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Der Glasgarten

von

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Lifelines

Lifelines
 


 

„Also warum?“
 

„I...Ich“, fing Finn stotternd an. Damit hatte er nicht gerechnet. Brad war mit Schuldig zusammen? Aber er war doch mit Fujimiya liiert, oder etwa nicht? Hatte er das falsch interpretiert? Falsch... das war alles falsch...

Verdammt, herrschte sich Finn innerlich an. Benimm dich endlich professionell!
 

War das eine Lüge, um ihn aus der Reserve zu locken?

Doch selbst die mentale Zurechtweisung seiner Ratio bewirkte nicht, dass er dem anderen in die Augen sehen konnte. Er schämte sich dafür, dass er überhaupt in Erwägung gezogen hatte, sich in Brad Crawford den einzigen Hellseher, der diese ausgeprägten Fähigkeiten hatte, verliebt zu haben. Die Fakten sprachen nicht für ihn. Es stand ihm nicht zu und bei all dem, was er in der Vergangenheit bewältigt hatte, war er bestimmt nicht der richtige für den Hellseher. Er war ein Schutzschild wenn es hart auf hart kam, mehr aber auch nicht. Er war nicht stark genug. Jemand wie Schuldig war es.

Seine Aufgabe war es für den Hellseher der erste starke Schild zu sein, zu brechen wenn nötig, zu bluten und für ihn zu sterben.
 

Er war verdorben und hinterhältig und er hatte sich körperliche Nähe und Sex heimtückisch erschlichen. Was konnte er Schuldig entgegensetzen, in dem er besser als der andere war?

Er war kein PSI und würde auch nie einer sein. Crawford brauchte einen gleichwertigen Partner, jemand der ihm ebenbürtig war... Wie hatte er sich jemals anmaßen können, auch nur den Gedanken zu hegen...

Trotzdem hüllte eben genau diese unsägliche Hoffnung ihn in eine schützende Wattewolke, die ihn vor den vernichtenden schweren Gedanken schützte und ihn zu dem Hellseher aufsehen ließ wie zu einem rettenden Schutzengel. Diese Sehnsucht, die sich die letzten Jahre aufgebaut hatte war krankhaft, beinahe schon wahnhaft, aber sie war es die ihn davor bewahrt hatte in dem Sumpf in dem er stand zu versinken und zu ersticken.
 

Er spürte die Hand an seiner Wange, die sein Gesicht wieder zu seinem Gegenüber dirigierte erst verspätet und schalt sich selbst über so viel Nachlässigkeit und Tagträumerei.

„Ich... wollte nicht mehr mit ansehen, wie er leidet“, entfuhr es ihm plötzlich verteidigend mit einer gehörigen Portion Trotz.

„Wer litt?“
 

„Crawford. Es war meine Aufgabe ihn vor Schaden zu bewahren. Ihr wart gefangen bei Kitamura. Von SZ kam keine Hilfe wie es aussah. Und... daher war es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er sich nicht mehr an dir vergreift.“
 

Schuldig wischte sich über das nasse Gesicht. Er ließ seinen Blick über das Gesicht vor sich schweifen, über die Brust und den Bauch. An der verletzten Flanke blieb er hängen.

Für einen Moment sprachlos, weil nachdenklich, drehte er das Wasser ab und schritt aus der Dusche. Er griff sich zwei der Badetücher und warf eines davon Asugawa zu. Das verbleibende benutzte er zunächst, um sich das Gesicht abzutrocknen und setzte sich auf den gemauerten Vorsprung, der die Badewanne umrundete.

„Wie hast du es angestellt?“
 

Finn war vorsichtig geworden, er hielt das Handtuch vor sich und wischte sich mit einem Zipfel davon das Gesicht ab. Er war in der Dusche zurück geblieben, trat jedoch jetzt hinaus.

„Kitamura bestellte sich gelegentlich Frauen in seine Privaträume. Es erregte ihn wenn sie sich wie Meikos kleideten. Kein Problem für mich in diese Rolle zu schlüpfen“, sagte Finn mit einer Spur Zynismus.

Schuldig hatte sich das Handtuch über den Schritt gelegt und stützte seine Unterarme auf seine Knie ab. Er sah zu ihm auf.

„Kein Problem für dich?“
 

Finn kniff die Lippen zusammen und wich dem Blick aus den blauen Augen aus. Er zuckte mit den Schultern und setzte dann zu einer Erklärung an, verstummte aber dann. Es fiel ihm leichter, Brad sein Leben um die Ohren zu schlagen als Schuldig, dessen Gesicht und die darauf abgebildeten Emotionen so offen vor ihm lagen. Abscheu würde darauf zu lesen sein. Sein Leben war so unauslöschlich mit Schwarz verbunden, dass er die Ablehnung darauf nicht sehen wollte.

Er hätte es auch nicht sehen müssen, wenn er sich nicht so nahe an Brad begeben hatte, dieser düsteren Sonne, die ihn langsam verzehrte. Außerdem erregte es ihn wenn er es schaffte Crawford aus der Reserve zu locken. Jede Reaktion war besser als das völlige Ausbleiben einer solchen.
 

Um Zeit zu schinden wischte er sich mit dem Handtuchzipfel erneut über das Gesicht, da ihn kleine Rinnsale Wasser von seinen Haaren ins Gesicht liefen. Was sollte er antworten?
 

„Es war nicht das erste und das letzte Mal, dass ich in diese Rolle geschlüpft bin“, sagte er schließlich.
 

„Dein Körper und dein Aussehen helfen dir dabei?“
 

Finn nickte, er lachte freudlos auf. „Sicher.“
 

„Magst du es?“
 

Finn verzog das Gesicht abfällig. Sein Blick verdüsterte sich. „Mögen? Meinen Hintern dafür hinzuhalten, um an Informationen zu kommen oder meinen Stand innerhalb der Organisation zu festigen?“
 

Schuldig sah ihn aufmerksam an. „Ja, genau das meine ich. Magst du es, wenn du Macht über sie hast und deine Ziele damit erreichst, sie zu manipulieren? Wenn sie dich ficken und du genau weißt, dass nicht sie dich benutzen sondern du sie?“ fragte Schuldig und Finn glaubte sich verhört zu haben. Er fühlte Hitze in sich aufsteigen. Scham brannte in ihm gleißend rot. Wie nur konnte dieser Telepath dieses längst begraben geglaubte Gefühl wieder an die Oberfläche zerren? Er war längst über Scham und Entehrung hinaus in seinem Dasein als...
 

‚Nein. Hör auf damit’, wies er sich selbst zurecht.
 

„In diesen Momenten ist es das Einzige, dass...“ fing er hitzig an und machte einen Schritt nach vorne. Schuldig hob die Hand gelassen. „Ho... Stopp. Ich hatte nicht vor dich zu verurteilen. In diesen Momenten ist es das Einzige, was dich davon abhält, sie gleich zu töten oder ihnen vor die Füße zu kotzen? Hmm verständlich“, sinnierte Schuldig und sah auf. Asugawa sah ihn perplex an.
 

Schuldig betrachtete ihn sich eine Weile. „Also magst du es?“ Er konnte sehen, wie mühsam der Mann um Beherrschung rang.
 

„Was zum Teufel sollte ich daran mögen?“ zischte Finn hitzig.
 

„In Frauenklamotten herum zu laufen?“
 

„Nein VERDAMMT“, schrie Finn und seine Augen brannten vor Zorn. „ICH HASSE ES. ICH HABE ES IMMER GEHASST!“ Er atmete schwer und wandte sich seitlich, sodass Schuldig einen guten Ausblick auf die perfekt geformte Silhouette des Mannes hatte. Schuldig ließ seinen taxierenden Blick über die schmalen Schultern gleiten über die wirklich schön geformte Linie der Wirbelsäule und den aparten Hintern. Der ganze Körper war makellos. Nur wenn er sich bewegte konnte man die Muskel arbeiten sehen, kein Gramm Fett zu viel. Schuldig fragte sich im Moment, wie er diese Taille hinbekam, die er bei Sophie Fuchoin gesehen hatte. Mit diesen Silikonteilen vermutete Schuldig. Dieser Mann war ein Kunstwerk, ein Produkt verschiedener Begehrlichkeiten der Menschen um ihn herum.
 

„Warum tust du es dann?“
 

„Weil ich es muss“, nuschelte Finn unglücklich über seinen Wutausbruch in das Handtuch hinein.

„Es ist praktisch. Chiyo hat mich ein Jahr lang als Mädchen aufgezogen. Später dann noch einmal ein paar Monate als Frau.“
 

„Das ist krank“, sagte Schuldig und runzelte die Stirn.
 

„Hmm... Mag sein. Aber es half mir an Crawford dran zu bleiben. Damals, als ich auf ihn angesetzt wurde... ich war vierzehn...“ er streckte in einer ganz und gar unjapanischen Geste seine Hand aus, gestikulierte, als müsse er dem anderen begreiflich machen, dass es wert war, ihm zuzuhören. „... damals lebte ich als Mädchen und wusste noch nicht einmal nach wem ich suchen musste. Als ich ihn dann als PSI entdeckte, hatte ich gehofft, dass er mich irgendwie erkennen würde, dass ich auffliegen würde. Dass seine Fähigkeiten mich entlarven würden. Aber das geschah nicht. Jeden Tag ging ich in diese verdammte Schule und beobachtete ihn. Irgendwann schwärmte ich für ihn und verheimlichte Informationen. Ich hatte mich in ihn verknallt. Ich war ein Kind.“
 

„Ein verkauftes Kind“, fügte Schuldig hinzu. Noch dazu in der Pubertät und Brad war der erste Schwarm, auf den Asugawa abgefahren war. Ein Schwarm, der auf seiner kleinen Todesliste stand.
 

„Ja vielleicht.“

„Wenn du für ihn geschwärmt hast, warum dann das Gift? Warum hast du dich nicht dazu entschlossen, es sein zu lassen?“
 

Finn sah ihn an und schnaubte schließlich. „Yoshio sagte, dass das meine Bewährungsprobe wäre, wenn ich sie vermassle hätte ich keine Daseinsberechtigung mehr im Clan. Sie würden mich nach Thailand verkaufen.“
 

„Dein erster Auftrag?“
 

Finn sah kurz auf. „Nein. Aber der erste starke PSI.“
 

Mehr sagte er nicht und Schuldig malte sich schon aus, wie ein Junge in dem Alter und mit dem Aussehen eines Mädchens leichtes Spiel bei seinen Opfern gehabt hatte.
 

„Deine Belohnung für den Tod des Hellsehers?“
 

„Viel Geld und der Aufstieg in den Kader der Sieben.“
 

„Sin?“
 

Finn nickte. „Damals hießen sie noch nicht Sin. Das kam erst später, als sie offensiver gegen die PSI in den Staaten vorgegangen sind. Sie fühlten sich unbesiegbar und zelebrierten ihre Anschläge wie einen heiligen Krieg gegen das Böse in der Welt. Das es keine Heldentat war, Kinder hinzurichten, übersahen sie geflissentlich in ihrem Feldzug.

Die Sieben waren neben der Securityfirma von Yoshio seine persönliche Leibgarde, wenn du so willst. Chiyo hat mich ihrem Mann gelegentlich für kleinere Aufträge überlassen, damit er nicht misstrauisch wurde. Dabei lag es mir wirklich fern zu den Sieben gehören zu wollen. Sie bekamen eine Spezialausbildung und waren damals schon abgedreht.“
 

„Wie erklärte Chiyo ihrem Mann dein exklusives Trainingsprogramm bei ihr?“
 

„Gar nicht. Ich war ein Geschenk von ihm an sie. Ihr persönlicher Bodyguard, den sie ausbilden und über den sie verfügen konnte, wie sie wollte. Kiguchi und Hisoka sollten ursprünglich an sie übergeben werden, aber sie wählte mich. Yoshio hat gelacht, als er mich zum ersten Mal gesehen hat. Er hat mich nie für ganz voll genommen, was ihr wohl gerade Recht kam.“
 

„Das heißt die Mitglieder von Sin sind lange dabei?“
 

„Nein, sie werden ausgetauscht. Wenn einer fällt wird der nächste gesucht und rekrutiert.“
 

„Ihre Motivation?“
 

„Geld und Ansehen im Clan.“
 

„Wie viel hättest du für Brads Tod bekommen?“
 

„Der Betrag ging in die Millionenhöhe.“
 

„Und das mit vierzehn Jahren? Dir hätte doch sicher weniger auch gereicht?“
 

„Das spielt beim Clan keine Rolle. Der Auftrag wird mit einer bestimmten Summe ausgezeichnet. Wer ihn erledigt bekommt das Geld. In diesem Fall hatte Yoshio ihn mir speziell als Erstes angeboten, um mich zu beweisen.“
 

„Als du den Auftrag in den Sand gesetzt hattest, was passierte dann?“
 

Finn presste die Lippen zusammen, wischte sich erneut übers Gesicht und sah hoch. Sein Spiegelbild zeigte ihm Augenringe und ein viel zu fahles Abbild seines Selbst. Gruslig, befand er.
 

„Als ich entschieden hatte, dass ich es irgendwie wieder rückgängig machen wollte, holte ich das Gegengift und ging zu Chiyo. Ich dachte sie würde mir den Kopf abreißen, aber sie sagte nur, dass es meine Entscheidung wäre und ich auch mit den weitreichenden Konsequenzen leben müsste. Ich war überrascht, denn entgegen ihrer Androhung mich zu verkaufen, hörte sich diese Antwort etwas milder, wenn auch weitaus vager an.

Nachdem ich das Gegengift abgeliefert hatte ging ich wieder zurück und tat so, als wäre nichts gewesen. Ich hatte meinen Auftrag vermeintlich erfüllt, mein Bericht bei Yoshio fiel dementsprechend positiv aus.

Erst Tage später wurde ich erneut zu ihm zitiert. Er teilte mir mit, dass ich versagt hätte.“
 

„Und das war' s dann gewesen?“
 

Finn mied den entlarvenden Blick aus dem Blau der Augen. „Ja, das war' s. Ich bekam das Geld nicht und fertig. Und ich wurde auch nicht verkauft.“
 

Schuldig lächelte. „Ganz ehrlich, bei all dem, was du die letzten Wochen und Monate, oder Jahre so veranstaltet hast hätte ich dir mehr Können im Fach ‚Wie lüge ich jemanden an’ zugetraut."
 

Finns Kopf ruckte hektisch hoch und wurde mit diesem ganz speziellen spöttischen Lächeln konfrontiert. Ja, er konnte lügen. Aber aus einem dummen Grund konnte er es bei den Mitgliedern von Schwarz nicht. Wie es den Anschein für ihn hatte. Was war das Problem? Zuviel Respekt? Oder doch Angst? Scham? Wollte er zu ihnen gehören?
 

„Was dann? Wieso die Entscheidung, ihn am Leben zu lassen, wenn du noch kurz davor seinen Tod entschieden hast?“
 

Finn haderte mit sich selbst, ob er das Verhör jetzt abbrechen sollte. Aber was nützte das schon? Es war vielleicht wichtig, dass er alles erzählte, wenn doch nur noch so wenig Zeit blieb.
 

„Damals war mein Hass auf meinen Vater, den Clan und Chiyo so groß, dass ich keinen Ausweg sah, ich sah nur mein schlimmes Leben und die Tatsache, dass ich keine Wahl hatte. Bis ich dann in diesem Zimmer saß und in seinen Sachen wühlte. Da fand ich etwas... ich sah plötzlich den Ausweg vor mir. Er war der Ausweg. Er war die Wahl.“
 

„Du meinst die Tagebücher?“
 

Finn drehte sich wieder und sah ihn an. „Woher weißt du das?“ Er runzelte die Stirn und Schuldig lächelte schräg. „Eve.“
 

„Ah“, machte Finn und nickte.
 

Schuldig betrachtete sich den verdrossen drein blickenden Mann und schüttelte nachsichtig den Kopf.

„Brad ist ganz schön durch den Wind seit er weiß, dass du ihn sein Leben lang im Schatten begleitet hast und er nichts von dir wusste. Er mag es nicht, wenn ihm etwas verschwiegen wird, vor allem, wenn er nicht schon vorher Bescheid weiß. Erst die Eröffnung, dass Eve es ihm verschwiegen hat, dann die Häppchenweise offenbarten Geheimnisse. Das lässt ihn unberechenbar werden.“
 

„Und was macht das mit dir? Wolltest du mich nicht wegen Kitamura ausquetschen?“ fragte Finn ungehalten. Er hatte schon gedacht, dass Schuldig wütend sein würde - bestenfalls - wenn nicht sogar außer sich vor Zorn. Aber das war er nicht.
 

„Nein. Kitamura ist Geschichte.“ Schuldig seufzte und wischte sich mit dem Handtuch über die nassen Haare. Ohne Ran hätte er nicht mal davon erfahren und ohne Finn Asugawa hätte er immer diese Ungewissheit gehabt, ob er es gewesen war, der Kitamura beseitigt hatte.

„Wie hast du es angestellt?“
 

„Ich habe mich als Meiko verkleidet und habe mich ihm angeboten, aber er schien kein Interesse an mir zu haben, sagte mir, dass ich warten solle, er hätte noch etwas anderes zu erledigen und würde mich rufen. Ich habe ihn verfolgt und habe dich da völlig zugedröhnt und gefesselt auf dem Bett liegen sehen. Er war nicht im Raum, also bin ich zu dir hin und habe mit dir gesprochen. Ich hab dir die Fesseln durchschnitten als der Kerl zurückkam. Er war wütend und ich tat so, als wolle ich mitspielen bei seinen kleinen perversen Spielchen. Zunächst schien ihm das zu gefallen, aber dann überlegte er es sich anders. Er kam zum Bett und sah die durchschnittenen Fesseln, was ihn noch mehr aufbrachte.

Ich hatte genug.

Ich zog meine Klingen und trennte ihm auf dem Bett stehend den Kopf vom Rumpf.“ Das war deutlich genug und passte perfekt zu den Umständen. Natürlich etwas dramatisch, aber die Botschaft sollte verstanden werden. Von SZ und den anderen Schmeißfliegen, die Schwarz an der Kandarre hatten.
 

„Du stehst auf dramatische Auftritte. Das kann ich gut nachvollziehen...“ murmelte Schuldig und grinste schräg.

„Du hast eine der Klingen zurück gelassen“, fügte er etwas ernster hinzu.
 

„Sicher, sonst wäre es wohl nicht glaubhaft gewesen. Du warst völlig neben dir, bist aufgestanden und hast mich mit diesem Grinsen auf dem Gesicht angesehen. Ich dachte du würdest mich angreifen. Im ersten Moment warst du noch völlig weggetreten und im nächsten Augenblick hast du mich klar und deutlich angesehen als wüsstest du, wer ich bin. Ich zog mich zurück, die Klinge in deiner Hand belassend.“
 

Finn begann damit sich abzutrocknen. Er fror allmählich und das nicht, weil es kalt im Badezimmer war.

Schuldig sah ihm dabei zu, aber Finn fühlte sich nicht unwohl dabei. Es war eben so und er hatte den Mann schon in weit ausliefernder Situation gesehen.
 

„Du hättest dich damals schon bei uns melden können. Es wäre der richtige Zeitpunkt gewesen.“
 

Finn sah auf. „Nein. Das wäre es nicht. Dafür hätte es nie den richtigen Zeitpunkt gegeben. Nicht für ihn.

Ich hätte ihn davon abhalten sollen zu SZ zu gehen. Ich hätte ihn wegsperren sollen...“ knirschte er mit den Zähnen, ballte die Faust um das Handtuch, nur um dann seufzend die Schultern zu zucken.

„Dann wäre ich nicht besser gewesen als seine Wärter in Langley oder SZ. Ich habe ihn nie gelenkt, ihn frei das tun lassen, was er wollte, auch wenn dies das Schlimmste war, was ihm hätte passieren können.“
 

„SZ?“
 

Finn legte das Handtuch beiseite und nahm sich den Bademantel, der so herrlich nach Brad roch, um hineinzuschlüpfen. Er lächelte in sich hinein.
 

„Sie haben ihn verändert, wie euch alle vermutlich. Als ich ihn wiedergesehen habe war er ein anderer. Der Junge war fort und der Mann mordete im Auftrag von SZ. Ich war verzweifelt. Wie hatte das passieren können? Wie hatte er so werden können wie ich?

Wieso konnte ich seine Seele nicht davor bewahren? Chiyo hat mir alles beigebracht über die Seele eines PSI, seine Kraftquelle, den Anker. SZ war schädlich für ihn. Ich hatte versagt. Ich musste das wieder gut machen. Also musste ich Opfer bringen, ich musste ihm folgen. Egal wohin, egal wie weit.“
 

Schuldig grübelte. Was war ihm Freiheit wert? Ihm war es ähnlich gegangen, er war fortgelaufen und direkt in SZ' Hände. Und die reichten ihn weiter an Kitamura.

Hätte er Ran die Freiheit gewährt, die er so dringend gewollt hatte, um jeden Preis? Hätte er ihn gehen lassen, nur weil es seine freie Entscheidung gewesen wäre? Nein, niemals. Er hätte ihn nicht um der Freiheit willen in sein Verderben rennen lassen. Oder doch? Weil er ihn liebte hatte er ihn frei gelassen und ihn zurück zu Kritiker gehen lassen. War das nicht das Gleiche? Aber auch er hatte ihn beobachtet, ihn verfolgt. Schuldig sah zu Asugawa auf und bekam Verständnis für seine Beweggründe.
 

„Wie alt war er da?“
 

„Das Ganze trug sich ein Jahr später zu. Ich war immer noch zu verschossen in ihn. Mit weniger Gefühl in dieser ganzen Geschichte hätte ich ihn zurück zu seiner Schwester geschleift. Das wäre kein Problem gewesen. Aber ich war zu geblendet von seinem Wunsch nach Freiheit.“
 

Schuldig schüttelte den Kopf. Gott, wann war er in diese üble Lovestory geschliddert und ab genau welchem Zeitpunkt hatte er begonnen, das alles zu glauben?

Er wickelte sich das Handtuch um die Hüfte und stand auf. Er ging auf Finn zu und zupfte am Gurt des Bademantels. „Gehen wir rüber, ich verbinde dir die Wunden.“

„Das kann ich selbst.“
 

Schuldig packte ihn am Kiefer und zog seinen Kopf zu sich heran. „Ja, das ist mir klar, aber ich schulde dir etwas und ich hasse es abgrundtief. Und das war ja eine schöne Märchenstunde, aber wer soll dir den ganzen Scheiß abkaufen?“ Er verzog voller Abscheu das Gesicht und ließ ihn los.

„Du bist jetzt in unserem Revier und hier gelten unsere Regeln. Wenn du hier von den Raubtieren nicht gefressen werden willst, dann zeig keine Schwäche. Du bist Brad überlegen, das ist uns klar, aber zeig ihm das auch. Du ordnest dich unter und wirst so nie seinen Respekt gewinnen. Er hat noch nicht entschieden wie er mit dir umgehen soll, aber wenn er es entschieden hat, dann gibt es kein zurück mehr.“
 

„Er ist der Einzige, dem ich nie schaden würde“, erwiderte Finn ungehalten.
 

„Ach ja?“
 

„Ja.“
 

Schuldig lächelte. „Und was, wenn es das Einzige wäre, das er braucht?“
 

Finn blickte ihn irritiert an. Dieses Lächeln war ein zweischneidiges Schwert wie Finn auffiel. Dahinter lauerte keine Freundlichkeit. Sie sahen sich für den Augenblick prüfend an.
 

„Willst du ihn?“ fragte Schuldig schließlich nach einer endlos scheinenden Zeit die verstrichen war.
 

Finn runzelte die Stirn und Schuldig konnte erkennen, wie er versuchte, hinter die Frage zu sehen.

„Ja, ich will ihn. Ist das bei dem ganzen Palaver bisher nicht zu dir durchgedrungen?“ Wenn er ein Raubtier gewesen wäre, dann hätte er jetzt die Zähne gefletscht.
 

„Aber es scheint, als wenn er schon vergeben wäre“, knirschte er mit den Zähnen.
 

„Scheint das so?“ Schuldigs Lächeln vertiefte sich, wurde zu etwas Spöttischem. „Und das war' s dann? Du gibst einfach auf? Das ganze Blabla doch nur heiße Luft? Was soll ich von einer Nutte schon mehr erwarten?“
 

Finn spürte, wie der kalte Griff um sein Herz stärker wurde. Er sah Schuldig nach dieser Beleidigung resignierend an und wollte sich abwenden, als er ein Seufzen hörte.
 

„Wenn du' s nicht versaust hast du eine Chance“, ließ sich Schuldig herab. Er war tatsächlich der offensichtlich irrigen Annahme verfallen der Kerl hätte mehr Biss.
 

„Woher...?“
 

Schuldig raffte seine Klamotten zusammen und ging zur Tür. „Du sprichst mit einem Telepathen, schon vergessen?“ Er zwinkerte Finn zu und ließ diesen zurück im Bad. Finn stand immer noch grübelnd da als Schuldig erneut die Tür öffnete. „Beeil dich.“
 

„Halt“, Finn eilte zur Tür. Ihm lag noch eine Frage quer.
 

„Warum... warum behandelt ihr mich so... gut?“ Er suchte in dem offenen Gesicht nach einer Antwort.
 

Schuldig lehnte sich gegen den Türrahmen.
 

„Das hat mehrere Gründe. Und keinen davon werde ich dir jetzt auf die Nase binden. Finde es selbst heraus.“
 

Damit war das Gespräch beendet und Schuldig stieß sich von seiner Stütze ab und ließ ihn allein.
 

Finn schloss die Tür. Also gab es tatsächlich einen Grund und er hatte Schwarz in diesem Punkt nicht gänzlich falsch eingeschätzt.

Schuldig hatte von mehreren Gründen gesprochen, welche mochten das sein?
 

Wenig später war Finn aus dem Badezimmer geschlichen, die Haare noch feucht und in Unordnung und hatte sich erneut an Brads Kleidern gütlich getan. Er hatte ein weißes Longshirt an, dass seine Körperzeichnungen leider viel zu gut sichtbar machte, da es fast transparent zu sein schien. Darunter hatte er ein dünnes Handtuch gewickelt, um es nicht gleich wieder vollzusauen. Ihm ging langsam Brads Wäsche aus.

Finn seufzte.

Er suchte sich erneut Unterwäsche heraus, die nicht wirklich gut saß und wieder die obligatorische schwarze Trainingshose. Er ging ins Schlafzimmer und kurz darauf kam Schuldig herein, einen Koffer in der Hand, der verdächtig nach dem seines Vaters aussah und Verbandsmaterialien beinhaltete.
 

Finn seufzte erneut und verzog das Gesicht unwillig, ergab sich aber dem auffordernden Blick aus blauen Augen, die ihn abwartend anfunkelten.

Er zog sich das Shirt wieder über den Kopf und wickelte das Handtuch von seiner Flanke, dass er provisorisch darüber gerollt hatte. Dann legte er sich aufs Bett und zog seine Hose bis knapp über seinen Intimbereich herunter. Währenddessen kramte Schuldig in dem Verbandskoffer nach Material. Finn beobachtete ihn dabei.

„Ich verstehe es nicht.“
 

Schuldig sah zu ihm auf, antwortete jedoch nicht. Erst als er sich zu ihm setzte und sich die Nähte besah, begann er zu sprechen. „Du solltest nicht so lange duschen, das ist nicht gut für die Heilung.“ Er nahm ein Spray und desinfizierte die Nähte auf beiden Seiten seiner Flanke.

„Das ist unerheblich“, sagte Finn und als keine Antwort kam sah, er von Schuldigs Tun auf in dessen forschend blickende Augen.

„Warum ist es das?“, fragte Schuldig nach, sein Tonfall schien aber wenig wirkliches Interesse an einer Antwort zu signalisieren.

Finn wandte den Blick ab in Richtung Fenster. Es war dunkel draußen und er konnte von seiner Lage aus die Lichter der Stadt nicht sehen. Was schade war, denn er mochte den Anblick der kleinen Lichtpunkte in der Dunkelheit.

„Ihr müsst mich gehen lassen, Schuldig“, sagte er leise und selbst in seinen Ohren klang das müde.

„Zwecklos dir zu sagen, dass wir das nicht werden?“

Sie schwiegen während Schuldig die Verbandsmaterialen sortierte, um das Mittel auf den Nähten einwirken zu lassen.

„Ich muss mich mit Kiguchi treffen. Dieses eine muss ich noch machen, bis...“er biss sich auf die Unterlippe und grübelte, wie er es sagen sollte.

„Bis was passiert?“

„Ich muss ihm eine Lösung an die Hand geben, er kann nicht die ganze Zeit dort ohne Unterstützung bleiben. Ich muss Gabriel dort raus holen.“

„Gabriel? Wer hat ihm diesen Namen gegeben?“ Schuldig legte den Kopf schief.

„Das war meine Idee. Elisabeth Villard fand sie gut, aber aus anderen Gründen. Sie hasste dich und auch ihre Kinder. Die Familie fand es unwichtig, wie die Kinder heißen, sie wurden nur geboren, um an ihnen zu forschen.“

„Weshalb fandest du es gut?“

„Spielt es eine Rolle?“

„Ja, für mich spielt es eine Rolle.“

„Weil ich so hoffte, dass es dich irgendwann, wenn die Zeit gekommen wäre, daran erinnern würde, dass du einen Namen hattest, dass du ein Kind wie Gabriel gewesen warst, das Hilfe brauchte und sie nicht erhalten hat.“

Schuldig schnaubte und lachte dann freudlos. „Das hätte mein Herz erweichen sollen?“ sagte er spöttisch.

Finn sah ihm in die Augen. „Ja, so war der Plan.“

„Hat nicht ganz funktioniert.“

„Nein, hat es bisher nicht. Aber für Lilliy...“

„Wir kamen nicht für das Mädchen, denn du hast uns diesen kleinen Auftrag gänzlich anders geschildert.“

„Wärt ihr denn gekommen, wenn ich gesagt hätte, dass die zwei wie Laborratten gehalten werden?“ blaffte Finn zurück.

„Nein.“

„Ihr seid wegen Eve gekommen, soweit war mir das bewusst. Deshalb diese Farce. Nur Gabriel ist immer noch dort und ich werde ihm nicht mehr helfen können. Aber ich kann Kiguchi noch einmal treffen.“

„Warum nur einmal? Was passiert danach?“

Finn wandte den Blick ab.

Schuldig klebte die Pflaster auf und befestigte diese mit einer Folie für den besseren Halt an den Rändern.

Finn spürte die unnachgiebigen Finger an seinem Kiefer und gab ihrem Zug nach, indem er das Gesicht wieder Schuldig zuwandte. „Du stehst drauf mich anzufassen, was?“ fragte er provozierend mit einem trägen, lasziven Blick.

Schuldig hob die Brauen und sprang nicht darauf an.

„Ich bin nicht der Einzige und ganz bestimmt in schlechter Gesellschaft was das Anfassen anbelangt.“

Darauf sagte Finn nichts mehr, nur das Lächeln erstarb.
 

Finn hatte diese laszive Ausstrahlungskraft, diese verbotene Aura des Verführerischen, die ihn umgab. Jede Bewegung war von dieser Aura durchtränkt und das auf ganz natürliche Art. Dabei wirkte es weder feminin noch aufgesetzt. Schuldig wandte sich abrupt ab, viel zu irritierend befand er.

„Falls du es nicht bemerkt hast, du befindest dich in einer Gerichtsverhandlung, alles was du sagst spricht für oder gegen dich. Und es nützt dir nichts, dass du mit dem Richter schon mal in der Kiste warst.“
 

Finn blinzelte ungläubig und lachte dann ehrlich amüsiert, bis ihm die Tränen kamen. Wann hatte er das letzte Mal so befreit gelacht?

Er verstummte und grinste noch etwas, als er sich die Lachtränen aus den Augen wischte. „Na dann solltet ihr euch mit der Anklageverlesung etwas beeilen.“

„Wieder sind wir beim Kern der ganzen Sache. Warum?“, fragte Schuldig.

Er bemerkte ein angedeutetes Lächeln um die Mundwinkel des anderen zirkeln, das aber bei aller Schauspielerei erzwungen wirkte.

„Was spielst du für eine Rolle? Die meines Anwaltes?“
 

„Wenn wir dabei bleiben wollen, wohl eher dein Pflichtverteidiger.“

„Nun wenn das so ist, unterstehst du wohl dem Anwaltsgeheimnis.“

Schuldig hob fragend die Augenbrauen.

„Stehst du im Kontakt mit dem Richter?“

„Immer“, bestätigte Schuldig sofort den Einsatz telepathischer Verhörmethoden und die sofortige Übermittlung an den Richter.

„Und wer ist mein Ankläger?“

„Der Richter natürlich.“

„Ankläger, Richter und Henker in einem? Euch fehlt Personal wie mir scheint“, erwiderte Finn lapidar und setzte sich noch immer ein Schmunzeln auf den Lippen auf. Er zog sich Brads Shirt heran und sein Blick verlor sich auf dem Stoff. Unwillkürlich führte er es sich an die Nase. Es roch nach frischer Wäsche und nach Brad. Ertappt zog er es sich etwas ruppiger über und sein Blick flackerte unsicher zu Schuldig hinüber. Der schien davon keine Notiz genommen zu haben, da er damit beschäftigt war, das Verbandsmaterial zu verstauen.
 

Schien... aber Schuldig hatte diese verräterischen kleinen Gesten durchaus bemerkt. Das kurze Schnüffeln am Revers des Bademantels, ebenso wie die Blicke, die Finn Brad zuwarf, wenn dieser es nicht bemerkte.
 

„Hast du... das was wir im Badezimmer besprochen haben...ihm...“

„Nein. Das kannst du ihm alles selbst erzählen.“

Finn zog sich das Shirt runter und stand dann auf, um sich die Hose auf die Hüften zu ziehen.

„Ich möchte nicht, dass er hört... warum...“

Schuldig hob eine Braue und verzog dann das Gesicht. „Gut.“

„Ich habe das Serum lange nicht genommen und bin bereits unter dem Wirkbereich, du solltest mich jetzt lesen können.“ Vielleicht... wenn er dieses Opfer brachte... dann ließ Schuldig davon ab...

Noch bevor er es gänzlich ausgesprochen hatte fühlte er sich nicht mehr allein. Es war ein schräges Gefühl, da er ja tatsächlich nicht allein im Raum war, aber es war als berührte ihn jemand in seinem Innern. Ein merkwürdiges, unangenehmes Gefühl. Er wollte es nicht mehr, wollte einen Rückzieher machen, doch er konnte nicht mehr sprechen. Blinzelnd versuchte er sich zu Schuldig umzudrehen und streckte seine Hand Hilfe suchend aus um Schuldig zu bitten damit aufzuhören. Es war zu viel auf einmal, Gedanken rasten in seinem Bewusstsein vorbei und er konnte sie nicht fassen, detaillierte Erinnerungen ließen seinen Atem stocken. Erlebnisse die er nicht so lebhaft so detailgetreu in Erinnerung hatte quollen aus seinem Inneren heraus. Rachegeister die ihre Genugtuung forderten, in dem sie ihren Geschmack des Todes auf seine Zunge legten. Er konnte beinahe die toten Körper riechen. Er schmeckte noch das Blut auf seiner Zunge. Seine Lungen bekamen nicht genug Atem, er röchelte und taumelte.
 

Seine Lider flattern als er sich noch gegen die Geister der Vergangenheit wehrte, die ihn überflossen wie zäher schwarzer Teer. Genauso zäh, stinkend und von einer quälenden Hitze die ihn nicht aus ihren Klauen ließ.

Er spürte einen Druck hinter seinem Kopf und brach auf die Knie, seine verzweifleten, panischen Schreie hörte er nicht mehr. Auch entging ihm wie Personen ins Zimmer kamen und er auf das Bett gelegt wurde, wie sie Mühe hatten, ihn festzuhalten und er schließlich das Bewusstein verlor.
 

„Ich komme nicht rein.“

„Versuch es jetzt noch einmal, solange er bewusstlos ist“, schlug Brad nüchtern vor und Schuldig sah zu Ran.

„Nein!“ Ran sah Schuldig eindringlich an.

„Warum zum Teufel willst du das so dringend?“ Ran sah Brad wütend an.

„Das geht dich nichts...“, fing Brad an.

„Weil er ihm vertrauen will. So dringend, dass er dafür alles tun würde“, sagte Schuldig leise und seine Finger strichen über die schweißnasse Stirn des Liegenden. Er glühte. Schuldig war sich nicht sicher woher diese Hitze so plötzlich kam. War es das gewaltsame Eindringen und die daraufhin erfolgte Abwehrreaktion des Serums, die noch schwach vorhanden war?

Ran stand auf und verließ das Schlafzimmer, er verließ die Wohnung, wie Schuldig hörte. Darum musste er sich später kümmern.
 

Er seufzte und versuchte noch einmal in Finns Geist einzudringen. Vorsichtig und sehr sanft, trotzdem hörte er ein Wimmern, dass von dem Mann kam. Die hohe, undurchdringliche Mauer vor der er stand hatte Risse, durch die er sich schob. Das Konstrukt seines Geistes kränkelte, die Substanz war porös. Das Wimmern wurde lauter, aber er ließ sich davon nicht abhalten. Er ließ sich treiben und fing einige Erinnerungsfetzen auf, die ihm ganz und gar nicht schmeckten, sie verstörten Schuldig und erinnerten ihn selbst viel zu gut an Kitamuras Machenschaften.

Aber er war auf der Suche nach...

Dann, als er die Information gefunden hatte, klinkte er sich wieder langsam aus. Auf dem Rückweg rekonstruierte er einige der gröbsten Schäden an dem bröckelnden Gerüst. Doch er kam nicht weit, denn durch das Gerüst zogen sich immer wieder silberne Fäden. Sie wirkten wie ein Netz, ein Kit der die gröbsten Schäden reparierte. Dieser Kit war stark, aber es war nur ein Notbehelf und er war überall, viel war von der Grundsubstanz die Asugawas Seele ausmachte nicht mehr übrig. An einigen Stellen fransten diese Fäden bereits aus, hingen lose und ohne Verbindung herab, verliefen ins Nichts. Schuldig berührte eine dieser losen Enden und zog sie zu sich, sie nahm einen goldenen Schimmer an. Er ließ sie zur Erinnerung mit Kitamura gleiten. Hart und scharf wie eine Klinge schoss der Faden zu dieser Erinnerung. Sofort zog sich ein Netz aus goldenen Fäden um diese Erinnerung, festigte sie. Schuldig zog sich zurück und hinterließ Asugawa noch ein kleines Geschenk über dessen Verwendung er frei entscheiden konnte. So wie er es auch Brad frei entscheiden hatte lassen, was er mit seinem Leben machen wollte. Und ein Geschenk dafür, dass er Kitamura vom Antlitz dieser Welt entfernt hatte.
 

Asugawa lag schweißnass auf dem Bett und gab hilflose Geräusche von sich, wie sie nur von einer sehr verletzten Seele herrühren konnten. Schuldig wagte nicht noch einmal ein Eindringen.

„Hast du was wir brauchen?“, wurde er von der kalten unberührten Stimme aus seinen entsetzten Gedanken gerissen. Er hing wie es schien immer noch in Asugawas Gedanken fest. Er schüttelte den Kopf um seine Gedanken von diesem Grauen zu befreien.

„Dann geh noch einmal rein!“, wies Brad ihn an, da er sein Kopfschütteln misszuverstehen schien.

„Das ist... es nicht“, sagte Schuldig leise, stockend. „Ich habe alles.“ Er wandte sein Gesicht dem anderen zu.

Ihre Blicke trafen sich und Brad erkannte in Schuldigs Gesicht unaussprechliches Grauen. Vermutlich hatte er Kitamura in den Erinnerungen des Mannes getroffen.

„Kitamura?“

Schuldig antwortete nicht gleich, er wandte sich wieder Asugawa zu, der nun zu schlafen schien.

„Kitamura?“, echote er und sah wieder auf den Liegenden. Wenn es einzig und allein Kitamura gewesen wäre, dann wäre es...

Schuldigs Gedanken kreisten um die Erinnerungen des Mannes der hier wehrlos lag. Nein es war nicht Kitamura gewesen der Schuldig verwirrte.
 

Schuldig wischte sich selbst über die Stirn, denn ihn hatte das schlussendlich doch erzwungene Eindringen angestrengt, körperlich aber vor allem emotional.

Er hatte einige Dinge gesehen... die nicht zu dem passten oder viel zu gut zu dem passten, wovon er ihnen erzählt hatte. Er hatte sie Brad verschwiegen, da sie noch keine Rolle spielten – vielleicht würden sie das nie. Er hatte nicht alles gelesen, dafür hätte er länger in Asugawas Gedanken verweilen müssen aber das was er erfahren hatte drehte ihm den Magen um. Unzählige Male hatte dieser Mann Dinge getan die er verabscheut hatte, sich mit dem Gedanken aufrecht erhalten, dass er es für Brad Crawford den großen Hellseher tat. Schuldig hatte sich neben den Bewusstlosen gesetzt, ließ seine Hand sanft an den Hals gleiten um den Puls zu fühlen und zog seine Hand rasch wieder zurück als wüsste er, dass Finn Asugawa im Augenblick keine Berührung tolerieren würde – so er den wach wäre.

Sie alle hatten in ihrem Leben durch die eine oder andere Hölle gehen müssen, sowohl Weiß als auch Schwarz. Doch es hatte immer wieder Phasen besserer Zeiten gegeben. Für Asugawa ging diese Hölle los als seine Mutter starb und sein Vater ihn kurz darauf in die Hände von Yoshio gegeben hatte und hatte seither nie aufgehört. Ein einziges Fegefeuer aus dem es für ihn kein Entkommen gegeben hatte. Als Yoshio und die Vorgänger dieser Sin-Gruppe ihn als Spielzeug herumreichten um mit ihm ihre Psychospielchen zu treiben, als unterhaltsamen Zeitvertreib.

Schuldig schluckte die Abscheu hinunter. Er hatte selbst diese Spiele an Opfern verübt, aber Kinder, Teammitglieder?
 

Brad stand am Fenster und hielt ruhig ein Glas Scotch in der Hand - sogar erstaunlich ruhig , wie Schuldig bemerkte. Kein Anzeichen für Besorgnis oder etwaige andere Gefühle bei Brad, die darauf schließen ließen, dass er irgendetwas für ihren Gefangenen fühlte, das nicht aus Berechnung und Zorn bestand.

„Er hat bisher in allen Punkten die Wahrheit gesagt.“ Schuldig erhob sich, er musste weg von diesem Bett. Das was dort lag war in seinen Grundfesten zerstört und nur ein einziger silberner Faden hielt dieses Wesen im hier und jetzt. Schuldig hatte die Verbindung gesehen, von der Jei berichtet hatte. Sie hatte silbern geschimmert. Das bröckelnde Konstrukt war vollständig damit stabilisert worden, es reichte um zu überleben.

Brad hatte eine Verbindung zu Asugawa und diese war stärker als er jemals erfahren würde. Wenn er Asugawa abwies würde dieser brechen wie ein morscher Zweig im Wind. Falls Asugawa diesen Faden losließ den er so fest umklammerte würde er wahnsinnig werden und dann... irgendwann sterben.

Brad reichte ihm das Glas und Schuldig schüttete sich den Rest in den Rachen.

„Er ist kurz davor auseinanderzubrechen.“

„Das ist nicht das, was ich hören wollte“, erwiderte Brad kühl.

„Und was ist es, das du hören wolltest?“

„Das WARUM will ich hören.“

„Weil er stirbt.“

Er sah wie Brad sich verspannte. „Er ist mit dem Serum längst überfällig. Er hat noch einen kleinen Vorrat in irgendwelchen Schließfächern. Wenn die aufgebraucht sind ist Schluss, dann wird er so wie der Rest von Sin - und du hast ihre Hinterlassenschaften in Osaka gesehen. Er weiß das und deshalb wollte er die Kinder jetzt wegschaffen.“
 

„Seine Reaktion auf dein Eindringen...“

„Ja, vermutlich war der selbstmörderische Sprung in die Tiefe etwas, dass er ohnehin bald vorhatte, bevor sein geistiger Verfall dem ein Ende bereitet hätte.“

„Das erklärt einiges.“

„Es erklärt auf jeden Fall, warum er sich dir ausgerechnet jetzt genähert hat, warum er in Shanghai einfach mal „reinschauen“ wollte und warum er sich auf eine Nacht mit dir eingelassen hat.“

„Er wird nicht sterben“, sagte Brad gelassen.

Schuldig sah ihn zweifelnd an. „Ah ja? Und das weißt du woher? Hast du es gesehen?“

„Nein. Aber ich entscheide, wann und wo er sterben wird und jetzt wird es nicht dazu kommen.“
 

Oh Wow, Brad wurde größenwahnsinnig. Schuldig hatte in den letzten Jahren geglaubt, diese Anwandlungen hatten sie alle überwunden, offenbar war Brad zurück in alte Zeiten verfallen.

Er sah Brad skeptischen Blickes an und wollte gerade etwas sagen als diser ihm zuvor kam. Seine Stimme hatte die Patina aus alten Zeiten: kalt, unbeteiligt und berechnend. Einem Teil in Schuldig gefiel das, einem anderen bereitete dies Sorgen.

„Hol das Zeug aus den Schließfächern her, alles“, hörte Schuldig mit halbem Ohr, während er Brads Profil ausgiebig musterte.
 

Das war ein Befehl. Etwas, das er lange nicht mehr von dem Mann gehört hatte.
 

„Geht klar.“ Schuldig ließ ihn allein mit Asugawa zurück und ging ins Wohnzimmer, wo immer noch dessen Tasche stand. Er nahm sie an sich und suchte darin herum bis er einen Schlüssel fand. Er wusste jetzt, wo dieser untergetaucht war und nahm die Tasche samt dem Inhalt mit sich auf den Weg hinunter ins Untergeschoss. Halb glaubte er Ran wäre im Zorn mit dem Wagen weg, aber dieser wartete mit ziemlich mieser Laune auf ihn...
 


 

o
 


 

Brad löste sich immer noch nicht von dem Fenster. Die Geräusche im Hintergrund, die von Kummer herrührten, hatte er bisher erfolgreich ignorieren können. Auch wenn es ihn wütend machte und der Zorn in ihm so unermesslich war, dass er jetzt jemanden dafür umbringen könnte, denn er wusste um die Schuld, in die er hineingezwungen worden war. ER war für das Leben das dort vor ihm lag verantwortlich. Es war ihm aufgezwungen worden. Dieser Mann hatte sich in sein Leben gezwungen und Brad konnte der Wut die in seinem Hals hing und ihm die Luft abschnürte keinen Namen geben. Sie war zu elementar. Wie konnte es jemand wagen IHM dies anzutun? Wie konnte dieser schwache Mensch es wagen sich in sein Leben, sein Denken, sein Handeln, sich in sein gesamtes Sein zu drängen?

Er ging auf das Bett zu packte den Bewusstlosen an den Schultern, riss ihn nach oben und schrie ihn an. Dann warf er den nachgiebigen Leib wieder zurück aufs Bett. Er wischte sich über die Stirn und verließ das Schlafzimmer.
 

Besonnener als zuvor schloss er die Tür hinter den Geräuschen, schloss sie aus seinen Gedanken und ging in seinen Trainingsraum.
 

Schuldigs kalkweißes Gesicht, seine heimgesuchter Blick hatten Bände gesprochen. Brad fragte sich was er gesehen hatte als er in Asugawas Gedankenwelt war. Was konnte Schuldig so derart aus der Fassung bringen? Kitamura sicherlich, aber er schien damit abgeschlossen zu haben. Brad beschloss Schuldig darüber zu befragen. Im Nachhinein kam es ihm suspekt vor warum er ihm nicht mehr erzählt hatte. Schuldig hatte sich kurz gehalten was ohnehin schon merkwürdig war. Was hatte er gesehen?
 

Eine Stunde später hatte er wieder etwas von seiner Ruhe zurückgewonnen. Er duschte, löschte die Lichter und hielt sich noch in der Küche auf, um aufzuräumen, bevor er wieder ins Schlafzimmer zurückkehrte. Dort hatte sich die Situation nicht wirklich verbessert. Das hektische Atmen und die wimmernden Laute, die hin und wieder durchdrangen, zerrten an seinen Nerven. Er schnappte sich sein Kissen und wandte sich zur Tür. Erneut schloss er das Problem aus und ging ins dunkle Wohnzimmer. Das Kissen immer noch in der Hand nahm er sich ein Glas und füllte es randvoll mit Scotch. Das Gluckern der Flüssigkeit drang übernatürlich laut an sein Ohr.

Er starrte darauf und nahm einen großen Schluck, fluchte ungehalten und knallte das Glas auf die Bar. Er atmete tief ein und ging zurück ins Schlafzimmer. „Verdammt“, fluchte er in seiner Heimatsprache erneut und warf das Kissen wütend an seinen Platz zurück. Er löschte das Oberlicht und begnügte sich mit dem Nachtlicht, um sich hinzulegen. Er legte seine Brille auf die Ablage und betrachtete sich den Mann neben sich.

Sie hatten alle ihre Albträume, aber das war einfach nur unbeherrscht und schwach, was sich neben ihm abspielte. Er rückte an den anderen heran. „Wach auf...“ sagte er laut. Nichts rührte sich. Die geschlossenen Lider zuckten, die zu Fäusten geballten Hände verkrampften sich.

Er schüttelte ihn vorsichtig an den Schultern, was keinerlei Effekt hatte.
 

Selbst, als er sich überwand und Asugawa an sich zog und ihn festhielt, tat sich nichts. „Hör auf damit...“ flüsterte er leise. Was hatte Schuldig so entsetzt?

Was war in diesem Kopf dass einen verrückten Telepathen in Schrecken versetzte?

Er strich Asugawa über den Rücken und das Ohr, berührte mit seinen Lippen den verschwitzten Haarschopf. Was für eine erbärmliche Ausrede das doch war, um ihn berühren zu können, geisterte ein versprengter Fetzen Moral durch seine Gedanken.

Irgendwann lösten sich die verkrampften Hände und lagen still. Brad legte den Kopf in den Nacken und rieb sich mit der freien Hand die Augen. Was machte er sich vor, er mochte es zu sehr diesen Körper an seinem spüren.

Er neigte zu Untertreibungen, was diesen Mann anging, denn es erregte ihn. Gott, es erregte ihn ihn auch nur anzusehen. Er beugte sich zu der feuchten Stirn hinunter und berührte sie mit seinen Lippen. Und wie er seinen Geruch liebte.
 

Der frische Schweiß erinnerte ihn an die einzige Nacht, die sie miteinander verbracht hatten. Brad löschte das Licht und versuchte seine aufkommenden sexuellen Empfindungen, die sich gar nachdrücklich in seinem Schritt bemerkbar machten, auszublenden. Asugawas Schopf lag auf seiner Schulter und er spürte den warmen, ruhigen Atem an seinem Kinn. Wie verrückt musste der Mann sein, um sich von ihm beruhigen zu lassen und das, obwohl er noch in den Nachwehen eines telepathischen Übergriffs festhing? Oder war es pure Verzweiflung?

Brad strich mit der Hand, die Asugawa halb im Arm hielt, über seinen Rücken und schlich sich wie ein dreister Dieb zu dem festen, gerundeten Hintern. Dort ließ er seine Hand ruhen und driftete über weniger trübe Gedanken selbst in ein erholsames Halbdämmer.
 

Als Finn erwachte lag er wenig erstaunlich allein im Bett. Das war nichts neues, er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt neben jemandem eingeschlafen war. Brad war der erste gewesen, neben dem er sich erlaubt hatte einzuschlafen und er war auch der letzte gewesen.
 

Er hatte beißende Kopfschmerzen und setzte sich ächzend auf, um sich zu orientieren. Dabei bemerkte er ächzend, dass ihm jeder Knochen im Leib schmerzte.

Schuldig mehr oder weniger die Erlaubnis erteilt zu haben, sich bei ihm im Oberstübchen umzusehen hatte dazu geführt, dass er, schlussendlich doch etwas hasenfüßig geworden war. Danach... tja, danach gab es nicht mehr. Etwas kitzelte an seinem Bauch und er sah, dass die Verbände sich langsam auf und davon gemacht hatten. Er roch nach Schweiß. Die Tür zum Schlafzimmer war geschlossen, aber sie war nicht verschlossen, wie er feststellte.
 

Zunächst ging er ins Badezimmer und wusch sich, er durchwühlte die Schränke nach einer Zahnbürste und wurde in einer Schublade auch fündig. Dort lagen ungefähr ein halbes Dutzend davon frisch verpackt.

Er wusch sich die Haare und warf die Kleidung in den Wäschekorb, der in einer Ecke des Badezimmers stand. Nackt tappte er wieder in das Ankleidezimmer und fischte sich frische Kleidung heraus, allerdings gab es kein Longsleeve mehr für ihn. Er musste sich mit einem Unterhemd und einem blütenweißen Hemd begnügen. Schien teuer gewesen zu sein, für ihn gerade gut genug. Nun, es würde seinen Zwecken dienlich sein, näselte er in Gedanken affektiert und grinste. Er ließ das Hemd offen und suchte seinen Gastgeber. Den er schließlich im Trainingsraum fand. Er betrachtete ihn sich, wie er auf dem Laufband Strecke machte und löste sich zugegebenermaßen schweren Herzens von dem ansprechenden Anblick.
 

Als würde er hier wohnen ging er ins Schlafzimmer, kippte dort das Fenster, um zu lüften und kramte in dem Wandschrank nach neuer Bettwäsche. Er begann damit, das Bett frisch zu beziehen. Dann führte ihn sein nächster Gang in Richtung Küche. Als er den Flur passierte und sein Blick die verschlossene Eingangstür mit dem Zahlencode streifte, tauchten Zahlen in seinem Gedächtnis auf. Es waren nur kurze Momente gewesen, aber es ließ ihn inne halten. Er ging auf die Tür zu und besah sich erneut den Zahlenblock. Er wusste genau, welche Zahlen er eingeben musste. Sein Blick ging zurück in Richtung Trainingsraum und er hätte nicht mehr sagen können, wie die Ziffern lauteten. Er sah wieder zu dem Zahlenblock und wieder wusste er genau, was er eingeben musste. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er lehnte sich an die Tür und lachte leise.

Schuldig.

Er hatte ihm diese Fluchtmöglichkeit gegeben, durch etwas anderes war diese spontane Eingebung kaum zu erklären. Als Entschuldigung, dass er in seinen Geist eingedrungen war? Als Wiedergutmachung? Oder als Danke für die Ermordung von Kitamura?

Wer wusste schon, was in diesem Rotschopf vor sich ging? Er mit Sicherheit nicht und er würde sich über dieses Geschenk in keiner Weise beschweren, auch wenn er nicht wusste, was genau er damit bezwecken wollte.

Er würde dieses Geschenk still schweigend an sich nehmen und sich darüber freuen. Aber wie nutzen? Und wann?
 

Er ging in die Küche, ließ sich einen Kaffee aus dem Automaten und betrat den um das Gebäude laufenden Balkon. Er lehnte sich mit den Unterarmen auf die Brüstung und sah zu, wie die Sonne sich über den Horizont schob. Er trank seinen Kaffee aus und stellte die Tasse in die Spüle, bevor er wieder zurück ins Trainingszimmer ging. Brad bearbeitete in der Zwischenzeit einen Sandsack, der wirklich sehr büßen musste.

Finn grübelte darüber nach, wie er jetzt mit diesem Ass im Ärmel vorgehen wollte, dabei vertrieb er sich die Zeit damit, Brads Körper in Aktion zu bewundern.
 

Wenn er jetzt abhaute, war Brad binnen weniger Minuten hinter ihm her und das war nicht hilfreich. Er musste ihn in Sicherheit wissen, damit er sich keine Sorgen um ihn machen musste. Wenn er sich die arbeitenden Muskeln so ansah, fragte er sich beiläufig, warum er sich überhaupt um irgendetwas sorgte. Das Problem war Rosenkreuz und ihre Telepathen. Er wusste nicht, wie stark Schuldig war. Eine kleine Kostprobe hatte er erhalten, aber er war kein Maßstab, wenn es um geistige Einflussnahme ging. Was konnte Brad einem Telepathen vom Kaliber De la Croix entgegensetzen? Chiyo hatte ihm alles mitgeteilt, was ihre Kontakte ihr zugetragen hatten, und De la Croixs Fähigkeiten waren in diesen Kreisen hinlänglich bekannt. Sie hätten ihn in Kürze umgedreht. Nein, Crawford musste geschützt werden, da musste er eben zu härteren Mitteln greifen. Aber erwartete Brad nicht irgendetwas in diese Richtung? Er mochte ihn doch ohnehin nicht und wünschte sich vermutlich jede Minute seines Lebens ihm den dünnen Hals umdrehen zu dürfen. Irgendetwas hinderte ihn jedoch daran. Finn war in seinen Augen nicht vertrauenswürdig – also warum nicht dabei bleiben?
 

Brad warf ihm einen Blick zu bevor er einen Schlag austeilte. „Und wie lange hast du noch?“ riss er Finn aus seinen Überlegungen, die zu einem Ergebnis gekommen waren.

Finn presste die Lippen zusammen und holte tief Luft, entließ sie langsam. Er hatte keine Lust dazu, aber es musste sein. Also los.

„Spielt es eine Rolle?“ gab er sich aufmüpfig.

„Nein wozu auch? Du hast dich wie eine Klette an mein Leben geheftet, nur weil du dein eigenes nicht auf die Reihe bekommen hast und jetzt verpisst du dich nachdem du dieses Chaos angerichtet hast.“

Finns Kiefer mahlten, er wurde nun langsam wirklich wütend. Aber noch beherrschte er sich. Kühlen Kopf bewahren, er will dich nur provozieren.

„Daran wirst du wohl kaum etwas ändern können“, erwiderte er spöttisch.
 

„Irrtum. Du stirbst erst wenn ich es sage“, kam die nüchterne Replik sofort zurück und Finn hatte den Eindruck, dass hinter der kühlen Fassade eine ordentliche Portion Zorn steckte.

Er lachte. Er war der Meinung gewesen, Brad wollte ihn bald über den Jordan schicken.

„Ja, sicher“, sagte er dann als das Lachen in ihm abebbte.

„Als wenn du hier den Tod betrügen könntest. Du überschätzt dich.“

„Nicht den Tod. Die Zeit. Ich kann mich noch gut an dein Gesicht erinnern, in das der alte Russe sein Sperma gespritzt hat und du mich angefleht hast, das nicht geschehen zu lassen.“

Finn schüttelte den Kopf. Wann war DAS denn gewesen?

„Das ist nicht passiert...“ er runzelte die Stirn und versuchte, sich an eine solche Gegebenheit zu erinnern.

„Nein, das ist es nicht. Weil ich es verhindert habe. Bis jetzt. Was nicht heißt, dass ähnliches dir nicht noch blüht.“

Finn versuchte nicht an die Bilder zu denken, die sich ihm aufdrängen wollten.

„Wer hat mich erwischt?“

„Asami und in dessen Auftrag Sowa.“
 

Sowa? Der tauchte Finn momentan zu oft namentlich auf und entwickelte sich langsam zu einem Ärgernis. Vielleicht sollte er den örtlichen Behörden einen kleinen Gefallen tun und einen Rachefeldzug durchführen. Vielleicht mit einer kleinen Liste zum Abhaken, um einige unliebsame Gestalten aus dem Weg zu schaffen.
 

Brad hielt inne und besah sich das vor Abscheu verzogene Gesicht. „Er hatte vor, dich dem Meistbietenden zu verkaufen.“

„Die da gewesen wären?“

„Ein Südamerikaner, ein Russe, eine Frau, ich denke das war jemand vom Clan deiner Reaktion nach. Und meine Wenigkeit.“
 

„Gula.“

Finn wandte sich ab und stütze sich mit der Hand an den Türrahmen. Diese Information zog ihm beinahe den Boden unter den Füßen fort. Wenn er in ihre Hände geraten sollte... jemals... dann nützte auch das Training nichts mehr, dass er all die Jahre auf sich genommen hatte, um seinen Geist zu beruhigen, um sich vor der Welt abzuschotten, Schmerzen an sich vorüberziehen zu lassen, sie nieder zu ringen. Er war nie besonders gut darin gewesen, dazu war die Ausbildung von Chiyo nicht weitreichend und intensiv genug gewesen. Wie hätte sie es auch bewerkstelligen können in der kurzen Zeit, die ihnen für das Training geblieben war? Er war ein Intrigant, ja ein Spion, er hatte ein paar hübsche Tricks drauf und ganz unsportlich war er auch nicht, aber er war kein Meisterkrieger.
 

Er bemerkte, wie Brad näher kam, aber es kümmerte ihn nicht. Niemals würde er ihn als Bedrohung ansehen. Vielleicht war es ja das, was ihm irgendwann einmal zum Verhängnis werden sollte.

„Wer bekam den Zuschlag?“ fragte er und sah direkt in goldenen Bernstein, der ihm viel zu nahe war. Er spürte eine ziehende Sehnsucht in sich nach dieser Nähe, fürchtete sie aber gleichzeitig.

Brads Gesicht drückte Kälte aus. „Was glaubst du wohl? Ich habe dich Sowa für ein paar Tage überlassen, um mich daran zu erfreuen.“

Finn verlor den Kampf um die Beherrschung seiner Wut, wo er doch sonst so darum bemüht war seine Gefühle nicht seinen Verstand kontrollieren zu lassen. Die Wirkung des Serums ließ langsam nach und es fiel ihm schwerer seine Emotionen unter Kontrolle zu halten.
 

„Ach ja? Und hat' s dir gefallen? Muss ja wirklich erhebend für dich gewesen sein...“
 

„Das war es...“ fing Brad an und das eiskalte Lächeln in dem Gesicht brachte das Fass zum überlaufen. Finn holte aus und zielte auf Brads Vorderseite, allerdings blockte dieser seinen Schlag rechtzeitig ab. Finn brachte sich außer Reichweite und streifte sich sein Hemd ab. „Wenn du so scharf bist deine Wut abzulassen, dann probier’s mal mit mir, der arme Kerl dort drüben wehrt sich schließlich nicht.“ Finn wies mit dem Kinn auf den Sandsack der neben Brad im Raum hing.
 

Sie taxierten sich, umrundeten sich und testeten hin und wieder die Reaktionen des anderen, indem sie Scheinangriffe starteten. Finn jedoch hatte die Schnelligkeit auf seiner Seite. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass Brads Kickbox-Fähigkeiten gar nicht so schlecht waren. Das hieß, dass er nicht zimperlich sein musste.
 

Schlussendlich lag Brad am Boden und war nicht mehr ansprechbar. Finn sah auf die Uhr. Hatte doch tatsächlich ne gute Stunde gedauert, nicht schlecht. Er atmete sogar schwer. Er nahm das Handtuch vom Laufband und wischte sich über Nacken und Gesicht. Er grinste, als er Brad so beobachtete und sich die Kette ansah, mit welcher der Sandsack an der Decke gehalten wurde. Da kam ihm doch eine grandiose Idee...
 


 


 


 

Fortsetzung folgt...
 

Vielen Dank fürs Lesen!

Mein Beta-Dank gilt snabel.
 

Der nächste Teil kommt etwas schneller, da ich jetzt hoffentlich keine Probleme mehr mit meiner Internetverbindung haben werde. ^_^
 

Liebe Grüße an alle die noch lesen!
 

Gadreel



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Jin-A
2013-11-23T00:42:26+00:00 23.11.2013 01:42
Ah also ich bin nicht der Meinung das die Geschichte langsam zum Ende kommen muss xD (obwohl da noch ne story in der schblade verschwunden ist, deren Fortgang ich auch sehnlicht erwarte...sign of the black cross hatte cih auch total in den Bann gezogen) auch wenn ich mich so selten melde...ich bin und bleibe deinem Schreibstil und deiner Story verfallen ! Und mache gerade innere Luftsprünge vor Freude über das neue Kapitel!!!!! Dem ich mich jetzt auch widmen werde ^^

Von:  bloodred
2013-10-26T08:11:35+00:00 26.10.2013 10:11
hallo, bin grad auf deiner seite im lifejournal gewesen, aber leider war vorm letzten kapi alles eingefroren, bin darum hierher gewechselt. keine Ahnung ob es am scheiß-Windows 8 gelegen hat oder an deiner seite, aber meine Erfahrungen mit win 8 lassen mich ersteres glauben. ich habe lange nicht mehr bei dir im lifejournal nachgeschaut, da es da so lange pausen gab und ich die letzten einträge einfach nicht aufrufen konnte. um so mehr habe ich mich über das neue Format gefreut, naja bis auf die panne heute. diese geschichte zählt nach wie vor zu meinen Favoriten, auch nachdem deine Partnerin ausgestiegen ist. ich hatte fast die Hoffnung aufgegeben, das diese geschichte zu ende geführt wird. deine worte, das du bald wieder hochlädst und es diesmal nicht so lange dauert haben meine Lebensgeister, was diese geschichte angeht, wieder angefeuert. ich hoffe es geht dir gut und du hast wieder etwas mehr zeit.
aber kurz zur geschichte. ich freue mich über die wendung Brad-finn. ich mochte finn. und ich freue mich für Brad, auch wenn sich vorher so ne art schuldig-ran-Brad-Linie abzeichnete, wirkte Brad auf mich immer innerlich sehr einsam. vielleicht findet er in finn eine kleine sonne für sich. lach-man bin ich heute wieder zum brechen poetisch
was ist eigentlich mit farf und yoji? kümmert sich yoji jetzt um farf oder keine Ahnung. was mit ken ist würde mich auch interessieren. ich hätte noch viele fragen, aber dafür würde der platz hier wohl nicht reichen.
wollte nur ein kurzes Feedback geben, das deine Story immer noch interessant und begehrt ist.
ich freue mich jedenfalls und werde wieder öffter reinschauen.
gruß blood
Antwort von:  Gadreel_Coco
31.10.2013 13:21
Hi bloodred,

das lifejournal nervt mich kolossal, ich hätte am Liebsten meine eigene kleine Seite, aber dazu kenne ich mich zu wenig mit dem ganzen Zeug aus. ^^

Momentan geht es weniger um die anderen Figuren, sondern verstärkt um Finn und Brad. Letztens hat mir jemand geschrieben, dass die Geschichte jetzt endlich mal zu Ende geschrieben werden sollte.
Ich bin dabei und das schon seit geraumer Zeit, aber es geht langsam voran. Weil eben die anderen Figuren auch noch zum Zuge kommen müssen. Das Ganze wird sich also noch ein Weilchen hinziehen. *lach*
Und was Brad angeht... *seufz* der ist schwierig, schwieriger als die anderen Figuren. Ich glaube der braucht mal einen kräftigen Arschtritt, vielleicht wacht er dann mal auf. Aber ich fürchte selbst dann bleibt er hart. Mal sehen was sich da noch tut.

Vielen Dank!

Liebe Grüße,
Gadreel
Von:  catil
2013-09-25T13:59:50+00:00 25.09.2013 15:59
hallo gadreel,

die story ist ja schon ganz schön beachtlich. alles sehr verworren. habe sie vor zwei/drei jahren mal etwas verfolgt, aber dann eine zeit lang nicht mehr.
habe mir mal die mühe gemacht sie von anfang an anzufangen.
ich mag deinen/euren schreibstil sehr. es wird nicht langweilig vom lesen her und ihr/du schaffst es immer wieder neue spannungen hereinzubringen.
allerdings finde ich, das die story so langsam zum ende kommen sollte. also um eine auflösung des allen. aber da bist du ja gerade dran. es ist interessant zu sehen wie die ganzen kleinen räder nun ineinander passen und zusammen rasten.
ich freue mich schon sehr auf das nächste kapitel.

lg
Antwort von:  Gadreel_Coco
27.09.2013 14:39
Hi Catil,

ich hoffe nicht, dass es verworren ist, aber das können wohl nur die Leser beurteilen. Und du hättest dir die Mühe nicht machen müssen, es gibt sicher bessere Geschichten. Sie läuft schon sehr lange und ebenso lange schreibe ich bereits alleine an der Geschichte. Als Coco vor ein paar Jahren aufgehört hatte saß ich mit der Geschichte alleine da, es war anfangs schwierig plötzlich alleine weiter zu schreiben. Schließlich hat sie die Hälfte der Rollen übernommen. Sie schrieb Weiß - ich Schwarz.
Ich bin seit vier Jahren dabei die Geschichte zu beenden, aber ich möchte ein passendes Ende schreiben und das dauert. ^_^
Ich möchte keine Geschichte schreiben wo auf den letzten Seiten alles reingepresst wird was auf hunderten zuvor versäumt wurde. Eine Möglichkeit die Geschichte schnell zu beenden wäre wenn jetzt ein geheimnisvoller Unbekannter auftaucht, den Figuren die Hintergründe erläutert, sie dann die Bösen töten und am besten den Hellseher noch mit damit er endlich Ruhe hat und seinen Frieden findet. DAS wäre die bequemste Variante. Für mich inakzeptabel, also müssen die Figuren es selbst herausfinden, es müssen dafür Gelegenheiten geschaffen werden. Aber ich kann dich beruhigen - ich kenne das Ende bereits. ^_-

Eines kann ich dir versprechen: Ich bemühe mich sehr damit die Geschichte nicht verworren ist und damit sie ein würdiges Ende hat. Manchmal gelingt es mir nicht so gut, vermutlich liegt das an den zeitlichen Abständen in denen ich poste.

Ich freue mich, dass es dir trotzdem gefällt, bis hoffentlich demnächst!

LG Gadreel


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