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Ich Severus Snape

Young Severus - ein bisschen Depri - Erster Band meiner Saga
von

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Das fünfte Jahr

Kapitel 6

Das fünfte Jahr

Ich bin lebendig, lebe!
 

E

ndlich bin ich wieder in Hogwarts.

Ich bin einfach in den Gemeinschaftsraum von Sly-therin gefloht, denn ich will Dumbledore keine Fragen beantworten, will seinen traurigen Blick nicht sehen, will nicht sein Mitleid spüren – ich hasse es bemitleidet zu werden – das macht immer so jämmerlich und das ist sicher das Letzte was ich sein will.

Es ist das fünfte Jahr, das OZE (Ordentliche Zauberer Ebene) Jahr - Wichtige Prüfungen, viel zu lernen, wichtig für unsere späteren Berufe. Aber ich weis schon lange, was ich werden will, arbeite schon seit Jahren darauf hin und das wird sich jetzt auch nicht ändern, wo es drauf ankommt. Ich habe Hieratus geschrieben, aber irgendwie liegt mir nicht mehr besonders viel daran, denn ich bin ein Anderer geworden: Die Einsamkeit, die grausigen Bücher, die Hitze, das verlassene Haus und dort mit meinen Gedanken und Problemen ganz allein - ich bin leer, so leer.

Die Herumtreiber sind natürlich auch wieder da und sie treiben es schlimmer denn je, kaum ein Tag vergeht, ohne dass mich ein Fluch trifft und ich einen Fluch zurückschicke. Meine früheren Racheaktionen kommen mir heute so kindisch vor. Egal. Die Zeit vergeht so unglaublich schnell. Schon ist Halloween und das erste Hogsmeade Wochenende.
 

Es bedeutet mir auch nicht mehr viel, ins Dorf hinunter zu gehen. Eigentlich hatte ich mich so darauf gefreut, aber jetzt? Ich gehe trotzdem. Ein Butterbier vertrage ich ja, hab das Zeug eigentlich immer gemocht. Aber nach dem letzten Mal?

Allein. Einsam. So leer, doch plötzlich füllt sich die Leere, denn ehe ich es mich versehe, sind Potter und Konsorten über mir - Lupin ist nicht dabei – und sie sind nur zu dritt. Wie eine Ratte läuft mir Pettigrew unter die Füße und bringt mich zu Fall. War wohl ein Fluch zuviel, jetzt wollen sie sich rächen. Ich fummle nach meinem Zauberstab, will ihnen wieder einen Zauber entgegen schicken, aber bevor ich auch nur meine Hand in die Tasche schieben kann, hat Potter auch schon meine Handgelenke gepackt und hält sie fest umklammert.

Ich winde mich, versuche seinen Griff zu brechen, aber er ist stärker als ich und meine Hände sind seit dieser Schaufelei auch nicht mehr die Selben. Black kniet sich auf meine Beine und ich bin wieder Mal am Boden festgenagelt.

„Was machen jetzt wir mit ihm? Prongs? Padfoot?“ quietscht Pettigrew aufgeregt.

Die beiden Angesprochenen schauen sich über meinen Körper hinweg an. Wir sind zwischen Hogwarts und Hogsmeade, etwas abseits des Weges. Ich bin quer über die Wiesen gegangen, eben weil ich den Herumtreibern aus dem Weg gehen wollte.

Falsch gedacht, Severus, genau das Gegenteil ist der Fall.

Keiner sieht uns hier und so sind sie Drei ungestört.

„Prongs?“ fragt Black.

„Weis nicht Recht. Sollte schon was Gutes sein. Die Flüche vom alten Snivellus sind echt gemein geworden.“

Ja, das sind sie wirklich – kein Wunder, bei den Dingen, die ich im Sommer gelesen (uns auch ausprobiert) habe, aber ich kenne und beherrsche(?) noch gemeinere Flüche, aber diese zu benutzen, bedeutet lebenslange Haft in Askaban. Nee, dazu habe ich wirklich nicht die geringste Lust, das wäre die Sache nicht wert – und wie auch immer, ich bin kein Folterer oder Mörder.

Ich winde mich weiter, versuche die eisernen Griffe abzuschütteln, aber die Beiden sind wirklich zu stark. Pettigrew springt wie ein kleines Hündchen um uns herum. Plötzlich zieht er etwas aus seiner Robe heraus - einen ziemlich großen Beutel.

„Ich hab da was, ich hab da was“, johlt er und hüpft auf den Fußballen auf und ab, er ist so aufgeregt, dass er sich beinahe einpisst.

„Und was genau hast du da, Wurmschwanz?“ fragt Black interessiert.

„Och, nichts Besonderes“, feixt Pettigrew und seine Augen funkeln hinterhältig. „Nur Froschlaich, Ratteneingeweide, Aalaugen, so Sachen. Schön schleimig, schön miteinander verquirlt und ein bisschen vergammelt.“

Die beiden Anderen biegen sich vor Lachen.

„Schleim für den Schleimbeutel“, jappst Black.

„Das passt“, keucht Potter. „Her mit dem Zeug.“

Pettigrew hebt den Beutel über mich, Black und Potter weichen aus und das widerliche, stinkende, schleimige Zeug klatscht auf mich herunter, spritzt herum, rinnt über mein Gesicht, meine Haare, meine Robe. Sofort ist alles klebrig und durchnässt. Ich huste, schnaube und pruste. Das stinkt! - Stinkt! Aber auch meine Handgelenke werden rutschig und ich kann mich aus Potters Händen befreien. Mein Oberkörper schießt hoch und ich schlage Black mit der Faust ins Gesicht. Ich treffe ihn genau am Kinn und er fällt nach hinten. Jetzt sind auch meine Beine frei und wie von der Feder geschnellt springe ich hoch, Meine Fäuste sind geballt und ich koche vor Wut. Black hat sich aufgerappelt und alle drei stehen um mich herum. Ich habe völlig vergessen, dass ich ein Zauberer bin, habe meinen Stab vergessen, meine Zaubersprüche und Flüche, alles. Ich will hauen, schlagen, die Leiber der anderen spüren, wie sie unter meinen Fäusten erzittern.

„Willst du dich prügeln, Snivelly?“ fragt Black und reibt sich das Kinn, ein dünner Blutfaden rinnt daran herunter.

Ich triefe, der Glibber läuft mir über das Gesicht, meine Robe klebt an mir, meine Haare sind ganz steif von der Pampe. Etwas von dem widerlichen Gebräu ist mir auch in den Mund gelaufen und ich spucke aus. Hilft auch nicht viel.

„Ja“, keuche ich und spucke nochmals aus. „Ja, komm her Black, dann poliere ich dir die Fresse.“

„Oi, Snivellus“, wirft Potter ein. „Auf einmal so mutig, alter Angsthase.“

„Angst, Potter?“ fauche ich. „Ich hab keine Angst. Nicht vor dir, nicht vor Black und schon gar nicht vor Pettigrew, dieser kleinen Ratte.“

„Mutige Worte“, antwortet Potter. „Komm, hau her!“

Er winkt mich näher und deutet mit dem Zeigefinger auf sein Kinn. Und ich springe auf ihn zu, will meine Fäuste in seiner grinsenden Visage versenken, will schlagen, zertrümmern, verletzten – ihm das Grinsen aus seiner verdammten, verhassten Fresse prügeln - ein blaues Auge, eine gebrochene Nase oder auch ein paar ausgeschlagene Zähne - Ja, das würde mir gefallen - Ich will ihm einfach Schmerzen zufügen, diesem Angeber, diesem genialen Mistkerl.

Aber er gleitet elegant zur Seite und mein Schwung treibt mich an ihm vorbei. Pettigrew stellt mir wieder hinterhältig ein Bein und ich lande mitten im Dreck. Blitzschnell bin ich wieder auf den Beinen und greife Black an. Seine schwarzen Augen funkeln erbost in seinem unverschämt hübschen Gesicht. Er hat Kampfhaltung eingenommen und auch seine Fäuste sind geballt - noch immer läuft ihm Blut am Kinn hinunter - er erwartet meinen Angriff.

Ich bin wütend, so stinksauer und meine Fäuste wirbeln durch die Luft. Ich habe nie richtig gelernt, körperlich zu kämpfen, nur mit Magie. Black scheint jedoch genau zu wissen, was er tut, denn auch er weicht mir aus und ehe ich an ihm vorbei bin, trifft mich seine eisenharte Faust am Kopf und lässt mich Sterne sehen. Alles dreht sich vor meinen Augen und ich torkle und taumle. Hinter mir höre ich Pettigrews fieses Kichern.

„Seht euch den alten Snivellus an, kann nicht mal auf den eigenen Füßen stehen“, johlt er.

Verdammte kleine Ratte! Wankend komme ich wieder auf die Beine, mein Schädel brummt und ich möchte sie alle zu Brei schlagen.

„Jetzt bist du mutig, du kleine Ratte“, fauche ich ihn an. „Hast ja deine großen Freunde dabei. Alleine bist du nicht so tapfer, nicht wahr.“

Ich sehe ihn fast nie alleine, ist es doch einmal der Fall, dann huscht er eiligst an mir vorbei und will nicht gesehen werden - Feige Ratte - Er schaut in mein zorniges Gesicht, sieht meine geballten Fäuste, meine gefletschten Zähne und die zum Angriff gesenkten Schultern.

„P-p-prongs! P-p-padfoot!“ piepst er panisch. „Lasst nicht zu, dass er mir was antut!“ und duckt sich hinter die breiten Rücken der beiden größeren Jungs.

„Feige Ratte!“ fauche ich.

Black schnaubt verächtlich und es gilt wohl eher Pettigrew als mir.

„Lasst uns gehen“, sagt er. „Bevor sich Wurmschwanz noch vor Angst in die Hose scheißt. Außerdem wird das hier langsam langweilig.“

„Hast Recht“, meint Potter. „Der alte Snivellus ist zu ungeschickt. Lern erst mal richtig zu gehen, Schleimbeutel!“ und an Pettigrew gewandt „Mensch, Peter, reiß dich zusammen, wir lassen schon nicht zu, dass der böse, alte Snivellus dir was antun kann.“

Pettigrew ist zwar knallrot geworden, wegen dem was Black und Potter gesagt haben, kichert aber dennoch hinterhältig. Ja, jetzt ist er wieder mutig, denn seine starken Freunde beschützen ihn ja und ehe ich es mich versehe, sind die Drei schon wieder auf dem Weg nach Hogsmeade, zu weit entfernt, für einen wirkungsvollen Fluch. Ich bin so stinksauer, das war wirklich zu niederträchtig. Wieder mal Hogsmeade verdorben. Diese Bastarde! Ich trotte gedemütigt zum Schloss zurück, ich muss mich waschen, umziehen, stinke, wie eine ganze Senkgrube und ekle mich vor mir selbst. Am Schlosstor komme ich an Lupin vorbei und sein neues Vertrauensschüler Abzeichen glänzt an seiner Brust. Er starrt mich kopfschüttelnd an, rümpft die Nase, sagt aber kein Wort. Sein ganzes Benehmen zeigt mir jedoch, dass er sich recht genau vorstellen kann, was - beziehungsweise wer - mir zugestoßen ist. Aber was kann er schon tun? Die drei Anderen sind schließlich seine Freunde und gegen die wird er sicher nichts unternehmen.

Ich bin in unserem Baderaum, kein anderer weit und breit – gut – ich habe mir frische Sachen geholt, alte Roben meines Vaters, die von Hieratus sind mir viel zu klein, denn ich bin im Sommer wieder gewachsen. Ein kleiner Zauber und sie waren schwarz, seine alten Unterhosen, denn es hilft nichts - meine passen mir einfach nicht mehr. Doch die hier sind grau, dreckig, Dreck, der einfach nicht raus geht – egal, ich habe keine anderen und so müssen die es tun. Ich ziehe mir das glibberige Zeug aus und lasse es einfach am Boden liegen, die Hauselfen werden sich schon darum kümmern. Heißes Wasser, herrliches heißes Wasser prasselt auf mich herab und plötzlich lebe ich wieder, bin nicht mehr leer - meine brennende Wut hat die Leere gefüllt. Ich nehme mir eine herumliegende Bürste und schrubbe meinen Körper ab, die rauen Borsten röten meine Haut und Blut pumpt durch meine Gliedmaßen. Es fühlt sich herrlich an – so lebendig. Endlich, nach zwei Monaten fällt die grenzenlose Leere und die quälende Einsamkeit des Sommers von mir ab.

Potters Freunde waren wirklich niederträchtig, aber diese Bosheit hat endlich die Leere in mir wieder etwas gefüllt. Trotz der entsetzlichen Scham, trotz der brennenden Demütigung, fühle ich mich besser, als seit vier Monaten – wie widersinnig!

Meine Faust, die Blacks Gesicht trifft, dieses Bild erscheint vor meinem inneren Auge, der einzige Schlag, den ich anbringen konnte, aber wenigstens der saß. Das dünne Blutrinnsal, das über Blacks Kinn hinunterläuft - Rot, glitzernd, lebendig - so verdammt herrlich lebendig.

Das heiße Wasser prasselt weiter an mir herab, massiert meine verknoteten Muskeln. Sie schmerzen jetzt sehr schnell seit dem Sommer und erst meine Hände - oft sind sie es, die mich vom Schlafen abhalten. Sie pochen, jaulen, brennen, sind mit Narben und Schwielen überzogen, dort, wo damals die Haut aufgeplatzt ist. Wird sicher noch eine ganze Weile dauern, bis sie wieder ganz und gar in Ordnung sind – nicht mal die Brüche waren so schlimm – die konnte ich einfach heilen.

Ich halte meinen Kopf hoch in den Wasserstrahl, lasse ihn auf mein Gesicht prasseln. Keiner in der Winkelgasse hat mich nach meinem Alter gefragt, fällt mir ein. Damals habe ich es fast nicht registriert, war nur froh, dass keiner Schwierigkeiten machen wollte. Der Gedanke lässt mich aus der Dusche heraustreten und zum Spiegel hinüber trappen - ich habe mich ewig nicht mehr genau angesehen, nur hin und wieder ein kurzer Blick hinein, ob ich Dreck an der Nase habe oder um mich zu frisieren.

Mir blickt ein Gesicht entgegen, das mich an meinen Vater gemahnt, aber es ist eindeutig mein Gesicht, nicht das des alten Bastards. Ein wenig von meiner Mutter liegt auch darin, zumindest um und in den Augen. Es ist nicht mehr das Gesicht eines Jugendlichen, nicht mal mehr das eines jungen Mannes. Es ist das Gesicht eines Erwachsenen - noch nicht ganz, aber doch schon sehr. Ein feiner schwarzer Schatten ist in meinem Gesicht aufgetaucht und ich werde bald anfangen müssen, mich zu rasieren. Mein Körper ist nass und ich zittere. Ich schüttle den Kopf, zucke die Schultern, dabei sehe ich zum ersten Mal meinen ganzen nackten Körper im Spiegel, der sich endlos im Spiegel gegenüber spiegelt: Die Gestalt eines jungen Mannes. Schon ziemlich hoch gewachsen, nicht besonders muskulös, sehnige Arme und Beine, daran schwarzes, kurzes, fast borstiges Haar, auch auf der Brust. Flacher Bauch, fester Hintern. Nicht mal schlecht gebaut, dieser Körper, aber ein schrecklich wulstig vernarbter Rücken, wie eine Landkarte - mit Bergen, Tälern und Flussläufen, doch die Narben sind alt, die meisten glänzen silbrig weiß. Zum ersten Mal in meinem Leben finde ich meinen Körper nicht mehr ganz so hässlich und dürr.

Nicht schön, wie den von Black (Sirius, geliebter Feind), nein das sicher nicht, aber keineswegs mehr hässlich … oder? Ich wünschte, ich könnte mir das selbst glauben – ich würde gerne etwas an mir finden, das attraktiv ist – aber wenn ich ehrlich bin, dann finde ich nichts.

Langsam bekomme ich eine Gänsehaut und erschaudere. Nachdenklich trapse ich wieder unter die Dusche zurück und das heiße Wasser wärmt mich schnell wieder auf – Angenehm.
 

Ich sitze beim Halloween Festmahl.

Ich habe ein bisschen Hunger und bediene mich an den Köstlichkeiten. Keiner spricht mit mir, keiner verwickelt mich in eine Unterhaltung. Allein? Ja. Einsam? Nee, nicht im Moment. Besser als seit langem.

Die Gruppen und Grüppchen lösen sich auf und die Schüler ziehen sich schwatzend in ihre Gemeinschaftsräume zurück. Ich schließe mich den Slytherin Leuten an. An der Tür zur Eingangshalle treffe ich auf Potter und seine Freunde.

„Sieh an, Snivelly“, ruft Black.

Alle schauen ihn an, sind neugierig, denn sie wissen schon seit Jahren von unserer Dauerfehde.

„Wieder sauber? Hast du den Weg zur Dusche ganz alleine gefunden?“ feixt er weiter.

„Halts Maul, Black!“ fauche ich.

Lily steht ganz in der Nähe und schaut unsere Traube fragend an - Himmel ist das peinlich.

„War höchste Zeit, dass der alte Snivellus mal unter die Dusche kommt, hatte schon Dreckkrusten angesetzt“, fügt Potter spöttisch hinzu.

„Hat dir unsere Seife gefallen, Snape?“ piepst Pettigrew. „Wir haben noch viel mehr davon.“

Lupin schaut fragend von einem zum anderen, aber die Frage in seinem Blick ist nur vorgetäuscht, er hat mich gesehen und hat sicher eine recht genaue Vorstellung davon, was los war.

„Lasst mich in Ruhe!“ schnarre ich mit einem gefährlichen Zischen. „Lasst mich einfach nur in Ruhe!“

„Nee, Snivellus“, meint Potter und wendet sich zum Gehen. „Du bist so ein widerlicher Schleimbeutel und wir lassen dich erst in Ruhe, wenn du das nicht mehr bist.“

„Keine Chance, Prongs“, kommt es hämisch von Black. „Einmal ein Schleimbeutel, immer ein Schleimbeutel“ und folgt seinem Freund die Marmortreppe hinauf.

Lupin packt Pettigrew an der Schulter und zieht ihn den beiden Anderen hinterher. Die neugierigen Schüler zerstreuen sich schwatzend, klatschend und diskutierend. Meine neuerliche Demütigung ist für sie höchst interessant.

Ich schaue Lily lange nach. Ach, Lily, du unerreichbarer Traum meiner schlaflosen Nächte. Doch das bringt nichts und so mache ich mich wieder auf in die Verliese.

Die Beleidigungen brennen in mir, aber sie machen mich lebendig. Zum Menschen, nicht zu der ferngesteuerten Marionette vom Sommer, denn das war ich die ganzen Ferien über - eine leere Hülle. Jetzt bin ich wieder ich selbst – oder?

Ich liege im Bett und starre in die Dunkelheit. Der Schlaf flieht vor mir - weit, weit weg. Die anderen Jungen liegen ruhig in ihren Betten und schlafen tief und fest, nur ich kann schon wieder mal nicht schlafen. Ans Feuer im Gemeinschaftsraum? Durchs schlafende Schloss? Hinaus ins Gelände? Ans Fenster mit Blick auf den Verbotenen Wald? Das Fenster! Ja, das Fenster - gute Idee. Ich gleite aus dem Bett, wieder mal, werfe mir meinen Umhang über, wieder mal und schleiche durchs Schloss, wieder mal. So endlos viele schlaflose Nächte.

Die Tür, der leere Raum, mein Fenster. Ich setze mich auf die Fensterbank und schaue gedankenverloren hinaus. Der Wald, die Schatten, fahles Mondlicht, Wolken treiben und meine Gedanken treiben mit ihnen. Meine Hand fährt in die Tasche meines Umhangs, findet das blutige Taschentuch, ballt sich geistesabwesend darum. Wirre Gedanken und Gefühle: Begierde, Hass, Wut, Verlangen, Sehnsucht … welch ein Chaos.

Lange, schlanke Finger, ein junger, prächtiger Körper nackt im Mondlicht. Ich habe ewig nicht mehr daran gedacht, war zu hohl, zu leer - jetzt bin ich nicht mehr leer, denn die Begegnung heute war zu intensiv, die Wut zu stark, die Schmach zu brennend. Aber ich bin wieder lebendig – lebe!

„Wenn man anders ist als die anderen, ist man oft allein“, höre ich plötzlich Leechs Krähenstimme in meinem Kopf. „Lass dir davon nie den Spaß am Leben verderben. Von keinem!“

Damals habe ich das nicht verstanden, habe es abgetan, heute verstehe ich es irgendwie und er hatte vollkommen Recht.

„Wer liebt, leidet?“ - Schon richtig, aber manchmal ist es die Sache wert. Fast alles ist besser, als so alleine und leer zu sein, nichts Richtiges zu fühlen, nur zu existieren, einsam zu sein.

„Kalt wie Eis?“ - Ich brenne lieber - Brenne! Brenne! BRENNE!

Mein Körper, der den ganzen Sommer über wie aus Holz war, beginnt wieder zu empfinden und ich knete an dem Taschentuch herum. Warmes, rotes, lebendiges Blut – schwarz im Mondlicht - jetzt alt und kalt. Ein Stück von Sirius - Geliebter Feind…

Und Lily, wundervolle Lily, Wesen aus einer anderen Welt, unberührt von Zeit und Raum. Unberührt von Zeit und Raum? Nee, wohl kaum - auch Lily ist älter geworden, eine richtige junge Dame und hübsch, so hübsch. Ihr Körper hat weibliche Formen angenommen, sich an den richtigen Stellen gerundet. Exquisit.

Ich würde es nie wagen, sie anzusprechen und das hat nichts mit Potters Drohung zu tun - es ist Lily, Lily selbst - für mich ist sie unberührbar. Auch dieser Reinblüter Quatsch hat damit zu tun. Es ist recht wirr. Für mich ist es einfacher, sie nur aus der Ferne zu bewundern. Ich wüsste auch gar nicht, was ich mit einem Mädchen reden sollte - wenn ich beleidigen kann, ist es einfach, aber eine richtige Unterhaltung? Außer mit Hieratus, habe ich nie eine mit einem Gleichaltrigen geführt, schon gar nicht mit einem Mädchen … Wundervolle Lily.

Meine Hand fährt zwischen meine Beine. Lange, lange, habe ich keine Lust mehr darauf gehabt. Ich war zu leer, mein Körper hat mich auch in Ruhe gelassen. Es war einfach nichts da. Mit der einen Hand knete ich das blutige Taschentuch, mit der anderen spiele ich an mir herum.

Lily steht vor meinem geistigen Auge, ohne dass ich es eigentlich will - Wundervolle Lily - Sie tanzt auf der Lichtung im Mondlicht. Kupfern funkelndes Haar, blitzende grüne Madelaugen, perlendes Lachen. Meine Phantasie macht sie vom Mädchen von damals zur jungen Frau von heute, blitzende blasse Brüste, rötlicher Flaum zwischen den Beinen, an dieser Stelle so anders, als ein Junge. Ich kenne keine nackten Frauen, aber ich habe Bilder gesehen, habe eine recht genaue Vorstellung davon, wie Lily aussehen muss - Wundervolle, einzigartige Lily.

Mein Körper zuckt, meine Hand ballt sich um das Taschentuch – Erleichterung - Ich bin wieder lebendig - Lebe!

Ich keuche, stöhne, beiße mir auf die Lippen um nicht laut aufzuschreien, Blut rinnt mir die Mundwinkel hinunter und schmeckt auf meiner Zunge nach Eisen. Ich komme wieder zu mir selbst, lasse alles magisch verschwinden. Ich will noch nicht zurück in den Schlafsaal, schaue wieder aus dem Fenster - der Mond schimmert, die Schatten treiben - Ich liebe diesen Anblick, denn er macht mich ruhig, gibt mir inneren Frieden … Ein Gefühl. das ich nur sehr selten habe ... und ich genieße es...

Es dämmert schon fast, als ich mich wieder dorthin zurück schleiche, wo ich schon die ganze Nacht hätte sein sollen.
 

Irgendwie muss es sich herumgesprochen haben, dass es meine Spezialität ist, Zaubertränke zu brauen. Ein Slytherin Junge im siebten Jahr spricht mich im Gemeinschaftsraum an.

„Snape, du bist doch ein recht guter Trankbrauer,

oder?“

Ich schaue ihn groß an, denn er hat noch nie das Wort an mich gerichtet.

„Yeah“, antworte ich kühl und versuche professionell zu klingen, „denke schon.“

„Bist du in der Lage eine Gedächtnislösung herzustellen?“ will er weiter wissen.

„Yeah, denke schon.“

„Ich würde es mich einiges kosten lassen, wenn du eine für mich machst“, schlägt er vor.

„An wie viel hast du gedacht?“

Ich will nicht gierig klingen, aber ich könnte das Geld sehr gut brauchen. Meine Sachen sind alt, schäbig und ich könnte sicher Neue brauchen.

„Zehn Galleonen würde ich mir den Spaß schon kosten lassen.“

Mein Kiefer fällt herunter, denn das ist eine ungeheure Summe für einen Zaubertrank, auch wenn dieser recht komplex ist.

„Yeah, gut, OK, aber es dauert ein bisschen. Ich gebe dir Bescheid, wenn ich damit fertig bin.“

„Gut, Snape, aber lass mich nicht zu lange warten.“

Will er mir drohen? So ein Blödsinn, ich habe ihm ja schon zugesagt.

„Es dauert so lange, wie es dauert, Lestrange“, entgegne ich nun eiskalt und schnarrend.

Er nickt einfach und geht.

Endlich weis ich wieder, wie ich meine viel zu langen Nächte ausfüllen kann und so stehe ich in der geheimen Zelle und braue an der Gedächtnislösung. Man kann damit sein Erinnerungsvermögen um ein vielfaches erhöhen, aber es dauert fast eine Woche sie herzustellen – besonders mit ein paar kleinen Verbesserungen, die mir während der Arbeit einfallen. Viele Zutaten verlangen eine spezielle Behandlung, müssen sieden, ziehen, kochen, doch es macht Spaß, diesen Trank zu mixen.

Manchmal muss ich sogar zwischen den Unterrichtsstunden in die Zelle huschen, weil das Gebräu meine Aufmerksamkeit erfordert, aber es beachtet mich ohnehin keiner, außer Potter und seinen Freunden und mit denen habe ich nur zwei gemeinsame Fächer.

Ich habe einen Zauber auf die Tür zur Zelle gelegt, der es nur dem ermöglicht, sie zu betreten, der das Passwort kennt, wie es in Hogwarts üblich ist. Es ist einfach sicherer, denn mir ist durchaus klar, dass das, was ich da tue, nicht unbedingt legal ist.

Der Trank ist fertig und ich gebe ihn Lestrange - nur einen kleinen Flakon voll - den Rest habe ich in weitere Fläschchen abgefüllt und aufbewahrt, man weis ja nie, wann man so was wieder brauchen kann. Er zahlt sofort und stellt mir weitere Aufträge in Aussicht, sollte der Trank wie gewünscht funktionieren und das wird er mit Sicherheit, denn ich habe sehr sorgfältig gearbeitet.

Zehn Galleonen! - Mein eigenes Geld! - Selbst verdient! - Ich bin so unsäglich stolz auf meine Leistung.

Ich beschließe, das das nächste Mal in Hogsmeade richtig zu feiern.

Wieder vergeht die Zeit rasend schnell. Lestrange hat sein Versprechen gehalten und mir weitere Aufträge verschafft. Weitere Gedächtnislösungen, Liebestränke (ein recht netter Euphemismus – es gibt keine Magie, die echte Liebe erzeugt) und einige recht hinterhältige Sachen, die allerlei fiese Dinge anstellen und ich braue sie alle – auch wenn mir nicht immer wohl dabei ist – aber ich brauche das Gold, auch weil ich damit in der Lage sein werde, Hieratus sein Geld zurückzuzahlen, wenn er wieder hier ist und darüber bin ich echt froh. Ich mag es nicht, jemanden etwas schuldig zu sein, erst recht keinem Freund.

Wenn ich nicht in meiner geheimen Zelle bin, schleiche ich wieder den Herumtreibern hinterher, denn ich möchte jetzt wirklich wissen, warum Lupin so oft krank ist - Und Sirius, geliebter Feind…

Es geht mir nicht besonders gut, wenn ich nicht mindestens einmal am Tag einen Blick auf ihn erhasche. Ich fühle mich lebendiger, wenn ich ihn sehe, auch wenn er mich nur beleidigt oder mir Flüche nachjagt. Dieser Dauertrouble lässt mich wenigstens spüren, dass ich lebe, füllt die entsetzliche Leere in mir.

Hin und wieder schreibe ich auch Hieratus und bekomme auch Post von ihm. Schwarze Magie … Karkaroff … der Dunkle Lord. Andere Themen scheint er kaum mehr zu kennen, auch Hieratus muss sich im letzten Jahr sehr verändert haben, aber ich bin immer noch sein Freund, sein Blutsbruder.


 

Parcy LaCroix

E

s wird Weihnachten und das nächste Hogsmeade Wochenende ist da. Ich habe in der Zwischenzeit fast hundert Galleonen verdient, denn meine Tränke sind ausgezeichnet und das spricht sich herum. Gut, dass ich Vorräte angelegt habe, ich käme sonst gar nicht mehr zu etwas Anderem.

Ich bewege mich sehr vorsichtig und unauffällig, als ich nach Hogsmeade hinuntergehe und dauernd huscht mein Blick übers Gelände, denn ich will nicht schon wieder mit den Herumtreibern zusammenstoßen - Nicht heute - Heute habe ich andere Pläne.

Meine Schritte führen mich zu Madame Malkins Roben für alle Gelegenheiten (Filiale Hogsmeade) und zum ersten Mal in meinem Leben kaufe ich mir Roben, die mir genau passen, die noch keiner vor mir getragen hat. Roben, die neu sind. Neue Schuhe, die so passen, wie sie sollen, einen neuen Umhang, Stiefel, Nachthemden und Unterwäsche - Neue Sachen, mit meinem eigenen Geld bezahlt - Ich bin so unglaublich stolz darauf und das bringt mein Gewissen so ziemlich zum Schweigen – wenn es so viel bringt, diese Tränke zu brauen, dann kann es doch nicht wirklich falsch sein, oder?

Ich lasse mir die Kleidung einpacken und will sie erst mal ins Schloss bringen, bevor ich meine kleine private Feier in den Drei Besen abhalte, doch als ich den Laden verlassen will, sehe ich vier nur zu bekannte Gestalten - Verdammt, die schon wieder! Bitte nicht jetzt! - Ich verstecke mich im Schatten der Ladentür und sie gehen vorbei, sehen mich nicht - Merlin sei Dank! - Jetzt aber nichts wie zurück ins Schloss. Ich schleiche mich durch die Gassen, den Weg zum Schloss hinauf, keiner ist hinter mir her und ich erreiche die Eingangstür, ohne belästigt zu werden.

Heraus kommt gerade ein Mädchen aus Slytherin, Parcy LaCroix. Sie ist in meinem Jahrgang und hat auch schon den einen oder andern Trank bei mir gekauft.

„Nanu, Snape, schon zurück?“ fragt sie.

„Ich will nur was ins Schloss bringen, dann gehe ich wieder runter ins Dorf“, murmle ich – ich werde unsicher, wenn ich von einem Mädchen angesprochen werde und will mir davon nichts anmerken lassen.

„Stört es dich, wenn ich auf dich warte und dich dann begleite?“ will sie mit funkelnden Augen wissen.

„Nee“, nuschle ich und bin jetzt total durch den Wind.

Noch nie hat mich ein Mädchen um so was gebeten. Parcy ist zwar recht hübsch, aber keine Lily Evans. Sie hat langes goldblondes Haar und so helle graue Augen, dass sie aus Silber zu sein scheinen. Sie hat keine schlechte Figur, nur ihren Busen finde ich etwas zu groß – aber egal – man soll solche Gelegenheiten nicht hinterfragen, wenn sie sich einem bieten.

Eilig laufe ich in meinen Schlafsaal und lege mein Paket dort ab. Schon wenige Minuten später, bin ich wieder am Schlosstor und Parcy wartet dort auf mich. Sie geht dicht neben mir, greift wie unabsichtlich nach meiner Hand und plaudert - Seichtes Zeug, allerlei Unsinn.

Ich nicke, lächle, sage „Yeah“ und „Richtig“. Mehr kann ich auch gar nicht sagen, weil ihr Mund einfach nicht still steht. Ihre Hand liegt schweißig in der meinen und ich würde sie gerne los lassen, weil es sich sehr unangenehm anfühlt, aber das wäre unhöflich und irgendwie finde ich es eigentlich recht nett, neben einem Mädchen durch den Schnee zu stapfen. Trotzdem, ist sie denn nie still?

Von ihrer alten Familie, ihren vielen Freundinnen, ihren tollen Kleidern, die sie zu Hause hat, quasselt sie. Langweilig, seichtes Zeug, aber trotzdem recht nett. Sie zieht mich in ein Kaffeehaus, das Madame Puddifoots heißt und bestellt Tee für uns beide, wartet darauf, dass ich bezahle. Es dauert eine ganze Weile, bis ich begreife, auf was sie eigentlich wartet, denn ich habe wirklich keine Erfahrung mit Mädchen und war nur mal in Hieratus Gesellschaft was trinken und da hat er immer gezahlt.

Sie plaudert und quasselt immer weiter, das muntere Plätschern eines ansonsten leeren Gehirns. Schließlich haben wir ausgetrunken und sie zieht mich auf die Beine und wieder in den Schnee hinaus. Ihr Mundwerk steht die ganze Zeit nicht einen Augenblick lang still und sie führt mich zur Heulenden Hütte hinauf. Plötzlich fällt sie mir um den Hals und presst ihre Lippen auf die meinen.

Ich weis nicht, wie ich darauf reagieren soll und meine Arme hängen an meinen Seiten herab, als würden sie nicht mir, sondern einem anderen gehören. Ungeschickt erwidere ich den Kuss - Woher sollte ich auch schon Übung im Küssen haben? Es fühlt sich so seltsam an, aber nett. Ihr weicher Mund an meinem harten - ich spüre ihre Lippen unglaublich intensiv an den meinen. Weich und warm. Nett. Mein Körper scheint mit meinem Verstand nicht ganz einer Meinung zu sein und findet es mehr als nur nett. Mein Schwanz wird hart und steif, denn sie reibt sich drängend an meinem Unterleib. Ich will mich von ihr trennen, will nicht, dass sie bemerkt, was mit mir los ist, denn mir wird die ganze Sache jetzt langsam schrecklich peinlich, aber sie hält mich an meiner Robe fest, schmust weiter mit mir rum, reibt weiter ihren Unterleib an dem meinen und ihr großer Busen drückt sich an meine Brust - fühlt sich äußerst eigenartig an.

Ich würde gerne die Zähne zusammen beißen, weil ich so erregt bin, aber das kann ich nicht, weil ihr Mund immer noch auf meinem liegt. Mein Körper tut, was er will, mein Unterleib zuckt und die ganze Ladung geht in die Hose. Ich will etwas sagen, will mich entschuldigen, mich in Luft auflösen, im Boden versinken, davonlaufen...

Doch plötzlich höre ich ein vielstimmiges Kichern hinter mir. Ein ganzes Rudel Slytherin Mädchen steht dort und gluckst und zeigt auf den nassen Fleck auf meiner Robe.

„Ich habs euch doch gesagt“, feixt Parcy und muss sich die Seiten halten, so sehr kichert sie. „Ich krieg diesen merkwürdigen Burschen, diesen Snape, rum, dass er mich küsst.“

„Scheint ihm ja wirklich sehr gefallen zu haben“, quietscht ein anderes Mädchen und zeigt hämisch mit dem Finger auf mich.

„Du hast die Wette gewonnen, Parcy“, kreischt ein drittes erfreut.

Ich fühle mich blos gestellt, wie noch nie in meinem Leben und ich habe wirklich schon einiges erlebt. Mein Gesicht ist nicht rot, es ist leichenblass und in mir kocht heiße Wut. In meinen Augen funkelt ein schwarzes Feuer und wenn Blicke töten könnten, lägen jetzt ein paar Leichen vor der Heulenden Hütte, aber Blicke töten nicht und so zische ich nur:

„Kommt ja nicht auf die Idee, jemals wieder einen Trank von mir haben zu wollen“ - Sie haben alle schon von mir gekauft - „Sonst sorge ich dafür, dass es euch für den jämmerlichen Rest eures Lebens verdammt Leid tut.“

Ich raffe den Rest meiner Würde zusammen und stapfe zum Schloss hinauf.
 

Und das ist wohl einer der Gründe, warum ich ein so ambivalentes Verhalten Frauen gegenüber habe. Wann immer ich eine interessant fand, kam mir unter anderem diese Szene in den Sinn und ich ließ jeden weiteren Annäherungsversuch bleiben ... sicherer für meinen Seelenfrieden ... Ich bin nicht unbedingt scharf darauf, mich immer wieder verletzen und bloßstellen zu lassen.
 

Die Bosheit der Mädchen hat mir Weihnachten gründlich verdorben, viel gründlicher, als die Herumtreiber es je gekonnt hätten. Ich gehe nicht zum Festessen, sondern bleibe im Schlafsaal. Die meisten Anderen sind unten in der Großen Halle oder auch schon heimgefahren und ich bin mal wieder allein. Es war eine seltsame Begegnung mit Parcy. Ich kenne sie schon über vier Jahre und ihre Freundinnen auch. Ich hätte nie gedacht, dass Mädchen solche gehässigen Spielchen spielen können. Ich habe Mädchen immer für sanfte, nette Wesen gehalten, vielleicht ein bisschen unterwürfig, schwach, manchmal auch etwas dumm und - für mich ziemlich unerreichbar. Aber was die mit mir angestellt haben…?

Solche – Biester! - Alle Mädchen sind Biester - Alle, außer Lily, die ist was Besonderes, der würde nie so ein Mist einfallen. Die ist dazu viel zu edel, zu rein, zu ätherisch … Soviel auch zum Thema Reinblut…

Mein getrocknetes Sperma zwickt in meinen Schamhaaren und ich beschließe zum Duschen zu gehen und meine neuen Sachen mitzunehmen. Es ist keiner in den Gängen, alle sind beim Festessen, gute Gelegenheit, sich mal wieder ausgiebig zu waschen. Ich ziehe mein altes Zeug aus und stelle mich unter die Brause. Das Wasser prasselt rauschend an mir herab - Heiß, wunderbar.

Plötzlich höre ich das Quietschen der Tür. Wer hat hier jetzt etwas zu suchen? Herein kommt Black! Ich wusste gar nicht, dass er noch da ist, dachte er wäre mit Potter nach Hause gefahren.

„Wusste ich es doch“, sagt er leise. „Wenn du nicht beim Essen bist, finde ich dich irgendwo hier unten. Und jetzt stehst du unter der Dusche! Na so was, Snivelly – ich dachte immer, du und Wasser würden sich schon aus Prinzip widersprechen.“

„Lass mich in Ruhe, Black!“ zische ich.

„Wir haben uns immer gefragt, ob du dich überhaupt mal wäschst, die Slytherin bezweifeln es“, spottet er.

„Wie du siehst, wasche ich mich durchaus“, knurre ich. „Lass mich einfach in Ruhe.“

„Nee“, sagt Black und setzt sich auf meine Sachen, damit ich nicht dran komme, „wäre ja langweilig, wäre ein verlorener Tag, ohne die Gelegenheit, dich ärgern zu können.“

Er starrt meinen nackten Körper unter dem Wasserstrahl an und ich weis nicht, was ich tun soll. Bleibe ich so stehen, sieht er gleich meinen steifen Schwanz, denn seine Anwesenheit in Verbindung mit meinem nackten Leib erregt mich, drehe ich mich um, sieht er die schrecklichen Naben auf meinem geschundenen Rücken - Eins so peinlich, wie das andere.

Er steht auf, greift sich meine Sachen. Will er damit verschwinden und mich nackt durch die Gänge laufen lassen? Wäre ihm durchaus zuzutrauen. Nein, aber genau so schlimm. Er kommt auf mich zu, geht um mich herum, mustert mich wie ein Rennpferd, das er zu kaufen gedenkt und ich bewege mich mit seinem Blick, so dass ich ihn im Auge behalten kann.

„Himmel, Snivellus, du bist das hässlichste Knochengestell, das mir je begegnet ist.“

„Und du hast den edelsten Körper, den ich je gesehen habe“, denke ich, laut sage ich jedoch: „Und was geht dich das an, Black?“

„Och, ich wollte nur wissen, ob du wirklich so dürr bist, wie ich dachte“, meint er süffisant.

Ich krümme mich vor seelischer Pein, wende mich ab, denn jetzt steht er mir wirklich.

„Und?“ frage ich leise und jeglicher Sarkasmus ist mir vergangen. „Zufrieden?“

Ich höre ein scharfes Einsaugen von Luft - Er muss die Narben gesehen haben.

„Himmel, Snivellus, benutzen sie in Yorkshire Jungs wie dich als Ackergäule?“

„Lass mich in Ruhe Black!“

Ich werde lauter, werde wütend. Was will er noch von mir? Mich triezen? Mich beleidigen? Mich fertig machen? Doch er schweigt, ist still. Ist er gegangen? Ich drehe mich um. Nein, er steht immer noch da und starrt mich an. Sein Blick streift erneut über meinen Körper, fällt zwischen meine Beine.

„Nun, den geeigneten Schwanz für einen Gaul hast du ja!“

Es klingt nicht feixend, nicht beleidigend. Eigenartiger Weise klingt es fast anerkennend. Plötzlich wirft er mir meine Sachen vor die Füße, mitten ins Wasser, dreht sich um und geht, ohne noch ein weiteres Wort zu sagen. Mein Steifer pocht quälend und mit einigen geschickten Handgriffen, bringe ich ihn zur Ruhe.
 

Ich sitze wieder am Fenster, das zum Verbotenen Wald zeigt. Ich war lange nicht mehr hier, hatte keine Zeit. Ich starre in die Nacht und denke über die seltsame Begegnung mit Black nach. Was wollte er von mir? Warum hat er ausgerechnet unter der Dusche nach mir gesucht? Vielleicht wollte er mich dabei erwischen, wie ich meine Tränke braue - er muss davon gehört haben, denn es ist inzwischen ein offenes Geheimnis an Hogwarts - Dann hat er das Rauschen des Wassers bemerkt und ist neugierig geworden - Ja, so kann es gewesen sein…

Hat ihn diese zufällige Begegnung genau so erregt wie mich? Ich glaube kaum. Aber warum ist der dann so schnell verschwunden? War er angewidert? Hat er sich vor mir geekelt? Hat nicht so geklungen. Anerkennung? Habe ich wirklich Anerkennung in seiner Stimme gehört? Kann ich mir nicht vorstellen, muss am Rauschen des Wassers gelegen haben.

Ich ziehe das Taschentuch aus der Tasche, ich trage es ständig bei mir, wie einen Talisman. Sirius, geliebter Feind.

Und diese Parcy. Himmel, war das peinlich. Bestimmt weis es im neuen Jahr die ganze Schule, aber ich hätte mir so was denken sollen, sie hat mich ja damals schon ausgelacht, als ich mich mit dem Besen so blamiert habe. Egal, ich war immer ein Außenseiter und sie haben noch nie viel von mir gehalten, aber sie kommen schon angekrochen, wenn sie meine Tränke brauchen. Ein gewaltiges Machtgefühl durchflutet mich. Plötzlich wird mir klar, dass ich gewähren oder verweigern kann, ganz wie ich will.

Ich hatte immer das Gefühl, als wäre ich von meinen Kunden abhängig, doch in Wahrheit sind sie es, die von mir abhängig sind, denn ich liefere wirklich erstklassige Ware, die sie nicht so leicht aus anderen Quellen bekommen können, wenn überhaupt. Natürlich ist mir klar, dass es nicht ganz legal ist, was ich da tue, aber das Geld ist gut. Nicht, dass mir so wahnsinnig viel am Geld liegen würde. Gut, ich kann damit meine Schulden bei Hieratus zurückzahlen, mir mal was Neues zum Anziehen leisten - Notfalls sogar den nächsten Sommer in meiner Hütte überstehen, wird mir plötzlich klar. Aber das Gold an und für sich? Es bedeutet mir wenig. Mir bedeutet meine Leistung viel mehr - erfolgreich einen schwierigen Trank zu brauen. Eine simmernde Flüssigkeit in einem Kessel, farbiger Dampf, der hochsteigt, manchmal den Blick etwas trübt, die vielfältigen Gerüche der Kräuter und anderen Zutaten … Ja, das hat schon was.


 

Die Zeit vergeht

D

er Unterrichtsstoff wird immer schwieriger, die Hausaufgaben immer mehr. Macht nichts, so komme ich wenigstens nicht auf dumme Gedanken und manchmal kann ich sogar schlafen … schlafen!

Ich könnte mir ja einen Schlaftrunk brauen, aber der verwirrt die Sinne länger als mir lieb sein kann und ich brauche einen klaren Kopf. Schließlich kommt mir die Idee, bestimmte Tränke zu kombinieren, etwas hinzufügen, etwas weglassen, aber dazu muss ich mich noch stärker mit der Wirkung der einzelnen Bestandteile befassen - Sollte ich ohnehin tun, wenn ich Trankmeister in St Mungos werden will - aber jetzt ist die Zeit etwas schlecht dafür gewählt. Ich muss für meine OZE lernen.
 

Gerade eben war es Weihnachten, jetzt ist es schon wieder Ostern. Ich habe den üblichen Zoff mit den Herumtreibern, nichts Ernsthaftes, nur das Übliche. Black scheint nichts davon erzählt zu haben, was er damals im Baderaum gesehen hat, eigentlich seltsam - Es wäre ein ideales Thema, mich blos zustellen, aber bei unseren Streitereien fällt kein Wort darüber. Hätte ich nicht von ihm gedacht, dass er eine so gute Gelegenheit auslässt. Auch die Slytherin Mädchen scheinen weitgehend geschwiegen zu haben, auch wenn sie manchmal tuscheln und kichern, wenn ich in der Nähe bin, aber ich habe nicht wirklich was Konkretes gehört.


 

Neue Rätsel

H

ogsmeade.

Ich habe wieder ganz gut Gold verdient, aber ich habe nichts Besonderes damit vor, ich denke daran, mir im Honigtopf ein paar Süßigkeiten zu kaufen, denn ich habe schon lange keine mehr gegessen und jetzt habe ich einen regelrechten Heißhunger darauf.

Vor mir strolchen Potter, Black und Pettigrew den Weg entlang - Lupin fehlt mal wieder. Wo steckt der Kerl denn nur schon wieder? Ich schleiche ihnen hinterher und will sie belauschen. Nicht ungefährlich, aber ich bin furchtbar neugierig.

„Kam gestern gut, was Prongs?“ gähnt Black.

„Nicht übel, war echt knapp, aber wirklich nicht übel, Padfoot“, gibt Potter mit einem leisen Lachen zur Antwort - auch er scheint müde zu sein.

„Also“, piepst Pettigrew, „das war wirklich verflixt eng“, er klingt ängstlich.

„Himmel, Wurmschwanz, man kann über den alten Snivellus sagen, was man will, aber mit einem hat er Recht: du bist echt ein jämmerlicher Angsthase!“ meint Black verächtlich.

Potter kichert und gähnt.

„Aber irgendwie hat er auch Recht, man sollte etwas erfinden, was zeigt, wer im Gelände unterwegs ist“, meint er dann nachdenklich.

„Hhm“, erwidert Black, „nicht nur im Gelände, sondern auch im Schloss und nur Eingeweihte sollten es verwenden können…“

„Yeah. Keine schlechte Idee…“

Sie legen einen Zahn zu und ich lasse mich nachdenklich zurückfallen.
 

Erst viele Jahre später sollte ich das, wofür hier die Idee entstand, in meine Hände bekommen. Die Karte des Herumtreibers, aber da gehörte sie bereits Potters Sohn und Lupin hat sie mir sehr schnell wieder angenommen, ohne dass ich es verhindern konnte.
 

Diese Mistkerle sind so gute Magier, dass sie es sich erlauben können, sich so knapp vor den Prüfungen die ganze Nacht um die Ohren zu schlagen - nun, zumindest Potter und Black - Pettigrew ist eine echte Niete, nach allem was ich so höre und weis. Mal sehen, ob ich sie bei den Noten schlagen kann. Würde mir echte Genugtuung verschaffen, mal in etwas besser zu sein als die Beiden - sie sind so brillant, wirklich geniale Magier. Potter ist ein so guter Quidditch Spieler, dass er seit vier Jahren Gryffindor die Hausmeisterschaft gesichert hat und Black sieht großartig aus und alle Mädchen starren ihm nach. Nicht, dass es ihn interessieren würde, den interessiert nur sein Freund Potter. Nur selten sieht man einen ohne den anderen, aber letztens mussten sie getrennt nachsitzen - Danke, hat mich sehr gefreut.

Meine Stimmung hebt sich und als ich in den Honigtopf gehe, bin ich eigentlich recht gut drauf. Ein paar Bertie Botts Bohnen, ein paar Schokoladenfrösche, Brausebällchen, das reicht. Ich verziehe mich auf den Hügel, auf dem ich immer mit Hieratus gesessen habe, aber das süße Zeug schmeckt nicht mehr ganz so gut, wie damals, doch trotzdem noch recht gut – es fehlt einfach jemand, mit dem ich es teilen kann.

Die Sonne scheint mir auf den Rücken, wärmt mich, macht mich träge, müde. Ich war letzte Nacht zwar nicht unterwegs, aber viel geschlafen habe ich auch nicht, ich habe gelernt. Darum rechne ich mir auch eine echte Chance aus, dieses Mal Black und Potter zu übertrumpfen - Ist mir bis jetzt noch nie gelungen.

Der Kopf sinkt mir auf die Knie und ich döse ein.

Ich schrecke hoch, als jemand frech an meiner Tüte zupft – Pettigrew - Ein schneller Blick zeigt mir, dass die beiden Anderen auch in der Nähe sind. Sie stehen vor den Drei Besen und scheinen etwas eingehend zu diskutieren.

„Was willst du, Rattenschwanz?“

„Wurmschwanz, mein Spitzname ist Wurmschwanz, merk dir das, Snape!“ piepst er. „Aber du kannst mich auch Mr Pettigrew nennen. Einmal werden das alle tun. Respektvoll.“

„Oh, yeah, Wurmschwanz, Mr Pettigrew, euer Ehren! Aber Ratte bleibt Ratte. Warum heute so tapfer? Sind deine Freunde nahe genug? Können sie dich vorm bösen, alten Snape beschützen?“

„Ich bin kein Feigling, Snape. Eines Tages zeige ich es euch allen!“ Er richtet sich zu seiner vollen Größe auf - was nicht besonders groß ist - und wirft sich überheblich in die Brust. „Eines Tages werde ich es euch allen zeigen!“

Dann wirbelt er auf dem Absatz herum und stolziert zu seinen Freunden hinüber. Was war das jetzt für eine Vorstellung? Pettigrew, der Mutige? Peter, der Kühne? Oder war es Wurmschwanz, das Großmaul? Eigentlich ist es mir egal, der Kerl hat keinerlei Bedeutung, ist schlicht und ergreifend unwichtig, nur eine hinterhältige Nervensäge, nur tapfer mit seinen Freunden als Rückendeckung.
 

Erst fast zwanzig Jahre später sollte ich erfahren, wie Recht und zugleich Unrecht ich damals doch hatte.
 

Meine Gedanken schweifen ab, als ich den drei Jungen weiter nachschaue, wie sie in die Drei Besen gehen.

Ich bin inzwischen sechzehn.

„Nur noch ein Jahr“, denke ich mir. „und du bist offiziell erwachsen, dann wird vieles einfacher.“

Aber lange hänge ich diesem Gedanken auch nicht nach, die Sonne ist warm und ich bekomme Durst. Soll ich ein Butterbier riskieren? Ja, entscheide ich mich, eins ist ungefährlich und so schlendere ich zu den Drei Besen hinüber. Dort drinnen werden sich die Herumtreiber nichts Linkes erlauben.


 

Eine krude Idee

D

ie OZE sind gewalttätig, mühsam und schwierig. Ich schreibe so schnell, ich nur kann, damit ich in der vorgegebenen Zeit soviel wie möglich zu Pergament bringen kann. Meine Haare hängen wie ein Vorhang vor meinem Gesicht und meine Nase berührt fast den Tisch - Verteidigung gegen die Dunklen Küste, theoretische Prüfung - mein zweites Lieblingsfach und man könnte sagen, dass ich Dank der Herumtreiber eine ganze Menge praktische Übung darin habe.

Die Hälfte der Examen geschrieben, die Hälfte liegt noch vor uns. Der kleine Professor Flitwick steht vorne und passt auf, dass keiner abschreibt.

Wie viele der Prüflinge haben wohl von meiner Gedächtnislösung getrunken? Eine Menge, wette ich. Ich habe dankend darauf verzichtet, der Preis ist zu hoch. Man hat, wenn die Wirkung nachlässt, für einige Tage fruchtbare Kopfschmerzen und kann kaum denken und wenn man zuviel oder zu oft von dem Trank nimmt, wird man davon abhängig - Nee, muss echt nicht sein.

Noch eine viertel Stunde, gerade noch genug Zeit, alles noch mal durchzulesen. Einige Reihen vor mir streckt sich Black, schaukelt mit seinem Stuhl, gibt Potter, der einige Reihen hinter ihm sitzt, das Daumen-Nach-Oben-Zeichen. Potter grinst, wuschelt seine Haare, fängt an, auf einem Zettel herum zu kritzeln. Lupin schaut konzentriert auf sein Pergament, liest alles noch mal durch. Sollte ich jetzt auch besser tun. Da fällt mein Blick auf Pettigrew, er schwitzt wie verrückt und sieht verzweifelt aus, seine Füße scharren unruhig am Boden und er kaut an seinen Fingernägeln. Na ja, ohne seine Freunde ist und bleibt er halt eine jämmerliche Niete.

Ich fange an, alles noch mal durchzulesen, da fällt mein Blick auf eine bestimmte Frage: Woran unterscheidet man einen Werwolf von einem echten Wolf? - Werwolf? - Vollmond - Potter und Black im Verbotenen Wald –Vollmond - Lupin fehlt. Das kann doch wohl nicht wahr sein! - Lupin? - Ein Werwolf? - Severus, du spinnst! Aber spinne ich wirklich? Wann war Lupin immer krank? Ich versuche mich zu erinnern. War es immer bei Vollmond? Ein Werwolf in Hogwarts! Das kann doch nicht sein!

Professor Flitwicks Piepstimme reißt mich aus meinen Gedanken - die Zeit ist um - mit einem Accio sammelt er unsere Aufgaben ein. Es sind so viele Pergamentrollen, dass sie ihn von den Beinen reißen und einige Schüler aus den vorderen Reihen helfen ihm lachend wieder auf. Er bedankt sich und entlässt uns für jetzt. Ich gebe vor, meine Prüfungsfragen nochmals zu studieren, aber in Wahrheit folge ich Potter und seinen Freunden - Mal sehen, was ich aufschnappen kann. So leise ich nur kann, schleiche ich mich an das Quartett heran.

„…wie fandest du die Prüfung, Padfoot?“ fragt Potter gerade.

„Ein Kinderspiel!“ meint Black. „Wie fandest du Frage zehn, Moony?“

„Lass mich mal nachdenken“, sagt Lupin, grinst schief und versucht ernst zu klingen. „Nennen sie Merkmale eines Werwolfs! Erstens: Er sitzt auf meinem Platz. Zweitens: Er trägt meine Kleidung. Drittens: Er heißt Remus Lupin.“

Drei der vier Jungen lachen in sich hinein. Ganz ernst hat Lupin nicht geklungen, aber mein Verdacht wird stärker. Dieses Jahr ist es zu spät, etwas heraus zu finden, aber im nächsten. Dann meldet sich Pettigrew zu Wort.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich da alles richtig habe“, meint er und klingt unsicher. „Das ist der buschige Schwanz, die gelben Augen…“

„Himmel, wie dämlich bist du eigentlich, Wurmschwanz, rennst einmal im Monat mit einem Werwolf rum…“ schimpft Potter los.

„Sei leise Prongs!“ mahnt ihn Lupin.

Potter zuckt unbeteiligt die Schultern, zieht einen kleinen goldenen Snatsch aus der Tasche und macht damit einige Fangkunststückchen. Pettigrew springt um ihn herum und applaudiert. Sie gehen über das Gelände und setzen sich unter meinen Lieblingsbaum.

Ich folge ihnen unauffällig und verberge mich hinter einem Busch in ihrer Nähe. Wer weis, was ich heute noch alles in Erfahrung bringen kann. Ich gebe vor, weiter in meine Prüfungsaufgaben vertieft zu sein, aber in Wirklichkeit beobachte ich jedoch Potters Gruppe. Potter spielt weiter mit dem Snatsch, Black sitzt ruhig neben ihm und starrt vor sich hin. Er sieht furchtbar gelangweilt und so attraktiv wie gewöhnlich aus. Lupin hat seine Bücher herausgeholt und lernt. Pettigrew führt sich auf wie King Arthurs Hofnarr und huldigt Potter in einer unerträglichen Weise.

„Steck das Ding weg, ja James? Wurmschwanz pisst sich sonst noch in die Hose“, kommt es von Black.

Potter grinst und steckt den goldenen Ball ein.

„Was ist los, Padfoot?“

„Mir ist so verdammt langweilig, ich wünschte es wäre wieder Vollmond.“

„Gar nicht so witzig, Padfoot“, meint Lupin. „Wenn dir so langweilig ist, kannst du mich in Verwandlung abfragen.“

Er will ihm ein Buch hinüberreichen, doch Black winkt gelangweilt ab.

„Ich kenn den ganzen Mist in und auswendig.“

Wenn sie beim Lernen sind, werde ich nichts mehr Interessantes zu hören bekommen und ich beschließe, mich vom Acker zu machen, doch kaum bin ich auf die Beine gekommen, werden sie auch schon auf mich aufmerksam.

„Stupify!“ ruft Potter und der Lähmzauber trifft mich in den Rücken, wirft mich zu Boden.

Verdammt, Severus, dieses Mal hast du zu lange gewartet!

Sie trotten lässig zu mir herüber und ich kann mich nicht bewegen. Mist!

„Sieh an, Snivellus! Spionierst du uns schon wieder mal nach?“ meint Potter erfreut, dass er mich kalt erwischt hat.

Ehe ich es mich versehe, hat er erneut seinen Stab geschwungen und ich hänge kopfüber in der Luft.

„Mann, Snivelly, du solltest wirklich mal die Unterhosen wechseln!“ feixt Black.

Stimmt, ich habe die Alten von meinem Vater an, denn meine guten sind alle in der Wäsche. Beleidigungen fliegen hin und her - Gar nicht so einfach, wenn man mit dem Kopf nach unten mitten in der Luft baumelt und einem die Robe über die Augen hängt. Plötzlich mischt sich eine neue Stimme ein.

„Lass ihn runter, Potter!“

Lily! Oh nein! Warum nur ausgerechnet sie? – Das Ganze ist schon peinlich genug, auch ohne, dass Lily es sehen kann.

„Nur wenn du versprichst mit mir auszugehen!“

„Lass ihn runter, Potter! Nur weil du gut in Quidditch bist, gibt dir das noch lange nicht das Recht, jeden zu verhexen, der dir über den Weg läuft.“

Potter zuckt die Schultern und lässt mich runter - volles Karacho auf den Kopf - ich sehe Sterne und mein Schädel brummt. Na warte! Eine gemeine Stimme meldet sich in mir und platzt aus mir heraus:

„Ich brauche deine Hilfe nicht, Schlammblut!“

Lily, wunderbare Lily. Ich sollte als Ritter in glänzender Rüstung auf einem weißen Einhorn zu deiner Rettung herbei eilen, nicht umgekehrt.

„Gut, gut, Snivellus!“ faucht sie mich an. „Ich werde mich in Zukunft nicht mehr einmischen! Und du könntest wirklich mal deine Unterhosen waschen, weist du!“

„Was hast du da gesagt, Snivellus!“ knurrt Potter gleichzeitig.

„Ich brauche deine Hilfe nicht, du Angeber“, fetzt Lily ihn an.

„Scourgifiy!“ bellt Potter in meine Richtung und mir quillt rosa Seifenschaum aus dem Mund.

Aber gleich, gleich habe ich meinen Stab in der Hand und dann, Potter, dann…

Lily wettert weiter und heißt ihn einige recht unfreundliche Sachen. Potter verteidigt sich. Meine Gelegenheit. Ich schicke Potter einen Fluch hinterher, der ihn umwirft und seine Nase zum Bluten bringt. Doch bevor ich noch etwas tun kann, hat Black mich mit einem Impedimenta lahm gelegt – zwei Gegner sind einfach zu viel für mich, besonders, wenn ich abgelenkt bin. Lily schimpft weiter, droht den Beiden sogar, sie zu verfluchen. Potter ruffelt verlegen seine Haare und sieht sie sprachlos an. Lily schüttelt sich das Haar elegant in den Nacken, wirbelt auf dem Absatz herum und geht. Potter ruft ihr nach, aber sie tut, als würde sie ihn nicht hören. Der Impedimenta lässt nach und ich versuche auf meinen Stab zu zukriechen. Ich habe ihn erreicht und will ihn gerade auf meine Gegner richten, da trifft mich ein Expelliarmus und mein Stab wirbelt erneut davon.

Gleich darauf hänge ich wieder kopfunter in der Luft und weitere Schüler sind näher gekommen. Die Vorstellung, die ihnen hier geboten wird, ist zu interessant … und mich kann ohnehin keiner ausstehen ... die meisten freuen sich hämisch, wenn mir sowas passiert.

„Wer will sehen, wie ich dem alten Snivellus die Unterhose ausziehe?“ grölt Potter.

Er ist stinksauer wegen Lilys Abfuhr und meinem „Schlammblut“. Plötzlich kommt Lupin eilig herüber gelaufen. Er hat während des ganzen Geschehens unter dem Baum gesessen und so getan, als würde er mit seiner ganzen Aufmerksamkeit lernen, aber er hat alles ganz genau mitbekommen.

„James“, zischt er. „Lass uns verschwinden. Dort drüben kommt Leech!“

RUMS - Ich knalle mit dem Kopf auf den Boden und weis einige Zeit von nichts mehr.

Als ich wieder zu mir komme, ist es schon verflixt spät und ich kann nur hoffen, noch rechtzeitig zur Prüfung am Nachmittag zu erscheinen. Das Gelände ist bereits völlig verlassen. Sie haben mich alle einfach hier bewusstlos liegen lassen. Ich weis zwar, dass ich alles andere als beliebt bin, aber dass mir so gar keiner hilft? Meine Tränke kaufen sie aber liebend gern, diese miesen Bastarde.

Ich liege hinter dem Busch und bin vom Schloss und vom See aus nicht zu sehen. Man hätte mich erst gefunden, wenn man direkt neben mir gestanden hätte. Die anderen Schüler, die zugesehen hatten, wußten allerdings wo ich lag, aber keiner, der nur auf dem Weg hier her war. Deswegen war wohl auch Leech nicht hier. Mein Schädel brummt und ich sehe alles doppelt. Mein Mund schmeckt noch immer nach Seife. War wirklich gemein von mir, Lily „Schlammblut“ zu nennen, aber es ist mir einfach so raus gerutscht.

„Severus, alter Junge, mit der hast du dir es auf ewig verdorben“, denke ich.

Mir ist so elend. Die Bande hat mir schon eine Menge angetan, aber das war schlimmer als alles zuvor. Nicht allein wegen der Demütigung, die sie mir zugefügt haben, sondern auch wegen dem, was ich getan habe, was Lily gesehen hat, was Lily gesagt hat. Sie war so wütend auf mich - zu Recht - sie wollte mir doch nur helfen - aber mein Stolz, mein verflixter Stolz, hat mich reden lassen, bevor ich nachgedacht habe. Ich schätze Mädchen wirklich immer total falsch ein.

Ich versuche aufzustehen, schwanke, mein Magen dreht sich um und ich kotze in einem stinkenden Schwall hinter den Busch. Als mein Magen leer ist, suche ich nach meinem Zauberstab und finde ihn einige Meter entfernt, wo der Entwaffnungszauber ihn hat hinfliegen lassen. Stöhnend, weil mir dabei fast der Schädel platzt, hebe ich ihn auf. Langsam und mit unsicherem Blick wanke ich schließlich zum Schloss und zur nächsten Prüfung zurück. Ich schaffe es gerade noch, bevor alle Aufgaben ausgeteilt sind.

Die restlichen Prüfungen fallen mir sehr schwer, denn mein Schädel dröhnt noch tagelang und ich kann mich kaum konzentrieren, aber irgendwie schaffe ich es trotzdem, zu tun, was zu tun ist.

Hieratus hat geschrieben und mich über den Sommer in das Landhaus seiner Eltern eingeladen und ich habe natürlich freudig zugesagt. Es ist für dieses Jahr der letzte Abend in Hogwarts und Morgen fahre ich mit dem Hogwarts Express nach London, Hieratus wird mich in Kings Cross abholen. In der Großen Halle findet das Jahresendefest statt, aber ich habe keine Lust hinzugehen. Ich kann die Blicke der anderen Schüler nicht ertragen, besonders nicht Lilys Blicke - sie sind so giftig – und sie ist immer noch sauer auf mich – Schade - aber es ist deine eigene Schuld, Severus, deine eigene Schuld.

Irgendwie freue ich mich schon unheimlich darauf, Hieratus wieder zusehen. Ob er sich wohl sehr verändert hat, in diesen zwei Jahren? Wenn ich an seine Briefe denke, muss er das. Nun ja. Morgen, Morgen werde ich es sehen.


 

Was für ein Schuppen!

I

ch sitze im Zug und zum ersten Mal freue ich mich darüber, dass er mich nach London bringt. Ein paar jüngere Kinder im zweiten und dritten Jahr sitzen bei mir im Abteil - ich glaube sie gehören nach Huffelpuff, einem weiteren der Häuser von Hogwarts - sie tuscheln und werfen mir ängstliche Blicke zu, wenn sie glauben, dass ich es nicht bemerke. Was muss ich bei den Jüngeren nur für einen Ruf haben, wenn sie mich so ansehen? Ich habe mir nie Gedanken über meinen Ruf gemacht, aber solche Blicke?

„…und Potter hat aus der Nase geblutet…“

„Yeah … mit dem Kopf nach unten…“

„…Seife im Mund…“

„…wollte Potter verfluchen…“

„…dieser Blick, hätte er mir gegolten, wäre ich um mein Leben gerannt…“

Sie flüstern und tuscheln und werfen mir heimliche Blicke zu, furchtsame Blicke, unsichere Blicke, als würde ich mich gleich in einen Werwolf verwandeln … hmm, ein Werwolf … Lupin…

Yeah, Lupin muss ein Werwolf sein, schon die ganze Zeit, die an Hogwarts ist. Wenn ich es mir recht

überlege, war er immer bei Vollmond krank.

Was haben wir doch gleich über Werwölfe gelernt? Der volle Mond sorgt für ihre Verwandlung, tagsüber sind sie menschlich und ungefährlich. Ihr Biss ist ansteckend. Jeder, den sie beißen und der den Angriff überlebt, wird auch zum Werwolf. Nicht, dass es viele überleben würden. Es gibt kein bekanntes Heilmittel, kein Gegenmittel bei der Verwandlung.

Interessant. Mal sehen, wie müsste ein Gegenmittel beschaffen sein? Nun, man weiß nicht genau, was die Verwandlung einleitet. Irgendein Gift im Speichel, nehme ich an. Wenn es erst mal im Blut ist, ist es drinnen und nichts kann es wieder herausbringen, weil keiner weis, wie es beschaffen ist. Aber einen Biss riskieren, um an den Speichel zu kommen, damit man ihn untersuchen kann? Nee, danke. Das ist sogar mir zu heiß.

Ein Mittel, das den Wahnsinn besänftigt, der durch den Vollmond ausgelöst wird? Yeah, das ist schon eher möglich. Einige Bestandteile der Gedächtnislösung, etwas von einem Beruhigungstrank … ja, das ist ein Ansatz…

Halt mal, Severus, du weist doch gar nicht, ob es wirklich stimmt, du kannst dir nicht sicher sein, ob es nicht nur ein grandioser Streich ist, den sie dir spielen wollen.

Aber ich kann es nächstes Jahr herausfinden - nächstes Jahr. Meine Gedanken haben mich von dem Getuschel abgelenkt und ich habe aus dem Fenster geschaut, wie ich es gerne tue, aber ohne etwas zu sehen. Regen klatscht gegen die Fensterscheiben und macht mich irgendwie traurig. Warum bin ich traurig? Ich weis es nicht. Irgendwie ist in mir ein Gefühl von Abschied. Warum nur? Es ist doch nur das fünfte Jahr zu Ende, auch nicht anders, als die letzten Jahre.

Wenn ich die Kinder hier im Abteil so ansehe, in der Spiegelung der Fensterscheibe, komme ich mir alt vor, so uralt, dabei bin ich höchstens zwei, drei Jahre älter als sie. Ich versuche, meinem eigenen Spiegelbild ermutigend zuzulächeln, aber es gerät mir zur Grimasse. Würden die Kids diesen Gesichtsausdruck sehen, würden sie alles für wahr halten, was über mich erzählt wird und schreiend aus dem Abteil stürmen. Ich höre wieder ihr Getuschel:

„…macht Zaubertränke, habe ich gehört, übles, krasses Zeug…“

„…kennt die schwarze Magie, wie kaum ein anderer…“

„…beherrscht alle Flüche, selbst die Unverzeihlichen…“

„…ist gemein…“

„…ist gefährlich…“

Sie werden des Themas nicht müde. Habe ich wirklich einen so schrecklichen Ruf? Warum eigentlich? Außer meiner Dauerfehde mit Potter und Genossen, habe ich noch nie jemand was angetan, habe kaum mal mit jemand geredet, habe mich immer um meine eigenen Angelegenheiten gekümmert. Na ja … Ich bin halt einfach kein netter Kerl.

Endlich rollt der Zug in Kings Cross ein, ich packe meine Sachen zusammen und schließe mich der Menge an, die zu den Ausgängen strömt. Hieratus steht am Bahnsteig und reckt seinen Hals nach mir. Fast hätte ich ihn nicht erkannt. Er ist gewaltig gewachsen und jetzt ein ganzes Stück größer als ich. Seine mausbraunen Haare trägt er lang und in einem Pferdeschwanz und er sieht recht verwegen aus.

Hieratus, der immer aussah, als käme er frisch vom Frisör und jetzt ist er so außergewöhnlich, direkt auffällig, fast schon exzentrisch. Er trägt eine blutrote Robe, so ganz anders als das gewohnte Hogwarts Schwarz - und sein Gesicht, sein Gesicht - Als wir uns verabschiedet haben, war es ein rundes Jungengesicht gewesen, jetzt ist es länglich, scharf gezeichnet, nichts mehr Rundliches daran. Er ist wirklich kein Junge mehr, aber immer noch ziemlich attraktiv.

Ich bin zu lange im Ausstieg gestanden, habe meinen Freund zu lange angestarrt, habe zu lange die Menge der Kids blockiert. Ein Hieb trifft mich zwischen den Schulterblättern und ich stolpere die Stufen hinunter, fange meinen Sturz am Bahnsteig ab, mein Koffer knallt vor mir auf den Beton. Es war wieder Mal Pettigrew. Er steht oben und grinst mich verschlagen an. Potter und Black stehen grienend hinter ihm. Na, dann kann er sich ja trauen.

Plötzlich ist jemand bei mir und schlägt mir freundlich auf die Schulter. Augenblicklich verlieren meine Widersacher an Bedeutung. Hieratus steht neben mir und grinst - grinst, als wolle er nie wieder damit aufhören.

„Severus, Alter, Himmel ist es schön, dich wieder zu sehen.“

Ich strahle ihn an, auch ich freue mich wahnsinnig, ihn zurück zu haben. Wir umarmen uns und klopfen uns gegenseitig auf die Schultern - noch nie hat mich jemand so umarmt. Es fühlt sich irgendwie gut an, obwohl ich sonst Berührungen nicht mag, ist diese das schönste Willkommen, das ich mir vorstellen kann.

„Mann, du weist gar nicht, wie schön“, gebe ich zurück und löse mich wieder von ihm.

„Komm“, sagt er, „draußen wartet unser Fahrer, der wird uns zum Landhaus bringen. Wir sind dort allein - nur wir zwei und ein paar Hauselfen.“

Er packt meinen Koffer und hievt ihn auf einen Gepäckwagen. Ich habe mich schon immer über seine Kraft gewundert und sie scheint noch größer geworden zu sein. Er handhabt meine alte Kiste, als wäre sie nur ein Sack Federn. Er schubst den Wagen vor sich her und grinst mich immer noch an.

„Mensch, Alter, wie ist es dir ergangen? Du warst nicht besonders gesprächig in deinen Briefen. Nicht, dass ich mich nicht über jeden einzelnen gefreut hätte.“

„Weist du Kumpel, es ist soviel passiert, aber nur wenig davon ist geeignet, dass man es zu Papier bringt. Ich werde es dir erzählen, jedenfalls das meiste davon, aber es aufschreiben … nee, Hieratus, echt nicht.“

Wir kommen bei einer Limousine an. So was Edles habe ich noch nie gesehen, sie fällt in den Straßen von Muggel London direkt auf, nicht weil sie etwas Magisches an sich hätte, sondern weil sie so teuer aussieht. Ein Mann in einer phantasievollen grünsilbernen Livree springt heraus, greift nach meinem Koffer und packt ihn in den Kofferraum. Hieratus winkt mich auf den Rücksitz.

„Oft brauchen wir die Karre ja nicht, aber wenn etwas in Muggel London zu erledigen ist und man nicht Apparatieren kann oder will…“

„Das Ding ist ja großartig“, staune ich.

Ich wusste, dass Hieratus Familie reich ist, aber so reich? Er öffnet eine Lade an der Rückseite der Vordersitze und deutet auf den Inhalt.

„Butterbier? Kürbissaft?“ fragt er und strahlt mich immer noch an.

„Erst mal einen Kürbissaft, wenn es dir recht ist. Butterbier vertrage ich nur eins und das möchte ich mir für heute Abend aufheben.“

„Gut. OK. Und jetzt erzähle!“

Ich werfe einen zweifelnden Blick auf den Fahrer, aber Hieratus schüttelt den Kopf.

„Er kann uns nicht hören. Alles schalldicht.“

Und so beginne ich zu erzählen. Der schreckliche Sommer vor zwei Jahren im Keller, aber nicht was mein Vater damals mit mir angestellt hat. Mein Verdacht, dass er meine Mutter vergiftet hat. Wenig von Hogwarts, was ich ihm von Hogwarts erzählen wollte, habe ich ihm bereits geschrieben. Nichts von meinem Erlebnis mit Black auf der Lichtung. Das ist und bleibt mein Geheimnis. Dann der letzte Sommer. Mein toter Vater. Ich finde keine richtigen Worte, das alles zu beschreiben. Stottere, stocke, doch Hieratus versteht auch so. Nickt, brummt anteilnehmend. Draußen saust die Landschaft vorbei und es ist bereits Nacht geworden, denn wir sind inzwischen schon sehr lange unterwegs.

„Wann kommen wir an?“ frage ich.

„Ich schätze so in einer Stunde. Warum? Hast du vielleicht Hunger?“

Ich lausche in meinen Magen - ja, ein wenig – und ich nicke. Er öffnet eine andere Lade und holt Kekse und Kuchen heraus. Ich esse. Hieratus schaut mich einfach nur lange und nachdenklich an.

„Wer weis außer mir, dass du keine Eltern mehr hast?“

„Dumbledore weis, dass meine Mutter tot ist, aber du bist der Einzige, der das von meinem Vater weis. Bitte rede nicht darüber, bevor ich volljährig bin. Ich wüsste nicht, was ich dann tun sollte.“

„Aber von was willst du leben? Ich meine nicht jetzt - schließlich habe ich dich ja eingeladen - aber dann später?“

„Nun, es sind noch zwei Jahre Hogwarts und dann meine Heilerausbildung.“

„Nee, das meine ich nicht. Du brauchst Klamotten, Bücher, sonst was. Ich würde das alles gerne für dich bezahlen, aber ich weis, dass du das nicht willst.“

„Mach dir keine Sorgen, mein Freund. Ich habe genug Gold“, beruhige ich ihn.

„Aber woher? Du hast mir doch erzählt, dass dein Vater dir außer euerer schäbigen Hütte und ein paar alten Zauberbüchern nichts hinterlassen hat, oder?“

„Ich habe meine Quellen.“

„Ich bin neugierig. Nun sag schon! Woher?“

„Tränke“, sage ich.

„Tränke?“

„Yeah, Tränke - meine Tränke sind recht gefragt in Hogwarts.“

„Du braust Tränke für andere Schüler und sie zahlen dafür? – Verstehe ich das richtig“, fragt er nach.

„Yeah!“

„Du hast mir kein Wort davon geschrieben“, er klingt enttäuscht.

„Hör mal, mein Freund“, setze ich an. „Du kannst dir doch denken, dass das nicht ganz legal ist, oder? So was schreibt man doch nicht in einem Brief, der in falsche Hände geraten kann, oder? Außerdem wollte ich dich damit überraschen, dass ich dir das geliehene Gold schon jetzt zurückgeben kann und nicht erst in ein paar Jahren.“

„Musst du nicht, das hat Zeit“, winkt er ab.

„Weis ich, aber ich möchte es gerne.“ Ich habe das, was ich Hieratus schulde, in einen Beutel abgezählt. Den ziehe ich jetzt heraus und werfe ihm diesen in den Schoß. „Sieh mal, Alter, ohne das Gold von dir, wäre ich im letzten Sommer schlicht weg verhungert. Ich hatte nichts, gar nichts.“

Er schaut mir tief in die Augen. In seinem Blick liegt eine eigenartige Mischung aus Mitgefühl, Bewunderung, Sorge und Freundschaft.

„Bitte glaub mir eins“, meint er plötzlich ernst, sehr ernst, „Was auch immer geschieht, ich bin dein Freund, dein Blutsbruder und ich halte zu dir. Immer!“

„Und ich bin der deine. Immer!“
 

Wenn ich dieses Versprechen doch nur hätte halten können, dann würde er wohl heute noch leben.
 

Da rollt der Wagen aus und bleibt stehen. Vor uns ragt ein regelrechtes Schloss auf. Ich hatte ein Haus erwartet, vielleicht mit fünf Zimmern oder so, aber das hier? Hier kann man Hannibals Heerscharen unterbringen, samt Elefanten. Problemlos.

Hieratus hat meinen Blick bemerkt.

„Ich weis, es ist ein bisschen sehr protzig.“ Er zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Aber hier haben wir wenigstens unsre Ruhe.“

„Es ist riesig“, platze ich heraus.

„Komm rein, Alter“, meint er nur. „Ich zeig dir, wo du schlafen kannst.“

Das Zimmer, in das er mich bringt, ist so groß, wie unser ganzer Schlafsaal in Hogwarts, allein das Bett könnte einen König mit vier Konkubinen beherbergen. Problemlos. Alles ist aus Samt und Seide, die Spiegel sind aus Kristall, die Holzteile funkeln mit Goldauflagen und

Edelsteinintarsien - so ein unglaublicher Reichtum - aber er scheint Hieratus nicht das Geringste zu bedeuten, denn er schaut mich immer noch um Entschuldigung heischend an.

„Es ist alles wirklich ein bisschen sehr protzig“, murmelt er unsicher. „Ich hoffe trotzdem, dass du dich hier wohl fühlst. Der Aufenthalt hier war ein Geschenk von meinen Eltern, für meine Leistungen in Dumstrang.“

„Wahnsinn, Alter, der helle Wahnsinn.“ Mir fehlen ein wenig die angemessen Worte Angesichts dieses unendlichen Reichtums. „Ich komme mir vor, wie in dem Märchen von Cinderella, nachdem die bösen Schwestern und die Stiefmutter tot sind, wenn du verstehst, was ich meine.“

Er lacht laut auf.

„Yeah, ich kenn das alte Muggel Märchen. Eine Hauselfe hat es mir früher oft vorgelesen, als ich noch klein war. Aber woher kennst du es?“

„Du wirst es nicht für möglich halten, aber die ganzen alten Märchen stehen in der Bücherei von Hogwarts. Ich habe gehört, es soll ein Hobby von einem früheren Direktor gewesen sein, sie zu sammeln.“

Hieratus nickt und grinst schief.

„Kommst du mit nach unten?“ fragt er. „Das Abendessen ist fertig. Wenn es dir recht ist, essen wir in der Küche. Der Speisesaal ist sogar mir zu pompös, er schlägt mir auf den Magen.“

Ich nicke, denn ich bin gewohnt, in der Küche zu essen, außer in Hogwarts natürlich. Das Abendessen besteht aus unzähligen Gängen und einer ist besser als der andere. Hieratus plaudert über seine Zeit in Dumstrang: Schwarze Magie … der Dunkle Lord … Karkaroff … der Dunkle Lord … Eis, Schnee und Berge … Der Dunkle Lord … kalte Sommer, eisige Winter … Der Dunkle Lord...

Er kann gar nicht genug vom Dunklen Lord erzählen. Er ist richtig begeistert, hin und weg. Klingt auch für mich interessant und aufregend. Keine schlechte Idee, sich später dem Dunklen Lord anzuschließen. Nach Hogwarts … mal sehen.
 

Man darf nicht vergessen, dass zu dieser Zeit noch nicht wirklich bekannt war, wie übel Voldemort ist. Man hielt ihn größtenteils einfach für einen mächtigen dunklen Magier, der Gefolgsleute sammelte und jenen, die ihm folgen wollten wohl so einiges zu bieten hatte. Eine Sache, die besonders für die Slytherins sehr anziehend war und ist – aber auch in den anderen Häusern gab es durchaus geneigte Gefolgsleute – wie ich erst sehr viel später erfahren habe.

Ich weis nicht, ob ich anders gehandelt hätte, wenn ich die Wahrheit gewusst hätte – oder ob ich es auch nur gekonnt hätte – doch davon später...
 

„Und was hast du in den Ferien vor? Was wollen wir machen?“ frage ich, als wir es uns mit einer Flasche Butterbier in der Bibliothek gemütlich gemacht haben.

„Nun, zu dem Landhaus gehören riesige Ländereien, Pferde, Kutschen, alles Mögliche. Wir können auch nach London, vielleicht möchtest du in der Winkelgasse einkaufen oder so. Hast du noch genug Gold? Ich meine, nachdem du mir das wieder zurückgegeben hast?“

„Yeah. Ich habe nicht schlecht verdient. Was meinst du, soll ich mich jetzt schon in St Mungos bewerben oder wann macht man das?“

„Wenn du die OZE Ergebnisse hast, kannst du durchaus dort anklopfen. Keine schlechte Idee, das jetzt schon zu machen. Gibt dir ein Jahr Vorsprung.“

Ich nicke.

„Ich könnte auch einen neuen Zauberstab brauchen, ich will diesen nicht mehr. Er hat früher meinem Vater gehört“, brumme ich gedankenverloren in mich hinein.

„Yeah, dann zu Ollivander in der Winkelgasse, der hat die Besten“, stimmt Hieratus zu.

Wir sitzen in geselligem Schweigen in bequemen Lehnstühlen und ein Feuer prasselt in einem Kamin, flackert auf den Lederrücken der uralten Bücher. Es ist mir der liebste Raum im ganzen Haus. Ein warmes, freundliches, gemütliches Zwielicht herrscht hier herinnen. Plötzlich richtet Hieratus wieder das Wort an mich:

„Severus, du hast dich in den letzten beiden Jahren wirklich gewaltig verändert.“

„Yeah. Du auch. Du hattest damals Recht. Vor zwei Jahren waren wir noch Jungen, jetzt sind wir junge Männer.“

„Du wohl mehr als ich. Du siehst aus, wie ein Erwachsener, musst dich sogar schon rasieren, ich hätte dich fast nicht mehr erkannt, nur deine Haare sind noch dieselben.“

Ich werde rot, denn meine Haare sind mein wunder Punkt, weil Potter und Genossen mich immer damit aufziehen – auch wenn es längst keiner mehr wirklich witzig findet – noch nicht mal die Herumtreiber selbst.

„Kein Grund rot zu werden, Severus“, winkt mein Freund ab. „Ich sage nur, dass ich dich daran erkannt habe.“

„Und ich hab dich an deinen Augen erkannt“, fahre ich fort. „Der Rest hat sich gewaltig verändert, dein Gesicht ist so männlich geworden und deine Haare so lang…“

Er schüttelt mit einem leisen Lachen den Kopf.

„Na ja, es ist viel Zeit vergangen und in Dumstrang sind lange Haare in, da habe ich mich halt angepasst. Ich muss auch sagen, dass es mir so gefällt, ich sehe dann wenigstens etwas erwachsener aus.

Und ich muss sagen, deine Augen sind so ganz anders geworden. Nicht die Farbe oder so, aber der Ausdruck. Es liegt so viel … Leid … in ihnen.“

„Kann sein. Ich habe in den letzten zwei Jahren viel gesehen und erlebt. Du weist es ja, du bist der einzige, der davon weis“, seufze ich schwer.

„Schon gut. Du musst mir nichts erzählen, was du nichts willst. OK?“

Ich nicke mit einem schiefen Lächeln. Ach, alter Freund.

„Danke“, sage ich leise. „Dass du mich verstehst.“

Er nickt und scheint sich zu freuen. Unsere alte Verbundenheit stellt sich wieder ein, nicht ganz so wie früher, aber fast. Wir sind beide älter geworden, ich wohl mehr als er. Ich erzähle ihm noch nichts von meinem Verdacht gegen Lupin, denn ich bin mir nicht sicher und ich will keine Gerüchte in die Welt setzten. Lupin war immer noch der Anständigste von der ganzen Bande und ihm will ich irgendwie nicht grundlos schaden.

Es ist weit nach Mitternacht, als wir uns entschließen, schlafen zu gehen.
 

Hieratus hat ein Pferd vor eine kleine Kutsche spannen lassen und bringt mir bei, sie zu lenken. Nicht einfach, meine Arme schmerzen schon bald vom Zerren der Zügel, meine Schultern protestieren, aber es macht riesigen Spaß.

„Weist du, Alter, wenn du richtig fahren kannst, können wir ein Wettrennen machen“, ruft Hieratus mir zu.

„Gute Idee“, keuche ich.

Es ist sehr anstrengend, das Pferd unter Kontrolle zu halten, aber auch eigenartig befriedigend, wenn es gelingt – Macht - Macht über ein Geschöpf, das soviel stärker ist als ich selbst.

Zwei Kutschen rasen über einen staubigen Weg, zwei junge Männer stehen darin, wie in einem antiken Streitwagen, sie rufen, schreien, feuern die Pferde an, keine Peitsche pfeift - Hieratus hält nichts davon, ein Pferd durch Schmerzen zu besserer Leistung anzustacheln, darum gibt es keine Peitschen, nur unsere Stimmen, unsere Rufe und die Zügel. Es ist großartig, aufregend, berauschend.

Der Fahrtwind fegt meine Haare nach hinten, sie flattern, wie die Mähne meines Pferdes. Es scheint sein Bestes zu geben, scheint beinahe zu fliegen. Unsere Kutschen liegen gleich auf und die Pferde keuchen, Schaum fällt in großen Flocken von ihren Mäulern, Schweiß glänzt auf ihren schimmernden Flanken. Ich werfe einen Blick zu Hieratus hinüber. Seine Augen leuchten und er schreit und lacht. Pure Lebensfreude rauscht durch meine Adern, so habe ich noch nie empfunden - So … lebendig!
 

Die OZE Ergebnisse sind eingetroffen und ich habe in fast allen Fächern mit „Außerordentlich“ bestanden – in Zaubertränken sogar als Klassenbester mit mehr als der vollen Punktzahl. (nur in Verwandlungen hat es lediglich für ein befriedigend gereicht). Wundert mich eigentlich, so schlecht, wie es mir bei der zweiten Hälfte der Prüfungen gegangen ist.

Hieratus hilft mir, die Unterlagen für St Mungos zusammen zu stellen. Ich habe von so was nicht die geringste Ahnung. Wer hätte es mir auch zeigen sollen? Wir hatten zwar letztes Jahr Berufsberatung, aber Leech weiss schon seit drei Jahren, was ich werden will und hatte mir nicht mehr viel dazu zu sagen, nur dass meine Noten für meine Pläne ausreichen. Wie und wann man sich bewirbt, davon hat er mir nichts erzählt, doch Hieratus kennt sich aus und er ist mir eine echte Hilfe.


 

Bewerbung und Träume

W

ir reisen mit Flohpuder direkt nach St Mungos. Die Hexe am Empfang ist gelangweilt und gibt den Leuten vor mir in der Schlange kurze, schnippische Antworten. Als ich dran bin, bringe ich höflich mein Anliegen vor und sie ruft nach einem Heiler. Nach einiger Zeit erscheint ein ältlicher Mann, er trägt einen limonengrünen Umhang und führt mich in ein kleines Büro. Hieratus wird in der Empfangshalle auf mich warten.

„Sie möchten sich also hier um einen Ausbildungsplatz bewerben, Mr Snape?“

„Ja, Sir.“

Er blättert aufmerksam und interessiert in meinen Unterlagen, brummt, nickt, scheint zufrieden zu sein.

„Sie sind sehr früh dran, Mr Snape.“

„Ja Sir, aber es liegt mir wirklich sehr viel an dieser Ausbildung und ich möchte nicht zu spät dran sein.“

„An welche Fachrichtung haben sie genau gedacht?“

„Tränke, Sir.“

„Hhm? Tränke. Ja, ihre Noten sprechen für sie. Wenn sie die GAME genauso gut abschließen, wie die OZE, können sie sofort hier anfangen, wenn sie das dann noch wollen.“

„Danke, Sir. Ich möchte diese Karriere schon ewig einschlagen, also glaube ich nicht, dass sich in den nächsten zwei Jahren etwas daran ändern wird.“

„Sehr schön, Mr Snape, wenn sie ihre GAME Ergebnisse haben, melden sie sich wieder bei uns. Ich werde sie vormerken.“

„Danke, Sir.“

„Ein Hinweis auf ihren weiteren Weg, Mr Snape, ruhen sie sich nicht auf ihren Lorbeeren aus, zu viele haben das schon getan und damit ihre glänzenden Möglichkeiten verspielt.“

„Ja, Sir. Danke, Sir. Ich werde daran denken.“

Er entlässt mich mit einem Winken seiner Hand und ich bin ganz durch den Wind - so schnell, so leicht - ich habe es mir schwieriger vorgestellt, hier eine Ausbildung zu bekommen. Hieratus wartet auf mich, sieht meine Freude.

„Ein Grund zum Feiern?“ will er wissen.

Ich nicke nur, denn ich kann nicht sprechen, ich bin zu aufgedreht. Wir reisen mit Flohpuder weiter in den Tropfenden Kessel und entschließen uns, etwas zu Essen, was zu Trinken. Ich war heute Morgen viel zu aufgeregt, etwas hinunter zu bringen. Ich trinke nur Kürbissaft, will meinem überdrehten Magen kein Butterbier zumuten. Hieratus versteht und trinkt auch Kürbissaft, obwohl er Butterbier viel lieber mag.

Ich brauche schon wieder neue Kleidung, mir ist schon wieder alles zu klein, denn ich wachse immer noch und das recht schnell. Hieratus schlägt mir vor, auch andere Roben zu kaufen, als die, die ich für die Schule brauche. Gute Idee. Ich habe noch eine Menge Gold, denn ich habe wirklich gut verdient.

Smaragdgrün und dezentes Silber - die Farben von Slytherin - nicht schlecht. Sie stehen mir recht gut und Hieratus nickt zufrieden, auch er wählt Roben in dieser Farbe für sich selbst aus.

Wir sind schwer bepackt, als wir uns zu Ollivanders aufmachen. Ich will wirklich einen neuen Zauberstab haben, denn mein alter erinnert mich immer noch an meinen Vater und eine Erinnerung an den alten Bastard ist wirklich das Letzte, was ich brauche.

Ollivander passt mir einen Stab an. Es fühlt sich gut an, ihn zu benutzen, er scheint mir viel besser zu gehorchen, als mein Alter. Birke, fünfzehn Zoll, Drachenherzfasern – ich bin verdammt stolz auf das Ding, muss ich zugeben.

Wir streifen weiter durch die Winkelgasse und es gibt hier so viele interessante Dinge. Das letzte Mal, als ich hier war, war ich nur an Lebensmitteln interessiert, jetzt kann ich mit auch andere Sachen leisten. Eine neue Wage, einen neuen Kessel. Ein Haustier? Nein. Mit Haustieren habe ich kein Glück. Sonic – Naga – nee, nicht noch mal. Es tut zu weh sie zu verlieren und auch magische Tiere leben sicher nicht ewig und ihnen kann immer was zustoßen – muss nicht sein.

Ich brauche eine Menge neuer Trankzutaten, denn ich habe nicht mehr allzu große Vorräte - zu viele Extratränke, letztes Jahr. Einige von den Dingen, die ich brauche, sehe ich allerdings nirgends in der Winkelgasse - alles Sachen, die ich in der Hinterlassenschaft meines Vaters gefunden habe – und so frage ich Hieratus danach.

„Das ist schwarzes Zeug“, meint er leise, fast flüsternd. „Das bekommst du in der Nocturngasse, aber sprich leise, wir könnten echt Ärger bekommen, wenn man uns hier hört.“

„Warum?“ frage ich.

„Wir sind noch Jugendliche und das ist ziemlich übles Zeug. Ich glaube aber nicht, dass du in der Nocturngasse Probleme haben wirst, es zu bekommen, dort bekommst du alles, wenn du dafür bezahlst und du siehst wirklich wie ein Erwachsener aus.“

Ich nicke. Jeder hier hat mich wie einen Erwachsenen behandelt und mich mit „Sir“ angesprochen. Hieratus reden sie mit „Master“ an, wie einen Jugendlichen. Eigenartig.

„Dann lass uns dorthin gehen“, antworte ich.

Und wirklich, in der Nocturngasse bekomme ich alles, was ich suche. Ohne Fragen, ohne schiefe Blicke, ohne die geringsten Probleme. Hieratus zieht einige argwöhnische Blicke auf sich, da er aber nichts kaufen will, stellt keiner weitere Fragen.

Bepackt, wie die Maulesel, kehren wir ins Landhaus zurück. Hieratus muss mir beim Tragen helfen, soviel habe ich gekauft. Jetzt bin ich aber auch nahezu pleite. Nun ja, in Hogwarts lässt sich wieder Gold verdienen.
 

Wir sitzen an den Abenden oft stundenlang in der Bibliothek und spielen Schach. Ich habe seit zwei Jahren nicht mehr gespielt (mit wem den auch?) aber ich habe nichts vergessen, im Gegenteil, ich bin viel besser geworden. Es gelingt mir jetzt, ihn drei von viermal zu schlagen. Dann grinst er mich jedes Mal an und seine Augen funkeln amüsiert. Er spielt aus Freude am Spiel, ich spiele um zu gewinnen ... wenn ich schon sonst meistens verliere, dann habe ich wenigstens hierbei eine reelle Chance.

Auch hier schlafe ich so schlecht, wie ich es gewohnt bin, aber das macht nichts, die Bibliothek des Hauses ist mehr als nur interessant und füllt mir die dunkeln Stunden in einer angenehmen Art aus.

Unsere Tage sind erfüllt mit diesen wunderbaren, erregenden Wagenrennen und mit gemächlicheren Fahrten über den Besitz. Hieratus zeigt mir alles. Schließlich schlägt er mir vor, ein paar Tage in den Hügeln, die den Besitz begrenzen zu zelten und ich bin mit Freuden einverstanden. Dieser Sommer war seit langer Zeit, die beste Zeit, die ich hatte, keine Vorschriften, keine Zwänge, keine Sorgen.

Damals, nach meinem ersten Jahr in Hogwarts, habe ich auf meiner Lichtung campiert - allein - jetzt ist das etwas ganz anderes. Hieratus besitzt ein richtiges Zelt und es ist sehr geräumig. Warme, weiche Schlafsäcke, jede Menge Sachen, die man zum Leben im Freien braucht.

Wir sind mit der Kutsche hergekommen und jetzt zeigt er mir, wie man das Zelt aufbaut. Jeder hat eine eigene Kabine, in der wir schlafen können und Hieratus scheint so was schon öfters gemacht zu haben. Wir reden, planen, Hoffnungen, Ideen, Zukunftsträume...

„Weist du, wenn ich volljährig bin, bekomme ich eine eigene Wohnung in der Stadt“, meint er. „Wenn du Lust hast, kannst du dann bei mir einziehen. Wäre nicht schlecht, wenn du später in St Mungos arbeitest, dass du dann in London lebst.“

„Hhm“, meine ich. „Ich nehme gerne an, aber ich möchte dir nicht zu Last fallen.“

„Nee, du bist Willkommen, mehr als nur das. Wenn du dir später eine eigene Wohnung leisten kannst, kannst du ja wieder ausziehen.“

„Danke, Alter, du bist ein echter Freund.“

„Du auch, Severus, du auch. Deine Briefe waren oft das Einzige, was mir meine Zeit in Dumstrang erträglich gemacht hat. Meine Eltern haben mir nie geschrieben und ich hatte oft schreckliches Heimweh.“

Er verstummt und schaut mich mit seinen traurigen Hundeaugen an, er scheint plötzlich schrecklich verlegen zu sein. Unvermittelt springt er auf und zündet draußen ein Lagerfeuer an, wirft ein paar Würstchen auf einen Grillrost und lässt sie vor sich hinbrutzeln. Ich setze mich neben ihn - es wird langsam dunkel - starre in das flackernde Feuer und hänge meinen Gedanken nach. Zum ersten Mal fühle ich mich nicht mehr einsam oder allein. Die ganze Situation löst in mir ein Gefühl unglaublicher, tiefer Verbundenheit mit meinem Freund aus.

Empfinden das Potter und Black füreinander? Ja, wahrscheinlich. Das erklärt vieles. Wie sie für einander einstehen, sich gegenseitig helfen, einer den anderen verteidigt. Es ist, als ginge in meinem Kopf ein ganzer Kronleuchter auf. Ich habe sie immer um ihre Freundschaft beneidet, wusste aber eigentlich gar nicht genau, um was ich sie da beneidet habe, jetzt verstehe ich es endlich – wenigstens so irgendwie - es ist mehr als nur gemeinsam abzuhängen, mehr als nur miteinander Spaß zu haben, viel mehr … denke ich wenigstens.

Ich möchte mich meinem Freund irgendwie mitteilen, aber mir fallen keine geeigneten Worte ein. Meine Gefühle sind so intensiv, als ich so in das Feuer starre, dass ich regelrecht explodieren könnte, aber Worte … Worte, habe ich keine dafür…

Als ich aufblicke, sehe ich, dass Hieratus Blick auf mir ruht und ich schaue ihn mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an.

„Ich kann mir vorstellen, was dich im Moment bewegt“, beantwortet er meine unausgesprochene Frage. „Ich empfinde genau so, auch wenn ich keine rechten Worte dafür habe.“

„Du verstehst?“ murmle ich überrascht.

„Yeah! Vollkommen ... Blutsbrüder…“

„Yeah, Blutsbrüder.“ Er versteht es wirklich.

Damit ist eigentlich alles gesagt, ein einfaches Wort für sehr komplexe Gefühle … Blutsbrüder … das fasst es zusammen.
 

In dieser Nacht habe ich einen wirklich eigenartigen Traum. Ich bin wieder auf der Lichtung an der Quelle im Verbotenen Wald und beobachte Sirius, aber irgendwie ist es nicht wirklich Sirius oder nicht ausschließlich, es ist auch etwas von Hieratus in der Gestalt an der Quelle. Wieder höre ich die Worte, die er damals gesagt hat, glaube zumindest sie zu hören. Ich kann zwar die Laute hören, aber sie ergeben keinen Sinn – sie klingen, wie eine fremde, mir unbekannte Sprache – und ich kenne eine ganze Menge fremde Sprachen – brauche sie für alte Rezepte...
 

„Erraktu erre, sanu basku mani. Nor sentu mai.

Kari hori nati biasku hati erre. Nor sentu mai.

Este makuri farre sati elar for. Nor sentu mai.“
 

Wirklich eigenartige Worte, gesprochen von einer seltsamen Stimme, eine Mischung aus Sirius, Hieratus und etwas gänzlich Anderem. Die Gestalt steigt aus dem Wasser und verwandelt sich plötzlich in einen Werwolf. Das groteske Wesen springt in meine Richtung. Es fliegt regelrecht auf mich zu und sein Sprung scheint Äonen zu dauern. Die Fänge sind gebleckt, die Klauen nach mir ausgesteckt und ich bin wie gelähmt – starr vor Angst - kann mich nicht bewegen, dann hat das Ungeheurer mich erreicht und schlägt mir seine scharfen Zähne in den Hals...

Mit einem keuchenden Schrei wache ich auf und finde mich aufrecht sitzend in meinem Schlafsack wieder, neben mir murmelt Hieratus.

„Was ist, Severus? Fehlt dir was?“

„Nichts, Kumpel, nur ein Alptraum. Schlaf einfach weiter, OK?“

Er brummelt vor sich hin, bewegt sich raschelnd und schläft wohl sofort wieder ein, denn seine Atemzüge sind ruhig und gleichmäßig.

Wirklich ein eigenartiger Traum. Soll das heißen, dass jede Art von Zuneigung für mich gefährlich werden könnte? - sowas will ich einfach nicht glauben - oder soll es bedeuten, dass Hieratus das für mich sein könnte, was ich mir von Sirius in den dunkelsten Stunden der Nacht so sehnlich wünsche?

Hieratus berühren? Mich von Hieratus berühren lassen? Mich schaudert. Nein, so sehr ich Hieratus auch mag, so sehr er mein Freund ist, das möchte ich nicht, das ist nichts, was meine schlaflosen, einsamen Nächte füllen könnte…

Plötzlich steht das unverschämt hübsche Gesicht von Sirius vor meinem geistigen Auge. Seine Augen funkeln, blitzen, er lacht sein tollkühnes Zum-Teufel-Lachen. Sirius, geliebter Feind…

„Wer liebt, leidet.“

Leide ich? – Nein, der Traum war seltsam und ich fühle mich seltsam. Aber leiden? Nein, leiden tue ich keineswegs, das fühlt sich anders an, das weis ich nur zu genau.

Die Nacht auf der Lichtung - als wäre sie gestern gewesen, so steht sie jetzt in meinen Gedanken. Der nackte Körper im Mondlicht, schwarzleuchtendes Blut, meine Hände an diesem Körper, waschen das Blut ab, streichen darüber – verstohlen, ungeschickt - ein aufgerichteter Penis, nicht der meine, ein fremder, der von Sirius ... geliebter Feind…

Ich gleite aus meinem Schlafsack, schlüpfe aus meinem Nachthemd, liege nackt in meinem Abteil. Nur durch eine dünne Bahn Leinwand von meinem Blutsbruder getrennt, aber nicht sein Körper beschäftigt meine Phantasie, es ist ein gänzlich anderer. Meine Hände gleiten über meinen Körper und ich male mir aus, es wäre der von Sirius - Glatt, hell, schimmernd im Mondlicht - weiches Haar unter meinen Fingern. Sirius hatte damals noch keins auf der Brust, ob ihm inzwischen welches gewachsen ist? Wahrscheinlich - er ist sechzehn, genau wie ich, keine Ahnung, wann er es geworden ist, keine Ahnung, wann er Geburtstag hat.

Zwillinge!

Ich dunkel, er hell, obwohl wir die gleichen schwarzen Haare und Augen haben, aber er ist der reinere, meine Seele ist finsterer - die ganzen Tränke, einige davon alles andere als nett - Schwarze Magie? - Macht? - Nicht nur - Wissen? - Ja, Wissen.

Weiter gleiten meine Hände über meinen Körper. So viele Gedanken, so viele Gefühle, kann alles nicht richtig einordnen. Ich bin, wie ich bin, aber nicht nur das. ich bin auch der, der ich bin - Severus Snape - Nur ein Namen und ich muss eine Person daraus machen, jemand, den man kennt, jemand, den man achtet.

Die Blicke der jüngeren Schüler im Zug – ängstlich, furchtsam - Gefällt mir nicht, ich will ihre Achtung, nicht ihre Angst – Respekt - das ist das richtige Wort – ja Respekt.

Es ist irgendwie schön, meine nackte Haut unter meinen Fingern zu spüren und ein kühler Windhauch bringt mich unvermittelt zum Zittern - erregt mich. Mir ist nicht kalt, ich bin nur in einer recht seltsamen Stimmung - das Lagerfeuer und Hieratus Verstehen - Der Traum - die Lichtung und der Werwolf - Sirius Gesicht vor meinem geistigen Auge. Mir ist, als würde etwas an meiner Seele zerren, an mir in verschiedene Richtungen reißen. Bin ich gut? - Bin ich böse? Wer und was bin ich eigentlich? Ich bin ich. Etwas anderes kann ich ja auch gar nicht sein. Meine Gedanken treiben rund und rund, zerfasern und ich schlafe ein.

Ich schlafe traumlos bis zum Morgen.

„Kommst du frühstücken?“ weckt mich Hieratus muntere Stimme und ich schrecke hoch.

Immer noch liege ich nackt auf meinem Schlafsack und mein Sperma klebt zwischen meinen Beinen, muss im Schlaf passiert sein, kann mich nicht daran erinnern - Egal. Es ist Morgen und die Ferien sind bald zu Ende, aber irgendetwas in mir hat sich verändert.

„Ich bin der, der ich bin.“
 

Dieser Satz bleibt in mir haften, bestimmt meine zukünftigen Handlungen – auch wenn ich mich zuzeiten immer wieder frage, wer oder was das eigentlich sein soll – Ich...?

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kanoe
2010-05-25T11:14:59+00:00 25.05.2010 13:14
auch ein schönes kapitel
das "ich bin der der ich bin" stimmt aber für jeden und manchmal merkt man auch ohne das man weiß was ich ist das man sich fremd wird
Von: abgemeldet
2006-05-26T19:36:38+00:00 26.05.2006 21:36
Hey,
also die Kapis waren echt hart!Boah!
Voll traurig und so voller leid und doch kein Ahnung!Ich kann das nicht in Worte fassen.
Aufjedenfall find ich es echt gut!
Sag mir dann wieder bescheid,wenn es weitergeht!
BYe


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