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To be forgiven

Zeig mir das Licht
von

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Knocked down

Mit dem Besuch hatte keiner gerechnet; sie waren gerade mit sich selbst beschäftigt gewesen, aber derjenige an der Tür war hartnäckig gewesen und demnach hatte man ihm geöffnet, nachdem Yuichi nachschauen gegangen war, wer diese Person denn war. Weil es Sêiichî derweil nicht besonders gut ging, hatte er ihn natürlich nicht vor der Tür stehen lassen. Rena hatte sich während ihr Freund an der Tür gewesen war, ihre Bluse wieder richtig angezogen, die halb offen gewesen war, weil Yuichi seine Hände nicht davon hatte weg lassen können.

Leider war er dann in die Küche verschwunden, wo die Tür einen Spalt breit offen stand, so dass Rena hineinlugte und daraufhin Sêiichî gegen den Tisch gelehnt ausmachen konnte – ganz in Schwarz, wahrscheinlich direkt von einem Auftrag gekommen, so sah er aus.

„Tja, ich musste da mal weg, mir ist die Decke auf den Kopf gefallen. Wenn sie mich nicht ablenkt, geht’s mir beschissen.“

„Bist du also noch triebgesteuerter, wenn es dir schlecht geht, oder was meinst du?“

Ein Seufzen war zu hören, denn Sêiichî schien für solche Witze im Moment nicht empfänglich zu sein.

„Ich denke jedes Mal, wenn wir kurz davor sind, wie es war, als...“ Um nicht die Beherrschung zu verlieren, schloss der 25-jährige die Augen und griff sich an die Stirn, als würde sein Schädel brummen.

„Wie was war?“

Musste er das so genau wissen? Einen Moment zögerte der Jüngere, dann entschied er sich allerdings doch zu antworten und sich alles von der Seele zu reden. „Der Boss hat ihr gedroht... Sie soll ihm doch beweisen, dass nichts zwischen uns läuft.“ Ein angewiderter Ton war dem Blauäugigen gegeben. „Den Rest kannst du dir denken, oder...?“

Sêiichî klang, als würde er sich ekeln und hätte deswegen nicht mehr mit ihr ins Bett gehen können, dabei konnte sie dafür eigentlich nur halbwegs etwas, doch so war es nicht, er fand den Gedanken, dass man sie zwang immer noch am schlimmsten. „Er hat sie fies erpresst... Als ich neulich zu einem Gespräch gekommen bin, hat er vor Jami und mir damit geprahlt. Ist das nicht ekelhaft?“

„Er will eigentlich nur, dass du einen Fehler machst, er wartet darauf. An deiner Stelle würde ich auf so was gar nicht erst eingehen, damit zeigst du ihm nur, dass es dir nicht egal ist, was zwischen ihnen war.“ Ob war das richtige Wort war? Man wusste ja nicht, ob der Boss Derartiges erneut versuchen würde.

„Das Schlimmste ist, dass sie sich jetzt ganz seltsam verhält, als wenn sie ein schlechtes Gewissen hat – ich bin ihr nicht böse, es macht mich nur traurig, dass er mittlerweile alles dafür tut, um sie zu kriegen. Und kalt sein, das habe ich mit der Zeit gelernt, ich gehe auf seine verdammten Stichelleien nicht ein. Ich weiß, dass sie nichts für ihn übrig hat und sehe es auch nicht als einen Betrug an – dazu hätte ich ohnehin nicht das geringste Recht, wo ich es doch ständig getan habe, auch noch mutwillig. Sie hat es Zweifelszerstreuung genannt... Sie hat das meinetwegen gemacht, ich sollte das schlechte Gewissen haben. Nur, weil ich sie unbedingt gewollt habe, muss sie jetzt solche abartigen Sachen machen... Sie hält mich wohl für einen Schwächling... Sie muss mich ja vor dem Boss beschützen...“ Das kotzte ihn auf gewisse Weise ziemlich an.

Sêiichî tat sich selbst Leid; was sollte Yuichi dazu schon sagen?

Bevor er überhaupt zu etwas ansetzen konnte, öffnete Rena die Tür und schaute den Jüngeren schockiert an. „Er hat mit ihr...? Die haben...?“ Sie konnte es gar nicht aussprechen, so eklig war das. „Oh man, da kann ich ja froh sein, dass der Boss mich nicht so sehr mag wie sie.“

Yuichi wollte sich das nicht vorstellen, wenn er der Dumme wäre, der den Liebling vom Boss liebte. Die Vorstellung, dass Rena mit ihm zusammen sein müsste, obwohl sie es nicht wollte, gefiel ihm gar nicht. Er wusste, wie Sêiichî sich jetzt fühlte.

Durch seine Gedanken wurde Yuichis Gesichtsausdruck einerseits traurig, aber auch auf gewisse Weise ein wenig wütend, was er stark zu unterdrücken versuchte, aber ein Hauch dessen war dennoch sichtbar. Man konnte ihm ansehen, wie abartig er die Spiele des Bosses fand. Wenn er sie hatte überzeugen können, und er sie dermaßen beeinflussen konnte, musste diesem Mann klar sein, dass sie etwas für Cognac übrig hatte, sonst wäre er ja nie auf diese Idee gekommen – Sorge kam noch zu den anderen Gefühlen hinzu; ja, er sorgte sich um Sêiichî. Ein Fehler und er war schnell aus dem Spiel draußen. Wenn er nicht gekonnt seine Gefühle abstellen konnte, würden auch andere darüber Bescheid wissen, einige wussten es sowieso. Vielleicht hatten diese Leute auch ihren Mund aufgemacht und nebenbei beim Boss geschleimt, indem sie Cognac ans Messer lieferten? Man konnte ja nie so genau wissen. Vielleicht wollte er seinen Freund nur noch etwas quälen, bis er ihn ganz in den Wind schoss.

Während Yuichi sich weiterhin Gedanken machte, ließ er Sêiichî reden, das würde ihm ganz gut tun.

„Tja, Rena, das kannst du auch als Glück ansehen. Wenn der Boss wieder sauer auf sie war, hat er sie zu sich geholt und eingesperrt, da hatte niemand von uns etwas von ihr – außerdem hat er entschieden, dass ihre Karriere Pause macht! Er kontrolliert doch alles, was sie tut. Auch ihr Herz will er kontrollieren, dafür tut er alles. Ich hätte Lust, ihm ins Gesicht zu sagen, dass wir uns lieben, gerade weil er so große Töne spuckt. So wie der sich aufführt... bah. Sie würde ihn lieben und keiner von uns Handlangern hätte eine Chance, sie bräuchte einen so mächtigen Mann, wie ihn!“ Ungewollt wurde Sêiichîs Stimme lauter, unbeherrschter und auch energischer, er regte sich wohl sehr auf. Besser er ließ es hier raus, als direkt vor dem Boss, was die Schlinge um seinen Hals endgültig zuziehen würde. „Und weil das ja nicht schon schlimm genug war, hat er ihr perverses Zeug auf die Mailbox geredet! Man, ist der widerlich, der hält sich für supertoll, nur weil er so superreich ist – das hat der sowieso alles erbeutet!“ Sêiichî lachte sarkastisch auf, wurde jetzt wohl schnippisch. „Nur zu dumm, dass ihre Liebe nicht käuflich ist und sie mittlerweile nichts mehr für materielle Dinge übrig hat und ihr andere Dinge wichtig sind. Sie hat ja ständig mit Reichen zu tun, die sind irgendwie alle gleich bescheuert!“ Seit er ihn und andere abgehobene Personen kannte, konnte er die Reichen gar nicht mehr leiden. Valpolicella und der Boss dachten doch beide gleich. Sie meinten durch Geld alles erreichen zu können, und wenn das nicht funktionierte, dann ließen sie Waffen sprechen.

Nachdem Sêiichî wütend gewesen war, dämpfte er den Zorn und seufzte, während er sich mit geschlossenen Augen gegen den Kühlschrank gleiten ließ. „Manchmal denke ich, ich kann das nicht mehr ertragen... kaum zu glauben, dass ich an ihren Gefühlen gezweifelt habe, immerhin nimmt sie alles für mich in Kauf, das soll sie nicht, aber sie ist stur...“ Ein trauriges Lächeln kam in seinem Gesicht auf. „Jetzt kann er sie mit ihren eigenen Gefühlen erpressen, ich bin so blöd, ich hätte nie zulassen dürfen, dass sie sich in mich verliebt – als kaltes Biest ist sie echt besser dran.“

„Mach dich nicht selbst runter – er ist an allem schuld, nicht du!“ meinte Rena, kam auf ihn zu und legte ihre Hand auf seiner Schulter ab, sodass er sie ansah und leicht verwirrt wirkte.

„Nett von dir, aber auf gewisse Weise habe ich alles in die Wege geleitet, meinetwegen leidet sie, wisst ihr, was für ein Gefühl das ist?“

Yuichi zog scharf Luft ein, denn ihm war klar, was Sêiichî meinte. Seine Freundin hatte mit seiner Verehrerin ja auch ständig Ärger, wie hätte er das nicht verstehen können? „Ich denke, er weiß das“, sagte Rena bekümmert, die nicht wollte, dass ihr Freund sich an den Attacken dieser Frau auch noch die Schuld gab, aber sie war sicher, dass es so war.

„Tut mir Leid, ihr habt es nicht leichter, aber ich heule euch die Ohren voll.“ Man konnte Reue hören, er war nun mal kein Mensch, der anderen solche Dinge sagte, es sei denn, er konnte wirklich nicht mehr alleine damit fertig werden. Nicht umsonst hatte er schon als Kind alles in sich hinein gefressen.

„In Liebesdingen vielleicht nicht...“ Rena dachte daran, was man ihm noch alles antat; dass er seinesgleichen ermorden musste, sobald man ihm das auftrug.

„Das habe ich mir selbst eingebrockt, also muss ich auch alleine damit klarkommen. Solange sie mich nicht in diesem Mist alleine lässt, wird es schon irgendwie weitergehen.“

‚Das weiß sie, denke ich’, Yuichi öffnete jetzt seine Augen wieder. Obwohl er Sêiichîs Gesicht bei seinen Erzählungen nicht gesehen hatte, wusste er, wie er dabei wohl ausgesehen hatte, ‚Wahrscheinlich hat sie auch noch Angst davor, dass er dich töten lässt und ist deswegen mit ihm ins Bett...’ So klang das dem 27-jährigen zumindest, nach dem, was Sêiichî ihnen erzählt hatte.

„Hast du Angst, sie verlässt dich, oder wieso sprichst du es an?“ fragte Rena bekümmert darüber.

„Sie verlässt mich nicht – dazu müsste schon einer von uns sterben.“

„Mal den Teufel doch nicht an die Wand!“ fauchte die Braunhaarige, was ihr gar nicht ähnlich sah, sie konnte solche Aussagen aber nun mal nicht ertragen, schon gar nicht, wenn sie von Leuten kamen, die Yuichi am Herzen lagen.

„Was denn? Das ist nur die Wahrheit! Der Tag, an dem der Boss uns trennt, kann nur kommen, indem er einen von uns ermorden lässt, was wohl nicht sie sein würde...“ Jetzt lachte der 25-jährige, obwohl es nicht nett von ihm war, sich darüber lustig zu machen. ‚Das erleichtert mich... Ihr wird in keinem Fall etwas zustoßen – wenn, dann trifft es bloß mich...’ Eine gewisse Schadenfreude war ihm gegeben, er konnte nicht anders, hielt aber den Mund und sagte es nicht, er hatte schließlich genug – fast zu viel - gesagt.

Yuichi fand, dass Sêiichî damit sehr leichtfertig umging. „Tu nicht so, als hättest du nicht mehr viel zu verlieren!“

„Was denn? Ich stehe mit einem Bein im Grab! Wenn nichts passiert, bin ich bald ganz draußen! Etwas Realismus schadet nie!“

„Hast du keine Angst davor? Denk daran, dass du sie mit unendlicher Trauer und einem gebrochenen Herzen zurücklassen würdest.“ Rena hatte sich das beim besten Willen nicht verkneifen können. „Also rede nicht so darüber.“

„Was denkst du denn, wieso ich brav mache, was man mir sagt? Selbst wenn es mich zerstören sollte, ich kann nicht aufgeben, solange es Menschen gibt, die mich lieben.“ Ohne diese Menschen wäre er längst tot, weil er sich erschossen hätte.

‚Dafür tust du alles – das ist nett gemeint, aber kommst du wirklich klar?’ Ein Blick in Sêiichîs Gesicht sagte alles, er sah nicht nur erschöpft aus, sondern auch irgendwie mit dem Nerven am Ende, psychisch war er nun wirklich nicht in Ordnung. Das schlechte Gewissen erdrückte ihn – das hatte Carpano schon bemerkt, als er das erste Mal gesagt hatte, dass er aufgeflogen war. Aber selbst wenn Sêiichî es hätte verstecken können, wäre es ihm klar gewesen, schließlich kannte er ihn schon eine beachtliche Zeit.
 

Nach Cognacs Besuch bei seinen Freunden hatte der junge Mann noch etwas anderes zu tun. Auch wenn es ihm nicht gefiel, musste er diesen Auftrag noch immer ausführen. Jami würde wohl irgendwo in der Nähe lungern und aufpassen, dass der Jüngere auch tat, was man von ihm verlangte.

‚Warum ist der Kerl zu feige was zu unternehmen? Jetzt habe ich diese Scheiße und muss sie ausführen... Was bringt dieser Mord der Organisation? Er weiß nicht wirklich viel...’ Mit schlechtem Gewissen öffnete er die Tür zum Hotelzimmer, in dem er sich mit seiner Freundin traf. Sie kam gerade aus dem Schlafzimmer und musterte ihn.

„Du bist ja früh zurück... Hattest du nicht noch etwas vor?“

„Ich will nicht, dass Kazumi Ashida mein Gesicht sieht...“

„Aha“, antwortete die Blondine nur, denn ihr war klar, dass Cognac damit meinte, dass sie nachhelfen und sein Gesicht verändern sollte. ‚Tja, Verkleidungen haben so ihre Vorteile, man kann schön unerkannt bleiben und sorgt nicht für unnötige Leichen...’ Ihr kam es aber vor, als würde Sêiichî etwas anderes bezwecken, als einfach nur ungestraft diesen Mord zu begehen. Es war etwas in seinem Gesicht zu erkennen.

„Kennst du Kazumi, oder wieso machst du so ein Gesicht, Darling? So warst du bisher noch nie, wenn es darum ging einen Polizist zu töten. Klar, sie erfahren, dass du sie hintergangen hast, aber wieso willst du es diesmal nicht? Kaum einfach so...“

Ihm war klar, dass die Blondine keine Ausflüchte akzeptieren würde, also versuchte er es gar nicht erst. „Ja, ich habe mich mit ihm unterhalten, ich will nicht, dass er an sich zweifeln muss, nur weil er auf mich reingefallen ist. Wie würdest du das finden, wenn dich jemand umbringt, von dem du das nie gedacht hättest? Mir war so, als würde er mich mögen. Ich kann niemanden umbringen, der mich mag... also darf er mich nicht erkennen...“

Kaum hatte Cognac erklärt, was in ihm vorging, hatte die Schauspielerin auch schon eine Idee. Sie war voller Vorfreude, was ihm auch auffiel, trotzdem sagte der junge Mann nichts. Er würde ohnehin keine Antwort bekommen, wenn er sie jetzt fragte, warum sie sich dermaßen freute.

‚Mal sehen, was sie aus mir macht...’

Sêiichî schaute ihr fasziniert dabei zu, wie sie ihm eine Maske herstellte, so war es immer gewesen, wenn die beiden zusammen gearbeitet hatten. Es war schon öfter vorgekommen, dass sie Verkleidungen für ihn gemacht hatte, jedoch mehr für irgendwelche Opfer der Organisation, die sie verschont hatten. Da konnten sie eigentlich ja richtig stolz auf sich sein. ‚Wenn der Boss jemals erfährt, dass ich da mitgemacht habe, wird er ihn bestrafen, weil er nie auf die Idee käme, dass ich das aus freiem Willen getan habe. Er denkt noch immer, dass es mir Spaß macht, Mörderin zu sein. Was für ein Vollidiot. Mich muss man nicht dazu zwingen, Leute zu verschonen, die durch unglückliche Umstände reingeraten sind... Warum kann ich mich nicht darüber freuen, dass ich so davon kommen würde? So sehr liebe ich ihn? Kann doch nicht sein! Ich habe mir vor Jahren geschworen, nie wieder jemanden so zu lieben, dass es wehtun würde, ihn zu verlieren.’ Vermouth betrachtete ihr Werk und grinste vor sich hin.

„Mach die Augen zu, Sêiichî.“

Er tat, wie ihm geheißen war und spürte etwas Feuchtes auf seiner Haut, trotzdem wagte er es nicht, seine Augen zu öffnen. Der Schwarzhaarige wusste, dass sie ihm die Maske aufsetzte.

„Erschreck nicht, wenn du seine Visage siehst...“ Ja, er würde schockiert sein, denn in seiner Haut zu stecken, würde dem Polizist überhaupt nicht gefallen.

Obwohl die Zeit immer wie im Flug verging, wenn er bei ihrer Arbeit zusah, war es ihm ein Rätsel wie zwei ganze Stunden umgehen konnten, als seien es Minuten.

„Oha! Wer bin ich? So schlimm?“ Sêiichî konnte sich wahrscheinlich nicht vorstellen, was seine Freundin da genau getan hatte. „Sag bloß, jetzt bin ich Teran?“

„Schlimmer als Teran...“

„Um Himmels Willen... Was für einen Massenmörder hast du aus mir gemacht, Schätzchen?“ Warum spannte die ihn jetzt so auf die Folter?

Die Blondine holte einen Spiegel hinter dem Rücken hervor und hielt ihm diesen vors Gesicht. „Bin ich nicht toll? Unverkennbar, wen du darstellen sollst. Jetzt musst du nur noch so richtig dreckig grinsen und mein Werk ist perfekt!“

„Mir wird schlecht, wenn ich dieses Gesicht zu lange sehen muss!“ Etwas aufgebracht schob Sêiichî den Spiegel weg, er wollte wirklich nicht länger als nötig diese Fratze sehen, auch wenn der Schwarzhaarige, den er darstellte, wirklich nicht besonders hässlich war – eher im Gegenteil.

„Gomen, Darling, aber um ihn ist es wirklich nicht schade... Oder nicht? So etwas, was du tun sollst, tut er ja ständig. Ihn darf man sehen... geschieht ihm eh mal nicht anders, dem Mistkerl!“ In der Stimme der blonden Frau lag jede Menge Hass und Verachtung, was Sêiichî zu einem leichten Seufzen brachte.

„Cool down“, meinte der Schwarzhaarige und streichelte sanft ihre Wange.

„Muss das sein, wenn du er bist? Du weißt doch, dass er mich nicht anfassen darf, NEVER!“

Dem 25-jährigen war ein schmollender Ausdruck gegeben. „Schau mich eben nicht an, wenn dir das so zuwider ist, aber ich will trotzdem einen Kuss von dir... So als kleinen Glücksbringer, dass alles glatt läuft und mir nicht irgendwelche Missgeschicke passieren.“

‚Warum hast du es nicht vorher getan...?’ Chris lächelte den Mann an, bei dem echten hätte sie es nie auf diese Weise getan. „Gut, du bist ja nicht er, aber auch nur deswegen. Dieser Mann wird mich nie wieder küssen...“ Bei dem Gedanken wurde ihr fast schlecht, sie wollte nicht mehr daran denken, dass er sie mal geküsst und sogar angefasst hatte – gegen ihren Willen.

„Halt den Mund, Süße...“ Sêiichî zog seine Freundin an sich und küsste sie ungestüm, was typisch für ihn war, außerdem wanderte seine Hand unter ihren Rock und streichelte ihr Bein hinauf.

„Bedaure“, meinte die Frau, nachdem sie sich von ihm gelöst hatte, nahm sie seine Hand von sich und hielt diese fest. „Aber das ist zu viel des Guten. Nicht mal Cognac darf das, er schon gar nicht. Wenn du mich anfassen willst, muss du wieder Sêiichî sein, vorher kriegst du nichts...“ Nicht einmal eine einfache Berührung würde er bekommen.

Der Verkleidete konnte froh sein, dass die Frau so nett gewesen war, sich wenigstens von ihm küssen zu lassen, solange er nicht er selbst war, mehr wollte Sêiichî auch nicht von ihr verlangen. „Ich versuch mich zu beeilen.“ Nachher, wenn er zurück war, würde er sich mit seiner Freundin trösten, denn es lag klar auf der Hand, dass Sêiichî wie immer deprimiert sein würde, wenn ein weiterer Beamter durch ihn fiel.

„Sei nicht hektisch, dann machst du vielleicht Fehler. Auch wenn du sein Gesicht hast, kann alles rauskommen, wenn du nervös bist. Vergiss deine Handschuhe nicht und geh nicht zu nah an das Opfer ran, hörst du?“ Anscheinend wurde seine Freundin panisch, wieso überhaupt?

„Noch nie habe ich dumme Fehler gemacht und dadurch für die Polizei brauchbare Spuren hinterlassen...“

Die Frau seufzte. „Es reicht schon, dass du die ganze Zeit deine Dienstwaffe benutzt hast, bist du eigentlich total bescheuert? Schaff dir eine zweite Waffe an! Ryochi hat deine schließlich untersuchen lassen und weiß genau, dass du dieser Mörder bist. Er hat dich laufen lassen. Sei froh, dass nur er das war, jeder andere hätte dir verdammt viel Ärger gemacht.“ Man konnte der Frau anhören, dass sie ziemlich wütend wegen dieser Sache war.

„Das hätte nie jemand getan, weil nie jemand auf die Idee gekommen wäre. Er tat es, weil irgendjemand mit einer Sigsauer seine Frau umgebracht hat. Er traut mir wohl jede Menge zu.“ Sêiichî senkte den Kopf. „Außerdem reichen die Beweise nicht aus. Selbst wenn Leute mit meiner Waffe getötet wurden, kann man mir diese Waffe genauso gut abgenommen haben, zumal keine weiteren Spuren gefunden wurden. Nur die Kugeln. Wer sie abgefeuert hat, können die sich nur denken. Gut, Ryochi und sein Vater sind drauf gekommen... aber...“ Ihm wurde jetzt eigentlich erst bewusst, was er da sagte.

„Was macht dich so sicher, dass man dir verzeihen wird?“ Immerhin war keinem klar, wie viel die beiden wirklich wussten.

„Ryochi hat es ihm sicher erklärt. Wenn ich etwas weiß, dann dass er zu mir halten wird, genauso wie seine Mutter. Sie ist ja schließlich Staatsanwältin.“

Auch wenn Sêiichîs Naivität nicht lustig war, musste Chris jetzt lachen. „Und du denkst, sie wird ihren Job aufs Spiel setzen, um dich zu beschützen? Sei doch nicht so leichtgläubig. Für die Morde, die in letzter Zeit geschehen sind, wirst du jede Menge Ärger bekommen. Denkst du, man verschont dich? Das Beste wird sein, wenn du dann ganz schnell ins Ausland verschwindest.“

„Ich werde nicht weglaufen!“ Angst war nicht immer ein Grund dafür, einfach die Flinte ins Korn zu werfen. „Es kann schon sein, dass ich sitzen muss, aber das werde ich auch schaffen. Die Zeit steht nicht still, sie geht irgendwann um.“

„Du würdest dich an Stelle unseres Bosses hinter Schloss und Riegel begeben? Er sollte bluten, nicht du! Er zwingt dich dazu! Dafür sollte man ihn bestrafen.“ Wahrscheinlich würde es nicht so kommen, wer wusste das schon?

„Willst du sagen, es war ein Fehler?...“

„Man wird sagen, dass wir die Wahl zwischen diesem Leben und dem Tod hatten. Da bin ich vollkommen sicher. Bei mir wird das noch etwas schlimmer werden. Man wird mir Beihilfe vorwerfen, so ist das nun einmal. Ich unterstütze dieses Ekel immerhin, ist es nicht so? Wenn sie ihn kriegen, wird er alles tun, um da wieder rauszukommen. Vielleicht schiebt er auch alles mir in die Schuhe. Vielleicht war ich dann die Drahtzieherin, die Frau, die das alles wollte.“

„Was redest du da überhaupt? Wieso sollte der Mistkerl so etwas denn behaupten?“

„Ich stehe ja angeblich auf Reichtum, Macht und bin eine skrupellose Erpresserin, die andere Leute benutzt. Hast du dich noch nie umgehört? Ich bin die Geliebte vom Boss. Meinst du, wenn Zeugen das bestätigen, wird man mir glauben, dass er mich nur benutzt hat? Ach komm, so naiv kannst nicht mal du sein.“ Die Frau hatte sich weggedreht, während ein heftiger Schweißausbruch dafür sorgte, dass sie sich über das Gesicht wischte.

„Im Grunde bin ich ihm doch egal, solange er nur über mich verfügen kann, des Weiteren ist nicht eingeplant, dass man ihn mal in die Finger kriegt. Was, wenn er nicht auffindbar ist? Dann sind wir alle Lügner...“

„Pah!“ Sêiichî zeigte einen arroganten Gesichtsausdruck, ging auf sie zu und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. „Selbst wenn man dir nicht glaubt, mir wird man sicher glauben, genauso wie Yuichi, er steht ihnen schließlich noch näher, als ich.“ Auch wenn der 27-jährige von zu Hause abgehauen war, um in diese verfluchte Organisation einzutreten, würden seine Eltern ihm Glauben schenken, davon war Sêiichî überzeugt. „Mach dir keine Sorgen um mich. Deine Befürchtungen werden nicht wahr werden – der Boss wird es auch dann nicht schaffen, uns zu trennen.“

„Vielleicht bin ich auch zu pessimistisch, das wird’s sein“, kam aus ihrem Mund, sie klang monoton, doch innerlich ging es ihr nicht besonders gut, auch wenn sie es gut verstecken konnte, war ihm das klar.

„Ich muss jetzt los, sonst lasse ich mein Opfer nur unnötig warten – genauso wie Jami...“

„Nicht deines, seines!“ Er sollte nicht sagen, dass das sein Opfer war, ihrer Meinung nach, waren alle Aufträge im Grunde Morde vom Boss, auch wenn er sie nicht begangen hatte. „Du willst ihn schließlich nicht ermorden, das will der Boss, merk dir das!“

„Ist schon gut, ich weiß das selbst.“ Sêiichî ließ sie los und ging zur Tür. „Bis später, mach dich nicht verrückt deswegen.“

Es sah ihr gar nicht ähnlich, sich so viele Sorgen zu machen, oder war ihm das bisher nur noch nicht aufgefallen, dass die Frau es tat?

„Bis später.“

Sêiichî verließ nachdenklich das Hotelzimmer und machte sich auf zu den Aufzügen, während sie am Fenster stand und darauf wartete, dass ihr Freund den Ausgang passieren würde.

„Irgendwie habe ich ein ziemlich beschissenes Gefühl bei der Sache...“ Chris atmete ein paar Mal ein und aus, um sich wieder zu beruhigen. Es war schon öfter vorgekommen, dass sie ein schlechtes Gefühl hatte und kurz darauf war etwas Schreckliches passiert.

„Pass auf dich auf, wenn es sein muss so gut, dass dadurch andere sterben, zögere nicht, das hast du früher ja auch nicht getan.“ Der Grund für ihr schlechtes Gefühl war dieser Killer, den sie anscheinend nicht kannten. Derjenige, der Shina Kudô hatte ermorden können. Sie hatte sich über die Begebenheiten informiert, ohne dass jemand es wusste. Jemand, der diese Detektivin einfach so töten konnte, und dabei genauso gut – nein besser – als Cognac war, hatte vor diesem sehr zu schaden. Warum? Wer war dieser Killer? Oder war es gar eine Frau? Vermouth wusste es nicht, und unwissend sein, hasste die Frau wirklich. Man wusste nicht, was auf einen zukam.
 

Vielleicht hatte seine Freundin Recht mit ihren Sorgen gehabt, denn es ging wirklich etwas schief. ‚Gott will meine Mörderkarriere beenden, deswegen muss ausgerechnet ich jemanden töten, der meinem besten Freund ähnelt...’ Als Cognac versucht hatte, sein Opfer zu erledigen, war ihm dieses entwischt. Er musste den jungen Mann erst wieder finden, der mit einem Motorrad vor ihm hatte fliehen können. Zu Cognacs Glück allerdings verlor das Motorrad Benzin, so dass es einfach war, der Spur zu folgen.

Kazumi war so schnell gefahren, dass eine Polizistin ihm nachgefahren war, um ihn anzuhalten. Der Mann hatte sich bis nach Haido durchgekämpft, wurde dort aber von Miwako Satô, die ganz in der Nähe gewesen war, geschnappt.

„Das war eine klare Geschwindigkeitsübergrenzung!“ fauchte ihn die junge Frau an.

„Satô-san, das ist ein Notfall, ich werde verfolgt“, verteidigte sich der 24-jährige, so dass die Kriminalistin ihn verwirrt ansah.

„Ein Notfall? Wie meinen Sie das?“

„Jemand hat versucht, mich zu erschießen!“ Panisch wie der Mann war, erfasste er Miwakos Schultern und rüttelte sie. „Ich hab doch keinem etwas getan! Ich mache nur meine Arbeit! Helfen Sie mir!“

„Ganz ruhig, Ashida-san“, versuchte die Schwarzhaarige den aufgebrachten Mann zu beruhigen und lud ihre Waffe. „Denken Sie, dass er es geschafft hat, Ihnen bis hierher zu folgen?“

„Hoffentlich nicht.“

‚Hoffentlich doch, dann kann ich ihn mir schnappen’, dachte die Frau und gab dem Mann ein Zeichen, sich ruhig zu verhalten, bevor sie sich im nahegelegenen Wald etwas verschanzten und auf Cognacs Auftauchen warteten.
 

Kaum drei spätere Minuten war es auch schon so weit, man hörte Schritte, weshalb Miwako ihre Waffe fester mit den Händen umklammerte. ‚Komm nur, dich krieg ich!’

Immer lauter werdend konnte man die Schritte hören, bis sie ganz aufhörten.

Der Mörder war stehen geblieben und schaute sich genauer um. ‚Wo versteckt er sich?’ Das Motorrad lag am Boden, demnach hatte sich Jamis Bruder entschlossen, zu Fuß den Weg fortzusetzen. Weit gekommen sein konnte er demnach aber nicht.

Als Miwako den Schwarzhaarigen, anders als er sie, sah, schnellte sie nach vorne und bedrohte ihn mit ihrer Dienstwaffe. „Keine Bewegung! Ich verhafte Sie, leisten Sie Widerstand, sehe ich mich gezwungen meine Waffe zu gebrauchen!“

Schockiert sah Sêiichî in das Gesicht der Kommissarin, die er heute nicht das erste Mal sah.

‚Ach du Scheiße, muss das denn jetzt auch noch sein? Mein Tag ist wohl noch nicht beschissen genug... was?’ Schweiß breitete sich im Gesicht des Mörders aus, ebenso in ihrem. Miwako konnte nicht glauben, was sie da sah. Der Mann mit der Waffe sah Wataru mehr als nur ähnlich... wie war das nur möglich? Ein Doppelgänger?

Sêiichî hatte nicht eingeplant jemandem wie Miwako Satô zu begegnen. Die würde ihn nicht laufen lassen, was hieß, dass er sie ermorden müsste, doch das konnte der Mann nicht. Ein sehr guter Freund seinerseits war schließlich total in diese Frau verliebt. Noch dazu war es nicht sein Auftrag, ihr etwas anzutun, doch das würde es bald sein, wenn er sie heute nicht erschoss. Sobald der Boss erfuhr, dass sie ihn dabei ertappt hatte, wie er einen Polizist hatte ermorden wollen, würde er sofort anordnen, sie umzubringen. Aber was blieb Cognac anderes übrig, wenn er fliehen wollte? Oder sollte er sich etwa ergeben? Das würde der Boss ihm nicht durchgehen lassen. Er befand sich in einer ziemlichen Zwickmühle und wusste nicht, wie er wieder herauskommen sollte. Trotz der Waffe, die auf Miwako zeigte, hatte er nicht vor, abzudrücken.

„Waffe runter, aber plötzlich und keine Bewegung! Fordern Sie es nicht heraus!“

Die Kommissarin würde abdrücken, das war Sêiichî wohl bewusst.

Jami war ganz in der Nähe und beobachtete das Ganze, aber er hatte nicht vor, einzugreifen. Das konnte ihm keiner zum Vorwurf machen.

‚Irgendwie bin ich froh, dass diese Polizistin aufgetaucht ist... Sie wird Cognac an seinem Erfolg hindern...’ Jami grinste während seiner Worte leicht gehässig vor sich hin. Wenn er nichts tat, war er auch kein Verräter, demnach würde niemand ihm etwas anhaben können.

Währenddessen setzte Cognac einen gemeinen, kalten Blick auf, bevor er abdrückte und die Kugel knapp an Miwako vorbei sauste, so dass sich die Frau gezwungen sah, abzudrücken. Doch genau den Moment der Verwirrung nutzte Jami für ein paar Schüsse aus, die die Polizistin inne halten ließen. Somit hatte Cognac Zeit die Straße hinab zu verschwinden, während Miwako ihm nachrannte. ‚Jetzt hat er auch noch einen Komplizen, das hat noch gefehlt!’

Genau das hatte Jami bezweckt. Er wollte, dass man von ihm wusste, wenn auch nur indirekt. Der Mann sprang aus dem 1. Stock eines Abrisshauses, das natürlich nicht mehr bewohnt wurde und setzte sich anschließend in sein Auto, das in der Nähe stand. Es kam um die Ecke und somit fing Jami Cognac ab. „Los, mach schon und steig ein!“ Dass er ihm noch mal den Arsch retten würde, hatte der Jüngere nicht gedacht, ihm blieb aber auch nicht viel Zeit, darüber großartig nachzudenken, also stieg er ein, woraufhin Jami Gas gab und an Miwako vorbei bretterte, die Schlamm abbekam und wieder einen Moment abgelenkt war.

Sie holte schnell ihr Handy raus und telefonierte mit Megure, damit sie Verstärkung bekam, weil sie zu Fuß unterwegs gewesen war, immerhin wohnte sie ganz in der Nähe.

Eigentlich hatte sie sich mit Wataru in einem Restaurant treffen wollen, doch das fiel ja wohl erst mal ins Wasser.

s

Der Mann, welcher gerade sowieso in das Restaurant hatte gehen wollen, bemerkte die junge Frau und fragte sich, wieso sie denn so aufgeregt telefonierte, also rannte er zu ihr hin.

„Äh, Satô-san, was machen Sie denn hier?“

Verblüfft sah ihn die Frau an und legte auf, da sie ihr Telefonat so weit beendet hatte, dass Megure ihr ein paar Leute schicken konnte.

„Ashida-san wurde beinahe umgebracht, der Täter ist geflohen, Verstärkung ist aber schon unterwegs, vielleicht ist es den anderen auch möglich, dass sie den Mann auf dem Weg schon zu fassen kriegen.“

„Aber euch ist nichts weiter passiert? Oder doch?“

Miwako schüttelte den Kopf. „So weit ist alles okay, aber etwas beschäftigt mich da...“

Die Kriminalistin senkte tief den Kopf und ließ Wataru jetzt auch ein wenig fragend schauen. Man konnte ihr ansehen, dass sie angestrengt über etwas nachdachte und keine Antwort fand.

„Der Mann... er sah dir sehr ähnlich.“

Im Gesicht des 24-jährigen breitete sich sehr schnell der Schock aus, er sah aus, als wäre er einem Geist begegnet, dann jedoch schloss er seine bis eben geweiteten Augen und senkte den Blick zu Boden.

„So, dann kennst du ihn jetzt. Mein Beleid.“

„Wie bitte? Was willst du denn über den Mann wissen? Rede!“ Miwako schnappte sich Watarus Kragen und rüttelte ihn, doch er wich ihrem Blick aus, indem er zur Seite schaute.

„Was verschweigst du mir da?“ Miwako war schon ein wenig empört, dass es Dinge in Watarus Leben gab, die ihr einerseits nicht gefielen und andererseits hatte sie gar nicht erst gedacht, dass er schlimme Geheimnisse haben könnte.

„Du bist meinem Vater begegnet, der mich seit Jahren sucht und eigentlich umbringen will. Da hattest du richtig Glück, du könntest tot sein, Miwako.“ Zum ersten Mal wagte der Mann sie beim Vornamen zu nennen und schloss sie einfach in seine Arme. „Wie gut, dass er nicht weiß, wer du bist... Trotzdem sieht es ihm nicht ähnlich, eine Polizistin leben zu lassen. Hast du ihn schwer verletzt?“

Jetzt war Miwako noch verwirrter denn je. Was meinte ihr Kollege damit nur?

Wataru, was meinst du damit?“ Ihre Stimme zitterte ein wenig.

„Dass er mich hasst, weil ich bei der Polizei bin. Da ist es echt ein Wunder, dass ihr unversehrt seid...“

Die Kriminalistin löste sich von ihrem Kollegen und blickte ihm in die Augen. „Ich denke, du irrst dich. Der Mann, der ihn“, sie zeigte auf Kazumi, „töten wollte, war nicht verhasst auf Polizisten, das hätte ich ihm ansehen können.“

„Das widerum ist noch seltsamer...“ Wataru schüttelte den Kopf. „Er hatte wohl einen sehr guten Tag, und wusste zum Glück nicht, dass du mir nahe stehst...“ Ein bitteres Lächeln war dem Dunkelbraunhaarigen gegeben, er versuchte zu lächeln, um der Frau, die er liebte, nicht zu zeigen, wie mies er sich durch den Hass seines Vaters fühlte. „Ich verstehe wirklich nicht, wieso er euch verschont hat, das ist mir ein Rätsel. Er hat schon früher gerne Polizisten getötet, Megure weiß über ihn Bescheid. Schon seit Jahren versucht man ihn zu schnappen... Er hat vor Jahren einen einzigen Mord in dieser Stadt begangen, aber ich habe aus Angst geschwiegen. Meine Freundin war es... Ja sie... sie hat er vor meinen Augen erschossen... Nur um mir wehzutun... Obwohl ich ihn nicht sehen konnte, weiß ich, dass er dafür verantwortlich war...“ Wataru konnte nicht verhindern, dass er jetzt doch wieder den Kopf senkte und Miwako nicht in die Augen sah.

„Bist du deswegen zur Polizei, um diese Ungerechtigkeit endlich zu beenden?“ Die Frau hob sein Kinn an, somit musste der Mann sie ansehen, da sie es auch festhielt, um ihn daran zu hindern, den Kopf wegzudrehen.

„Auf gewisse Weise schon, immerhin gibt es viele solche Menschen, ich wollte etwas ändern. Aber verstehst du, Miwako... er weiß nicht, dass ich dich liebe, das hat dir vielleicht das Leben gerettet.“

Erstaunt sah sie ihren Kollegen an. Nur für einen Moment zwar wusste die Frau nicht, was sie dazu sagen sollte, so überrascht hatte man sie.

„Und davor hast du Angst, nicht wahr? Ich verspreche dir, dass mich dieser Mann niemals klein kriegen wird. Mich doch nicht. Mach dir keine Gedanken.“ Ihr süßer Baka hatte wohl nicht bemerkt, dass er ihr ein Liebesgeständnis gemacht hatte. Er war eben verpeilt. Trotz seiner Erzählung war ihr danach, zu lächeln.

„Du hast Mut, das muss man dir lassen, ich denke, ich mag starke Frauen. Deswegen habe ich mich in dich verliebt.“ Woher wohl dieser Anfall von Ehrlichkeit kam? Er selbst wusste es nicht einmal, es überkam den Dunkelhaarigen einfach.

Von weitem konnte man schon die Polizeisirenen hören.

„Jetzt wird er von der Polizei gejagt, hoffentlich kriegen dabei unsere Kollegen nichts ab. Wenn es um die Polizei geht, hat er normalerweise nicht im Geringsten ein Herz. Meine Mutter sagt immer, dass er es nicht anders weiß, was durch ein Ereignis in seiner Jugend ausgelöst worden ist. Das ist jetzt über 30 Jahre her, damals wurde meine Tante, seine kleine Schwester von einem Polizisten erschossen, seitdem scheint er die Polizei regelrecht zu hassen. Er kämpft beinahe schon gegen sie. Ich wünschte, ich könnte ihn wachrütteln, aber das hat bisher noch niemand geschafft. Er braucht viel Zeit zum Nachdenken, im Gefängnis wird er die ja haben, wenn er denn irgendwann mal geschappt wird. Die Hoffnung habe ich noch nicht aufgegeben. Ich glaube fest daran, dass er irgendwann gegen die Polizei verliert und deswegen ins Gefängnis wandert.“

„Das ist die richtige Einstellung, dafür hättest du eigentlich eine Belohnung verdient, immerhin ist es schwer, sich einzugestehen, dass der eigene Vater ein verrückter Mörder ist.“

Wataru schloss die Augen und lehnte sich an die Schulter seiner Kollegin. „Wenn er nur ein Mörder wäre... aber er ist so ziemlich das gemeinste Schwein, das ich kenne – oder ich bilde es mir ein. Unsere Familie ist durch ihn zerrissen, aber das interessiert ihn nicht wirklich. Es tut weh, aber man lernt damit zu leben. Manchmal habe ich das Gefühl, unsere Mutter liebt ihn mehr als ihre Kinder. Sie fand ja, wir sollten nicht für das Gesetz arbeiten, und schneidet uns etwas, aber was soll’s? Jeder geht seinen Weg, nicht wahr?“

Es kam der Kriminalistin so vor, als wäre ihr Freund total alleine gelassen worden, so klang es ihr wirklich. Das tat ihr Leid.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich streite auch oft mit meiner Mutter, aber das sind Kleinigkeiten, nicht so wie bei euch.“

„Am besten sagst du gar nichts, wenn du nicht weißt, was. Du musst ja auch nichts sagen. Es ist schon okay. Ich bin nicht ärmer dran, als der Großteil an Menschen, die in so was reingeschlittert sind. Du zum Beispiel hast als kleines Mädchen deinen Vater verloren, das finde ich schlimmer. Mein Vater ist eben nicht normal, nehmen wir es hin.“

Jeder hatte seine Art mit solchen Dingen umzugehen. Sêiichî zum Beispiel lebte schon seit Ewigkeiten alleine, hatte einen missratenen Bruder, der ihn hasste und hing an einer Mörderin, weil er sonst niemanden zu haben schien, der ihn aufrichtig liebte. Wenigstens hatte Wataru noch seine kleine Schwester, die ihn zum Glück auch mochte.

„Was heißt eigentlich wir? Wer ist die zweite Person?“ Das interessierte Miwako nun doch.

„Die Frau in meinem Leben, was sonst? Meine kleine Schwester. Du brauchst keine Angst haben. Wir wohnen nicht mal zusammen. Sie kommt manchmal am Wochenende, um sauberzumachen, wenn ich wieder nicht dazu gekommen bin. Sie studiert, hat also kaum Zeit, jedenfalls sehe ich sie nicht so besonders oft. Ich vermisse sie schon ein wenig, aber auch das kriege ich hin.“

„Du bist ja einsam“, stellte Miwako fest und drückte ihn fest an sich. „Darf ich das ändern? Darf ich meine Sachen packen und einfach mal eine Weile bei dir bleiben?“

„Ähh...“ Der Angesprochene wurde augenblicklich rot wie eine Tomate und stammelte nur noch vor sich hin. „Na ja... ich weiß nicht... Wieso denn das?“

Solche dummen Fragen konnten wieder nur von ihrem Baka kommen.

„Willst du nicht? Du hast vorhin selbst gesagt, dass du mich liebst! Du bist überführt!“ Die junge Frau machte sich einen kleinen Scherz daraus und lachte.

„Ja, schon, aber ich will nicht, dass du aus Mitleid zu mir kommst.“

„Du bist echt einmalig, du kriegst nichts mit. Ich kann mir gut vorstellen, dass deine Schwester bei ihrem Freund ist und deswegen so wenig Zeit hat... Weil du ja eh nichts mitkriegst, ist es sowieso leicht, dir etwas vorzumachen.“

„Eh? Was soll das denn jetzt heißen?“ Der Sergeant blickte seine Freundin mit Halbmondaugen an. „Meine Schwester kann nicht so mit Männern! Sie hatte seit Jahren keinen Freund! Und wenn sie einen hätte, würde sie mir das sofort sagen.“

„Sie muss dir ja nicht alles auf die Nase binden, das geht dich ja nichts an. Am Ende denkst du, dass sie noch klein ist. Wie alt ist sie eigentlich?“

„Sie wird 23. Sag jetzt bloß nichts. Ich werde übrigens Anfang nächsten Jahres auch schon 25, wie die Zeit vergeht. Damals waren wir noch Kinder, die typische Kinderprobleme hatten, mit 14 kamen erst die richtigen Probleme. Na ja... Wann hast du Geburtstag?“

Miwako schloss die Augen. „Ich weiß, wann du Geburtstag hast, ich habe meine Quellen.“

„Oioi, jetzt bin ich aber beeindruckt“, meinte Wataru und grinste in sich hinein, „Yumi hat geplaudert?“

„Sie kann den Mund sowieso nicht halten, aber kriege ich jetzt endlich mal eine Antwort? Darf ich nach Dienstschluss bei dir reinschneien, oder ist dir das nicht recht?“

„Mhm...“ Der Kriminalist markierte den nachdenklichen Mann, lächelte dann aber. „Also, eigentlich spricht nichts dagegen. Es ist nur nicht so aufgeräumt.“

„Ojee, bei mir auch nicht, ich bin das also gewohnt. Nichts Schlimmes, wie du siehst. Aber eines will ich noch los werden...“ Die kurzhaarige Frau nahm Watarus Hand und malte ihm mit dem Finger ein Herz darauf, was sogar er verstand.

„Traust du dich nicht?“

„Ich hab’s nicht so mit so etwas. Das letzte Mal war irgendwann in der Grundschule.“ Die Frau wurde leicht rot um die Nasenspitze und schaute zu ihm nach oben, um ihre Hände um seinen Nacken zu legen und ihn langsam zu sich zu ziehen.

‚Bitte nur eine Minute... wehe jetzt stört jemand...’ Es war schon oft geschehen, dass sie solche Sachen ausgerechnet dann überkamen, wenn irgendjemand in der Nähe war, der sie dann wieder abhielt. Dieses Mal schienen die beiden Polizisten Glück zu haben, denn als Inspektor Megure mit seiner Gruppe ankam, waren sie bereits in einem Kuss versunken und bemerkten den dickeren Mann nicht einmal.

Dieser staunte ein wenig, musste dann aber leicht peinlich berührt seinen Hut tiefer ziehen und lächeln. ‚Ich dachte schon, die kriegen das gar nicht mehr auf die Reihe...’ Und kein Shiratori in der Nähe, der hätte nerven können. Aber dem Mann wäre es sogar recht gewesen, wenn er jetzt die beiden gestört hätte, aber er war ja bereits tot. Megure war sehr erleichtert, dass es den beiden Menschen so gut ging, sie hätten genauso, wie Shiratori diesem Mörder zum Opfer fallen können. Der Inspektor würde alles dafür tun, ihn endlich zu kriegen. Wie krank musste ein Mensch sein, um einen Polizist nach dem anderen töten zu wollen?

„Ähähm“, räusperte sich der pummelige Mann jetzt nach einer ganzen Minute, schaute beide aber nicht vorwurfsvoll sondern lächelnd an. „So weit scheint ja alles in Ordnung.“

„Ja, Inspektor, bis auf die Tatsache, dass der Täter noch da draußen rumläuft. Haben Sie schon eine Spur gefunden?“

„Ein paar Einheiten sind unterwegs, keine Sorge. Wenn er sich nicht in Luft auflöst, kriegen wir ihn diesmal.“

Wataru wirkte wieder etwas nachdenklich und reagierte nicht auf Megures Worte, doch der Schein trügte. ‚Das ist seine Spezialität, Inspektor.’

Miwako bemerkte das natürlich und beobachtete ihn von der Seite aus. ‚Er ist total versunken. Er hat tatsächlich Angst, dass es noch mehrere Kriminalisten erwischt.’

Das Handy des Inspektors klingelte, so dass dieser das Gespräch annahm.

„Hallo, Herr Inspektor. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass das Fluchtfahrzeug in den Fluss gestürzt ist. Wir befinden uns 3 Meilen von hier entfernt. Entweder sind die beiden Täter tot, oder schlichtweg verschwunden. Soll ich weitere Schritte einleiten lassen?“

„Wieso fragen Sie überhaupt, wenn Ihnen das klar ist?“ Megure seufzte und gab dem Mann Anweisungen, denn ohne schien er nicht klar zu kommen.
 

Zu nachdenklich wie die blonde Frau war – denn sie dachte nur an Sêiichî und ob alles mit ihm in Ordnung war – übersah sie an der Kreuzung ein Auto und prallte mit diesem zusammen. Es schepperte ordentlich, trotzdem war den Insassen nichts allzu Schlimmes passiert. Bis auf die Tatsache, dass der Kopf der Blonden Bekanntschaft mit dem Lenkrad gemacht und sie eine leichte Wunde am Kopf davongetragen hatte. Das Vorderteil des Autos hatte eine Delle, während die andere Fahrerin mit dem Schreck davon gekommen war, ihr Auto war nämlich so gut wie heil, bis auf ein paar Kratzer war nichts geschehen. Panisch stieg die hellbraunhaarige Frau aus und rannte zu der Unfallverursacherin, die bewusstlos auf dem Lenkrad lag. Da man als Fahrerin eigentlich immer Erste-Hilfekennnisse haben musste, wusste die 43-jährige natürlich sofort, was zu tun war. Sie zog die blonde Frau erst einmal aus dem Auto und legte sie beiseite, danach rief sie im Haidokrankenhaus an, um einen Krankenwagen herzubeordern. Erst dann wurde ihr bewusst, mit dem sie da im wahrsten Sinne des Wortes zusammen gestoßen war.

‚Zufälle gibt es... Was macht sie eigentlich immer noch hier?’ Eine amerikanische Schauspielerin, die sich schon seit fast zwei Jahren hier aufhielt, fand Yukiko nun wirklich nicht mehr normal. Irgendetwas hielt diese Frau hier fest – wenn das mal nicht ihr Sohn war, wer denn dann? Vielleicht auch diese Organisation. Die Schauspielerin musste daran denken, immerhin hatte ihr Sohn Shinichi ein wenig aufgeklärt. ‚Das glaube ich immer noch nicht, da stinkt was!’

Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Krankenwagen beim Unfallort eintraf. Man verlud die Blondine in den Wagen und fragte Yukiko, ob sie denn mitkommen wollte, was diese natürlich nicht verneinte.
 

Es war noch nie vorgekommen, dass der Boss bemuttert worden war, aber das hier schlug dem Fass den Boden aus.

„Willst du meine Identität gerade untergraben, Jami?!“ Bedrohliches Aufblitzen war den Augen seines Vorgesetzten gegeben, als er dem Angesprochenen seinen Blick zukommen ließ.

„Nein, das war freie Meinungsäußerung!“ Der Schwarzhaarige fand, dass er hoch genug stand, um sich das mal erlauben zu können.

„Du bist fehl am Platz, wenn du Leute verschonen willst!“

„So?“ Jami wurde schnippisch, biss sich aber auf die Zunge, um nichts Zynisches von sich zu geben.

Er ist keine Gefahr! Das ist vergebene Liebesmühe! Um ein Haar wären ich und Cognac aufgeflogen. Und das nur, um einen Mann zu töten, der uns nichts anhaben kann, weil er nichts weiß. Er hatte keine Ahnung von der Gefahr, jetzt ist er vorgewarnt. Wir sollten Gras darüber wachsen lassen!“ Man hörte die Schuhe einer Frau, die auf dem Boden klapperten, wenig später wurde eine Waffe auf den Hinterkopf des Mörders gerichtet und er hörte das Knacken ebendieser, was ihm sagte, dass sie geladen war.

„Halt dich da raus, Valpolicella, das ist eine Sache zwischen dem Boss und mir!“ warf der 30-jährige der Dame zu und war erbost darüber, dass dieses Miststück ihn jetzt auch noch angriff. „Zu viel Mordlust, so wie deine ist nicht immer ratsam!“ Jami schloss ruhig die Augen. „Es ist waghalsig, Cognac alleine auf Polizisten losgehen zu lassen, das endet wahrscheinlich noch im Desaster.“

„Es bleibt, wie es ist. Beim nächsten Versagen unseres Freundes, heißt dein Auftrag, ein direkter Schuss aus der Entfernung in seinen Kopf. Hast du verstanden, Jami? Aber vorher lass ihn die Drecksarbeit machen, damit dieser Spurenfanatiker endlich Geschichte ist. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt...?“

Ein widerspenstiger Blick wurde an den Boss geworfen. „Sie wollen Cognac ja ans Messer liefern! Er soll versagen, deswegen machen Sie es ihm schwer.“ Das passte Jami überhaupt nicht, er hatte nicht wirklich Lust diesem Mann das Lebenslicht auszublasen. ‚Bisher hat er getan, was man ihm sagte. Wieso wollen Sie ihn loswerden? Vertragen Sie es etwa nicht, wenn man Ihnen überlegen ist? Er hat Sie reingelegt – das wird’s sein. Sie ertragen es nicht, wenn man Ihnen etwas vormacht und Sie es nicht erkannt haben.’ Jami wurde jetzt wirklich spöttisch, doch Derartiges sollte man niemals zu diesem Mann sagen – er würde auch ihn dann erschießen, da konnte er noch so hoch stehen. Nichtsdestotrotz hatte Jami diesem Mann seine Position zu verdanken, diese wollte der Mann eigentlich auch behalten, weswegen er viel Ärger einfach schluckte und fast nie den Mund aufmachte, um ihm zu widersprechen. Seine Macht war ihm da wichtiger, als sein verdammter Stolz.

„Ich will aber niemanden töten, der treu ist und tut, was man ihm sagt, genauso wenig, wie Leute, die überhaupt nichts getan haben!“

Valpolicella hatte genug von Jamis Spiel und schlug ihn mit ihrer Waffe nieder, so dass der schwarzhaarige Mann zu Boden ging und einen Moment dort liegen blieb, nur um sich dann zu erheben.

„Hast du deinen Jähzorn wieder nicht im Griff?“ Jeder andere Mann wäre wahrscheinlich ziemlich ausgerastet, doch nicht er. Seine Schwäche waren nun einmal Frauen, auch diese konnte er nicht einfach schlagen.

„Es ist besser, du machst deine Arbeit, Jami, sonst zertrümmere ich dir eines Tages mal den Schädel, weil du nur Unsinn von dir gibst! Was willst du hier, wenn du dich vor deinen Morden drücken willst?“ Wie unschwer zu erkennen war, konnten die beiden sich nicht besonders leiden. Wahrscheinlich war es so, weil sie beide zu viel zu sagen hatten und es nicht abkonnten, wenn der andere ihnen Anweisungen gab.

„Ich drücke mich nicht vor meinen Morden, ich bin nur vorsichtig damit, was ich tue.“

„Was für ein Witz. Hörst du dir noch selbst zu? Du ekelst mich an, Jami! Du bist eben nicht vorsichtig – das musst du dir einbilden! Pass nur auf, dass du mal eines Tages nicht schwer krank bist, wenn du so weiter machst.“

Der Boss stöhnte genervt auf. „Wenn ihr Meinungsverschiedenheiten habt, dann verlegt sie nach draußen, ich habe keine Lust auf Kinderreien. Reißt euch mal zusammen, verstanden?!“ Ein harter Ton schwang der Stimme des Älteren mit, so dass Valpolicella sich zurück zog, ebenso wie Jami nun schwieg.

„Was dich angeht, Jami. Du tust, was ich sage, oder du hast Probleme. Ist dir das jetzt endlich bewusst?“

„Ja, Boss.“ Es war wirklich besser so, der Schwarzhaarige wollte unnötigen Ärger gerne vermeiden. ‚Na, dann, Cognac. Dir bleibt nichts anderes übrig, als erfolgreich zu sein, sonst haben wir beide ein riesen Problem. Ich habe gedacht, ich kann ihn überzeugen – mehr ist nicht drin. Jetzt bist du auf dich gestellt...’ Jami vertraute in Cognacs Fähigkeiten und seinen Erfahrungsschatz, immerhin hatte er selbst dem Jüngeren Einiges beigebracht, da er sein Mentor gewesen war, und hoffte einfach, dass ihm keine weiteren Fehler passieren würden, zumal es das erste Mal gewesen war, dass er wirklich ein heftiges Problem durch Versagen bekommen hatte. Am schlimmsten war dabei wohl, dass das Opfer noch lebte und ihm begegnet war, obwohl Sêiichî nicht er selbst gewesen war. Ob der Boss wohl wusste, wer dafür gesorgt hatte, dass man ihn nicht erkannte?

‚Es wäre fast ein Witz, wenn er nicht darauf kommt. Das war kein kluger Zug, Vermouth. Das wird sicher noch Ärger geben, weil du ihm geholfen hast. Der Boss denkt sich doch was dabei...’

„Ach noch etwas, Jami“, warf der Boss ein, wobei er gelangweilt auf einen Zeitungsbericht schaute. „Freie Meinungsäußerung ist Luxus bei uns. Bei dir verzichte ich lieber darauf, wenn ich dann etwas von Verschonung zu hören kriege. Du bist Mörder, kein Heiliger – anscheinend hast du das noch nicht bemerkt...?“

Obwohl der 30-jährige aufgrund dieser Aussage wirklich wütend war, sah man es ihm nicht an. „Das will ich auch gar nicht sein.“ Jami glaubte weder an Gott noch daran, dass Heilige, wie der Boss es nannte, ein aufregendes Leben führten, denen musste doch furchtbar öde sein.

„Schön, dann will ich so etwas wie heute nicht mehr hören – ich behalte es mir vor, dich zu bestrafen, schließlich mag ich Leute, die mitdenken, aber überlasse diese Sachen mir. Ich mag es nicht, wenn meine Leute den Boss spielen wollen, denn der bin ich, sonst keiner!“

Wie oft wollte dieser Mistkerl das noch betonen? Jami musste wirklich hier raus, bevor er etwas sehr Dummes tat. Am liebsten hätte er ihm ins Gesicht gespuckt. Was der Mann mit Vermouth und Cognac abzog, war doch wirklich unterste Schublade. Nur weil dieser die Wahrheit nicht ertragen konnte, ging er auf einen seiner Leute permanent los und versuchte ihm das Leben zur Hölle zu machen, statt ihn gleich umzubringen, vorher sollte der junge Mann wohl am Boden liegen, damit der Boss besser auf ihn eintreten konnte.
 

Kikuhito Ayugai, ein angesehener Arzt im Haido-Hospital hatte wieder einen Verletzten eingeliefert bekommen, er veranlasste alle möglichen Standartuntersuchungen, um innere Verletzungen der Patientin auszuschließen, vor allem, da sie einem Bekannten sehr am Herzen lag. Er würde diesen noch über ihren Zustand informieren, wenn die Untersuchungen beendet waren. Beim Ultraschall fiel einer Krankenschwester auf, dass sie schwanger war, was sie dem behandelnden Arzt natürlich mitteilte, weil es ihre Pflicht war. Bei der Behandlung mussten bestimmte Regeln eingehalten werden, besonders bei schwangeren Frauen.

Im Krankenbericht war „schwanger“ angekreuzt worden. Als der Arzt die Akte aufschlug, traf ihn fast der Schlag. Er verschwand nach draußen in sein Büro und nahm sofort das Telefon zur Hand, um seinen Bekannten darüber zu informieren, was er herausgefunden hatte.
 

Da der Mann gerade in einem wichtigen Gespräch war, nahm seine Sekretärin diesen an.

„Nein, der ist im Moment nicht zu sprechen. Möchten Sie, dass ich ihm etwas ausrichte?“

Der 52-jährige am anderen Ende der Leitung verneinte und bestand darauf, mit seinem Bekannten verbunden zu werden. Die Angestellte schaltete ihn auf die Leitung ihres Vorgesetzten um, so dass bei diesem nun das Telefon klingelte, obwohl er nicht hatte gestört werden wollen.

Mit etwas brummiger Stimme nahm der Mann schließlich ab. „Moshi Moshi. Mit wem spreche ich?“

„Kikuhito Ayugai hier. Ich habe Informationen, die Sie sicher interessieren“, fing der ältere Herr an zu erzählen, so dass ihm der andere seine gesamte Aufmerksamkeit zukommen ließ. „Chris Vineyard hatte einen Unfall... nichts Tragisches oder Derartiges, aber...“

„Wenn es nichts Tragisches ist, dann veranlassen Sie, dass man sie in unsere medizinische Einrichtung bringt, und belästigen Sie mich nicht wegen solcher Kleinigkeiten!“ Man bemerkte, dass der Chef der Firma, in welcher der 52-jährige Arzt angerufen hatte, nicht besonders guter Laune war.

„Aber... das hätte ich ohnehin getan. Hören Sie mir bitte einen Moment zu. Ich wollte Ihnen nur gratulieren, Sie werden Vater. Sie ist schwanger.“

„Ach, wirklich? Dass ich das noch erleben darf – in meinem Alter.“ Nun schien es dem Firmenchef schon besser zu gehen, er war voller Vorfreude. „Im wievielten Monat ist sie denn?“

„Im fünften.“

Schweigen herrschte nun. „Bringen Sie sie mir!“ Unfreundlicher Weise legte der Mann wütend auf.

„Dafür werde ich mich ganz gemein rächen, Vermouth! Warte nur ab, bis du dieses Kind das erste Mal im Arm hältst. Du wirst dich wundern. Machen wir eben das Beste aus deinem Seitensprung.“ Was seine Worte zu bedeuten hatten, war eindeutig. Er würde dieses Kind benutzen, um der Frau eins reinzuwürgen und sie noch besser unter Kontrolle zu behalten, als bisher schon. Er wollte nämlich gerne die komplette Kontolle über diese haben.
 

Yukiko, die noch immer im Krankenhaus war und noch keine Auskunft bekommen hatte, hielt eine Schwester an, um diese auszuquetschen.

„Vorhin ist doch diese eine Kollegin von mir eingeliefert worden, nicht wahr? Chris Vineyard. Können sie mir sagen, wie es ihr geht? Ist sie schwer verletzt worden?“

„Machen Sie sich keine Sorgen, Fujimine-san“, meinte die Krankenschwester lächelnd, „es ist nur eine leichte Gehirnerschütterung und eine Schürfwunde am Bein. Sie wird schnell wieder gesund sein. Sie hatte noch einmal Glück im Unglück. Ihrem ungeborenen Kind ist nichts passiert.“

Die Schauspielerin war geschockt und öffnete den Mund leicht, obgleich kein Wort aus diesem empor kam. Wer hätte das denn gedacht? Was für ein Leben führte diese Frau jetzt eigentlich? Der 43-jährigen wurde bewusst, dass sie nun rein gar nichts über das Leben ihrer besten Freundin wusste.

„Vielen Dank, das hört man gerne. Kann ich dann zu ihr?“

„Natürlich. Zimmer 309. Aber seien Sie bitte leise, sie braucht Ruhe.“ Yukiko nickte und verschwand den Gang hinauf. Als die junge Frau das Zimmer erreichte, fand sie ein leeres vor. „Nanu, was soll das denn?“ Verwirrt blickte sie sich um und schaute ins nächste Zimmer, es konnte ja sein, dass sich die Schwester geirrt hatte, doch dem war nicht so. Nachdem Chris nicht auffindbar war, ging Yukiko zum Informationsstand und sprach eine Schwester an. „Entschuldigen Sie. Ich war in einen Unfall mit Chris Vineyard verwickelt. Ich würde sie gerne besuchen. Mir wurde gesagt, dass sie in Zimmer 309 liegt, aber da ist sie nicht.“

Es kam gerade ein Arzt vorbei, den die Angesprochene anredete. „Entschuldigen Sie, Professor Ayugai. Diese Frau hier ist auf der Suche nach Chris Vineyard. Wo haben Sie sie hingebracht?“

„Die Frau ist auf dem Weg in ein anderes Krankenhaus. Sie will keine Störungen von Fans oder der Presse. Deswegen kann ich Ihnen auch nicht sagen, wohin sie gebracht wurde, tut mir Leid, Miss Yukiko.“

Ein Seufzen entfuhr der Hellbraunhaarigen. ‚Ich hasse dich, Sharon, das ist gemein!’ Sie wollte ihre beste Freundin noch einmal sehen, obwohl sie nun ein anderer Mensch zu sein schien, dann so etwas.

„Typisch“, kommentierte die eine Schwester und lachte kurz. „Sie hasst es, wenn man ihr zu nahe kommt.“

Durch solche Umstände verlor die 43-jährige ihre Freundin also wieder aus den Augen, das war wirklich traurig, wo sie ein Zufall wieder vereint hatte.
 

Seit einem Anruf in Washington D.C. war der Rothaarigen klar, das irgendetwas passiert sein musste. Völlig plötzlich hatte man ihm mitgeteilt, dass er dringend nach Japan musste, weil man ihn dort brauchen würde. Bei seinem Beruf kam das oft vor, dennoch waren sie sehr in Eile gewesen, was sie darauf schließen ließ, dass es etwas Großartiges war. Ein schwieriger Fall wahrscheinlich. Das ungute Gefühl hatte sie bereits am Flughafen beschlichen, weswegen sie nur geschwiegen hatte. Er hatte zwar ständig gefragt, was mit ihr los war, doch sie hatte es mit einem Lächeln abgetan.

Jetzt in Tokyo konnte man bereits von Nervosität sprechen.

„Hat man dir eigentlich nicht verraten, weshalb du sofort hier antanzen musst? Was ist wieder vorgefallen, dass man hier anruft?! Mit wem hast du eigentlich gesprochen?“

Wieso fragte seine Freundin eigentlich jetzt und hatte es nicht in Amerika getan? Das war ihm wirklich ein Rätsel.

„Sag mal, hast du mich heimlich beobachtet?“

„Natürlich, du warst im Flugzeug total nachdenklich, bis du einfach eingeschlafen bist. Du weißt nicht, was los ist, oder?“ Die junge Frau an der Seite des Mannes war Watarus Schwester, die einfach verschwunden war. Sie war Studentin und ihre Semesterferien hatten vor kurzem begonnen, da hatte sie einfach Japan verlassen, indem sie nach Amerika geflogen war, um jemanden zu besuchen. Er hatte schon nicht schlecht geschaut, als sie plötzlich vor seiner Tür gestanden hatte.

„Willst du mir nicht antworten? Wer hat mit dir telefoniert? Mach kein Geheimnis daraus.“ Das war typisch Riina, sie wollte immer alles ganz genau wissen, so auch in dem Fall.

„Ryochi war’s – er war total aufgewühlt, ich frag mich, was dahintersteckt... Hoffentlich ist niemandem etwas zugestoßen...“

Jetzt fühlte sich Riina in ihrem Verdacht erstrecht bestätigt, er dachte schließlich auch in diese Richtung und zog es in Erwägung, dass jemand von ihren Freunden oder Verwandten verletzt oder sogar tot war.

„Als ich dein Gesicht sah, dachte ich genau dasselbe. Schon komisch, oder?“

„Klar, ich hab mich gesorgt, weil es so dringend war. Es muss also irgendwas vorgefallen sein, mit dem er nicht so ganz klar kommt. Keine Ahnung, was das sein kann. Ich habe mir im Flugzeug den Kopf zerbrochen, aber wir werden sicher gleich erfahren, was hier los ist.“

Die 22-jährige nickte und legte beruhigend ihre Hand auf seine, auch wenn sie selbst nicht im Geringsten beruhigt war, bis klar war, weshalb sie hatten herkommen müssen.

Nach knapp 20 Minuten hatte sein Auto das Präsidium erreicht. Sie gingen einfach hinein und klopften gegen eine Bürotür, in welchem Ryochi gerade mit jemandem telefonierte. Er verhielt sich total untypisch und wurde leicht laut. ‚Der hat angekratzte Nerven – jetzt mache ich mir wirklich Sorgen...’ Tatsuji zog Riina an der Hand hinter sich her und gesellte sich zu Ryochi, auch wenn er ihn noch nicht ansprach, sondern den Worten lauschte, die er sagte.

„Das darf ja wohl nicht wahr sein! Machen Sie Ihre Arbeit gefälligst gründlich, davon können weitere Leben abhängen!“ Der Mann legte auf und erblickte die beiden Personen.

„Warum hat das solange gedauert? Könnt ihr mir das sagen?“

„Komm erst mal wieder runter auf den Boden!“ meinte Riina und zog eine Augenbraue hoch.

„Wir mussten auch noch packen, also bitte.“

„Wie wir? Was hast du in Amerika verloren? Es reicht, dassYukiko so weit weg ist, nicht auch noch du! Du kennst dort doch nur Tatsuji.“

Beide fragten sich allen Ernstes, was in den Detektiv gefahren war.

„Was heißt da nur? Reicht das nicht? Außerdem, was ist eigentlich hier los? Warum bist du alleine hier? Wo sind Wataru, Miwako und Chiba? Es ist hier ja richtig leer...“

„Was denkst du, weswegen ich dich angerufen habe? Es gab Ärger, was denn sonst? Ich will euch echt nicht den Tag versauen, ja? Aber, so wie es aussieht, hat Keichiro gerade Kazumi Ashida und Miwako Satô angegriffen.“

Keiner von ihnen war begeistert davon, so etwas zu Ohren zu bekommen, wobei Tatsuji ruhig blieb, anders als seine Freundin.

„Das darf ja wohl nicht wahr sein! Wie hat er das denn jetzt wieder gecheckt? Wird Miwako durchkommen...?“ Riina wusste aus Erfahrung, dass ihre und Watarus Freunde quasi schon die Feinde ihres Vaters waren, aufgrund dieser Tatsachen beschlich sie die totale Unruhe, also musste Tatsuji sie an sich drücken.

„Sie wird durchkommen, sie hat nichts abbekommen... Das ist zwar seltsam, aber so weit ich weiß, kann Miwako sich sehr gut verteidigen, sie hat dem Mann also sicher Zunder gegeben und er hat es aufgegeben... Dass es Keichiro war, weiß ich, seit Miwako sagte, es sei ein Mann gewesen, der älter als Wataru ist, aber ihm so sehr ähnelt, dass es schon erschreckend ist. Wataru ist jetzt außerdem auch bei ihr, ebenso Inspektor Megure und Chiba. Die beiden kommen gleich hierher, für ein paar Besprechungen. Das kann aber noch ein wenig dauern. Solange will ich dich um etwas bitten, Tatsuji, aber halt dich fest. Nicht, dass du umkippst...“ Ein Seufzen entfuhr dem Detektiv.

Der Angesprochene schüttelte den Kopf. „Nichts kann so schlimm sein, dass ich umkippe. Wie kommst du bloß auf so etwas?“

„Sei dir da nicht so sicher. Und lass das auf keinen Fall Riina sehen, die würde mit Sicherheit in Ohnmacht fallen.“

Die rothaarige Frau zeigte Halbmondaugen. „Was soll das heißen? Ich habe auch schon oft Leichen gesehen und noch nie bin ich umgekippt.“

„Das ist aber nichts für Frauen, die nicht diesen Beruf ausüben, bleib du bei deinem Studium, und lass uns unsere Arbeit machen.“

Das interessierte Tatsuji auch, er zog bedrohlich die Augenbrauen zusammen und nahm die Fotos von Ryochi.

„Ist das der Grund, weswegen du mich angerufen hast.“

„Kann man so sagen, es ist ein harter Fall, glaub mir. Mal sehen, was du als Profiler dazu sagst. Kôji habe ich – obwohl es mir widerstrebt hat – auch angerufen. Je mehr Leute wir sind, umso besser. Selbst auf die Gefahr hin, dass Shuichi Akai dann hier rumläuft.“

„Tolle Aussichten, Ryochi... Es muss echt schlimm sein, wenn sogar der Mistkerl dir recht ist.“ Tatsuji holte die Fotos heraus, ohne auf den Namen zu achten, der auf der Akte gestanden hatte. Er schaute sich das erste Foto an, auf dem eine hellbraunhaarige Frau abgebildet war. Eine Leiche, wie man sich denken konnte.

„Oha, da hat jemand ja richtig gewütet...“ Als er die Frau von vorne sah, traf ihn fast der Schlag. Jetzt war ihm klar, wer die Leiche war. Er war in Amerika, dann passierte so etwas.

„Ich hätte lieber hier bleiben sollen...“

„Das konnte keiner ahnen... Ich war ja auch hier und hab geschworen, auf sie aufzupassen. Aber, du kennst sie ja, sie tut meistens, was sie will. An dem Tag wusste ich wieder einmal nicht, wo sie sich aufgehalten hat. Übrigens soll dieser Mord mich treffen. Da war jemand so richtig nett...“

Tatsuji atmete tief ein und aus. Auch beim 3. Durchschauen der Fotos konnte er es noch nicht glauben, dass man Shina wirklich ermordet hatte – überhaupt die Tatsache, dass das jemand fertig gebracht hatte.

Der Profiler konnte beim besten Willen nichts auf den Fotos finden, was darauf schließen lassen würde, dass man Ryo hatte treffen wollen. „Würdest du das genauer erläutern? Was bringt dich auf die Idee, dass es für dich bestimmt war?“

„Die Waffe, mit der sie ermordet wurde. Es ist eine Sigsauer. Haargenau dieselbe Waffe, wie Sêiichî eine hat. Man wollte mir weismachen, dass er der Mörder ist. Es muss also auch jemand sein, der Sêiichî hasst. Spontan fällt mir niemand ein...“

Auch wenn es den Anschein machte, als würde Tatsuji sich nur auf die Bilder konzentrieren, war das nicht so, er hatte genau gehört, was Ryochi ihm gesagt hatte.

Riina beschlich ein für sie fürchterlicher Verdacht. Anhand von Ryochis Worten konnte es nur jemanden aus der Familie getroffen haben. Wenn man die ganzen Leute eingrenzte und wusste, wer Tatsuji und Ryochi am Herzen lag, blieb irgendwie nur noch eine Person übrig, für sie zumindest. Es gab eine zweite Person, doch von dieser hatte Riina nichts erfahren.

„Ist... sagt mal... das ist doch nicht etwa Shina auf den Fotos, oder?“

„Ryochi, willst du mich veräppeln? Dir fällt echt niemand ein, der euch beide hasst?“ Tatsuji war bestürzt über diese Worte.

„Nein, will ich nicht. Wir haben so viele Feinde, dass ich mich nicht entscheiden kann.“

Riina wurde, wie es ihr schien, einfach ignoriert, das gefiel ihr nicht. „Danke für die Antwort! Es ist Shina! Was für ein gestörter Mensch muss das sein...?“ Es war nun wirklich nicht einfach, einfach diese Detektivin umzubringen, das hatte ihr Vater oft genug versucht und war gescheitert.

„Was sagst du, wenn ich dir sage, dass ich dir sagen kann, wer das mit Sicherheit war?“ Ryochi war überracht darüber, dass Shinas Cousin wohl schon zu einer Lösung gekommen war. „Riina, geh bitte raus, das ist eine Dienstbespechung.“

Auch wenn die Bitte etwas seltsam wirkte, als wollte man ihr etwas Wichtiges verschweigen, war sie Tatsuji nicht böse, er hatte ja Recht. Dienstbesprechungen gingen sie nichts an, immerhin war sie nicht bei der Polizei.

„Okay...“ Ihr war unwohl, denn unter normalen Umständen hätte man sie sicher nicht rausgeschickt. ‚Was will er mir verschweigen?’ Sie ging vor die Tür mit diesem Gedanken und wurde nicht mehr los. Je länger sie nachdachte, umso schrecklicher wurde auch wieder der Verdacht. ‚Der schont mich vor etwas... Soll das heißen, dass....?’

Die beiden Männer lehnten sich an den Tisch, während Tatsuji die Fotos wieder in den Umschlag steckte.

„Oh mein Gott, Tatsuji, wieso hast du Riina rausgeschickt? Ich habe da so eine Ahnung...“ In dem Moment, als der Profiler das getan hatte, war Ryochi klar, welchen Verdacht der 28-jährige überhaupt hatte.

„Tja, weil sie mir in Tränen ausbrechen würde, wenn sie meine Worte hört, auch wenn es mehr eine Vermutung ist. Ich habe die Fotos jetzt lange angesehen, und dieser Mörder hat Shina gequält! Er hat es solange wie möglich rausgezögert, aber gleich zu Anfang dafür gesorgt, dass sie weder Hilfe anfordern, noch von Ort und Stelle wegkommen konnte. Nach dem ersten Treffer lag sie schon am Boden. Die Blutlache, dann das ganze Blut an ihr... Sie lag da ziemlich lange drin. Diesem Mann hat dieser Mord regelechte Freude bereitet. Das Einzige, was mich stutzig macht, ist, dass der Mord nahezu perfekt war. Bisher hat der Trottel immer einen Fehler darin gehabt... Ich glaube fast, dass er Hilfe hatte. Ich bin mir aber nicht sicher, ob man ihm nicht schlichtweg Anweisungen für die Ermordung gegeben hat. Vielleicht hat er sich Ratschläge für den perfekten Mord bei einem anderen geholt. Das wäre ja möglich. Aber alleine – nie und nimmer. Man sieht den Leichen immer an, dass er es war, das ist sogar bei dem Fall so. Du weißt ja, ich bin seinen Leichen nicht zum ersten Mal begegnet, ich weiß, wie sie aussehen. Der Mann ist von Natur aus ein brutales Schwein, das hat er nicht nur bei seinen Morden bewiesen. Sein Profil passt perfekt auf das des Mörders. Für irgendetwas hat er keinen Ausweg mehr gesehen... Also hat er Shina ermordet, um dich zu treffen und dir gleich noch mit Sêiichî wehzutun, damit es richtig sitzt. Ja, was er tut, das macht er gründlich. Es war schon bei Riina und Wataru so...“ Keichiro machte keine halben Sachen. Er hatte schließlich Riinas Freundinnen nie einfach nur ermordet, er hatte sie wenigstens vorher noch ordentlich gequält, so dass sie davon erfuhr und wusste, dass ihr Vater wieder einer Frau Leid zugefügt hatte. Es reichte ihm nicht, sie einfach nur zu erschießen. Oft hatte er Frauen auch zutode geprügelt.

„Aber, es interessiert mich eines noch, Ryochi. Was hat dein bester Freund für Probleme mit Keichiro?“ Es war fast schon eine Fangfrage, aber im Grunde stellte sich Tatsuji diese Frage wirklich. Ihm war nicht so ganz klar, wieso Keichiro ausgerechnet Sêiichî als Mörder ausgesucht hatte, immerhin war der ja bei der Polizei. Wäre es nicht einfacher gewesen, den Verdacht auf jemanden zu lenken, der mehr Dreck am Stecken hatte? So was Ähnliches wie Teran vielleicht?

„Ach, weißt du, da kann es alle möglichen Gründe geben. Vor allem geht das Gerücht rum, dass Vermouth irgendwas mit einem gewissen Cognac hat. Vielleicht ist das auch an seine Ohren getreten. Er findet die Frau ja ganz toll und will sie für sich. Würde das reichen für Chardonnay? Oder er tat es, weil Sêiichî bei der Polizei war. Du weißt ja, dass Keichiro die Polizei hasst. Also entscheiden kann ich mich da jetzt nicht, aber er kann es wirklich gewesen sein. Cognac kann ihn gar nicht leiden. Sollte Keichiro ihn innerhalb der Organisation getroffen haben, weiß er sowieso, dass er ein Verräter ist. Vielleicht war es auch er, der es beim Boss breit getreten hat. Dem ist alles zuzutrauen, was anderen schadet. Sêiichî wurde ja von ihm schon einmal fast umgebracht. Er kann ihn durchaus wieder erkennen. Dazu kommt, dass er ein Freund von Riina und Wataru ist. Du siehst, da gibt es jede Menge Gründe, damit kann man einen bombadieren.“



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