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To be forgiven

Zeig mir das Licht
von

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The show must go on

~Wo steckst du, Sêiichî? Ich habe Neuigkeiten... Der Boss war in einem Meeting und Baileys sollte Shawn zu Cencibel bringen, ich habe ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht und ihn mitgenommen...~

Sie wusste wohl, dass diese Worte reichten, mehr musste sie nicht sagen, ihn nicht mal um etwas bitten. Er fasste es nicht, dass es am Ende so einfach sein sollte. Shawn musste schnell hier weg, das entschied er über Vermouths Kopf hinweg. Er würde sie nicht fragen, ob sie einverstanden war, egal wie sauer oder enttäuscht sie wohl von ihm sein könnte. War es denn nicht auch in ihrem Sinn, wenn es ihrem Sohn gut ging und er nichts mit diesem ganzen Organisationskram zu tun hatte?
 

Wenig später stürmten auch schon Sanitäter auf den Friedhof, sie legten den Verletzten auf eine Trage und trugen ihm zum Krankenwagen, weshalb die drei Personen ihnen folgten.

Kir war schneller hinter ihnen her, als man schauen konnte. Sie hielt einen der Sanitäter kurz am Arm fest und sah diesen mit einem erweichenden Blick an.

Der andere, der mit der Trage half, meinte gerade den Mund aufzumachen, was den restlichen nicht so sonderlich gefiel. „Wenigstens ist dieser Mörder diesmal verschwunden. Ich dachte schon, mit uns geht es diesmal auch zuende, ich wollte schon streiken.“

„Sei doch ruhig!“ ermahnte man den jüngeren Mann, weshalb er zusammen zuckte.

Erst etwas später bemerkte der Älteste, dass ihn jemand am Arm festhielt.

„Gehören Sie zu der Person?“ fragte er, was sie mit einem Nicken erwiderte.

„Wollen Sie mitfahren?“

„Ja, will ich.“

Sêiichî hatte genau gehört, was der Jüngere gesagt hatte, er wirkte wirklich sehr jung. „Können Sie das bitte mal genauer erläutern? Wieso sollte es mit Ihnen zuende gehen?“

Das hatte ihnen gerade noch gefehlt, jemand, der Fragen stellte, jedoch dachte der Jüngste, dass er zumindest mal antworten konnte.

„Neulich hatte die Polizei sehr viel wegen eines Serientäters zu tun, es gab massig Tote und sehr viele Verletzte, die später im Krankenhaus eingeliefert wurden. Der Täter hat keinen verschont, wie es schien. Aber seine letzte Tat war ihm wohl besonders viel wert... Diese Sängerin war darin verwickelt, sie soll heulend angerufen haben, weil der Täter jemanden niedergeschossen hatte. Die Rede war von einem Lungen- und einem Magenschuss. Der Typ hatte zwar ordentlich Blut verloren, doch wäre nicht diese schreckliche Sache passiert, dann hätte er bestimmt überleben können. Dieser Täter hat nämlich verhindert, dass unsere Sanitäter am Tatort Hilfe leisten konnten, der Irre hat alle erschossen... Das war für einige ein Schreck... Als der nächste Einsatzwagen dort eintraf, waren alle tot, und die Sängerin hatte sich selbst erschossen...“

Sêiichî hatte nichts darauf erwidert, er wusste, was gemeint war. Jami hatte also nicht nur Polizisten ermordet, sondern auch Sanitäter und das als Arzt. Er war zwar nur Frauenarzt gewesen, aber das war schon als Vergehen schlimm genug. Dass es ihm so wichtig gewesen war, und er selbst so etwas in Kauf nahm. Es handelte sich immerhin um Leute, die nicht direkt mit der Organisation zu tun gehabt hatten. Er konnte nicht verstehen, wie Jami in dieser Nacht so hatte durchdrehen können, und er selbst war schwer verletzt gewesen, noch immer setzte es ihm sehr zu, dass er nichts hatte ausrichten können. Immer wieder dachte er daran, dass er ihn nur hätte umbringen müssen. Die Chance gehabt, hatte er schließlich. Dass er ihm vertraut hatte, war sein Schwachpunkt gewesen, es wäre für Sêiichî sehr leicht möglich gewesen, Jami zu töten, gerade weil er ihm vertraut hatte, hatte er ihm nicht zugetraut, dass er ihm etwas antun würde – zu Recht. Wäre er voll da gewesen, hätte er Jami wohl aufhalten können? Er hatte immer einen positiven Einfluss auf den Mann gehabt, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in dem er sich als Verräter entpuppt hatte...

„Das... Das tut mir echt Leid um Ihre Leute“, äußerte sich Sêiichî. „Ich möchte nicht mitfahren, ich komme nach, mein Auto ist ganz in der Nähe.“

Er brauchte einen Moment für sich und nahm Ryochi am Arm. „Nehmen Sie ihn an meiner Stelle mit, er ist sein Bruder, er hat mehr das Recht, mitzufahren.“

Das hieß für Ryochi, dass er Sêiichî nicht kontrollieren konnte, der Plan missfiel ihm, also lehnte er mit einem Abwinken ab. „In Krankenwägen wird mir schlecht, ich fahre mit meinem Freund hier. Rena passt mir schon gut auf meinen Bruder auf, nicht wahr?“

Die junge Frau nickte, sie hatte gleich Yuichis Hand in ihre genommen, das schien auch keinen zu stören, sie musste es tun, auch wenn sie anhand der Verletzung wusste, dass er bestimmt nicht auf dem Weg sterben würde. Er hatte sehr viel Glück gehabt, etwas weiter in die Mitte und sie hätte ihn wahrscheinlich schon bei ihrer Ankunft nicht mehr lebend aufgefunden...

Sêiichî hatte gewusst, dass ihm etwas verschwiegen worden war. Dass die Sängerin seine Exfreundin war, war mit ein Grund dafür. Sie hatten wohl ganz genau gewusst, dass er sich die Schuld daran geben würde. Wie so oft hatte man ihn bloß geschont, wann wollten sie damit wohl aufhören? Keiner hatte auch nur im Entferntesten mit Details rausgerückt.

Als die Türen geschlossen waren und der Krankenwagen losfuhr, stöhnte er genervt auf. „Wie nett, dass ich die Umstände von Fremden erfahren muss.“

„Du kannst gerne noch mehr Details haben!“ meinte Ryochi aufgebracht, da Sêiichî jetzt wohl wie ein Kind schmollen wollte. „Du willst alles wissen, gut! Hiroya Tokorozawa bekam einen Anruf von einem jungen Mann, der ihn auf Jami aufmerksam machte! Dein ach so toller Held hat nicht, weil er gegen Jami ermittelt hat, erfahren, dass er etwas vorhatte, nein, das hat ihm ein anderer sagen müssen, er durfte auch brav den Kopf hinhalten. Statt, dass er sich darum gekümmert hätte, hat er die Polizei losgeschickt. Er hätte vielleicht Hiroyas Schutz gebraucht. Aber der hat schön zugesehen, so ein Feigling... Und als er dann zum Tatort gerufen wurde, war der Kerl tot und seine Schwester ebenfalls... Den hättest du sehen sollen, ich könnte schreien vor Wut. Er hat eiskalt in dem Fall ermittelt und sich so benommen, als wäre sie eine Fremde. Wie er sagte, sie hat es nicht verkraftet, ich hätte ihn schlagen können. Und dann war er wieder so arrogant. Sie hatte irgendwie ein X an die Wand geschmiert, und zwar mit dem Blut, das an ihr klebte. Er war der Meinung, man muss es englisch aussprechen, es würde EX bedeuten. Und der Täter sei ihr Exfreund. Er wusste, dass es sich um Jami handelt, das hat er jedoch nicht gesagt. Er wollte sich bloß aufspielen...“ Wenn er sich selbst um alles gekümmert hätte, dann hätte er die ganzen Toten bestimmt verhindern können... Aber dann hätte er sich ja mit Jami anlegen müssen, richtig? Mit der Verletzung, die er zu der Zeit gehabt hatte, hätte er dabei sicher sein Leben verloren.

„Du denkst, er hat nichts dafür getan, um sie zu retten? Was, wenn er es gar nicht wusste? Ich mag es nicht, wie du über ihn redest.“

„Und du willst immer alles schön reden, da ist aber nichts Schönes dran.“ Ryochi hatte schlichtweg etwas dagegen, seine Geschwister im Stich zu lassen, nur weil sie etwas getan hatten, das einem missfallen hatte, das war, als wenn er Yuichi dafür verurteilen würde, dass er ein Mörder war.

„Ich will nicht alles schön reden, ich gebe den Leuten immer eine Chance. Und ich muss zugeben, ich mag ihn auf irgendeine groteske Art und Weise, weil er uns versucht zu stoppen. Ich will es so, ich will gestoppt werden, verstehst du das denn nicht? Ich kann ihm nicht böse sein, dass er mich hart anpackt. Chris war immer sehr viel mehr aufgebracht, wenn er das getan hat, ich war nie böse auf ihn. Wir haben es verdient, dass man uns so behandelt, ich ganz besonders, nachdem ich mehrere Polizisten eiskalt erschossen habe.“ Er seufzte. „Hiroya erschießt keine Menschen, er schießt sie an, da ist er mir ziemlich voraus. Bei mir hat es selten gereicht, jemanden anzuschießen.“

„Er gehört ja auch nicht zu euch... Ihr müsst es tun. Wenn ihr auffliegt, habt ihr ziemliche Probleme, das ist ein völlig anderes Paar Schuhe. Und, ob du es glaubst oder nicht, ist mir egal, aber meiner Meinung nach hat er getötet... Er hat vielleicht nicht seine Waffe auf diejenigen gerichtet, aber in dem Moment, als er die Polizisten schutz- und ahnungslos gegen Jami losgeschickt hat, hat er die alle in den Tod getrieben. Ich finde das viel schlimmer. Er hat seine Kollegen sterben lassen, geht das in deinen Kopf denn nicht rein? Würdest du so etwas denn jemals tun? Würdest du wissentlich deine Polizeikollegen in den Tod schicken, statt selbst zu gehen? Ach komm, Sêiichî, das glaube ich nicht, auch wenn du welche ermordet hast, das waren Aufträge, um dich zu piesacken, natürlich lässt du dich schön darauf ein. Du lässt dich vom Boss verletzen. Hör endlich auf damit. Mach dich nicht fertig, nur weil er die Zügel in der Hand hat.“
 

Unterdessen hatte sich Wataru keine freie Minute gegönnt und unentwegt an einem Fall gesessen, der ihm alles abverlangte. Es kostete ihn schon den Schlaf, zu wissen, dass ein mutmaßlicher Killer in dieser Stadt sein Unwesen trieb. Er hätte nie damit gerechnet, dass er wieder zurückkehren würde. Damit hatte er jedoch weit gefehlt und musste sich eingestehen, dass er sich zu früh gefreut hatte. Man durfte sich nie sicher fühlen, dann wurde man leichtsinnig. So wie seine Schwester, die seit Tagen verschwunden war und ihm nicht einmal eine Nachricht hinterlassen hatte, was er einfach nur frech und dreist fand. Er war doch ihr großer Bruder, der stets ein Auge auf sie haben musste. Sie hatte keinen Mann und manchmal glaubte er sogar, dass sie Männer im Grunde sogar hasste. Er war sehr blauäugig in diesen Dingen und behandelte sie auch wie ein kleines Mädchen, was bei einer 23-jährigen aber nicht sehr passend war.
 

Draußen brachten Laternen ein wenig Licht ins Dunkel, obwohl man die zwei Personen kaum sehen konnte, es waren eindeutig ein Mann und eine Frau. Die Dame zerrte den ausgelieferten Mann gnadenlos hinter sich her. „Jetzt komm endlich! Er wird dich schon nicht fressen! Wenn doch bin ja ich noch da…“ Sie sagte es in einem amüsierten Ton, denn er wusste ganz genau, was sie hier plante. Zum Leidwesen von seiner Wenigkeit ihren Bruder ärgern wollen und schockieren mit Dingen, die noch kaum ein anderer wusste. Sie hatte ihm lange in den Ohren gelegen, doch mit ihr zu kommen, wenn sie schon ihrem Bruder sagte, sie sei wieder da… Dann wollte sie ihn auch gleich mit anschleppen und ihrem armen älteren Bruder die Socken ausziehen mit ihren Berichten aus dem fernen Land, das sie vor kurzem übereilt besucht hatte, ohne ihm auch nur bescheid zu sagen. Sie wusste, dass das sehr gemein gewesen war und würde sich auch entschuldigen, aber wenn sie nicht zu derartig Drastischem greifen würde, dann hörte Wataru nie auf, sie wie ein kleines Kind zu behandeln.

Sie hatten den Wohnblock erreicht, wo helles Licht brannte.

„Ich stelle mich nicht an, aber man soll schlafende Hunde nicht wecken. Dein Bruder hat gerade genug zu tun, da sollte er nicht auch noch von seiner kleinen Schwester geärgert werden.“

„Du willst nur nicht zugeben, dass dir Täter weit weniger ausmachen als ein harmloser Bruder. Er ist nicht gemeingefährlich, also muss man auch keine Angst vor ihm haben. Er wird höchstens maulen, mehr nicht.“ Sie verspürte diebische Freude, ihrem Bruder diese Neuigkeiten zu übermitteln. Sie hatte das strahlendste Lächeln aller Zeiten in ihrem Gesicht, als sie so voller Wonne die Klingel betätigte. Es blieb einen Moment still, erst nach einem Moment ertönte eine Stimme aus dem Inneren der Wohnung.

„Einen Moment! Ich komme! Ich flitze!“ Es war keine Männerstimme, wie Riina sofort erkannte und deswegen Tatsuji reichlich verwirrt ansah, dessen Arm sie ergriffen hatte, damit Wataru auch ja sehen kannte, dass sie an ihm hing…

Die Tür ging schwungvoll auf und in ihr stand eine kurzhaarige Frau, die eine Schürze trug und wohl gerade kochte, jedenfalls trat Essensgeruch in die beiden Nasen, woraufhin sie die Kommissarin fast nicht erkannt hätten. Keiner von beiden hatte sie je mit einer Schürze gesehen, aber sie war wohl zu Besuch bei Wataru und Tatsuji konnte sich ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen, weil Riina so unbezahlbar verdattert dreinsah, wie es sonst nur Wataru konnte. Man merkte ganz eindeutig, zu welcher Familie sie gehörte.

„Was wird hier denn gespielt?“ Mit den Worten war Riina einen Schritt in die Wohnung gegangen und sah Miwako an, als sei sie ein Dieb. Wohl war sie nur wenig anders als ihr Bruder, der bestimmt ähnlich reagieren würde bei dem, was seine Schwester ihm heute zu sagen haben würde.

„Ich koche, das wird gespielt!“ Miwako hatte eine Seelenruhe und sie strahlte die Rothaarige mit einem glücklichen Lächeln an, weil es ihr die größte Freude bereitete, Wataru zu bemuttern, wogegen er auch heute nichts einzuwenden hatte. Er saß am Computer und zermaderte sich seit Stunden das Gehirn, obwohl sie lange Dienstschluss hatten. Sie wollte nett sein und hoffte ihn mit dem Duft des Essens dann doch von der Elektronik weglocken zu können.

„Und wieso? Es ist ein Restaurant um die Ecke!“ konterte Riina und meinte eher, dass des späten Abends eine Frau in der Wohnung ihres Bruders war, was sie jetzt auch schockierte. Anscheinend war sie nicht die einzige Person mit Geheimnissen.

„Aber Riina, sei doch nicht so! Offensichtlich ist sie Watarus Freundin! Du kannst sie doch nicht so anfauchen“, flüsterte Tatsuji Riina zu und lächelte dann in Richtung Miwako. „Hallo, Miwako, schön dich zu sehen. Das ist ja sehr lieb von dir, dass du für Wataru kochst!“ Er war wesentlich netter als Riina, die ihn jetzt auch böse anschaute. „Mach es ihr doch nicht so einfach! Kennst du die Person etwa genauer?“

„Natürlich, sie ist eine Kollegin von deinem Bruder. Ich hatte schon des Öfteren das Vergnügen.“

„Anscheinend weißt du mehr als ich, mhm? Mhm?“

Er fühlte sich ertappt, lächelte dann aber besänftigend. „Dafür kann ich nichts. Bestimmt wird Wataru sie dir auch gleich vorstellen. Und jetzt sei lieb.“

Leicht schmollend war sie schon, aber aufgrund seiner Worte beruhigte sie sich recht schnell wieder und sie traten in die Wohnung. Miwako schien weniger garstig zu sein, obwohl man sie ziemlich angefaucht hatte.

„Tatsuji, ist das etwa Watarus Schwester?“ Sie lächelte, weil er ihr bisher nur von der Kleinen erzählt hatte. ‚Ganz schön kratzbürstig…’

„Ja, das ist sie. Wie sie leibt und lebt.“ Es war ihm ein freches Grinsen gegeben und Riinas Gesicht zierte das schönste Schmollgesicht, was er sich vorstellen konnte.

„Er arbeitet noch immer… Ich denke, ich werde ihn dann wohl von der Kiste wegzerren müssen, jetzt wo ihr hier seid. Das Essen ist auch bald fertig. Ihr bleibt doch und esst mit oder? Ich würde mich freuen und Wataru sicherlich auch.“

„Das werden wir noch sehen, inwiefern mein Bruder sich freut, wo er sich offensichtlich eine Dame eingeladen hat. Bestimmt wollte er die traute Zweisamkeit mit ihr genießen.“

„Also, Riina, wirklich“, sagte Tatsuji tadelnd, weil sie noch immer ein bisschen biestig war, er das aber schon kannte, obwohl er ihr natürlich nie wirklich böse sein konnte, immerhin war sie zu ihm meistens lieb.

„Wataruuuu?“ Wie sie seinen Namen betonte, es klang einfach süß und lieblich, aber Riina schien eher schockiert davon zu sein, wie sie seinen Namen doch in einem niedlichen Klang rief. Es war ihr suspekt, aber auch wenn sie ein Biest sein konnte, wenn sie seinen Bruder glücklich machte, würde sie sich am ende doch für ihn freuen. Es kam nur sehr überraschend. Ihr Bruder war alles, nur kein Frauenheld. Man musste sich also wirklich wundern, wie das hier zustande gekommen war.

Miwako riss die Schiebetür auf und platzte hinein. „Tatsuji ist da und er hat noch jemanden mitgebracht. Das Essen ist auch gleich fertig. Ich habe beide natürlich zum Bleiben eingeladen.“

Wataru drehte den Kopf zu seiner Freundin und wirkte verwirrt. „Tatsuji? Aber er kommt doch nie einfach so zu mir.“ Das ließ ihn alles stehen und liegen lassen. Er stand auf und sprintete zur Tür, als ginge es um Leben oder Tod.

Sofort wollte der junge Mann von diesem Agenten wissen, ob er eine neue Spur hatte, bezüglich seinen Vater und deswegen hier aufschlug, doch dazu kam es nicht, weil er in der Tür stehen blieb, als er die rothaarige Dame erblickte, die an Tatsujis Arm hing, dabei lächelte sie ihn mit einem leicht raffinierten Lächeln an. „Um Gottes Willen Riina!“ Er seufzte einmal erleichtert, er war mehr als nur froh, dass Tatsuji sie zu ihm brachte. „Wo hast du sie aufgelesen? Ich hatte mir tierische Sorgen über ihren Verbleib gemacht, nachdem sie einfach so verschwunden war.“

Keine einfache Frage für den braunhaarigen Älteren, der eigentlich den Auftrag hatte, Riina das Reden zu überlassen. Aber er wollte Wataru auch nicht vor Sorge Tode sterben lassen, indem er nun schwieg. „Ich habe sie nirgendwo aufgelesen. Es ist überhaupt nichts schlimmes mit ihr passiert, außer dass der Sturkopf sich in einen Flieger gesetzt hat, um mich überraschend in Amerika zu besuchen. Sie dachte in ihrer Freizeit eine kleine Reise zu machen und hat leider versäumt, dir das zu sagen.“

„Ich fasse es nicht… Und was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, Imōtochan? Wie kannst du deinem älteren Bruder nur solche Sorgen bereiten? Du kannst doch nicht einfach so davon laufen. Vor allem gerade jetzt nichts.“ Ihr besorgter Bruder seufzte leicht, denn er wollte nicht, dass sie ihrem gemeinsamen Vater in die Arme lief, nur wegen so einer Leichtfertigkeit. „Es kann doch alles Mögliche passieren.“

„Nun übertreib doch nicht so. Das kann es in Japan auch und ich kann ja schließlich nicht in meiner Wohnung versauern, nur weil das Leben eben Gefahren mit sich bringt. Außerdem war ich kaum 3 Tage weg, aber es waren 3 sehr turbulente Tage, die ich sehr genossen habe. Vielleicht solltest du dich darüber freuen, wenn ich meine Ferien genieße. Ich habe den Flug lastminute gebucht und hätte den Flieger beinahe verpasst, da blieb kaum Zeit, denn ich wollte Tatsuji so gern sehen. Ich hatte ja nicht einmal Zeit, ihm den Besuch anzukündigen.“

„Da macht man sich Sorgen und wird gleich mit solchen fadenscheinigen Entschuldigungen abgespeist. Wenigstens DU hättest dich melden können, dass Riina bei dir ist! Dann wäre ich vor Angst nicht fast gestorben.“ Nichtsdestotrotz war Wataru sehr erleichtert, dass sie zu Tatsuji gegangen war, der hatte wenigstens die nötigen Mittel, um seine Schwester vor Unheil zu bewahren. Sie hätte auch sonst wo in der Weltgeschichte herumreisen können, wo keiner auf sie aufpasste. „Aber so etwas machst du mir nie wieder, verstanden?“

Riinas heiterer Gesichtsausdruck erstarb bei dieser Ansage. „Jetzt schalte mal einen Gang runter, Wataru. Du bist doch nicht mein Vormund. Ich bin erwachsen genug für eine Reise, findest du nicht? Genauso wie ich erwachsen genug bin, um jemanden, den ich so sehr vermisst habe, wie sonst nichts in der Welt, einfach so überfallen, indem ich vor seiner Tür stehe. Schimpfe doch nicht so mit ihm. Er ist davon ausgegangen, dass du es wusstest, deswegen hat er nichts gesagt. Er hätte dich sofort informiert, wenn ich ihm gesagt hätte, dass du nichts weißt.“ Sie lächelte entschuldigend und wollte ihren Freund in Schutz nehmen.

„Sie wird immer frecher. Aber ich hoffe doch ganz stark, dass meine Schwester nicht mit dir im gleichen Bett geschlafen hat, oder?“

Damit brachte er Tatsuji ziemlich in die Bredouille, aber er war schon mit schlimmeren Kalibern klargekommen, als dass er vor Wataru jetzt kuschen wollte.

„Ich muss dich leider enttäuschen, genau das ist passiert.“ Er stand dazu, dass er zu dieser Sache dann auch noch Ja gesagt hatte. Sie wusste allerdings, worauf sie sich einließ. Eine gewisse Art Raffinesse musste man der rothaarigen Frau zugestehen. Sie machte keine halben Sachen, wenn sie ihn schon so aus heiterem Himmel besuchte, musste sie ihm auch gleich in der Tür in die Arme zu springen.

Der Rotschopf lächelte unschuldig, obwohl das nicht so ganz passen wollte. „Bestimmt bist du nun erschüttert, was deine kleine Schwester nicht alles fertigbringt, wenn sie jemanden vermisst. Es kommt auch noch dicker. Du darfst mir nicht böse sein. Wenn Menschen unsterblich verliebt in jemanden sind, richtet sich alles nach Gefühlen und nicht nach Verstand. Ich wollte keine Zeit vergeuden und habe den erstbesten Flug genommen, was ich finden konnte. Um gnadenlos in seine Arme zu segeln, nachdem wir uns fast einen Monat nicht mehr gesehen haben. Du hättest sein schockiertes Gesicht sehen sollen, als ich vor seiner Tür stand… Er hat bestimmt genauso dämlich aus der Wäsche geschaut, wie du gerade. Mit meinem Besuch hat er nicht gerechnet, aber nachdem er den Schock überwunden hatte, freute er sich. Vielleicht solltest du dich auch freuen… Deine Schwester hat ihm nach ihrer Ankunft nämlich dann auch noch ihre Liebe gestanden und ihre tiefsten Sehnsüchte mit ihm geteilt.“

Tatsuji hustete, weil er schon fand, dass sie dick auftrug und er es am Ende doch wieder ausbaden musste, weil er der Mann war, der in Watarus Augen seine Schwester abzuweisen hatte, weil sie ja so klein war…

„Also naja, viel entgegen setzen konnte ich da wirklich nicht. Sie arbeitete mit schlagenden Argumenten.“ Es war ein kleines Grinsen in seinem Gesicht, denn genauer verdeutlichen wollte er es wirklich nicht, was sie mit ihm angestellt hatte. Es gab Dinge, die Wataru gar nicht so genau wissen musste, denn dann war er wirklich schockiert.

„Wie bitte? Du kannst meine Schwester doch nicht so ausnutzen, nur weil sie gerade eine ihrer Launen hat!“ feuerte Wataru dem jungen Mann entgegen, als die neugierige Miwako aus der Ecke dann doch ihren Senf dazu geben musste. „Oh, sei nicht so ein Grieskram. Freu dich doch für deine kleine Schwester, dass sie keinen Korb bekommen hat. An ihrer Stelle würde ich es genauso machen. Du hast gesagt, sie wird 23, da kannst du sie doch nicht so bemuttern. Außerdem ist Tatsuji der vertrauenswürdigste Mann, den ich kenne. Das hat Shina auch immer gesagt.“

Wataru wusste das im Grunde selbst, aber bei ihrer Vergangenheit musste er doch auf seine kleine Schwester aufpassen. Dabei musste er froh sein, dass Tatsuji niemand war, den ihr Vater einfach so umbringen könnte.

„Mich mit so etwas so zu überfallen… Ich bin echt maßlos enttäuscht. Ich wusste bis heute nicht einmal, dass du einen Mann ernsthaft lieben könntest.“ Tatsuji war ein gestandener Mann und so viele Jahre älter als sie, dass Wataru schon etwas entsetzt war. „Ich dachte, du hättest Angst vor denen.“

„Ach weißt du, Wataru. Ich wüsste nicht, weshalb ich Angst vor ihm haben sollte. Wir kennen uns fast ein ganzes Leben.“ In ihrem Gesicht kam jetzt eine schüchterne Röte auf und sie stammelte den Rest ein bisschen. „Ich wollte… ich hatte vor… Also ehrlich gesagt, habe ich ihm kaum eine Wahl gelassen. Ich bin ihm um den Hals gefallen, habe mich von ihm in der Tür in den starken Armen halten lassen und hätte ein Nein sowieso nicht akzeptiert. Verteufle ihn nicht, nur weil er auf so eine Attacke nicht gefasst war und es ihm am Ende auch noch gefallen hat.“ Sie war tierisch rot nun geworden und tippte mit den Fingerkuppen aneinander. „Außerdem, wie könnte ich denn der Versuchung eines Mannes widerstehen, dem ich meine Gefühle gestand, der mich so herzerwärmend anlächelte, weil er wohl all die Jahre gehofft hat, dass ich jene Worte zu ihm sage. Nicht?“ Sie hatte den Kopf zu Tatsuji gedreht und wollte ihn wohl endgültig verlegen machen. Aber er lächelte, obwohl sie etwas weit ausholte und sie es durchaus bei einem wir sind zusammen belassen könnte.

„Wataru, ich kann dir versichern, dass ich deine Schwester zu rein gar nichts gedrängt habe. Die Initiative hat sie ergriffen und ich habe im Grunde nur darauf reagiert. Ich weiß, dass man liebevoll mit deiner Schwester umgehen muss und ich kann wagen zu behaupten, dass ich sie gut genug kenne, um dir auch zu versichern, dass sie glücklich ist.“ Seine Hand legte sich auf Riinas Schulter, die gerade nur verteufelt ehrlich zu ihrem Bruder war, so wenig diesem das gefiel, er würde wohl damit leben müssen, weil eins der Dinge, die sie beide mehr als gut wussten, war, dass Riina ihren Sturkopf gegenüber jedem gnadenlos durchsetzen konnte. Dabei bekam man entweder blaue Flecken, oder man nahm es einfach hin und blieb unversehrt. Jedenfalls wenn man es symbolisch sah.

Seine Worte klangen so schön und entsprachen der Wahrheit, da konnte sie nicht mehr anders, als den Kopf seitlich an seine Schulter zu drücken und weil er den Arm dann wegnahm, um diesen um sie zu legen, presste sich ihr Kopf schon ein bisschen an seine Brust. Ihre Arme schlangen sich um seine Brust und hielten sich an ihm fest. Bei ihm fühlte sie sich wohl behütet und geborgen, wie bei sonst keinem. „Man könnte es kaum treffender formulieren. Er hat nichts falsch gemacht. Wenn wir nicht den Anruf vom Präsidium bekommen hätten, wären wir immer noch in Armerika und würden die traute Zweisamkeit genießen.“ Sie hatte sich angeschmiegt und sah zu ihm hinauf. Obwohl sie so viel kleiner war, schaffte sie es, sich auf die Zehenspitzen zu stellen und ihm im Beisein aller einen Kuss auf die Lippen zu drücken, was Wataru einfach endgültig umhauen musste, weil er seine Schwester noch nie so gesehen hatte. Wie sie einen Mann küsste. Es machte Wataru sogar verlegener als den besagten Mann selbst. Dieser verzog keine Miene, aber genoss den kurzen Kuss wohl solange er andauerte in vollen Zügen.

Miwako lächelte Wataru zu und wollte ihn mit ebendiesen Lächeln noch etwas mehr erweichen, obwohl diesem bei der Show die Argumente ausgingen und er dann doch lammfromm lächelte.

„Was wäre ich für ein Bruder, wenn ich das nicht akzeptieren könnte? Ich sehe es jetzt auch, dass sie glücklich ist. Es freut mich für euch beide sehr. Dass sie bei dir in guten Händen ist, glaube ich. Trotzdem habt ihr mich ganz schön überfallen.“

„Ach, und jetzt, wo wir das Kreuzverhör hinter uns haben“, meinte Riina und lächelte ein bisschen fies, „erkläre mir doch einmal, wie die Beziehung zwischen dir und Miwako so ausschaut. Immerhin haben wir dir Rede und Antwort gestanden, jetzt bist du dran! Übernachtet sie hier, oder lässt du dich nur bekochen?“ Es war eine sehr freche Frage, das wusste sie.

Wataru lief tiefrot an, weil seine Schwester so frech nachfragte. „Sie übernachtet hier seit knapp einer Woche“, gab er zu und wollte die Sache aber nicht weiter vertiefen, weil es nicht nur ihn in Verlegenheit brachte, sondern auch Miwako.

Riina Takagi ließ sich nicht von roten Gesichtern beeindrucken und schritt auf Miwako zu, ehe sie sich an sie wendete. „Wataru ist mir lieb und teuer. Er ist mein allerliebster Bruder. Wenn du ihm das Herz brichst, nimm dich vor mir in Acht.“ Man konnte es als ernst gemeinte Drohung verstehen, denn es wäre nun nicht die erste Frau, die Wataru unglücklich machte.

„Ich glaube, dass ich deine Schwester sehr mag“, verriet Miwako mit einem Seitenblick an Wataru, den sie glücklich anlächelte, dann sich aber wieder dessen Schwester zuwendete. „Keine Sorge. Es hat zu lange gedauert, deinen Hasenfuß von Bruder zu erobern, als dass ich riskieren würde, ihn wieder zu verlieren. Sei ganz beruhigt. Wir beide hatten einen langen und beschwerlichen Weg. Auch wenn man ihn manchmal ein bisschen zu seinem Glück zwingen muss…“
 

Sēiichī und Ryochi saßen nach dem Desaster noch kurz schweigend zusammen im Auto. Es brachte nichts, einen aufgewühlten, zerrütteten Freund weiterhin mit Worten zu bombardieren. Der Detektiv konnte sich denken, dass sein bester Freund gerade Heidenangst durchstand, das gestand er ihm auch zweifelsohne zu. Er war in einer sehr prekären Situation. Sie alle durften von Glück reden, wenn nicht doch noch einer zu Tode kam. Zum Glück waren Yuichis Verletzungen nur milde, aber der junge Mann dachte darüber nach, was noch geschehen könnte und vielleicht sogar würde. Was passieren würde, wenn er die Augen vor allem nicht lernte zu verschließen. Natürlich wäre, seinen Bruder nicht aus den Augen zu lassen, ihn mit nach Hause zu nehmen, wo er hingehörte. Ihn nicht der Organisation zurückzugeben, wie diese es sicherlich versuchen würde. Er wusste, dass er ihn gehen lassen musste und nicht festhalten konnte. Die Zeit, in der er davon erfahren hatte, was aus seinem großen Bruder geworden war, war eine harte Zeit. Einer der Ranghöchsten einer Organisation. Ein Killer. Es gab nur eine einzige gute Sache an der Geschichte. Man musste sich nicht allzu sehr um das Wohlbefinden desjenigen sorgen, so hatte ihm sein Bruder jedenfalls versichert. Denn er hatte sich in der Organisation wohl einen Namen gemacht, so dass es ihm möglich war, weit auszulegen, was er sich erlauben konnte und was nicht. Auf jeden Fall wesentlich mehr als so mancher dort. Es gab immer mehrere Seiten und viele würden Ryochi wohl auch nicht verstehen, wenn sie wüssten, wie viel er einfach unter den Tisch fallen ließ. Genauso wie Sēiichī, der zwar mit tödlicher Sicherheit die Organisation verriet, wie es kaum einer wagte, aber dennoch die Verschwiegenheit in Person war. Auch jetzt redete er nicht mit ihm, aber das war gut so. Ryochi wusste selbst viel zu viel über diese Organisation, dazu musste sein Freund nicht erst den Mund aufmachen. Das erwartete er auch nicht von ihm. Einzig und allein, dass er überlebte, das erwartete Ryochi von ihm. Er wollte nicht seinen Freund verlieren, nur weil er ihn dazu zwang, auszupacken. Es gab wahrscheinlich unheimlich viel, was der junge Kriminalist auf dem Kerbholz hatte, genauso wie sein Bruder Yuichi. Man stieg nicht im Rang, wenn man harmlos war, so viel war sicher…

Trotzdem war ihm der eigene Bruder gerade ausgeliefert. Ihn erinnerte das an eine Geschichte, die das FBI vor knapp einem Jahr ebenfalls durchlebt hatte. Er hatte diese Sache beobachten lassen. Nicht so wie diese aalglatten Hunde damals Rena Mizunashi versucht hatten für ihre Zwecke zu benutzen, würde er seinen Bruder in Ruhe lassen. Ihn mit aller Gewalt festzuhalten, würde nur bedeuten, dass die Organisation am Ende der Meinung war, er habe versagt. Ryochi wusste, wie mit solchen Leuten verfahren wurde, da war egal wie hoch sie standen, oder?

Ein Blick zu Sēiichī verriet ihm, dass dieser sich sehr viele Gedanken machte, über was genau konnte man nur mutmaßen. Die Tatsache, dass man versucht hatte ihn umzubringen, war schlimm genug, aber der 23-jährige fürchtete sich schon lang nicht mehr vor dem Tod, obwohl er das besser sollte, immerhin war Shina nicht die einzige Person in seinem Leben, die ihn brauchte. Sie war tot, das konnte keiner ändern, aber er hatte sich geschworen, den Schuldigen zu fassen und ihn dann für immer einzusperren. Seine Mutter würde ihm als Staatsanwältin sicher liebend gerne unter die Arme greifen, wenn er den Kerl endlich hatte. Dieser Mann würde nie mehr das Licht der Sonne erblicken, dafür würde er schon sorgen.

„Mir ist zugetragen worden, dass du Vater geworden bist, Sēiichī. Dich zu beglückwünschen wäre wohl nicht angebracht, oder? Genauso wenig, wie ich fragen muss, wer die Mutter ist. Noch weniger möchte ich dich verurteilen oder dafür rügen, weil du so blöd bist, so einen Mist zu verzapfen. Ich hoffe nur, dass sich alles zum Guten für dich wenden wird. Dass du nicht als alleinerziehender Vater endest, oder sie als alleinerziehende Mutter. Beide Fälle sind nicht zweifelsfrei auszuschließen. Du darfst als Vater keine allzu großen Risiken mehr eingehen. Das wäre ungerecht gegenüber diesem Kind, was jetzt noch keine Ahnung hat, was es erwartet. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Kind in die Organisation hineingeboren wird. Das ist ein hartes Los für alle. Trotzdem möchte ich dich bitten, mich an deinem Leben ein wenig mehr teilhaben zu lassen, sofern das möglich ist.“

Ryochi wusste um das Ausmaß dieser Bitte.

Diese Frage kam überraschend. Lustigerweise war der Einzige, der dieses Thema tatsächlich angeschnitten hatte, der Boss gewesen. Um seine Spielchen mit ihnen allen zu treiben und Sēiichī hatte so getan, als wüsste er von nichts. Das war sogar die halbe Wahrheit, in dem Moment wusste er wirklich noch nicht, dass es sein Sohn war. Ihm genügte jedoch ein Blick in das Gesicht des Kindes, um etwas zu ahnen. Innerlich war er sehr aufgewühlt gewesen und man hatte bestimmt die ein oder andere Sache in seinem Gesicht ablesen können – dummerweise. Gerade, weil er nichts gewusst hatte, war er unvorbereitet gewesen.

Ihm war schlecht bei dem Gedanken, obwohl Sēiichī sich viel lieber freuen wollte. Kinder waren ja ein Geschenk Gottes, aber so weit konnte er noch nicht gehen. Es war gerade eher wie eine Strafe – wofür genau es eine war, war sich Sēiichī noch nicht bewusst. Ob Strafe an ihn, an sie oder an sie alle.

„Ich habe es vom Boss erfahren… Jedenfalls indirekt“, verriet er in einem leicht bekümmerten Ton, denn seine mangelnde Freude konnte er nicht verbergen. „Fühlt sich ganz berauschend an, wenn man nicht mit einem Wort gesagt bekommt, dass man überhaupt Vater wird. Manchmal hasse ich es, wenn sie das macht, aber in dem Fall, wollte sie wohl nicht nur vor dem Boss alles verheimlichen, sondern auch vor mir. Sie wusste mit Sicherheit, dass das kein gutes Ende nimmt… das Resultat kennen wir ja nun.“ Nun musste er mit der Schuld leben, was ihm schon damals nicht leicht gefallen war. „Früher hätte ich gesagt, dass ich all das eben in Kauf nehmen kann und ich das aushalte, jetzt wäre ich vorsichtiger damit. Es wäre auch um einiges besser, wenn du einfach vergessen würdest, dass wir mal Freunde waren, denn ich weiß nicht, inwiefern ich aus dieser Schlinge wieder herauskomme. Aber ich kann dir sagen, dass es meinem Sohn gut gehen wird. Gerade vorhin habe ich eine Nachricht erhalten, dass er in Sicherheit ist. Dabei ist mir im Moment sogar egal, dass man uns das Kind weggenommen hat, weil es besser so ist.“ Sēiichī lehnte sich zurück, wirklich glücklich war er nicht, aber auch nicht sonderlich traurig. Ein Leben in der Organisation sollte man keinem Kind wünschen. Egal, wohin man Shawn brachte, dort würde es ihm gewiss besser gehen als an der Seite von zwei Menschen, die in einem Pulverfass saßen. Voll von Intrigen, Machtspielen und Grausamkeit. Das war keine Welt für ein Kind, zumindest keine, die man einem Unschuldigen wünschen sollte. Es war besser so. „Ich darf dem lieben Herrgott danken, dass wir all die Jahre noch damit durchgekommen sind, was wir so trieben. Dafür haben wir jede Schandtat begangen… Sie würde mich wieder auslachen, weil ich so einen Unsinn rede. Bestimmt käme so etwas wie, danke nicht dem Herrgott, sondern den Menschen, die dir geholfen haben. Damit würde sie wohl in erster Linie sich selbst meinen.“ Sēiichī lachte, obwohl es überhaupt nicht lustig war.
 

Dennoch musste er dieser Frau zugestehen, dass sie zuweilen tapferer war als so mancher Mann. Auch er hatte jede Menge schwacher Momente, solche Fehler passierten einer professionellen Verbrecherin natürlich weniger. Aber auch sie hatte ihre schwachen Momente gehabt, das konnte sie nicht leugnen. Trotzdem würde Vermouth es nie zugeben. In den rechten Momenten konnte sie ihre Fassade aufrecht erhalten, aber ihm machte sie nichts vor. Sie hatte dieses Leben so satt und er wusste einfach, dass sie sich nach einem anderen Leben sehnte. Das musste sie ihm nicht direkt sagen. Sie hatte viele Seiten an ihm schweigend hingenommen. Nicht, weil es ihr egal war, sondern weil ihre beidseitige Situation danach verlangt hatte, nicht allzu hohe Ansprüche zu stellen. Er wusste mittlerweile selbst, dass einige seiner Handlungsweisen alles andere als ehrenhaft gewesen waren, aber es passte doch zu einem Killer. Was war er schließlich sonst? Er hätte sie auch nie direkt als seine Geliebte bezeichnet, viel mehr als seine Freundin, obwohl sich Cognac natürlich gerne mit seinen Eroberungen brüstete. Da war es doch amüsant, dass er mit seiner Beziehung zu ihr etwas geheimnisvoller umgegangen war. So ein Großkotz wie er musste doch eigentlich mit seinen Frauengeschichten angeben. Viele Jahre hatte er nicht gewusst, weshalb sie überhaupt mit ihm ins Bett ging. Er hatte vieles auf sein gutes Aussehen geschoben. Nach Calvados’ Tod musste er sich aber eingestehen, dass mehr dahinter stecken musste. Sie hatte diesem Typen keine Träne nachgeweint. Ihn hingegen hatte sie so oft gewarnt, dass er sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollte. Das war wahres Wohlwollen und aufrichtige Sorge. Sie wollte nicht auf ihn als Gefährten verzichten. Wie oft hatte er sich selbst gegenüber beschwichtigt, dass es nichts mit Liebe zu tun hatte. Sēiichī wusste heute gar nicht mehr, wann er wirklich angefangen hatte, sie wirklich zu lieben. Er könnte eine solche Frage nicht einmal beantworten. Das könnten wohl andere Leute besser für ihn tun…

Vermouth wäre auch gar nicht so geheimnisvoll, wenn sie ihm alles immer sofort gesagt hätte. Es musste sich ja erst die Schlinge so richtig um seinen Hals legen, damit es überhaupt einmal ausgesprochen wurde. Mittlerweile fand er auch, dass es genügend Anzeichen gegeben hatte, dass sie ein Kind von ihm erwartete, so war ihr Verhalten ihm gegenüber sehr verdächtig gewesen. Ein bisschen zu nett, um genau zu sein. Er war ganz andere Dinge von ihr gewöhnt als liebevolle Momente oder dass sie sich irgendeiner Art von Romantik hingab, so wie an dem Tag, als er ihr gestanden hatte, aufgeflogen zu sein. Aber auch ihm sah nicht ähnlich, Liebesschwüre zu verkünden. Sie hatten sich alle verändert. Ob nun zum Positiven, oder Negativen, darüber konnte man sich nun wahrlich streiten.

„Wir sind nun fast ein ganzes Leben befreundet, Sēiichī und ich weiß Dinge über dich, die könnten dich teuer zu stehen kommen. Ich könnte dich und auch Yuichi ins Gefängnis bringen, was wohl eher euren sicheren Tod bedeuten würde. Ich werde dich nicht fragen, obwohl ich mir sicher bin, dass sowohl du, als auch Yuichi ganz genau wissen, wer dieser Boss ist. Es gibt sehr viele Menschen, die alles dafür täten, um seine Identität herauszubekommen, nur damit all das endlich ein Ende hat.“ Ryochi kannte Sēiichī und wusste vieles über ihn. Egal wie wild er immer war. Oder wie machohaft er sich an Frauen herangemacht hatte. Sein Freund hatte das Herz am rechten Fleck. Es ginge mit dem Teufel zu, wenn er nicht versuchen würde, den Boss zu stürzen. Alleine dafür, um ihnen beiden ein neues Leben zu ermöglichen. Ryochi wusste, auch wenn sein Freund es verheimlichte, dass er sich doch nach einer Familie sehnte. Nach einer eigenen. Seine Gefühle für diese Frau hatten alles überstanden. Er wollte gar nicht zählen müssen, wie oft man versucht hatte Sēiichī die Sache auszureden, aber er war unbelehrbar und beharrte darauf. Er hoffte, dass Chris das auch wirklich zu schätzen wusste, wie ironisch er ihr doch irgendwie treu geblieben war. Für keine andere Frau hätte er je so viel riskiert. Vielleicht war es auch das, was sie seine Fremdgeherei so lange Zeit billigen ließ, obwohl er natürlich glaubte, dass Sēiichī mittlerweile doch ein bisschen ruhiger geworden war. Er wollte aber nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass er nicht immer noch Liebschaften hatte.

Sēiichī schwieg, was die Boss-Sache anging. Er war unsicher, ob aus Unwissenheit oder weil er nicht reden wollte.

„Viele stellen sich das sehr einfach vor. Den Obermacker eines riesigen Verbrecherclans zu fassen, ist kein Leichtes. Ich glaube noch nicht einmal daran, dass das ausreicht, um die Organisation für immer zu zerstören. Er hat mit Sicherheit vorgesorgt, für den Fall der Fälle.“

Ryochi war sich vollkommen im Klaren, dass wenn es wirklich so einfach wäre, nicht nur Sēiichī, auch so manch andere Person es probiert hätte. Alle, die es versucht hatten – denn die gab es mit Sicherheit – waren wohl eher nicht mehr unter ihnen.

Zwar hatte er dieses Gespräch angefangen, aber wirkliche Antworten erwartete er eigentlich nicht. Obwohl man meinen könnte, es sei eine versteckte Frage.

„Oh, dann unterschätzt man ihn gewaltig“, sagte Sēiichī schließlich knapp und klang dabei kühler, als er selbst bezweckte. Sēiichī konnte ausschweifender reden, als er es gerade tat, er verschränkte die Arme und wusste die Hilfe seines Freundes durchaus zu schätzen.

„Ich war vor Jahren auch einmal so verrückt, zu glauben, dass ich den Boss treffen kann, um ihn dann postwendend zu verraten, aber er hatte leider sehr clevere Menschen an seiner Seite. Die meisten würden nie wagen, ihn zu verraten, weil sie Angst hätten, was es für Konsequenzen hätte. Nicht jeder in der Organisation hat das Glück keine Familie mehr zu haben, wie das vielleicht bei Vermouth der Fall ist. Sogar sie scheut sich davor, dem Kerl zu sehr ans Bein zu pissen. Sie machte doch ernsthaft einmal den Scherz, wenn sein Name publik wird, dann wird Japan in kürzester Zeit dem Erdboden gleich sein. Er würde nicht einmal davor zurückschrecken, eine Bombe zu zünden und alles auszulöschen, was ihm gefährlich werden kann. Sogar sich selbst.“ Sēiichī grinste und lachte anschließend. „Er ist paranoid und misstraut sogar seinen engsten Vertrauten möchte man meinen. Seinen richtigen Namen kennt so weit ich weiß nicht einmal sie. Dass sie sein Gesicht kennt, steht außer Frage und eine clevere Frau wie sie hat bestimmt nicht nur einmal versucht dahinter zu kommen, wer er wirklich ist. Eine Verkleidungskünstlerin wie sie sollte dazu ja auch in der Lage sein, ihresgleichen zu durchschauen. Sogar sie kann ihm anscheinend nichts anhaben. Ich kenne nicht nur einen Mann, der mich dafür auslacht, dass ich ihr all das glaube. Jamie zum Beispiel ist der festen Überzeugung, dass es jawohl reichen muss, diesen schmierigen Kerl einmal nur ins Bett zu kriegen, um ihn zu verraten. Dass es einfach wäre, ihn auszutricksen, gerade sie sollte dazu in der Lage sein. Vor 5 Jahren habe ich sie mit genau dieser Meinung konfrontiert und sie begann schallend zu lachen. Das Einzige, was sie wohl wirklich kann, ist ihn zu kennen und ihm alles zuzutrauen. Er würde lieber einen Auftrag in den Wind schießen, falls auch nur die kleinste Gefahr bestünde, aufzufliegen. Es machte mich schon stutzig, dass er mich einfach so in sein Büro gelassen hat. Er pokert gerne und verliert selten. Ich glaube sogar, dass sein Gesicht nicht einmal echt ist. Zu dem Gesicht, was ich gesehen habe, existieren nicht einmal Daten. Schlimmstenfalls benutzt er Vermouth auch für seine Deckung. Jamie würde jetzt wieder sagen, dass sie ihn dann ja nur verraten muss. Sie würde wieder schallend anfangen zu lachen…“ Sēiichī seufzte. Auch ihm war schwer gefallen, all das zu begreifen. „Es war jedoch nicht ganz umsonst, in diese Organisation einzusteigen, so habe ich viel herausbekommen, was ich unter anderen Umständen nie erfahren hätte.“

Ryochi hörte ihm zu, wollte ihm aber auch nicht widersprechen, er glaubte ihm. Sēiichī war ein guter Mensch und selbst er verriet die Organisation nur wage. Das, was in der letzten Zeit passiert war, ging ihm mit Sicherheit an die Substanz, aber dennoch machte er, was man von ihm verlangte. Es blieb ihm wohl auch kaum eine andere Wahl.

„Ich denke selbst das Gefängnis würde Vermouth mehr gefallen, als in dieser Organisation zu sein.“ Damit überraschte er Sēiichī bestimmt. Er unterschätzte ihn. „In erster Linie klingt das alles schlimmer als jedes Hochsicherheitsgefängnis. Keiner wagt etwas zu tun. Das hat Gründe und die sind nicht zu verachten. Man muss jeder Zeit damit rechnen, dass man den nächsten Tag nicht mehr erlebt. Wie hast du das die ganzen Jahre ausgehalten? Das frage ich mich wirklich.“

„Die Frage ist leicht zu beantworten, Ryo. GAR NICHT!“ Es wäre erstunken und erlogen, wenn er behaupten würde, dass er alles, was geschehen war, einfach so weggesteckt hatte. „Ich war ein hirnverbrannter Vollidiot, der für ein bisschen Spaß sein Leben aufs Spiel setzte. Mir war egal, ob ich dabei draufgehe. Ich hatte mir ernsthaft in den Kopf gesetzt, diese Frau zu benutzen. Jamie hat mich gewarnt, dass sie das mit mir machen würde. So wie sie jeden ausnutzt. Es kümmerte mich nicht einmal. Mein Plan war auch sie eines Tages zu verraten. Leider sind mir da ein paar Dinge in die Quere gekommen. Ich habe mich in der Zeit sehr verändert. Heute kann ich nicht mehr sagen, was es genau war, was mich so verändert hat. Vielleicht war’s der Alkohol, den ich immerzu konsumierte, als ich kaum 20 war. Sonst wäre all das Elend nie zu ertragen gewesen. Ich sah damals nicht ein, auf eine gute Partie zu verzichten und habe nicht nur einmal jemanden umgebracht, um Vermouth zu beschützen. Vielleicht fand sie das am Ende beeindruckend, denn manchmal habe ich ihr unheimlich die Ohren vollgeheult, weil ich irgendetwas nicht ertragen habe. Es kam sogar einmal der gemeine Spruch, dass ich ein ganz schön armseliger Weichling bin… Das fand ich zu dem Zeitpunkt nicht so amüsant. Die Person, die das sagte, fand überhaupt nicht, dass wir zueinander passen. Sie bräuchte keinen Weichling an ihrer Seite und eines Tages würde sie mich vor Ärger noch umbringen…“ Sēiichī lachte, denn er hatte das mit einkalkuliert. „Ich würde sagen, dass ich mehr oder weniger klarkam. Aber in letzter Zeit ist so manches aus dem Ruder gelaufen. Meine Pläne, zum Teufel damit. Es ist wirklich alles mögliche eingetroffen, was ich nicht geplant hatte. Ich war der Meinung, dass ich jeden Zweifel ausgelöscht hätte. Es wäre aber mit dem Teufel zugegangen, dass ich meine Identität hätte geheim halten können, wo doch so viele alte Gesichter in dieser Organisation mit drinstecken. Es ist eher verwunderlich, dass all das solange gut gegangen ist. Ich habe nicht gefragt, aber wenn es nicht Vermouth selbst war, die all die Mäuler gestopft und am Reden gehindert hat, ich würde auch Yuichi zutrauen, dass er sich mit ihnen angelegt hat, um mich zu beschützen. Es würde mich jetzt nicht großartig wundern. Dass Takeshi, mein eigener Bruder, der mich wohl über alle maßen hasst, solange nicht ans Messer geliefert hat.“ Es war einfach lächerlich und er musste den Personen danken, die es so gut mit ihm gemeint hatten. Wer auch immer es gewesen war – vielleicht war es ja sogar mehr als nur einer.

„Mittlerweile hat er dich wohl ans Messer geliefert … Schade nur, dass du offensichtlich einer Frau hast helfen können, wofür du in den Knast wandern könntest, aber nicht in der Lage warst, diesen Kerl auszuschalten.“ Ryochi fragte sich aber auch, wieso Yuichi nicht eingesprungen war, um dieses Problem zu beseitigen. Er wusste ja nicht, dass Sēiichī, so liebenswürdig und treudoof er eben war, ihn darum gebeten hatte, seinen Bruder leben zu lassen.

„Machst du dich lustig?“ Die Frage konnte kaum rhetorischer sein, auch wenn er dabei doch versuchte zu lächeln. „Ich wollte nicht, dass er stirbt, weil ich bis zuletzt glaubte, es gibt einen anderen Weg. Obwohl ich natürlich kein Unschuldslamm bin, denn es gibt Menschen, die zu meiner Familie gehören, die ich aber nicht verschonen konnte.“ Wen er meinte, verschwieg er und baute doch darauf, dass Ryo nicht nachhakte. „Es wäre aber eine ungeheuere Frechheit, nur die eine Seite der Medaille zu sehen. Dass ich Morde begangen habe, um ihr zu helfen, ist die eine Seite. Die andere ist, dass ich ohne sie bestimmt schon nicht mehr hier wäre. Dabei schaudert es mich manchmal, wie weit sie bereit ist zu gehen. Bestimmt macht sie jetzt auch schon wieder ihre geheimen Pläne. Ich hoffe nur, dass ich deswegen nicht alleine zurückbleibe. Lieber würde ich auf der Stelle sterben, als dass das noch ewig so weit geht. Es widerstrebt mir, aufzugeben, aber meine Aussichten auf Erfolg tendieren gegen Null.“

Ganz so genau wollte es Ryochi eigentlich auch gar nicht wissen. Für ihn als seinen Freund war es schlimm, ihn so reden zu hören. ‚Nicht nur sie macht Pläne, um dich vor dem Tod zu bewahren. Yuichi wird das auch tun, sobald er die Augen aufmacht, ist doch das erste, was er tun wird, irgendwelche Leute einschalten, die das schlimmste verhindern. Auch wenn es fast nicht zu verhindern ist.’

Ryochi erinnerte sich an etwas, was das FBI bei einem flüchtigen Organisationsmitglied versucht hatte, aber sie war ein kleines Kind, was keinem etwas entgegen zu setzen hatte. Gerade würde er sich wünschen, dass Sēiichī ganz schnell das Land verließ. Aber er wusste, dass er diejenigen, die hier waren, beschützen wollte. Dass er nicht davonlaufen wollte. Es war zum Mäusemelken, denn der Detektiv wusste gar nicht, wie er ihn überzeugen konnte, genau das zu tun. „Natürlich wirst du nicht auf mein Bitten hin, alles daran setzen, um der Organisation zu entkommen, nicht wahr? Auch jetzt denkst du bloß an sie, und dass du sie alleine zurücklässt, wenn du einfach verschwindest. Ich kenne dich ziemlich gut. Du musst es auch gar nicht leugnen, ich weiß es.“ Während Ryochi das sagte, schwang ein trauriger Unterton in seiner Stimme mit, denn auch er war unfähig, einfach nur zuzusehen. „Wenn ich nicht auch schon Vater wäre… dann…“ Es waren sehr traurige Worte, von einem Freund, der ihm treu ergeben war, wie es nur noch selten Freundschaften auf dieser Welt gab.

„Das würde Yuichi nicht gut finden.“ Mit diesen Worten wendete sich Sēiichī ab und schaute aus dem Fenster, wo ihm die Straße attraktiver vorkam, als das Gesicht seines Freundes. Gerade konnte er ihm unmöglich in die Augen sehen, denn so würde Ryochi sehen, wie verzweifelt sein Freund war. Wie sehr es ihn doch schmerzte, zu hören, er wäre bereit für ihn zu sterben. Zwar hatte Sēiichī das gewusst, denn dies beruhte auf Gegenseitigkeit, trotzdem ertrug er es nicht. Nur mit einem sehr eisernen Willen schaffte er es, die aufkommenden Tränen zu unterbinden, sodass er sie zwar in den Augen hatte, diese aber nicht verließen.

„Hach, Yuichi wusste wieder ganz genau, was passieren wird. Fragt sich nur, ob ihm das die Bösen geflüstert haben, damit er dich am Ende tötet. Oder eher ein verzweifeltes Täubchen, das lieber sterben will. Am Ende ist zwischen den Bösen und den Guten nicht viel Unterschied. Wer auch immer Yuichi verraten hat, was du planst, er hatte einkalkuliert, dass er alles daran setzen würde, es zu verhindern. Vielleicht hat derjenige sogar gebettelt, dich umzulegen.“ Sēiichī war dämlich, wenn er glaubte, dass Ryochi die Frage wirklich stellte. Er war sich sicher, dass sein Freund selbst von Yuichi erwartet hatte, ihn in einem Akt der Verzweiflung umzubringen. ‚Du bist wirklich manchmal entsetzlich dumm. Wahrscheinlich hast du dir wieder eingeredet, du seiest nicht so wichtig, wie ich. Es gibt fast nichts, was ihn dazu treiben würde, dir ernsthaft etwas anzutun.’ Sēiichī hatte wohl wirklich bereits mit seinem Leben schon abgeschlossen und alles, was er machte, waren Verzweiflungstaten.

Sēiichī zuckte, als er ihn hörte und antwortete mehr als leise auf die augenscheinliche Frage. „Ist das denn jetzt so wichtig? Es ist total egal, warum er das wusste.“

„Sein Eingriff hat deinen Auftrag fehlschlagen lassen. Jemand, dem das Wasser bis zum Hals steht, sollte aber keine Fehler machen. Es ist schon sehr unfair von dir, deinen eigenen Auftrag zu sabotieren und dann noch zu verlangen, dass man dich vergisst. Seine wahren Freunde vergisst man nie. Außerdem werde ich dich retten, so wie du mich gerettet hast. Egal, was es dann kostet.“ Ryochi wirkte sehr entschlossen, immerhin hatte er schon jemand sehr wichtigen verloren. Noch einmal wollte er das nicht erleben.

„Ach, und wie willst du vorgehen? Mich einsperren und keinen reinlassen? Oder willst du dich wie vorhin vor mich stellen und dich von der Organisation durchlöchern lassen? Ich schwöre dir, Ryochi Akaja, wenn du so etwas Blödes noch einmal tust, ich folge dir! Und dann hast du nichts mehr zu lachen.“ Es war eine leere Drohung, eine weitere Verzweiflungstat.
 

Der Schwarzhaarige mit Sonnenbrille hatte es geschafft. Der Boss hatte sich an dem Kaffee, den er bis eben genossen hatte, verschluckt und hustete. Es fiel ihm schwer, jetzt kein Grinsen zu zeigen, wo ihn die Tatsachen anscheinend so schockierten, dass ihm fast die Spucke wegblieb.

Die Frau, ebenfalls anwesend im Raum war weniger davon schockiert, wie der ältere Mann. Er war ein Träumer und hatte bisher immer geglaubt, Vermouth sei ein Engelchen, oder? Männer konnten so dämlich sein mit ihren Einbildungen. Jeder Blinde wusste, dass diese Frau alles andere als ein Engel war… Sogar Cognac schien es begriffen zu haben, so sehr wie er sich von ihr distanziert hatte, nach all dem Mist, den er wegen ihr machen musste.

„Wiederhol das, was bitteschön soll das heißen? Wenn ich Cognac wegen Vermouth umbringen will, muss ich dich auch umbringen? Habe ich etwas nicht mitbekommen?“

„Oh, nicht nur mich. Auch einige andere Männer, die auf ihre Anmachen hereingefallen sind! Sie können nicht ernsthaft glauben, dass diese Frau das zum ersten Mal getan hat. Mich würde brennend interessieren, wieso ausgerechnet das Ihnen entfallen ist? Außer, dass natürlich jeder Mann nach seinem Onenightstand mit ihr tapfer die Klappe hält, weil er Angst hätte, umgebracht zu werden. Nun ist es zu einem bedauerlichen Unfall gekommen, den der liebe Cognac schon wieder bereut. Es gibt Zeugen, die mitangehört haben, wie er sie zur Rede gestellt hat! Diese Frau hat ihn bloß ausgelacht. Das fand er gewiss nicht lustig, genauso wenig wie dafür nun ins Gras beißen zu müssen. Ich kann nichts dafür, dass die meisten Männer zu feige sind, zuzugeben, dass sie diese Pussy schon mal gebraucht haben.“ Natürlich musste dieser Mann äußerst vorsichtig sein, mit seinen Worten. Denn es konnte durchaus nach hinten losgehen, wenn man ihm zu sehr die Augen öffnete. Nicht nur könnte er Vermouth für ihre Untreue mehr als nur bestrafen, er könnte auch alle umbringen, die jemals gewagt hatten, ihre Hände an sie zu legen… Aber dieses Risiko ging der Schwarzhaarige ein, der mit einem schäbigen Grinsen doch sich etwas weit aus dem Fenster lehnte. Carpano hätte ihn geisteskrank genannt, wenn er ihn so gesehen hätte… Aber wer wollte nicht, dass jemand wie Cognac, der im letzten halben Jahr nicht nach dem Ansatz nach, die Organisation verraten hatte, für so etwas büßen musste. „Ich weiß, die Wahrheit tut weh. Aber bevor man Cognac als Verräter beseitigt, würde ich mal bei Vermouth anfangen, Fragen zu stellen. Zum Beispiel, inwiefern der gute Cognac zum Beispiel von dieser Schwangerschaft wusste, die sie wissentlich vor ihm vertuscht hat, um heimlich dieses Kind zu bekommen. Dazu gehört schon ziemlich viel, einem Mann so etwas zu verschweigen. Er soll so richtig geplatzt sein und sagte etwas wie, dass sie ihn bestohlen hätte. Anscheinend trieben sie es noch im Vollrausch und er hat es nicht mal bemerkt. Jedenfalls wollte er kein Kind, das wusste dieses Miststück ganz genau. Da hat sie es eben vertuscht. Was für eine liebenswürdige, treue Frau.“ Er lachte. „Was ist? Wollen Sie nicht schon meinen Tod planen? Es hätte genauso gut mir passieren können. Aber ich bin bei Frauen wie Vermouth vorsichtig. Zu vorsichtig, als dass mir so ein Malheur passieren würde. Cognac geht locker als Jamis Sohn durch, auch was seine Frauenbekanntschaften angeht. Er war schon immer verrückt und konnte nicht die Finger von schönen Frauen lassen. Liebe? Also wirklich. Wenn Sie das glauben, dass er eine Frau lieben kann, dann tut es mir wirklich Leid. Dann haben Sie wirklich keine Augen im Kopf.“

Nun hatte der junge Mann kein gutes Haar an so mancher Person gelassen, aber die Worte hatten Cognacs Situation in einem ganz anderen Blickwinkel dargstellt, als man sich das vorher vorgestellt hatte. Er hatte wissentlich Vermouth als die Böse hingestellt, was viele in der Organisation postwendend geglaubt hätten, nur der Boss der Schwarzen Organisation vermochte immer noch seine Augen davor zu verschließen, wie sie wirklich war...

Allerdings musste man zur Verteidigung von Vermouth dazu sagen, dass sie nur sehr wenige Freunde hatte, gerade weil sie eben so weit oben stand und der Liebling von diesem Mann war. Dadurch bekam man vor allem eines – Neider und Intriganten, die ihr nichts Gutes wünschten. Es war also nur natürlich, dass der Ranghöchste nicht alles glaubte, was so mancher über sie zu sagen hatte.

„War’s das?“ blieb er unbeeindruckt, obwohl die Wut in ihm nur so loderte. Hätte er gewusst, dass dieser Mann ihm auch noch frech ins Gesicht log, hätte er ihn auf der Stelle, noch hier, erschießen lassen. Er wollte das noch nicht einmal alleine entscheiden. Zum Pech der Betreffenden waren es vor allem Frauen, die ihm bei seinen Entscheidungen halfen. Kluge Frauen, die auf falsches Getue eher weniger hereinfielen. Nicht eine würde den Drang verspüren, einer Frau wie diesem Flittchen auch nur im Ansatz zu helfen. Dass der Boss sie umbrachte, war sowieso so gut wie ausgeschlossen, aber es konnte durchaus deftige Strafen hageln, die sie sehr begrüßen würden. Obwohl keiner von ihnen triftige Beweise gegen diese Frau in der Hand hatte, sägten sie doch nur zu gerne an ihrem Stuhl, beziehungsweise zogen sie in den Schmutz.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ryo-Baka
2017-10-02T02:10:47+00:00 02.10.2017 04:10
Wer ist de Geisteskranke mit der Finte beim Boss? XD irgendwie geil *lol*


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