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Der Schleier der Nacht

von

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Kapitel 2

Kapitel 2
 

Während des Rittes verfielen die beiden eingehüllten Gestalten in ein angeregtes Gespräch, denn Herbert wollte unbedingt wissen, was Alfred dazu verleitete, mitten im Winter in das verschneite Transsylvanien zu reisen. Nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte. Im Gegenteil, so ein hübscher und niedlicher Jüngling war ihm seit dem Pagen Napoleons lange nicht mehr unter die Augen gekommen. Die meisten fürchteten sich vor der Dunkelheit, die das Schloss seines Vaters ausstrahlte, und blieben lieber in ihrem Dorf. Diverse Mitschuld trugen auch die Gerüchte, dass der Graf gefährlich sein konnte und junge Menschen verspeiste. Es war zum Lachen. Die Menschen waren so einfach gestrickt! Hatten Angst vor ihrer eigenen Angst und merkten es nicht einmal...
 

So war Alfred nicht. Obwohl er ein schüchterner, zurückhaltender und furchtsamer Junge war, hatte er einen gewissen Mut, den Herbert sehr schätzte. Ansonsten wäre er wohl einfach in seiner Heimatstadt geblieben, Königsberg, wie Alfred ihm erzählte.
 

Herbert hatte den Kleineren, während dieser von seinen bisherigen Erlebnissen als Nachwuchswissenschaftler berichtete, ganz fest in seinen langen Umhang gewickelt. Es war doch sehr kalt, obwohl der Grafensohn selbst dies kaum mehr verspürte. Alfred jedoch zitterte, schien völlig durchgefroren. Kein Wunder, nach dieser kräftezerrenden Nacht, die dieser durchlebt hatte.
 

Alfred hingegen sträubte sich etwas gegen diese Art von Nähe, immerhin saß da ja ein anderer Mann hinter ihm. Er wusste nicht, ob das richtig war... der Professor hätte sicher etwas dagegen gehabt. Wo war dieser jetzt eigentlich? Immer noch war die Sorge um den alten Herrn in ihm vorhanden, was, wenn Abronsius erfroren war? Von den Wölfen gefressen? Das alles wollte er sich gar nicht ausmalen. Ohne den Professor würde er niemals mehr nach Hause kommen!
 

Unruhig rutschte er im Sattel hin und her, biss sich auf die Unterlippe und ließ geknickt den Kopf hängen. "Herr von Krolock.." flüsterte er schließlich und warf einen Blick über die Schulter. "Ich muss ihn wirklich finden! Ich mache mir Sorgen."
 

Bei diesem Wimmern hätte jedes Herz schwach werden müssen, Herbert jedoch verdrehte nur die Augen. Nicht wegen Alfred, aber wegen diesem alten Kerl. Dieser nervte ihn jetzt schon, und zwar gewaltig. Sollte er bloß bleiben wo er war...
 

Er lächelte matt und strich dem Kleineren durch die Locken. "Er wird sicher nur im Dorf sein und in einer Gaststätte Unterschlupf gefunden haben."

Herbert gab sich Mühe, so glaubhaft und beruhigend wie möglich zu klingen. Wenn er Alfred erstmal auf andere Gedanken brachte, würde dieser den Professor sicher vergessen, da war sich der Weißblonde sicher. "Jetzt solltest du dir aber erstmal unser prächtiges Schloss ansehen!", fügte er säuselnd hinzu und deutete mit dem Zeigefinger nach vorne. Sein Pferd überwand gerade einen kleinen Hügel, wodurch Alfred ein kleines Stückchen nach hinten und somit gegen seinen Oberkörper rutschte. Nicht, dass das Absicht gewesen wäre.
 

Nach diesem Hügel lichtete sich der Wald und gab den Blick auf ein prächtiges Panorama preis. Vor ihnen erstreckte sich das große Anwesen, dessen Zinntürme hoch in den Nachthimmel ragten. Selbst für Herbert, der ja nun lange Zeit in diesen Gemäuern "lebte", war es ein atemberaubender Anblick.
 

Alfred konnte nicht fassen, was er da sah. Er war ja jetzt schon längere Zeit durch die Länder gereist, aber so etwas Herrliches durften seine Augen bisher noch nicht erblicken. Das Schloss war einfach prachtvoll, so wie er es bisher nur in Büchern las. Und darin durfte er nächtigen? Wenn seine Geschwister das nur wüssten! Unauffällig kniff er sich in den Arm, um sich eventuell aus diesem Traum zu reißen, aus dem es aber kein Erwachen gab.
 

"Es ist wundervoll", hauchte Alfred beinahe sprachlos und konnte seinen Blick nicht von dem Anwesen lösen. Der Halbmond stand hinter den Türmen und tauchte diese in ein ganz mattes, unheimliches Licht.
 

"Mich freut es sehr, dass es dir gefällt, kleiner Alfred. Und bevor du fragst, das gehört wirklich meinem Vater."

Belustigt lächelnd ritt Herbert geradewegs auf die großen Stallungen zu, die viele wunderschöne und edle Pferde beherbergte. Er wollte Alfred so viel zeigen, wenn die Nacht nur nicht so kurz wäre.
 

Vor dem Stall angekommen rutschte er vom Rücken seines Hengstes, zog Alfred liebevoll mit sich und in seine Arme. "Chéri, du wirst begeistert sein. Morgen Abend werde ich dir alles zeigen, das verspreche ich dir!"

Mit diesen Worten führte er sein Pferd in den Stall herein, überließ es einem der Knechte und wandte sich wieder dem süßen Goldrauschengel zu der wie bestellt und nicht abgeholt vor den Toren stand.
 

Hatte er ihn gerade wirklich.. Chéri genannt? Sagte man das nicht eigentlich seiner Liebsten? Alfred war ziemlich verwirrt über das merkwürdige Verhalten des Adligen, der sein Gefallen an dem jungen Assistenten mehr als offen zeigte.

Nachdenklich tippte er sich mit dem Zeigefinger gegen das Kinn und beobachtete den Langhaarigen. Vielleicht waren Adlige ja einfach so, er kannte sie doch nur aus Büchern. Er sah Herbert wieder auf sich zukommen. Kurze Zeit später spürte er dessen Arm um seine schmalen Schultern.
 

"Warum so still, mein Schöner? Habe ich dich etwa verschreckt?"

Ein klares Lachen entwich ihm, welches jedoch rasch verhallte, als Alfred weiter schwieg. Der kleine Lockenkopf schien tatsächlich nicht mit seinen Annäherungsversuchen fertig zu werden. Seltsam, jeder andere Jüngling den er kannte war ihm sofort verfallen, allein bei einem Blick in seine Augen...

Alfred war wirklich außergewöhnlich, das musste man ihm lassen.
 

"Schon in Ordnung", erwiderte der Blauäugige leise und starrte auf den Schnee, der ihm zu Füßen lag. Er wollte wirklich nicht unhöflich sein, immerhin erlaubte ihm Herbert ja in seinem Schloss zu schlafen. Mehr noch, er rettete ihm damit sogar das Leben!

Schlechten Gewissens nahm er es deshalb einfach hin, dass er so innig von einem Mann umarmt wurde.
 

Herbert führte den kleineren Mann durch die Schlosstore, bis sie in der gewaltigen Eingangshalle zum Stehen kamen. Im Grunde genommen war sie sehr leer, nichts Besonderes für den Grafensohn. Alfreds Blick sprach aber Bände. Mit halb geöffnetem Mund stand er mitten in der Halle, drehte sich einmal um die eigene Achse und sah sich in der ausführlich um. Diesmal schien es ihm wirklich die Sprache verschlagen zu haben. Lächelnd trat der Adlige hinter Alfred, legte ihm die eiskalten Hände auf die Schultern und folgte seinem Blick, sich langsam zu dessen Ohr herabbeugend. "Dir scheint es zu gefallen, habe ich recht?", flüsterte er und richtete sich wieder auf. "Warte nur, bis du die Bibliothek siehst! Das Musikzimmer! Du wirst einfach begeistert sein.", versprach Herbert und fühlte Enthusiasmus in sich austeigen. Wie lange es schon her war, seit er Jemandem seine ganzen Lieblingszimmer zeigen durfte! Morgen würde er Alfred etwas auf dem Klavier vorspielen, das nahm sich Herbert vor. Schon oft gelang es ihm dadurch, die Herzen seiner Liebhaber zu gewinnen und letztendlich zu behalten.
 

Freudig klatschte er in die Hände, er hatte so viel vor!

Jetzt aber wollte er erst einmal das Vertrauen dieses kleinen Engels gewinnen und er wusste auch schon wie. Mit einem lauten "Kokoul!", bestellte er den buckligen Schlossdiener in die Eingangshalle.

Wie erwartet schrak Alfred aus seinen Gedanken auf, war Kokoul für Neuankömmlinge immer wieder ein großer Schrecken.

"Er ist nicht gefährlich, Alfred.", beruhigte der Größere und befahl dem Buckligen, ein gutes Essen vorzubereiten. Der Blauäugige sah hungrig und schwer abgemagert aus, eine Tatsache die mütterliche Besorgnis in Herbert weckte.
 

"Habt vielen Dank!", flüsterte Alfred verlegen und lächelte matt. "Aber macht Euch bitte keine Umstände wegen mir."

Der junge Wissenschaftler stellte die schwere Tasche auf dem Boden ab weil ihm der Rücken schon schmerzte durch das ganze Tragen. Herbert war ein netter Mensch, dachte er sich und musterte diesen von oben bis unten. Und ein sehr hübscher ebenfalls.

Er würde ihm bestimmt nichts Böses wollen, oder? Sonst würde Herbert sich doch nicht so bemühen...
 

"Aber nicht doch, Chéri! Du sollst hier essen und schlafen können soviel du willst. Du musst so viel durchgemacht haben, aber das ist jetzt vorbei. Schon morgen wird es dir viel besser gehen, das verspreche ich dir!"

Wieder legte er ihm seinen Arm um die Schultern, ließ Kokoul dann die Tasche in ein Gästezimmer tragen und führte Alfred einmal durch die ganze Halle. Er wusste, dass er dem jungen Mann viel versprach. Aber er hatte auch vor, all dies zu erfüllen. Ihm tat der Jüngling Leid - Leid dafür dass er schon seit seiner Kindheit auf die schönen Dinge im Leben verzichten musste. All das wegen einem alten Professor, dessen Seele durch die Wissenschaft vergiftet worden war.
 

"Ich weiß gar nicht, wie ich mich bedanken soll. Ihr tut so viel für mich!"

Jetzt strahlte Alfred über das ganze Gesicht und er wehrte sich nicht mal mehr gegen die Umarmung des Anderen. So nett war der Professor nie gewesen, immer durfte Alfred ihm alles nachtragen und bekam selten Pause. Aber wenn er Pause bekam, dann musste er meist Bücher lesen oder auswendig lernen, was oft eine ganze Nacht in Anspruch nahm.
 

Er ließ sich mitführen, blieb dann aber aufgrund seines heftigen Magenknurrens stehen. Wenn er sich recht besann, hatte er bereits seit vierzehn Tagen keine warme Mahlzeit mehr zu sich genommen. Ein Grund mehr, warum seine Sorge um den alten Abronsius schwand.
 

"Nun denn, wir sollten uns schon mal in die Küche begeben. Ich habe mich also nicht geirrt, du bist wirklich sehr hungrig Chéri."

Herbert schnalzte besorgt mit der Zunge und führte Alfred an der Hand die hohe Wendeltreppe hinauf, die in den ersten Stock führte. Kokoul würde noch nicht fertig mit dem Kochen sein, aber im Kaminzimmer standen immer noch die frisch gebackenen Plätzchen die der Schlossdiener noch an diesem Nachmittag bereitgestellt hatte.
 

"Bediene dich doch, Alfred. Du musst wissen, Kokoul backt die besten Kekse weit und breit!"

Herbert wies Alfred mit einer Handgeste an, sich doch auf dem gepolsterten Sessel niederzulassen. Er selbst setzte sich in den gegenüber stehenden und schlug die langen Beine übereinander. "Und dann erzählst du mir noch ein bisschen, in Ordnung? Was hat die Forschung mit dem Professor denn schon gebracht?"
 

Herbert wusste, dass er neugierig war, aber er wollte, dass Alfred noch etwas aus sich herauskam. Schon auf dem Ritt zum Schloss gab der Jüngling viel aus seiner Vergangenheit preis.
 

Dankend ließ sich Alfred auf dem Sessel nieder, griff zögernd und auch nur auf den Hinweis des Grafensohnes nach einem der Plätzchen. "Nun ja", entgegnete er und biss ein Stück von dem knusprigen Gebäck ab. "Wisst Ihr, der Professor ist ein leidenschaftlicher Forscher. Ein Vampirforscher, um genau zu sein."

Seine Stimmlage ging in ein Flüstern über und er ließ das Plätzchen sinken. Bei Gott, er war ja so froh solchen Blutsaugern nicht begegnet zu sein!
 

"Vampirforscher, also Nosferatu - Blutsauger?" wollte Herbert gespielt interessiert wissen und unterdrückte mit Mühe ein Lächeln. Wenn Alfred nur wüsste, wen er da vor sich sitzen hatte...

"Nun, dann lass mich dir eine Frage stellen." Sich räuspernd sah er dem Anderen direkt in die meerblauen Augen und neigte den Kopf leicht zur Seite. "Glaubst du denn an Vampire?"
 

Alfred wollte den Blick schon abwenden, ins Kaminfeuer sehen und damit den durchdringenden Augen des Anderen entkommen. Was sollte die Frage jetzt? Natürlich glaubte er an Vampire! Daran glaubte doch jeder!

"Ja, ich... ich glaube schon an Vampire..", gestand er leise und spielte nervös mit seinen Fingern. "Es gibt sie bestimmt, da draußen irgendwo - auch wenn ich sehr froh bin, solchen Geschöpfen noch nicht begegnet zu sein."
 

Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken und letztendlich starrte er doch in das prasselnde Feuer, das die Holzscheite gierig und hungrig zerfraß. Flüsternd fügte der Jüngling hinzu, dass ihm der Professor schon allerlei unheimliche Dinge über diese Blutsauger erzählte - aus eigenen Erfahrungen, wie er sagte.
 

"Nun, Alfred."

Herbert lehnte sich zurück und streckte sich katzenartig. Sein Blick wich nicht von dem kleinen Körper, der so zusammengekauert vor ihm saß. Anscheinend war Alfred dieses Thema nicht geheuer, auch wenn er es selbst erforschte.

"Ich denke, dass viele Dinge, die über Vampire berichtet werden, gar nicht stimmen... auch wenn es dein Professor sagt." Etwas abwesend sah er durch den Raum hindurch, sein Blick blieb auf den staubigen Bücherregalen hängen die nicht mal halb so groß waren wie in der Bibliothek.
 

"Wie meint Ihr das?", wollte Alfred leise wissen und richtete sich interessiert auf. Herbert war kein Vampirforscher, woher sollte es er dies also wissen?

"Seid ihr am Ende selbst einer?", scherzte er und lachte leise auf. Dass er damit ins Schwarze traf ahnte er natürlich nicht, warum auch? Vampire lebten doch nur in... großen, dunklen Schlössern.. In solch einem Schloss saß er in diesem Moment und unterhielt sich mit dem Sohn des Grafen. Ängstlich geworden rutschte er auf den Polstern umher und verkrampfte die Finger im Saum seiner Jacke. Nein, sagte er sich. Wäre Herbert ein Vampir, hätte er ihm doch schon längst in den Hals gebissen!
 

Herbert schmunzelte und wendete sich dem Kleineren erneut zu. Warum sollte er eigentlich lügen? Früher oder später hätte Alfred es ohnehin herausgefunden und wäre dadurch umso schockierter.
 

"Ja.", gab er offen und ehrlich zu und lächelte verführerisch. Er rührte sich nicht vom Fleck, blieb ruhig auf dem Sessel sitzen. Alfred tat ihm fast schon ein bisschen leid, er musste ihn wirklich erschreckt haben. Seine Gesichtsfarbe war gewichen, die Augen riesig und der ganze Körper angespannt. wie ein Brett.
 

"Und was gedenkst du nun zu tun?"



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