf die Schulter und wir pirschten uns zur nächsten Bar. Von hier aus taten wir das, was wir am besten konnten, wir behielten unsere kleine Gruppe im Auge. Weder Joe noch ich waren besonders leidenschaftliche Tänzer und wenn es ging war es das entspannte am Rand stehen, was wir bevorzugten. /Bisher nur auf der Tanzfläche, jetzt auch im gesamten Leben./ Ich knirschte leicht mit den Zähnen und suchte die Tanzfläche nach Lukas ab. In seiner schwarzen enganliegenden Jeans und seinem ebenso enganliegenden T-Shirt mit etwas tieferem V-Ausschnitt war er im Dunkeln der Tanzfläche nicht sofort auszumachen. Durch das Stroboskoplicht gelang es mir irgendwann aber doch und unweigerlich schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen.
 

Seine Augen waren geschlossen und einige gelöste Haare umspielten sein schmales Gesicht als er völlig in sich gekehrt tanzte. Ich hätte einen wie ihn niemals beachtet. Nun suchten meine Augen automatisch nach ihm. Über mich selbst schmunzelnd bemerkte ich nur am Rande, dass Joe wohl auch jemanden ins Auge gefasst hatte.

„Na was meinst du? Sieht doch ganz nett aus das Kerlchen.“ Er nippte an seinem Gemüsebier und nickte mit dem Kopf rüber zum anderen Ende des Raumes. Auf einer Box tanzte ein schlanker Kerl mit bronzenem Hautton und einladendem Muskelspiel an Armen und Bauch. Sein halb bauchfreies Top betonte dies nur zu sehr. In lasziven Windungen wickelte er sich um die Dancepole und gab sich ganz seinem Tanz hin.

Verglichen mit Lukas Art zu tanzen schrie hier jede Bewehung nach Aufmerksamkeit. Der Kleine strotzte vor Sexappeal und es hätte über ihm nur noch das Schild 'Nimm Mich!!' gefehlt, dann wäre das Angebot perfekt gewesen. Nun für Johannes war das Schild offensichtlich da. Er leerte sein Gemüsebier und gab mir ein kleines Signal, dass er nun erstmal weg sein würde.

„ Wo will er hin?“ Lukas stand leicht verschwitzt neben mir und strich sich einige der blonden Haare aus dem Gesicht. Ein leichter Schweißfilm bedeckte seine schlanke durch den tiefen Ausschnitt sichtbare weiße Brust. „Beutejagd“ erwiederte ich nur grinsend. So an den Tresen gelehnt, in diesen wirklich engen Jeans und dem verlockenden Oberteil hätte ich Lukas gern auf der Stelle vernascht. Stattdessen beobachtete ich dämlich glotzend, wie er sich einen Vodka-O bestellte und kurz neben mir verschnaufte. Zwischendurch blickte auch er mal über seinen Brillenrand zu mir auf. Ich hatte ihn einmal gefragt, wieso er keine Kontaktlinsen tragen würde, da hatte er nur gelacht und mir gesagt, wie gerne er diesen Blick über den Rand einsetzen würde. Er war unschlagbar.
 

„Ist was?“ Er grinste breit und hatte offensichtlich meine Blicke bemerkt. /Tapfer sein Alex!/ „Nichts, siehst gut aus heute.“

„Umso besser, ich hab ja heute den Tag der Überwindungen!“ Er zwinkerte mir frech zu und ich lächelte zurück. Ein Stich in meiner Brust signalisierte mir, dass ich wohl auch etwas zu überwinden hatte. Ein neuer Song zog Lukas auf die Tanzfläche. Ich nahm sein Getränk entgegen und signalisierte ihm kurz, dass ich mich in die Raucherlounge verziehen würde. Seinen Drink nahm ich zur Sicherheit mit.
 

Der Glimmstängel entflammte und der Rauch in meiner Lunge ersetzte etwas den Schmerz in meiner Brust. Ich war nie sonderlich empfindlich und hörte von daher einmal in mich hinein, um sicher zu gehen, dass ich keine Herzrhythmusstörungen oder ähnliches hatte. Alles schien normal. Ich zog erneut an der Zigarette. Im kleinen Engen Raucherraum hatte ich ein Plätzchen mit Tisch gefunden. Sowohl mein Whisky-Cola als auch Lukas Vodka-O standen vor mir. Früher hätte ich sowas tunlichst vermieden. Zwei Getränke bedeuteten immer, das hier nichts zu holen war. Aber im Endeffekt, war bei mir auch nichts zu holen. Dennoch bekam ich den einen oder anderen fragenden Blick. Ich mochte zwar gerade in einem Gefühlschaos stecken, dennoch schienen das hellblaue Lacoste-Poloshirt und meine dunkelgraue stonewashed Jeans mit kleinen schlitzen an Knien und Hintern meine Vorzüge zur Geltung zu bringen. Hätte ich nicht das zweite verwaiste Glas vor mir, wäre ich wohl bereits im Darkroom zu Gange.
 

„Ach, hab ichs doch geahnt!“ Maik ließ sich geschafft neben mich fallen. Er war ebenfalls verschwitzt vom Tanzen, im Unterschied zu Lukas konnte man das bei ihm auch sofort riechen. Lukas roch noch immer nach seinem verlockend süßem Parfüm. Eine weitere Qualmwolke verließ meinen Mund und waberte empor zum restlichen blauen Dunst, der den Raucherbereich so sauerstoffarm machte.
 

Maik legte plötzlich seine Hand auf meinen Arm. Seine wohl manikürten Fingernägel entgingen mir nicht. „ Alex Schätzchen, wie lange willst du jetzt eigentlich noch so daneben stehen?“ Er hatte sich zu mir vorgebeugt um die restliche Musik nicht zu sehr überbrüllen zu müssen. Ich blickte ihn überrascht an. Er lächelte nur verständnisvoll.

„Glaub mir, ick seh doch, wie dich andere ansehen. Und ick seh auch, wie du jedes mal solo nach Hause gehst. Willst ma doch nicht weiß machen, dass des alles ist.“ Er tätschelte meinen Arm. Seine Worte schickten einen leichten Kopfschmerz durch mein Gehirn. Nicht weil seine Stimme so nervig war, sondern weil er mich wohl oder übel ertappt hatte. Er grinste breit. Ich zog eingehender an meiner Zigarette und merkte zu meinem Bedauern, dass sie im Grunde damit abgebrannt war. Sie landete auf dem Fußboden, der als großer Aschenbecher bekannt war. Ein kräftiger Schluck leerte nun auch noch meinen Whisky-Cola. Nun musste ich mich wohl dem Gespräch mit Maik stellen.

„Ick vermute mal, dass du nen nettes Gespräch mit Joe hattest.“ Er grinste noch immer während ich nur die Augenbrauen zusammen kneifen konnte. /Woher wusste er das?/

„Weeßte, ist nämlich so. Joe will immerzu, dass Lukas sich mehr öffnet und dabei wacht er wie ne Glucke über ihn, dass ihm nischt passiert.“ Ich rieb mir leicht die Stirn. Worauf wollte er hinaus? Wieder tätschelte er leicht meinen Arm. „Ick seh, wie du Lukas ebenso schützt, und das ehrt dich, aber gönn dir zwischendurch och ma nen Späßchen, sonst wirst noch ne verbitterte alte Schachtel.“ Er prostete mir mit seinem undefinierbaren Getränk zu und grinste verschwörerisch. „Bist doch‘n Schnittchen, ach wat sach ick, das weeßte ja selbst!“ Er lachte schrill auf und tätschelte nochmals meinen Arm, dann ging er wieder.
 

Da saß ich nun mit zwei Stimmen im Kopf und meiner Libido, die nach Befreiung schrie. ‚Nieder mit der Handarbeit!!‘ war ihr Slogan. Ich verließ ebenfalls den Raucherbereich und nach einem kurzen Abstecher Richtung Klo begab ich mich wieder zu den anderen. Katy Perry dudelte grad durch die Lautsprecher und während alle Lesben besonders lautstark mitgröhlten, wie sehr sie doch den Kuss eines Mädchens genossen hatten, einigten wir uns auf eine Runde Kurze. Mir war es Recht. Ich orderte gleich einen neuen Whisky-Cola dazu.
 

Mit fortgeschrittener Stunde und gestiegenem Alkoholpegel landeten wir mal wieder im kleinen Schlagerfloor, der heute zum Glück jedoch weniger Schlager und mehr Kuschelmusik und viele nette 80ziger im Angebot hatte. Joe war zwischenzeitlich wieder aufgetaucht um sich zu verabschieden. Er schien offensichtlich Erfolg beim kleinen Dancepole-Häschen gehabt zu haben und war nun der festen Absicht, dieses auch mit nach Hause ins Bett zu schleppen.
 

Ein weiterer kleiner Schnaps, dann zog er mit Anhang vondannen. Doro wurde angespielt. Ich blickte unweigerlich zu Lukas und war äußerst überrascht, als ich feststellen musste, dass er diesesmal nicht allein auf der Tanzfläche stand.

Hatte ich damals noch den edlen Retter für ihn gespielt, wurde er nun von einem ca. 1,80m großen dunkelhaarigen Typen angetanzt. Einige Schnäpse und Cocktails intus ließ Lukas sich auch auf dieses Spiel ein und lehnte sich beim Tanz an den anderen. Als sie sich drehten trafen sich unsere Blicke und erneut durchfuhr ein Stich mein Herz. Seine silbrigen Augen ruhten auf mir und verschlangen mich, fesselten mich an ihn, bis er schließlich blinzelte. Ich musste tief Luft holen und beschloss lieber eine rauchen zu gehen. Eine Wand aus Qualm half immer.
 

Von meinem Platz aus hatte ich diesmal die Sicht auf den Eingang zum kleinen Floor, da ich quasi im Türrahmen zum Raucherbereich stand. Würden die anderen aufbrechen, könnte ich mitziehen. Sollte Lukas jedoch in Begleitunng heute nach hause gehen, und keiner konnts dem Kerl verübeln, denn heute sah Lukas unverschämt gut aus, würde ich mir wohl Maiks Worte zu Herzen nehmen müssen und doch mal wieder sinnlosen Sex anstreben. Ich hatte den Blick auf meine zweite Zigarette als ich Lukas Stimme hörte. Sie erschien mir unverhältnismäßig laut und ließ mich aufblicken. Er stand an der Wand des Gangs und der andere Kerl stand vor ihm. Offensichtlich gingen sie zur nächsten Stufe über. Unweigerlich zogen sich meine Augenbrauen zusammen und ich schimpfte mich einen Idiot, dass ich mich eben noch so in seinem Blick verlieren konnte, der mich ohne Weiteres zu ihm zog, und er jetzt einfach... Erneut seine Stimme. Die Szene im Gang hatte sich geändert. Im Zwielicht hatten sie nicht viel Aufmerksamkeit, schließlich waren fummelnde Kerle hier alltäglich.
 

Doch etwas an Lukas Körpersprache stimmte nicht. Seine Stimme klang zu erbost. Er zog sich an der Wand entlang weg von dem anderen. Offensichtlich hatte er mich gesehen und wollte auf mich zukommen. Der Kerl folgte ihm, packte ihn an seinem Handgelenk, dass erst vor wenigen Tagen vom Gips befreit worden war, und zog ihn unsanft zu sich zurück. „Komm schon, zier dir nicht so. So heiß, wie du aussiehst, kannst du doch jetzt keinen auf unschuldig machen!“ Der Kerl konnte sich nur noch lallend artikulieren. „Ich hab gesagt, du sollst mich nicht anfassen! Da läuft nichts!“
 

Meine Augenbrauen zogen sich noch weiter zusammen, sofern dies möglich war. Ich trat meine Zigarette auf dem Boden aus und beobachtete dabei, wie der Kerl Lukas erneut an sich pressen wollte. Es kostete mich nur wenige Schritte, dann traf ihn meine Faust mit ziemlicher Wucht auf den Unterkieferknochen.
 

Ich war nie einer, der prügelt. Und der Schmerz, der nun meine Hand durchzog, sagte mir, dass etwas mehr Übung vorab sinnvoll gewesen wäre. Nichtsdestotrotz ging mein Gegner zu Boden und blieb dort erstmal leicht benommen liegen.

„Alex, ich..“ Lukas sah schockiert auf den am Boden liegenden Typen, dann zu mir und schließlich zu den nahenden Securityleuten. Schlägereien waren hier selten, aber wenn es mal dazu kam, wollten sie immer schnell ‚aufräumen‘.

Ich hob verteidigend die Hände. „Schon gut Jungs, ich geh freiwillig!“ Kommentarlos begleitete mich einer der Sicherheitsmänner zur Garderobe. „ Was war los?“ Er blickte mir erst ins Gesicht, dann auf meine Hand. Ich suchte derweil den Garderobenchip.

„Der Kerl wollte kein ‚Nein’ akzeptieren.“ Ich nickte mit dem Kinn Richtung des nahenden Trupps von Security, dem Typen, der halb getragen wurde, und Lukas.
 

Die Sicherheitsleute wechselten kurz ein paar Blicke. Lukas stand blass daneben und warf immer wieder ein, dass es nicht zum Streit gekommen wäre, wenn der andere ihn in Ruhe gelassen hätte. Im Hintergrund erkannte ich nun auch Maik, Stephen und Anhang. Meine Hand schmerzte tierisch. Innerlich hoffte ich, nicht irgend was gebrochen zu haben. Ich würde es zu Hause genauer untersuchen.

„Okay, halte beim nächsten mal deine Fäuste etwas mehr unter Kontrolle und holt lieber uns zur Hilfe, ja? Für dich Großer ist der Abend vorbei.“ Der Kerl von der Security klopfte mir sanft gegen den Oberarm. Ich hatte bereits meinen Pulli und Mantel an sowie den Schal umgewickelt. „ Kein Problem.“ Ich lächelte leicht und er wandte sich dem Typen zu, den ich zu Boden geschickt hatte. Lukas kam zu mir und hielt mich kurz am Arm fest. Ich blickte zu ihm herab und lächelte schief. Mit der freien Hand streichelte ich ihm über die Wange. „Sorry Kleiner, wollte dir nicht den Abend versauen.“ Lukas blickte einfach nur zu mir auf und in seinem Blick lag eine solche Mischung an Gefühlen, dass ich nicht in der Lage war, sie zu sortieren.
 

„Warte kurz auf mich , okay? Ich verabschiede uns von den anderen.“ Ich nickte kurz, zugegeben etwas verwundert, nickte dann auch den anderen zu und ging bereits raus. Draußen genoss ich die eisige Luft, die in meine Lungen strömte, und paarte sie umgehend mit einer neuen Zigarette. Ich war kein Schläger. Aber eben bin ich einer gewesen. Ich hatte für einen Augenblick die Kontrolle verloren, um Lukas zu beschützen. Keine lobenswerte Tat, denn wie der Kerl eben schon sagte, sind diese Momente Sache der Security. Andererseits war es Lukas. Und somit persönlich.
 

„Puh!! Ist das kalt!!“ In seinen Mantel, Schal und Handschuhe gehüllt verließ Lukas neben mir das Haus B. Draußen standen noch immer Leute an, die rein wollten. Wir gingen schweigend zur S-Bahn. Offensichtlich etwas, was wir gut konnten. Aber Schweigen würde uns hier nicht weiterbringen. Meine Hand pulsierte unter mittelmäßigen Schmerzen. Ich streckte vorsichtig die Finger und testete schonmal, ob die noch ihren Dienst taten. Lukas war stehen geblieben. Ich hielt ebenfalls an und blickte zu ihm hinab.
 

„Ist deine Hand schwer verletzt?“ Sorge spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder. Er schien ebenso wie ich durch die Kälte schlagartig nüchtern zu sein. Kommentarlos griff er in den Schnee und packte mir davon einen Schwung auf den Handrücken. Mit seinen schmalen Händen hielt er somit meine Hand und den Schnee darauf. Ein kleiner Versuch, die Fingerknöchel zu kühlen und definitiv nicht die schlechteste Idee.
 

„Was ist denn nur passiert Alex?“ Er blickte zu mir auf und runzelte fragend die Stirn. Der eisige Wind ließ seine losen Strähnen um sein Gesicht flattern. Auch im Halbdunkeln konnte ich seine silbrigen Augen glitzern sehen. Ich suchte nach Worten. /Da bist du wieder. Du Gefühlskrüppel. Hast Mist gebaut und nun kannst du dich nicht einmal rausreden. Siehst du. Du kannst ihn auch ganz ohne Sex verletzten! Hättest dir deine Abstinenz sparen können!/

Meine innere Stimme verlachte mich höhnisch. Die Kälte zog mir in die Glieder, doch wenn ich Lukas so ansah, merkte ich es nicht. „Ich... ich hätte damit leben können, wenn du heute Nacht deine Prinzipien über Bord wirfst, und mit irgendwem nach Hause gegangen wärst.“ Meine Worte kamen gepresst, da es mir schwer fiel ihm diese Gedanken offen zu legen. „Es hätte mir nicht gefallen, aber es wäre deine Entscheidung gewesen.“ Ich zog nochmal an meiner Kippe und schnipste den Rest in den Schnee.
 

Mein Blick wanderte durch die Dunkelheit über Lukas Kopf hinweg. Dann konzentrierte ich mich wieder auf sein Gesicht mit diesen silbrigen Augen. „Ich weiß, ich bin ein Arsch...“ Wut kam in mir hoch. Wut über mich selbst. Die Wut fand sich in meinen Worten wieder. Lukas wich nicht zurück. Er hielt noch immer meine Hand, obwohl der Schnee sogut wie geschmolzen war.

„Aber ich lasse nicht zu, dass dich irgendwer bedrängt oder verletzt!“ Die Worte entkamen meinem Mund heftig und mit Nachdruck. Sie wurden getragen von all den unterdrückten Gefühlen, die ich für Lukas empfand. Ich hätte mich gerne selbst ausgelacht. Mit all meiner Entschlossenheit war ich mir sicher, dass Lukas sich nun entfernen würde.
 

Umsomehr war ich irritiert, als ich das Flackern in seinen Augen sah. Kleine Tränen liefen seine Wangen hinab. „ Ach du dummer großer Troll!!“ Meine Augen weiteten sich kurz, als Lukas sich auf die Zehenspitzen stellte und mich auf die Lippen küsste. Seine kleine spielerische Beleidigung nahm ich kaum wahr. Meine Arme schlangen sich automatisch um ihn, zogen ihn an mich und ich erwiederte diesen Kuss. Alle Bedenken waren für diesen Moment ausgelöscht. Es gab keinen sicheren Weg. Es gibt nur den Versuch und den Fehler. Oder den Erfolg. Aber das war für den Augenblick egal. Es zählte alles nichts. Nur Lukas hier vor mir mit seinen Lippen auf meinen zählte.
 

Mit aller Kraft pressten wir die Lippen zusammen, bis wir beide Luft holen mussten. Erst jetzt leckte ich ihm lockend über die Lippen und wurde von seiner warmen Zunge willkommen geheißen. Vorbei die Kälte draußen. Ich spürte Lukas an meinem ganzen Körper. Schmeckte seine süße Zunge. Atmete seinen süßen Duft. Es war der 5. Dezember, 4 uhr morgens und es begann gerade langsam zu schneien. Ich war 27 Jahre alt und hatte in diesem Augenblick den befreiendsten Kuss meines Lebens. Der Rest der Welt existierte nicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ai-lila
2011-11-08T22:13:29+00:00 08.11.2011 23:13
Hi~~

Oh man... wer bitte hat Alex zu so einem "Gefühlskrüppel" gemacht, daß der Arme Kerl weder Lukas noch sich selbst eingestehen kann, das da noch weit mehr als nur Sexphantasien in seinem Hirn schlummern. Und die gewisse Zeit der Abstinenz hat Alex sicher auch mal gut getan. *g*

Das waren sehr schöne Kapis.
lg deine ai


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