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Der Glasgarten

von

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Omiai

~ Omiai ~
 


 

Besagter Löwe war eingehend mit der ersten Planung des nächsten Auftrages beschäftigt und verschaffte sich mittels Blaupausen und Karten einen ersten Eindruck des Gebäudes der Zielperson. Er hatte bereits eine Ahnung, wo sie den Mann eliminieren würden, doch es war trotzdem kein leichtes Unterfangen, ihn in seiner vertrauten Umgebung zu erreichen. Bodyguards, Sicherheitsanlagen auf dem neuesten Standard und ein enges Verhältnis zur Familie erschwerten es ihnen ein klein wenig.

Aufgrund ihrer Fähigkeiten war es keine wirklich ernstzunehmende Problematik, dennoch wollte er sich nach allen Seiten hin absichern. Nagi würde sie begleiten müssen, überlegte er und scrollte über den Bildschirm.
 

Der Auftraggeber hatte ihnen die Daten…

Noch während er sich diesen Gedanken durch den Kopf gehen ließ, schob sich ein Bild darüber, welches einen jungen Mann zeigte, der in den nächsten Augenblicken bei ihm erscheinen würde. Erstaunt richtete er seinen Blick auf die Tür zum Planungsraum und er fragte sich, ob er wirklich wissen wollte, warum der junge Takatori hier bei ihnen war.

Sein Blick wurde kühl, als er sich wieder seiner Arbeit zuwandte.
 

Von Schuldig zum Arbeitszimmer des Amerikaners geführt, atmete Omi vor dessen geschlossener Tür einmal tief ein und schloss die Augen. Er wird mir den Kopf abreißen, sprach er sich selbst Mut zu und nickte bestimmt. Seine Lider hoben sich und er starrte kampfesbereit die Tür an. Auf geht’s, Tsukiyono, du hast schon ganz andere Dinge gemeistert.

Er pflasterte ein freundliches, nicht zu breites Lächeln auf sein Gesicht und hielt es dort fest, klopfte nicht zu leise, nicht zu resolut an und trat dann ein.

Da saß er auch schon, sein Untergang, in oben aufgeknöpftem Hemd und ohne die sporadische Krawatte. Legerer als sonst, aber noch lange nicht locker.

„Guten Tag, Crawford-san“, grüßte Omi und verneigte sich leicht, perfektionierte, japanische Höflichkeit.
 

Brad blickte noch nicht von seiner Arbeit auf, tippte einige Zahlen in seinen Rechner und erst als dies getan war, als wenige Minuten des Schweigens zwischen ihnen lagen und vergangen waren, richtete er einen ebenso schweigenden Blick zu dem jungen Mann, der an der Tür stand. Er ließ sich Zeit mit der Betrachtung, maß ihn mit stoischem Blick bevor er sich erhob und um den Tisch herum ging.

„Takatori junior. Was verschafft mir diese außergewöhnliche Ehre?“, sagte Crawford ernst ohne die sonstige spöttische Note. Seine Augen sprachen jedoch eine andere Sprache.
 

„Ich habe eine Bitte, Crawford-san“, erwiderte der junge Weiß und beantwortete den ambivalenten Blick mit einer Ruhe, die er mittlerweile verinnerlicht hatte. Er ließ nichts des Spotts an sich heran, auch nicht die Nennung seines wahren Namens. Warum auch? Momentan WAR er Takatori Mamoru. Durch und durch.

„Darf ich sie vortragen?“
 

Ein wissendes Lächeln erschien auf Brads Gesichtszügen und er schüttelte den Kopf.

„Ganz der Vater, wie mir scheint“, lachte er nun kalt und löste sich von dem Tisch um näher an den Jungen heranzutreten.

„Scheinbar ist es wichtig, wenn du es wagst, hier aufzutauchen. Dir ist bewusst, dass du von hier nicht mehr wegkommen wirst?“ Mehr Feststellung als wirkliche Frage bot er Mamoru einen Platz auf einer der sich gegenüberstehenden, schwarzen Ledercouchen an.

Wut dominierte seine Gefühle, als er bereits eine Ahnung erfassen konnte, was den Weiß Agenten zu ihm führte. Wut, aber auch eine gewisse Portion Bewunderung.
 

„Das lassen wir noch dahingestellt, Crawford-san“, nickte Omi höflich und folgte der Einladung, ließ sich auf dem ihm gezeigten Sofa nieder. Das Leder knirschte unter seiner einfachen Jeans und fühlte sich kalt an. Noch…

Er schlug die Beine übereinander und legte seine Hände locker auf die überkreuzten Oberschenkel.

„Ich bin wegen Naoe Nagi hier“, begann er, nannte jedoch immer noch nicht den wahren Grund seines Hierseins. Er musste Crawford langsam an die Thematik heranführen und durfte ihm nicht gleich alles auf der Silberplatte servieren.
 

Brad ließ Mamoru nicht aus dem Blick, als er sich ihm gegenüber setzte und eine ähnliche Haltung einnahm, er überschlug die Beine und lehnte sich entspannt zurück.

„Weiter“, sagte Brad leise. Er hob eine Braue fragend und ironisch, war neugierig, was nun kommen mochte. Wobei er bereits ahnte um was es ging. Vor allem, wenn er an die Begegnung der Beiden vor einiger Zeit dachte. Und Nagis verbissenes Training Tag für Tag seither. Seine Zurückgezogenheit und Unsicherheit.
 

„Es hat sich mit der Zeit herauskristallisiert, dass er mir nicht ganz abgeneigt ist und das auf meiner Seite ebenso aussieht. Da jedoch ein ‚einfaches’ Kennen lernen nicht möglich ist, weil er Angst hat, seinen Status in dieser Gemeinschaft“, er deutete mit einer leichten Handbewegung auf Crawford selbst und lächelte, machte deutlich, was er meinte. Dass er keinesfalls die Arbeitsgemeinschaft von Schwarz meinte. „…verliert, denke ich, dass Sie der richtige Ansprechpartner sind, Crawford-san, da er auf Ihre Meinung sehr viel Wert legt.“
 

Und dies war aus bestimmten Gründen auch gut so, sinnierte Brad über Nagis Gründe, seine Loyalität gegenüber ihm über seine eigenen Wünsche zu stellen. Das war typisch für den Jungen. „Mit der Zeit? Von welchem Zeitraum sprechen wir hier?“, wollte er jedoch zunächst wissen. „Und ich möchte noch hinzufügen, dass ein ‚einfaches Kennen lernen’ unter den gegebenen Umständen ein Risiko beinhaltet“, schnitt seine ruhige, aber kühle Stimme durch den weitläufigen Raum.
 

„Natürlich tut es das, das sind wir uns völlig einig.“ Omi gewann mehr und mehr den Eindruck von einem strengen Vater, der über das Glück seines Kindes mit Argusaugen wachte. Mit tödlichen Argusaugen, wie er sich selbst verbesserte. Dieser Mann hier vor ihm hatte es in sich, aber er war doch zu lenken, wie jeder Mensch auf diesem Planeten. Omi lächelte innerlich und stellte sich vor, wie es gewesen wäre, wenn er hier hereingekommen wäre, dem Amerikaner lässig sein Vorhaben erklärt und dann mit Nagi durchgebrannt wäre. Gut, er hätte es nicht überlebt, doch nun…zumindest war er schon mal fünf Minuten hier ohne dass er wie Schuldig geschlagen worden war oder seinen Kopf dafür einbüßen musste. Ein viel versprechender Anfang also.

„Der von mir erwähnte Zeitraum beläuft sich auf vier Wochen, vielleicht auch länger, seit unserem ersten Kontakt.“
 

„Wie schön, dass wir uns ‚einig’ sind“, lächelte Brad arktisch. Er fragte sich, mit welcher Dreistigkeit der Junge sich hier derart präsentieren konnte? Vermutlich waren es die Gene. Das Takatori Erbe, welches sich noch immer in diesem Blut befand.

Brad durfte ihn nicht unterschätzen. Das Äußere des Jungen ließ darauf schließen, dass er sich wohl vorbereitet hatte und sein Verhalten, dass er es ernst meinte.

„Obwohl ihr von Kritiker beschattet werdet, hat er sich mit dir in der Öffentlichkeit getroffen?“, fragte Brad lauernd.
 

„Getroffen? Nein, das ist nicht der richtige Begriff. Wir sind uns begegnet, keiner von uns hatte Einfluss auf diese Begebenheiten.“ Omi begegnete dieser Fangfrage mit der gleichen, höflichen Freundlichkeit wie schon zuvor. „Zumal Sie mich nicht unterschätzen sollten. Ich weiß sehr wohl, wie ich die mir folgenden Agenten abhänge, dazu bin ich zulange selbst einer. Keiner von uns beiden ist je fahrlässig oder vorsätzlich ein Sicherheitsrisiko eingegangen.

Wie dem auch sei, ich denke, das ist kein Thema, das ich Ihnen weiter erläutern muss, Crawford-san. Sie sind selbst gut genug informiert, um über uns und Kritiker Bescheid zu wissen.

Sie wissen, ob Sie Naoe Nagi einer Gefahr aussetzen oder nicht. Ich werde es garantiert nicht bewusst tun.“
 

„Bewusst oder unbewusst spielt keine Rolle. Das Resultat ist entscheidend“, entgegnete Brad lapidar. „Und ja ich bin gut genug informiert um zu wissen, dass Kritiker im Augenblick ein Auge auf uns geworfen haben. Weshalb dein Auftauchen hier bei mir eine etwas ungünstige Wahl deinerseits war, fürchte ich.“

Crawford lächelte hintergründig. „Warum willst du Nagi kennen lernen?“, fragte er als Nächstes aus heiterem Himmel. Er wollte hören, was der Junge vorzubringen hatte.
 

„Ob ungünstig oder nicht, es war der richtige Zeitpunkt“, bekräftigte Omi noch einmal seinen Wunsch hier zu sein und seinen gut versteckten Starrsinn. Zudem er die wiederholte Drohung des anderen Mannes für momentan unwichtig abtat. Darum würde er sich dann kümmern, wenn es Zeit wurde.

„Weil er mich interessiert und mich fasziniert“, erwiderte er schließlich ehrlich, so wie er es Schuldig auch schon gesagt hatte. „Mir ist es egal, ob er zu Schwarz gehört, ich sehe nur die Person in ihm, nicht das, was er darstellt.“
 

Ah, jetzt wurde es interessant. Brad erhob sich langsam und ging zur Bar, die hinter dem Zweisitzer platziert war. Er befand es nicht für nötig, dem ‚Bittsteller’ ebenfalls etwas anzubieten. „Was stellt er dar? Interesse und Faszination… du könntest in den Zoo gehen“, sagte er verächtlich. Es war ihm nicht genug. Bei weitem nicht. Er wollte etwas anderes hören.
 

„Könnte ich. Aber ich bin nicht darauf aus, ein Tier zu beschauen“, kam von Omi die ruhige Antwort. Er hatte eine Augenbraue anhand dieses rüden Vergleiches erhoben. „Interesse und Faszination sind Grundlage einer jeden, menschlichen Beziehung, über die ich Sie garantiert nicht aufzuklären brauche, Crawford-san. Es ist eine hohe Art der Wertschätzung, nichts, was man leichtfertig mit einem Besuch im Zoo vergleichen kann.“

Er machte eine kunstvolle Pause, sah dem Amerikaner direkt in die Augen. Auch wenn der Amerikaner keine Höflichkeit kannte, er war dennoch in der Lage, sein Benehmen beizubehalten.

„Ja, was stellt er für mich da…einen Jungen, der trotz seiner Kräfte nicht das ist, was aus ihm hätte werden können. Ich sehe Sie, Crawford-san und ich sehe ihn, denjenigen, der ganze Hochhäuser ineinander fallen lassen kann. Seine Gabe ist um so vieles gefährlicher als die Ihre und er ist so unsicher. Er braucht jemanden, der ihm Stärke gibt. Halt vielleicht.“
 

Das brachte Brad nun wirklich dazu schallend zu lachen. Er schüttelte den Kopf leicht, als könne er nicht glauben, was der Junge da von sich gab. Einen Schluck von der goldenen Flüssigkeit nehmend kehrte er wieder zurück und machte es sich erneut bequem.

„Wer ist der gefährlichere? Der Hund oder sein Herr?“, fragte Brad zynisch. Nagi war sehr beeinflussbar und er dachte nicht daran, ihn jemandem zu überlassen, der wie damals Takatori diese Beeinflussung auf ihn ausübte. Sich seiner Fähigkeiten bediente, als wäre es lediglich ein verlängerter Arm. Diese Zeiten waren vorbei.

„Du denkst, du bist der Jenige, der ihm diese Stärke gibt? Der ihn lenkt?“ Brads Worte waren leise, doch die Schärfe dahinter war wie ein Raubtier, welches sich jeden Moment aus dem Dickicht stürzen und den Tod bringen konnte.
 

„Lenken? Nein“, lächelte Omi. Ich bin nicht wie du, Amerikaner, fügte er in Gedanken an, äußerte es aber nicht laut. „Wie ich gerade schon sagte: ich möchte ihm Halt geben. Halt ist etwas anderes als jemanden zu lenken, das liegt mir nicht. Ich möchte keine Macht auf eine andere Person ausüben. Auf ihn schon gar nicht. Macht…zerstört die Reaktionen eines Individuums auf bestimmte Situationen. Das ist bedauerlich. Es interessiert mich nicht.“ Er warf einen müßigen Blick nach draußen und kehrte dann wieder zu dem Kriegsherd zwischen ihnen zurück.

„Nur um eines klarzustellen, Crawford-san. Ich mag zwar Takatori Mamoru heißen und das Blut in mir tragen, doch ich bin nicht wie mein Vater oder Onkel. Nie gewesen und werde es auch nie sein.“
 

„Das bleibt abzuwarten“, ließ Brad sich nicht beirren und wiederholte Mamorus Worte eingangs.

„Menschen verändern sich. Wie willst du der Tatsache entgegen wirken, dass er sich dir unterordnen wird?“ Brads Augen fraßen sich in die Blauen seines Gegenübers. „Was ist wenn dies eintrifft? Wenn ich dir sage, dass eure Zukunft so aussieht, dass er alles tut, was du ihm sagst? Dass du ihn hasst dafür? Ihr nicht mehr von einander los kommt? Das ist eure Zukunft“, prophezeite er.

Nagi konnte in ihrer Gemeinschaft nur als Individuum bestehen, weil sie gleich waren, sie hatten alle ihre Probleme mit ihren Fähigkeiten und Brad hatte ihn auf Abstand gehalten, ihm jedoch trotzdem versucht, das Gefühl von Familie zu vermitteln. Nagi hatte eigene Interessen entwickelt, doch der Weg war noch weit, ihn dort hin zu bringen, wo Brad ihn sehen wollte. Er sollte sich nicht beeinflussen lassen, er sollte keine Angst mehr haben vor den Menschen die anders waren als sie.
 

„Das wird nicht unsere Zukunft sein. Es ist EINE Möglichkeit. Die Möglichkeit, wenn ich nicht aktiv etwas dagegen mache. Wenn er sich jedoch von Anfang an bewusst ist, dass er ein eigenständiger Mensch ist; wenn ich ihm das vermitteln kann, wird es nicht so weit kommen. Vielleicht bin auch gerade ich der Richtige, weil ich mit ihm auf einer Altersstufe stehe, ihm alleine schon deswegen nicht vorstehe, sondern gleichberechtigt bin.“ Wieder ließ Omi seine Augen nicht von denen des Amerikaners, erwiderte den Blick aufrecht und ohne Angst. Er hatte nichts zu verbergen, warum sollte er deshalb Angst haben?
 

Crawford nickte und lächelte hintergründig. Er hatte den Jungen auf die Probe gestellt. „Es ist eine Möglichkeit, ja.“

Falls diese mögliche Zukunft eintreffen würde, müsste einer von Beiden ausgeschaltet werden. Nagi würde sich nicht gegen den Jungen stellen, schon allein, weil sein Schutzinstinkt zu hoch ausgeprägt war. Er würde alles für ihn tun.

„Falls diese Möglichkeit eintritt, wird es Folgen haben“, mehr sagte er speziell dazu nicht.

„Ich möchte noch einmal wissen, warum du ihn kennen lernen willst. Und was dann? Wenn du ihn kennst? Willst du mit ihm befreundet sein? Oder willst du ihn eher ficken?“
 

Auch die zweite Augenbraue hob sich. Welch direkte Worte…

„Ficken…wie Sie so schön sagen, Crawford-san, ist nicht meine primäre Absicht. Natürlich zieht er mich auch auf sexueller Basis an. Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch gleichzeitig mit ihm befreundet sein und ihn näher kennen lernen möchte. Einfach aus Neugier. Ich wüsste auch nicht, was ich anderes auf Ihre Frage antworten sollte, Crawford-san. Aus welchem Grund wollen Sie denn jemanden kennen lernen und mit ihm ein Verhältnis beginnen?“
 

Crawford ignorierte diese persönliche Frage.

Für Nagi wurde es langsam Zeit, sich in andere Gebiete vorzuwagen. Man sah ihm an, dass er seelischem und geistigem Druck ausgesetzt war, den er sich zum großen Teil selbst machte. Sein Körper litt unter seinen Fähigkeiten. Er hatte keinen Bezug zur eigenen Sexualität, zu seinem Körper. Crawford hätte Nagi nicht als attraktiv bezeichnet, da er ihn aus einem anderen Blickwinkel betrachtete. Er sah jedoch, dass er hübsch war, dass gerade diese Zerbrechlichkeit ihn fremdartig schön wirken ließ.

Ihm war wichtig, dass Mamoru diesen Aspekt bedacht hatte, dass er sich von dieser Fragilität angezogen fühlte, nicht nur den Telekineten, den Geist in dem Jungen sah.

„Löse dich von Kritiker und dir steht es frei, dich ihm zu nähern“, stellte er die letzte Bedingung.
 

„Das ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, aber ich werde zusehen, dass sich das bald bewerkstelligen lässt“, akzeptierte Omi diese Bedingung. Er lebte. UND hatte die Zustimmung des Amerikaners, die ihn zwar so nicht die Bohne kratzte, die aber Nagi für sehr wichtig hielt. Also war er diesen Weg gegangen, ohne dabei eine Faust ins Gesicht zu bekommen.

Manchmal musste man sich einfach benehmen, dachte er vergnügt für sich und nickte. „Sie erlauben, dass ich mich entferne?“, fragte er schließlich, immer noch der brave Junge.
 

„Ja, du kannst gehen. Allerdings wirst du das Gelände erst verlassen, wenn ich es sage“, sagte er und erhob sich, ging langsam vor zur Tür um sie zu öffnen und den jungen Mann hinaus zu lassen. Die Antwort gefiel Brad nicht wirklich, da dieser zu enthusiastisch schien, aber er wollte sich Nagis Wünsche vor Augen halten.
 

„Natürlich, wie Sie es wünschen“, erwiderte Omi und erhob sich, verbeugte sich mit japanisch höflicher Distanz. Er ließ seinen Blick nicht vom Amerikaner, als er die Tür anstrebte. So…erst, wenn er es ihm sagte.

Omi stand schon an der Tür, als er sich noch einmal umdrehte und sich entschloss, das auszusprechen, was ihm momentan durch den Kopf ging. „Ich akzeptiere Ihr Hausrecht hier, Crawford-san. Aber denken Sie nicht, dass Sie damit immer über mich verfügen können. Ich empfehle mich.“ Er legte die Hand auf die Klinke.
 

Brads Hand griff um den Jungen herum zu dessen Kehle und wirbelte ihn zu sich um ihn gegen das Holz der noch geschlossenen Tür zu drücken. „Hör mal gut zu, Kleiner. Dieses Spiel war ja ganz amüsant, aber jetzt werden wir beide Klartext reden. Du bleibst lediglich deshalb hier, damit ihr miteinander sprechen könnt. Du erhältst dir dein Leben nur deshalb, weil er sonst keine Chance auf ähnliche Gefühle bekommt wie er sie jetzt für dich empfindet. Nur deshalb bist du noch nicht bei den Ratten“, lächelte er bösartig.

„Falls ihm etwas zustößt und ich ‚sehe’, dass du involviert bist…wird dir keiner mehr helfen können“, sagte er und ließ ihn los, öffnete die Tür.

„In einer Stunde bist du weg.“
 

Omi rieb sich schweigend seinen Hals. Oh ja…das war die Seite des Amerikaners, die er kannte. Ein weiteres Lächeln zierte seine Lippen, doch es war keins von Höflichkeit.

„Damit wir uns richtig verstehen…Crawford. Ich scheiße auf deine Drohungen. Du bist nicht der Allgott und wirst es auch nie sein. Du musst erstmal an mich rankommen um mich zu töten. Und dann…darfst du dir um die Konsequenzen Gedanken machen. Hast du schon mal an das große Ganze gedacht? Nein? Wie leicht dieses Gefüge zusammenbrechen kann?

Ich bin nicht hier um bei dir Eindruck zu schinden, Orakel. Nichts könnte mich weniger interessieren. Er ist es, der mich interessiert und er braucht deine Zustimmung, weil er es so will. Er will weder das Eine noch das Andere verlieren und da will ich ihm nicht im Wege stehen, sondern es ihm so leicht wie möglich machen.

Respekt gegen Respekt. Etwas, das du nie gelernt hast.“

Er drehte sich um, eine Hand an die Hosentasche eingehakt.
 

„Respekt muss man sich erst verdienen“, sagte Crawford leise. „Löse dich von Kritiker und bring ihn dazu sich selbst zu respektieren, dann hast du meinen Respekt, falls du Wert darauf legen solltest.“ Sein spöttisches Lachen geleitete Omi zur Tür hinaus.
 

„Von dir?“, murmelte Omi leise. „Niemals.“

Trotzdem wanderte er breit grinsend nach unten, bevor es sich zu einem Lächeln abmilderte. Er hatte seinen Willen bekommen und nun würden die nächsten Schritte geplant werden müssen.

Ausgeglichen und ruhig kam er wieder in den Wohnzimmerbereich und sah zuerst nur Schuldig, grinste diesem nun doch leicht froh über seinen Sieg zu, bevor er sich nach Nagi umsah. Nagi, der ihm von Crawford in einer verschrobenen Art und Weise doch zugeschustert worden war, denn das hatten die Worte des Orakels ausgedrückt. Nagi hätte keine andere Chance, an die Gefühle zu kommen, die er jetzt für ihn hegte. Recht zweckmäßig und pragmatisch diese Denkweise, doch für ihn gut.
 

Um diese Jahreszeit war es noch kalt draußen, dennoch musste Nagi an die frische Luft. Er hatte gewartet, mit Schuldig zusammen, ohne dass sie ein Wort gesprochen hatten.

Oh, sie hatten zunächst einige Dinge geklärt, bevor sie zum Schweigen übergegangen waren.

Schuldig war wütend gewesen, weil er den Gedanken bei Nagi aufgeschnappt hatte, dass er Omi mit seiner Gabe zurückhalten wollte, bevor dieser zu Brad gehen konnte.

Er hatte gesagt, dass Omi eine Entscheidung gefällt hatte und er ihn nicht davon abbringen könne, schon gleich nicht mit Telekinese. Er müsste es akzeptieren.

Wenn er seine Probleme mit anderen Menschen in den Griff kriegen wollte, dann durfte er nicht in schwierigen Situationen gleich zum einfachsten Mittel greifen.
 

Nagi schmälerte den Mund unwillig und zog die Schultern leicht nach oben, da ihm in seinem viel zu großen Pullover kalt wurde.

Gerade Schuldig musste solche Ratschläge erteilen. War er es nicht, der sich seiner Gabe bediente, wenn er etwas wissen wollte, wenn er neugierig war?
 

Über diesen letzten Gedanken entschied er sich seine Kasteiung auf der Terrasse einzustellen, bevor ihm die Kälte gänzlich in die Knochen drang und hineinzugehen.
 

„Na, oh tapferer Held, aller Gerüchte zum Trotz doch überlebt? Wie war die Schlacht?“, grinste Schuldig gut gelaunt von einem Ohr zum anderen, als er Omi erspähte. Gemächlich stand er von seinem Platz auf und kam zu ihm.

„Dann werde ich mich mal dem Ungeheuer stellen, wenn du es kannst und überlebt hast, kann ich das schon lange!“
 

„Na da wäre ich mir nicht so sicher…ich habe immer noch Rückenschmerzen vom zu Kreuze kriechen“, lachte Omi und zuckte belustigt mit den Schultern. „Aber er ist glaube ich recht amüsiert von der Tatsache, soweit man das von ihm sagen kann.“

Aus den Augenwinkeln heraus hatte er auch jetzt seinen wohl gehüteten Prinzen gesehen, der sich anscheinend in eine Ecke des Raumes verkrochen hatte.
 

Schuldig bremste seinen enthusiastischen Schritt neben Omi und warf einen skeptischen Blick Richtung oberes Stockwerk. „Amüsiert?“, hob er irritiert eine Braue.

„Ich glaube, dann wage ich mich nicht nach oben“, verzog er das Gesicht leidend. „Amüsiert ist nicht gut.“

Brad war dann launisch und ihm fielen einige kleine Boshaftigkeiten ein, auf die Schuldig gut und gerne verzichten konnte.

Aber er musste nach oben um den nächsten Auftrag zu besprechen. Zumindest wollte er wissen um was es ging, denn heute sollten die Daten eingetroffen sein.

Wesentlich langsamer setzte er sich wieder in Bewegung und erklomm die Stufen…
 

Nagi hatte aufgesehen, als er Omi kommen gehörte, und richtete sich etwas auf seinem Platz auf. Er hatte sich auf den Boden seitlich des Kamins gesetzt und lehnte dort an der Couch, gönnte seinem Körper die Wärme des Feuers.

Omi schien sich Brads Zorn nicht zugezogen zu haben, dann hatte der junge Weiß Agent ihn nicht angegriffen und keine alten Geschichten aufgewärmt, wie Nagi anfangs befürchtet hatte.
 

Schuldig noch viel Glück wünschend kam Omi schließlich zu Nagi und setzte sich zu ihm auf den Boden. Ja. Hier war es kuschelig warm…sehr angenehm. Omi lächelte.

„Er hat mir…uns eine Stunde gegeben, bis ich von hier verschwinden soll“, merkte er an und sah dem Telekineten in die Augen.
 

Der diesem nur für einige Wimpernschläge standhalten konnte, bevor die grauen Augen sich in den Anblick des prasselnden Feuers flüchteten.

„Wie lautet das Ergebnis der Unterredung?“

Er war nervös, durch Omis Nähe und der Tatsache, dass er nicht wusste, was er sagen oder tun sollte.

Nagi kamen die Worte wieder in den Sinn, die Omi zu anfangs als Grund für sein Hiersein vorgebracht hatte.

‚…um deine Hand anhalten…dich ausführen…’

Diese Worte klangen seltsam für ihn, so förmlich und es warf ihn etwas aus der Bahn. Denn sie waren nicht spöttisch gemeint, das hatte Nagi erkannt. Zumindest war es das, was er erkennen sollte. Vielleicht konnte Omi sich einfach nur gut verstellen…
 

„Ich darf mich dir nähern, wenn ich mich von Kritiker löse“, erwiderte Omi und zog ein Bein an, winkelte es in bequemen Winkel schließlich ab. „Insofern du Interesse hast, heißt das. Das ist Voraussetzung von allem.“ Sein Blick ruhte ebenso im Feuer und er lauschte dem Knistern der Holzscheite. Er konnte sich noch daran erinnern, dass sie Zuhause auch einen Kamin gehabt hatten. Dass er öfter mit seiner Mutter davor gesessen, gelegen oder gespielt hatte. Später…als er fernab von seiner Mutter aufgewachsen war, ohne Erinnerung, hatte es das nicht gegeben. So etwas nicht.
 

Ein unsicherer Blick traf Omis Profil. Interesse?

Was sollte er sagen? Dass er Angst vor diesem Interesse hatte? Vor den Auswirkungen des Interesses? „Er hat zugestimmt? Nur diese Vorraussetzung?“, kamen ihm plötzlich die Bedeutung der Worte in den Sinn und leises Erstaunen schlich sich in ihn.

Die Angst in ihm nahm zu.

Er wusste nicht, was er tun sollte. Er war sich sicher gewesen, dass Brad Omi hinauswerfen würde. Aber nun…

Jetzt war alles unsicher. Jetzt war es so, als wäre sein Schutzwall hinfort und er musste sich seinen Ängsten stellen. Brad hatte ihn von sich geschoben.
 

„Nein…natürlich nicht nur unter dieser Voraussetzung. Er wollte genau wissen, warum ich mich für dich interessiere und ob es auch wirklich ernst ist.“ Omi warf einen Blick zur Seite. „Er hütet dich wie seinen Augapfel und hat nun gesehen, dass es für dich etwas Neues gibt, was du entdecken kannst. Natürlich hat er das wortwörtlich nicht so gesagt.“

Omi zog seine Beine in den Schneidersitz und lehnte sich etwas zurück. „Die Frage ist, ob du mir soweit traust, dass du es auch versuchen willst.“
 

Brad hatte es nicht wörtlich gesagt, aber Omi sprach es aus. „Du bist sehr offen… mit deinen Worten“, sagte Nagi leise und senkte den Blick. In ihm wirbelten Gedanken durcheinander, Worte, die er mit Fujimiya Ran besprochen hatte.

Er sah wieder auf zu dem Blonden und er konnte fühlen, wie er es wollte, aber Angst davor hatte es zu sagen, es zu versuchen.
 

„Natürlich. Warum sollte ich dir auch etwas verheimlichen?“, fragte der junge Weiß ehrlich und rutschte ein Stück näher. Er sah schon, das wurde nichts….nicht, wenn er nicht den ersten Schritt tat. Er lehnte schon beinahe an der Schulter des Anderen. „Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden, weißt du?“, fragte er sanft. „Wenn du etwas willst, musst du es äußern.“
 

Er wusste, was er wollte, aber er konnte es nicht vorbringen. Nicht bei ihm. Es war zu beschämend, darüber mit ihm zu sprechen. Merkwürdigerweise konnte er es bei dem Rothaarigen…

Vielleicht weil er wusste, dass Omi es auch tun würde. Weil er Angst davor hatte.

Das Prasseln des Feuers und das Knacken der Scheite drangen plötzlich sehr laut an Nagis Ohren, während der Stille die zwischen ihnen schwebte wie Nebel.

Nur durch die sanfte Stimme gelockt hob er den Blick wieder etwas, streifte die einladenden Lippen und traf auf schillerndes, vom Feuer besänftigtes Blau. „Einen Kuss“, hauchte er und wirkte fast atemlos dabei.
 

Omi entsprach diesem Wunsch beinahe sofort. Sanft wie eine Feder berührte er mit seinen Lippen die des anderen Jungen. Er wollte ihn nicht verschrecken, wollte ihn vielleicht erst an das Gefühl eines Kusses gewöhnen. Er wollte nicht, dass Nagi sich überfahren von ihm fühlte. Nun…nicht noch mehr überfahren.

Er löste sich nach ein paar Momenten von dem jungen Telekineten und lächelte, als er die geröteten Wangen bemerkte. „Siehst du…einem sprechenden Menschen wurde geholfen.“
 

„Ja.“

Omi war nur wenige Zentimeter von ihm zurückgewichen und er hatte das Gefühl, sein Herzschlag war hörbar für den anderen, so laut kam er ihm selbst vor. Es brauchte nur zwei Wimpernschläge, bis Nagi Omi folgte und dessen Lippen mit seinen berührte, sie schmecken wollte. Seine Hand löste sich vom Boden und griff in weichen Stoff an Omis Flanke, wie um sich festzuhalten.
 

Omi jubelte innerlich über den Mut des Telekineten. Er lehnte sich in den Kuss, öffnete sacht seine Lippen. Er lud Nagi ein, ihn zu erkunden, lud ihn zum leichten, beschwingten Spiel ein. Seine Hand legte sich über die des Anderen an seiner Seite, wärmte sie mit seiner eigenen. Er fühlte die dünnen, ja beinahe schon knochigen Finger unter seinen Händen und hatte das Gefühl, sie einfach beschützen zu müssen.
 

Zuviel prasselte auf Nagi ein, sodass er nicht mehr nachdachte, seine Gedanken waren fort.

Unsicher und daher zögerlich zunächst spitzte seine Zungenspitze über die Innenseite der Unterlippe, fühlte deren Textur, dieses himmlische Gefühl, welches durch ihn rauschte, ihn erfasste und mit sich riss. Ohne es selbst zu bemerken, fing er an zu zittern, als er die Wärme um seine Hand fühlte, die seine bedeckte. Seine Hände rückten wieder mehr in den Vordergrund seines Denkens und dies ließ ihn wiederum mehr zittern, bis er sich mehr festkrallte als festhielt um diese Reaktion zu dämmen.
 

Omi gewährte Nagi noch mehr Zutritt, öffnete sich weiter für den Jungen, der seine ersten Schritte tat. Ein warmer, angenehm lieblicher Schauer durchrann ihn und er seufzte leise in den Kuss. Seine andere Hand strich sanft über den Rücken seines Gegenübers, während er die zitternde Gestalt zu wärmen versuchte. Er ergriff Nagis Hand ergriff und sie in der seinen barg, den Rücken auf und ab fuhr. Leicht nur, nicht um ihn zu verschrecken. Es fühlte sich gut an. Nein, fantastisch. Einfach herrlich.
 

Nagi hörte das Seufzen, diesen Laut, den er zuvor noch nie bei jemandem in dieser Art gehört hatte. Nicht so nah, nicht durch den Kontakt mit ihm ausgelöst. Er drang weiter vor, bis seine Zunge auf Omis traf und sie berührte. Sein Körper fiel in diese Umarmung als dies geschah, begab sich völlig in Omis Arme.

Weder spürte er aktiv das Prickeln in seinen Händen, noch die Tränen, die ihm aus den Augenwinkeln liefen. Tränen der Wonne. Nagi schadete ihm nicht, Omi wollte von ihm berührt werden, er hielt ihn fest, er stieß ihn nicht weg.

Er hatte das Gefühl, es nicht mehr länger auszuhalten, diese Anspannung, dieses Kitzeln im Bauch.
 

Omi zog den anderen Jungen ebenso sehr in seine Umarmung, umsorgte ihn und hüllte ihn ein. Trotzdem oder gerade deswegen sah er die Tränen des Telekineten und er löste sich etwas von Nagi, minimal nur.

„Du weinst…“, wisperte er sanft und küsste eine der salzigen Spuren, so als wollte er sie lindern, sie tilgen. Oder sie akzeptieren.
 

Blinzelnd bemerkte Nagi die Feuchte auf seiner Wange und keuchte, weil es ihn beschämte. Er senkte das Kinn und lehnte seine Wange an Omis, bis sein Gesicht in dessen Halsbeuge lag.

„Du hast meine Hand berührt und festgehalten“, schien ihm diese Erklärung ausreichend um seine Tränen zu erklären. „Niemand tut dies“, flüsterte er an die Haut des anderen. „Es macht mich …high…“

Ja, dieses Gefühl passte. Es war so neu für ihn, dass jemand anderer seine Hände hielt, sie sanft umkoste.
 

Omi begriff erst jetzt, was Crawford gemeint hatte. Was er ihm hatte sagen wollen. Er sah es in den Worten und Gesten Nagis.

„Dabei ist es doch so schön…sich durch Berührungen nahe zu sein“, murmelte Omi und strich mit seinen Fingern über die Knöchel der anderen Hand. Liebkoste sie sanft und erfühlte sie.

„Stell dir vor, wie es sich erst hier anfühlt…“, lächelte er und strich Nagi hauchzart über die Wange.
 

Nagi öffnete die Lippen und sein heißer Atem streifte über Omis Haut, als er seufzte. Es war so schön, endlich diese Berührungen zu erfahren und doch hatte er Angst vor dem, was vielleicht kommen mochte. Er musste unbedingt die Kontrolle behalten. Er durfte sich nicht gehen lassen, nur hier ein kleines Weilchen des Genusses, der Entspannung und der Loslösung vom alltäglichen Trott.
 

Omi besah sich Nagi schweigend. Jedes Detail wurde von ihm gespeichert, jede Kleinigkeit sich eingeprägt. Die spitzen Wangenknochen, die blasse Haut, die Blutströme unter ihr. Die grauen, scheuen Augen von dichten Wimpern umrahmt.

Es war faszinierend, wie sehr Nagis Äußeres sich von seiner inneren Kraft unterschied, wie sehr Schein und Sein auseinanderklafften. Doch taten sie das wirklich?
 

„Es fühlt sich gut an“

Nagi barg sein sich heiß anfühlendes Gesicht an Omis relativ kühler Haut der Halsbeuge, genoss dessen Nähe, dessen Lebendigkeit.

Er wollte nicht nach dem Warum fragen, auch wenn er diese Frage in sich trug, doch oft zogen Fragen nach dem Warum Zerstörung mit sich, lösten Dinge aus, die er jetzt nicht wollte. Es sollte so bleiben, wie es jetzt war.

Seine Hand an Omis Flanke schlich sich nach oben zu Omis Nacken, strich hauchzart darüber und er freute sich es tun zu können und zeigte dies mit einem stillen Lächeln.
 

Omi erwiderte dieses Lächeln so ehrlich, wie er es nur engen Freunden schenkte. Er sagte noch nichts, lehnte sich in die Berührung des anderen und genoss dessen neugierige Wanderschaft. Es war, als würde jeder Berührung eine Spur von Gänsehaut folgen, die sich seinen Körper untertan machte und ihn in sich verschlang.

„Es gibt noch so viele andere Dinge, die sich gut anfühlen“, merkte er leise an und fuhr mit seiner freien Hand durch die seidigen Haare, ließ seine Finger stimulierend über die Kopfhaut gleiten.
 

Einen genießerischen Laut von sich gebend, schmiegte sich Nagi weiter in die Hand hinein. Es tat so gut, diese Berührungen auf seiner Kopfhaut zu fühlen, wie elektrisierend schossen diese Empfindungen durch seinen Körper und ließen ihn zu einem Klumpen formbaren Wachses in Omis Händen werden.

Er spürte, wie die Anspannung zunehmend schwand und etwas in ihm losbrach, was er nicht mehr beherrschen konnte. Ein Schluchzen kündigte es an und er verkroch sich schier in Omis Gegenwart um es zu dämmen. Das Warum wollte heraus, die Wehklage, warum er bisher dies nicht erfahren durfte wollte heraus. Er weinte stumm und bemerkte nicht, wie er seine Fähigkeiten auf sie beide richtete, wie ein sanfter Schimmer von seinen Händen ausging.
 

„Hey…hey…es ist doch nicht schlimm“, murmelte Omi überrascht und zum kleinen Teil auch verstört über die Tränen des Jungen. Er streckte seine Hand aus und fuhr hauchzart über die nassen Wangen, fühlte, wie sich im Gegenzug etwas um ihn schlag, wie ihn unsichtbare Hände, unsichtbare Tücher berührten. Es war kaum zu beschreiben, doch es fühlte sich gut an. Fühlte sich…vertraut an.
 

Nagi schüttelte den Kopf. „Nein, nicht schlimm, nur zu lange nicht gekannt“, murmelte er mit tränenschwerer Stimme. Er löste sich etwas und versuchte sich an einem zaghaften Lächeln. Er bemerkte den Energiefluss seiner Hände und sein Herz setzte aus. Nein! Nein!

Er zog sie zurück und verschränkte seine Arme vor seiner Brust.

„Ich muss noch lernen, das zu unterbinden“, erklärte er und nickte bekräftigend.
 

Omis Hände wanderten denen des Telekineten hinterher, umschlossen die Unterarme und zogen sie auseinander. Er nahm die Hände des Anderen und verwob die Finger mit seinen eigenen.

„Warum? Es fühlt sich…gut an. Ungewohnt, aber schön.“ Omi lächelte und sah auf ihrer beider Hände, auf die Verbindung, die zwischen ihnen herrschte.
 

Diese direkte Konfrontation mit seinen ‚Werkzeugen’, seinen ausführenden Organen, machte ihn fast fertig. Wie gebannt starrte Nagi auf diese Verbindung und schüttelte den Kopf leicht, fand aber zu Omis Augen, als er das Kinn hob.

„Ich muss meine Gefühle davon abtrennen, verstehst du?“
 

„Dann werde ich dir dabei helfen“, nickte Omi ernst und führte eine dieser Hände an seine Lippen und hauchte einen sanften Kuss auf die leuchtende Haut. „Irgendwie schaffen wir das schon, oder?“
 

Fasziniert sah Nagi zu wie die sanften Lippen seine Haut küssten. „Ich habe es schon oft versucht und ich scheitere jedes Mal an diesem Versuch. Egal, wie hart ich trainiere. Ich weiß nicht, wie ich mich verbessern kann“, gab er zu.

Wir…hatte er gesagt. Es gab für ihn nur ein ‚Ich’, er musste es schaffen, wie konnte Omi ihm helfen?
 

„Vielleicht trainierst du zu hart? Vielleicht solltest du einfach versuchen zu entspannen, hast du es schon einmal damit versucht? Je mehr du daran denkst, desto größer ist die Angst vor einer weiteren Niederlage.“ Omi seufzte leise und lächelte. „Wenn du dich fallen lässt…wirst du aufgefangen.“
 

„Aber…“, fing Nagi leise an, verstummte jedoch und musste über die letzten Worte nachdenken. „…ich muss doch trainieren. Ohne das Training hätte ich dich zum Beispiel nicht tragen können“, erinnerte er sich an den Tag, an dem er Omi mit seinem verletzten Knöchel geholfen hatte.

„Ohne das Training bin ich…“, nichts weiter als ein verrohtes Stück Fleisch, ohne Arme, ohne Hände, die etwas Sanftes tun können, dachte er den Satz zu Ende.

Wenn er sich fallen lassen würde… sein Geist würde nie zulassen, dass er nicht aufgefangen werden würde. Dazu war der Selbsterhaltungstrieb zu groß.

Aber wenn er sich weiter so nach vorne trieb? War das eine Art von Selbstmord? Machte er das unbewusst um seinen Geist zu überlisten, damit sein Körper starb?

Erschrocken senkte er den Blick, damit Omi nicht sah, woran er möglicherweise dachte.
 

„Es redet niemand davon, dass du mit dem Training aufhören sollst. Doch du hast gerade nur von Konzentration gesprochen. Das ist wichtig. Aber wie sieht es mit Entspannung aus? Mit Lockerheit?“ Omis Finger legten sich unter das Kinn des Telekineten und hoben es an.
 

„Das ist zu gefährlich“, versuchte Nagi den Blick zu heben, doch er mied die Augen seines Gegenübers. „Das wäre, als würde Schuldig aufhören, die Gedanken der anderen auszuschließen. Wenn ich …lockerer werde…, dann vergesse ich vielleicht, was ich bin…“
 

„Und wenn du genau das im Gedächtnis behältst, jedoch nicht mehr so verkrampft versuchst, Erfolge zu erzielen, für die du vielleicht nur etwas Geduld haben musst?“
 

Verzweiflung und Wut kamen in ihm auf und wurden sichtbar als er Omi anblickte.

„Ich habe keine Zeit um zu warten. Ich kann nicht mehr warten…keine Minute länger …ich kann einfach nicht mehr warten…“, begehrte er auf und zog die Brauen zusammen. „Meine Geduld ist am Ende…ich bin am Ende… sieh mich an.“

Seine Fähigkeiten waren sein Schutz gewesen und nun wurde dieser Schutz zu einem Fluch.
 

„Ich sehe jemanden, der am Anfang einer wundervollen Erfahrung steht und solange darauf gewartet hat, dass es nicht mehr wirklich eilt. Es bringt nichts, wenn du es jetzt übers Knie brichst.

„Du bist nicht am Ende…ich bin jetzt da. Ich bin dein Anfang.“ Omis Hände strichen sanft über die des jungen Schwarz und er lächelte.
 

Omi fand die richtigen Worte, die ins Schwarze trafen und Nagi eine sanfte Röte ins Gesicht trieben. Er schwieg eine Weile und lehnte sich wieder an Omi an.

„Was ist nach dieser Stunde?“
 

„Dann werde ich mit einem hoffentlich lebenden Schuldig wieder zurückfahren. Und mich in der nächsten Zeit darum kümmern, die Forderung des Amerikaners zu erfüllen. Eine Herausforderung, die ich gerne annehme.“

Denn…so lange er auch für Kritiker tätig gewesen war, solange er sich auch in ihrem Namen schuldig gemacht hatte, jetzt war es genug. Er wollte nicht mehr. Ran war ihm immer ein Vorbild gewesen, so auch jetzt. Es ging, sie konnten sich von ihnen lösen. Es brauchte alles nur seine Zeit.

„Das Orakel reißt mir den Kopf ab, wenn ich mich dir noch weiter nähere, ohne dass ich mich und dich gegen meine Auftraggeber absichere.“
 

Nagi zog es vor erneut zu schweigen, lediglich einen kleinen zustimmenden Laut entlockten diese Worte seiner Kehle. Einerseits beruhigte es ihn, dass Omi sich von Kritiker trennen wollte, andererseits barg selbst diese Lösung eine Gefahr in sich.

„Was ist…wenn du dieses Opfer vergebens machst?“, fragte er in die eingetretene Stille, die nur vom Knacken der Holzscheite begleitet wurde. Was wäre, wenn Omi sich von Kritiker löste und nicht zufrieden mit ihm war?

„…wenn du nicht zufrieden mit mir bist?“
 

„Du bist kein Gegenstand, Nagi. Ich werde niemals ‚nicht mit dir zufrieden sein’.“ Omi schüttelte ernst den Kopf. Diese Entwertung gefiel ihm nicht…das war genau das, was Crawford ihm gesagt hatte. Und dem würde er entgegenwirken.

„Außerdem…“, begann er langsam, leise.

„Du bist der unmittelbare Auslöser dafür und ich bin bereit dafür einiges zu tun, doch der eigentliche Wunsch besteht schon seit Jahren.“ Er lächelte kurz. „Ich hatte bisher nicht gewusst, dass ausgerechnet Ran der Erste ist, der sich löst…und das macht Mut, glaube mir.“ Er streifte mit seinen Händen die Wange des jungen Schwarz, versichernd, beruhigend.
 

„Gut, dass du es nicht …wegen mir …tust…oder weil Brad es verlangt.“

Nagi schloss die Augen und fühlte innerlich den Berührungen nach, jedes Fleckchen Haut, welches von Omi berührt wurde, bedachte er mit einem Gedanken und musste darüber lächeln. Vielleicht war es das einzige Mal, dass seine Haut diese fremde und sanfte Berührung erfuhr, die ihn mehr wärmte, als dieses Feuer es je vermochte.

„Meinst du, ich könnte dich irgendwie erreichen? Über eine sichere Leitung…“, murmelte er leise und fast kaum hörbar. Er setzte sich über Brads ausdrücklichen Wunsch hinweg und es fiel ihm schwer, aber er wollte wenigstens zeigen, dass er Omi nicht einfach so gehen lassen wollte, ohne ihn erreichen zu können. Es stand außer Frage, dass er dies über Schuldig tun würde, obwohl es diese Möglichkeit gab.

Ob er Omi anrief, stand in den Sternen, aber es war, weil er nichts anderes tun konnte, als nach dieser Verbindung zu verlangen.
 

Ein breites Lächeln erhellte Omis Gesicht. Da war wohl nichts mit der absoluten Gesetzestreue, die er dem Anderen unterstellt hatte. Nagi war bereit, sich hinter Crawfords Rücken mit ihm zu treffen? Er nickte langsam, verschwörerisch und sah sich suchend um. Beim Eintreten hatte er doch neben dem Telefon Zettel und Stift gesehen, das konnten sie jetzt nutzen.

Vorsichtig, auf geheimer Mission, erhob er sich und brachte beides in seine Gewalt, Notizblock und Mittel zur Kommunikation, schrieb Nagi eine Nummer auf. Erklärend darunter, dass es auch Ayas Leitung war, die der rothaarige Mann immer genutzt hatte, als er noch von Kritiker gesucht wurde und sich ihnen nicht offen nähern konnte. Er schob Nagi unauffällig den Zettel zu, platzierte einen weiteren Kuss auf die weiche Haut der Wange.
 

Den Kopf neigend suchten Nagis Lippen Omis und so wurde aus dem züchtigen Küsschen ein sinnlicher Kuss, als er seine Lippen öffnete und wie Omi zuvor zum Spiel einlud.

Seine Hand griff nach dem Zettel und barg ihn schützend in seiner Faust.
 

Omi nahm diese Einladung gerne an und wagte nun mit seiner Zunge einen sanften Vorstoß in den warmen, weichen Mund des Telekineten. Nur ganz vorsichtig tastete er nach der anderen Zunge, nur ganz vorsichtig fuhr er über die glatten Zahnreihen. Nagi schmeckte…wunderbar. Nach Kakao, nach Süßem…irgendwie so, wie er es erhofft hatte. Wie es zu dem anderen passte.
 

Diesmal kamen keine Tränen sondern ein Seufzen, als sich Nagi nach einer kleinen Weile mit einem kleinen Kuss auf die Lippen löste und wieder den Kontakt mit Omis freier Haut an dessen Halsbeuge suchte. Er liebte dieses Gefühl schon jetzt.

„Findest du es nicht seltsam, dass wir uns heute so nahe sind?“, wisperte er und sein Blick glitt in die Ferne.

„Ich kann mich daran erinnern, dass ich dich beseitigen wollte. Meine Hände erinnern sich noch genau, wie ich dir die Knochen brechen wollte. Ich habe dich gegen die Säule geschmettert und du hast geblutet…“

Warum sagte er das jetzt? „Warum sitzen wir jetzt hier? Haben wir uns so sehr verändert, dass wir nicht mehr so denken wir früher?“
 

Omi grübelte für ein paar Momente schweigend. „Vielleicht noch nicht einmal. Vielleicht haben wir einfach den Menschen hinter dem unpersönlichen Feind gesehen, den wir töten wollten. Dieser Mensch hat genau wie wir Schwächen und Stärken und spiegelt das, was wir sind. Und sich selbst zu töten ist immer ein Stück schwerer, als ein Bild zu vernichten, das man sich eindimensional über Jahre hinweg aufgebaut hat, findest du nicht?“

Omi erinnerte sich an die Säule, an ihren Endkampf, den sie alle mehr oder minder gut überlebt hatten. Weiß hatte lange gebraucht, um sich davon zu erholen und alle von ihnen trugen jetzt immer noch Narben davon. Seelische wie auch körperliche. Das war Geschichte…oder?
 

„Ja, sehr schwer“, murmelte Nagi und wechselte darauf sogleich das Thema.

„…hast du …schlimme Verletzungen davon getragen?“

Er wusste noch, wie stark seine Fähigkeiten damals schon waren und wie schonungslos er sie gegen den schlanken Körper eingesetzt hatte. Wie leicht es ihm gefallen war.

Wie leicht war es doch für ihn, Körper zu zerschmettern, sie zu zerreißen.

Unwillkürlich strich seine Hand über Omis Brust, die Hemd und Pullover bedeckten. Ob er noch Narben trug, von damals?
 

„Jeder von uns, nicht zuletzt von dem Sturz aus der Kathedrale ins Meer“, antwortete Omi. Nagi würde ihn vielleicht noch früh genug nackt sehen und damit die Narben von den Operationen, mit denen er zusammengeflickt worden war. Youji und ihn hatte es am Schlimmsten erwischt, sie waren diejenigen gewesen, die wochenlang das Bett hatten hüten müssen. Unter Ayas strenger Bewachung, wie er mit einem innerlichen Lächeln zugeben musste. Wenn der rothaarige Mann eines konnte, dann, sich um jemanden kümmern.

„Und du? Ihr seid doch auch so tief gestürzt wie wir auch….wir dachten, ihr wäret tot gewesen.“
 

„Ich …habe am wenigsten darunter gelitten. Ich konnte die Trümmer gut von mir fernhalten, aber wohin ich sie geschossen habe weiß ich nicht, ich weiß nicht mehr, was geschehen war. Nur dass ich im Gegensatz zu Brad, Jei und Schuldig fast keinen Kratzer hatte. Ertrunken wäre ich beinahe, aber jemand hat mich aus dem Wasser gezogen.“

Es war schwer für ihn, dass er nicht wie die anderen körperliche Zeichen des Kampfes trug, dass er keine Narben trug. Es war, als wäre er nicht dabei gewesen.
 

„Dann kannst du stolz auf deine Gabe sein, dass sie dich beschützt und verhindert hat, dass dir mehr passiert. Viele von den SZ-Agenten, die dort im Meer gestorben sind, haben sich sicherlich so etwas gewünscht.“ Omi verstummte, schwieg ein paar Momente.

„Und die anderen? Hattet ihr auch jemanden, der wochenlang jammernd im Bett gelegen und sich beschwert hat, der Service wäre so schlecht?“
 

„Nein. Wir trennten uns sofort. Jei hat sich die ersten Tage versteckt. Nur Brad war am Schwersten verletzt. Ich weiß nicht warum, er hat die beste Kondition von uns. Schuldig hat sich um ihn gekümmert, sie haben wohl irgendwo einen Arzt aufgetrieben, der sie versorgt hat… aus dem Untergrund. Ich blieb die nächsten Wochen allein. Wir waren schwer angeschlagen und fürchteten einen erneuten Angriff durch andere Gruppierungen.“

Er erinnerte sich nicht gerne an diese Zeit, konnte es kaum noch, als hätte irgendetwas in ihm diese Episode verdrängt.
 

„Aber ihr habt euch wieder zusammengerauft und seid in voller Stärke zurückgekommen“, resümierte Omi und strich Nagi durch die dunklen Strähnen. „Komisch, ich hatte euch damals immer für unbesiegbar gehalten…doch nun seid ihr menschlicher, nicht mehr ganz so über uns.“ Wieder schwieg er einen Moment lang und blinzelte dann verschwörerisch, wollte Nagi aus seiner negativen Stimmung holen. „Was mich aber wundert, ist, dass Crawford die Pflege des Telepathen überlebt hat…war sicherlich kein leichtes Unterfangen, oder?“, zwinkerte er, zum Zeichen, dass es nur ein Spaß war.
 

Nagi lächelte auch prompt, erwiderte aber ernster: „…vermutlich nicht, aber welche Wahl hatte er schon? Sicher war es von Brad so geplant, damit Schuldig nicht noch größeren Unfug machte, stellte er sich lieber schwer verletzt“, lachte Nagi sogar leise. Zuzutrauen wäre es Brad.
 

Omi lachte mit Nagi. „Lass ihn das nur bloß nicht hören. Crawford meine ich…dass du ihn durchschaut hast. Und Schuldig, dass Crawford zu solchen drastischen Methoden gegriffen hat, um ihn zu sitten. Es scheint, als hätten die Beiden ein herzliches Verhältnis, oder?“
 

„Ja, sehr herzlich“, knarrte da Schuldigs finstere Stimme hinter ihnen. Sein lodernder Blick erfasste die Beiden vor sich und er verzog den Mund abfällig.

„Komm endlich, wir gehen“, knurrte er und wandte sich ab um nach draußen zu gehen.
 

Hei….da hatte er sich ein Fettnäpfchen geleistet. Omi zog unwillkürlich den Kopf ein und ergriff ein letztes Mal die Hand des Telekineten, hauchte einen sanften Kuss auf die verletzlichen Knöchel. „Auf bald“, murmelte er, erhob sich fließend und seufzte bedauernd. Schuldig folgend trottete er dem anderen Mann hinterher.
 

„Ja…“, sagte Nagi leise und sah den Beiden nach. „…auf bald.“

Sein wehmütiger Blick blieb auch der Person nicht verborgen, die auf der Treppe stand und ihn beobachtete. Sie verließ jedoch ihren Platz und kehrte zurück ins obere Stockwerk.
 

o~
 


 

Schweigend und kochend vor Wut über Crawford fuhr Schuldig sehr rasant durch die Stadt, bis er anhielt. „Los, raus. Hier kommst du auch alleine weiter“, blaffte er und wieder traf ein gnadenloser Blick Omi.
 

Der blonde Weiß wandte Schuldig seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu und maß den anderen Mann für ein paar Momente stumm.

„Lass deine Wut über was auch immer nicht an Ran aus, Schuldig“, merkte er ernst an, bevor er sich abschnallte und das Auto verließ, sich gen Stadt bewegte. Er wäre sicherlich eine gute Stunde unterwegs, aber was sollte es schon. Besser, als mit einem suizidalen Deutschen im gleichen Auto zu sitzen.
 

„Drecksgör“, zischte Schuldig und drehte seinen Wagen, um auf direktem Weg nach Hause zu fahren. „Von wegen ‚lass deine Wut nicht an Ran aus’“, äffte er Omi nach und hielt wenig später frustriert in der Tiefgarage an. Schnaubend stieg er aus und trottete zu den Aufzügen. Natürlich musste er seine Laune in den Griff bekommen, er war ja kein Idiot.

Wobei… Crawford sah das anders.

„Bin wieder da“, rief er verhalten in die Wohnung.
 

„Niemand hier“, tönte es lachend aus der Kissenecke, in der sich Aya mit Banshee zurückgezogen hatte. Seit er wieder da war, hatte er seine volle Aufmerksamkeit der Kleinen vor sich gewidmet, die mit voller Inbrunst einer einfachen Schnur mit einem Glöckchen hinterher jagte und mit ihm schmuste. Je nachdem, was sie gerade wollte. Wie gut, dass er seine Haare rechtzeitig zu einem nachlässigen Dutt zusammengerauft hatte, nachdem sich Banshee beim Abseilen in ihnen verhakt hatte.
 

Seufzend lehnte sich Schuldig an die Tür an, legte seinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen für einen Moment. Ran lachte… wie schön sich das anhörte.

Er lauschte noch einige Momente den leisen Geräuschen aus der hintersten Ecke und musste lächeln. Ja, das war schon besser als Brad. Viel besser.
 

„Was machst du da drüben? Warum kommst du nicht näher?“, fragte Aya nach ein paar Momenten und hob eine schnurrende Banshee auf seinen Arm, stand auf. „Wir beißen nicht“, lockte er, kam aber nun seinerseits auf Schuldig zu, streckte eine Hand nach ihm aus, als er ihn erreicht hatte. Er strich ihm sanft über die angespannte Wange.
 

Schuldig lächelte und öffnete die Augen. „Hi“, sagte er und verbarg seine Gefühle vor Ran, er zog ihn samt Banshee an sich und verbarg sein Gesicht an dessen Schulter. „Na, was habt ihr beiden gemacht?“, wollte er wissen und löste sich kurz darauf um seine Schuhe und Jacke auszuziehen.
 

„Auf dich gewartet, dass du uns verschweigst, warum du so schlecht drauf bist, nicht wahr, Banshee?“, sagte er wie zu der Kleinen, die er jetzt auf Schuldigs Schulter absetzte und zusah, wie sie mit ihren sanften, kleinen Tatzen das Ohr des Telepathen zu erreichen versuchte und sich schließlich auf wackligen Beine eine seiner Haarsträhnen schnappte.
 

Ein Auge zusammenkneifend hob Schuldig die Kleine an sich, setzte sich schließlich gänzlich auf den Boden und unterschlug ein Bein. Er blickte zu Ran auf und verzog den Mund kapitulierend. „Es ist nicht wichtig. Außerdem habe ich den Befehl erhalten – von Omi – nicht darüber zu sprechen“, verdrehte er die Tatsachen zu seinen Gunsten etwas.
 

„Dass es nicht wichtig ist, sehe ich. Deswegen ziehst du auch so ein verkniffenes Gesicht. Und seit wann lässt du dir von Omi Befehle erteilen? Das wäre mir neu. Also, was bedrückt dich?“, fragte Aya zielgerichtet und nicht locker lassend. Er hatte Lunte gerochen und war zu lange Anführer eines Teams gewesen, als dass er sich nun von ein paar läppischen Worten in die Flucht schlagen lassen würde.
 

Dem forschenden Blick wich Schuldig aus indem er sich erhob und sich samt Banshee auf dem Arm in die Kissenecke begab. „Brad nervt mich, das ist alles. Wir haben wieder gestritten und …naja ein Wort gab das andere. Das übliche eben…“, sagte er schulterzuckend.
 

„Schuldig…“ Aya wusste genau, dass das nur ein grober Umriss dessen war, was wirklich zwischen den Beiden vorgefallen war. Er kam zu den beiden Rothaarigen zu den Kissen, kniete sich über Schuldig und verschränkte seine Arme. Konnte jedoch ein minimales Verziehen seines Gesichts nicht verhindern. Es tat weh. Verdammt weh noch. Nie wieder, das hatte er sich geschworen. Nie wieder.

„Wie wäre es, wenn du mir alles von Anfang an erzählst?“
 

„Da gibt es nichts zu erzählen, nicht wirklich. Ich weiß auch gar nicht um was es überhaupt ging, wir haben uns nur angegriffen und es schien mir wichtig, aber jetzt …“, sagte er nachdenklich und berührte eine der längeren Haarsträhnen Rans, die ihrem Gefängnis entkommen waren. Nachdenklich fühlte er die Textur nach.

„Es lief wie immer. Ich habe ihn gereizt, er ist darauf eingegangen, obwohl er es bemerkte und … wir warfen uns Dinge an den Kopf, die wahr sind und schmerzen, wie es die Wahrheit immer tut.“
 

„Warum greift ihr beiden euch an?“, fragte Aya. Zu Anfang hatte er das Gefühl gehabt, dass die beiden Schwarz eine recht harmonische Beziehung zueinander pflegten, doch das hatte sich mit der Zeit mehr und mehr ins Negative gewendet. Aya ahnte, woran das lag und es gefiel ihm nicht. Ganz und gar nicht.

„Was habt ihr euch an den Kopf geworfen?“
 

Schuldig wandte den Kopf auf die Seite, da er nicht auskam. Ran kniete auf seinen Oberschenkeln und verwehrte ihm die Flucht. „Ich weiß es nicht mehr. Das übliche eben. Ich will das nicht noch einmal durchkauen“, murmelte er in eines der Kissen hinein und blickte hinaus auf die Terrasse.

„Wir werden wie immer diesen Auftrag über die Bühne bringen, als wenn nichts wäre.“
 

„Irgendwann hat jede Professionalität ein Ende“, sagte Aya und ließ sich von Schuldig hinuntergleiten, legte sich neben den anderen Mann in die Kissen. „Es wird sich bei euch beiden aufstauen und euch zum Verderben werden“, führte er weiter ernst aus und seufzte. „Ich will nicht irgendwann feststellen müssen, dass du nicht von einem Auftrag zurückkommst, weil eure Differenzen dir zum Verhängnis geworden sind.“
 

„Was soll ich dagegen tun?“ flüsterte er. Es war zu verworren. Sobald er in die Nähe von Brad kam, wurde er wütend. Irgendetwas an diesem Amerikaner nervte ihn jetzt gewaltig. Woran das lag wusste er nicht. Vielleicht an der Tatsache, dass Ran behauptet hatte, er würde vielleicht etwas für den Hellseher fühlen. Was überhaupt nicht stimmte!
 

„Sei ehrlich zu ihm. Lass ihn ehrlich zu dir sein“, erwiderte Aya schlicht und rollte sich auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. „Es bereitet mir Sorgen, Schuldig. Ich möchte dich nicht alleine gehen lassen. Nicht mit ihm. Nicht mit eurem Konflikt. Das Risiko ist einfach zu hoch.“
 

Schuldig schnaubte und rollte sich etwas zusammen. Was sollte das schon wieder heißen? Ihn nicht alleine gehen lassen… „Nagi ist dabei“, sagte er gelassen und überdachte die Worte im Einzelnen. Ehrlich…

Sie waren ja ehrlich …oder?

Er versuchte zwanghaft irgendetwas zu finden woran er erkennen konnte, dass er mehr für den Amerikaner empfand als gut für Ran und seine Beziehung zu ihm war. Und dies dann sogleich im Keim zu ersticken. Und Crawford… der bestätigte ihn in diesem Vorhaben in dem er aggressiv wurde. Ja…und wie ehrlich sie zueinander waren… So ehrlich wie es eben bei Schwarz möglich war, lächelte er traurig.
 

„Der Junge, der sich nicht traut, eine Hand gegen dich zu erheben, geschweige denn gegen Crawford. So gesehen hilft er euch gar nichts. Und mich beruhigt es nicht, verdammt.“ Er knurrte leise. Seufzte frustriert. „Was meinst du, würde Crawford mir den Kopf abreißen, wenn ich mitkäme?“
 

„Ganz klar, ja“, grinste Schuldig leicht.

„Wir streiten nicht wenn wir einen Auftrag zu erledigen haben. Ganz bestimmt nicht…vor allem Crawford nicht. Er ist kalt wie ein Fisch und … versuch du mal ein Gefühl aus ihm herauszubringen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit“, lachte er humorlos.

„Wir kriegen das hin, mach dir keine Sorgen.“
 

„Du weißt, dass ich mir trotz allem Sorgen mache, Schuldig. Es wird nie aufhören“, erwiderte Aya und erhob sich langsam. Er ließ seine Knochen knacken und ging steif in die Küche. „Willst du auch einen Kaffee?“, fragte er aus dem anderen Raum heraus, wechselte abrupt das Thema. Es würde sie zu nichts führen. Schuldig erledigte seine Aufträge, genauso stur, wie er sich deswegen Sorgen machte. Das Übliche eben. Sie mussten lernen, damit umzugehen. Nein, er musste lernen, damit umzugehen.
 

„Nein“, murmelte Schuldig „Ich möchte etwas dösen.“

Er wollte keinen Kaffee, der ihn vielleicht wach hielt. Er wollte schlafen… ruhen… vergessen…wie schön es doch gewesen war, ohne das Wissen um die Vergangenheit. Wie schön…

War er deshalb noch immer wütend auf Brad?

Seufzend verkroch er sich mehr in den Kissen. War er wütend auf ihn, weil er ihn aus dem Vergessen gezogen hatte? Aber es war doch Ran … der ihm die Erinnerung zurückgab …



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Battosai
2010-03-03T23:25:25+00:00 04.03.2010 00:25
oooooowwhhh nein sind nagi und omi süüüß ich will mehr über die beiden erfahren ahwww wie süzz *O*
*mehr von den beiden sehen will*
uh und wie toll sich Omi gegen Brad behauptet hat *fieb*
nun was mir ausgefallen ist...das Ken kaum erwähnt wird er hat überhaupt keine richtige Rolle dort ist nur anwesend...warum denn das? magst du ken nicht so sehr oder kommt er später mehr hervor in der Geschichte???
*knuffel* bin mal gespannt wie es weiter geht aber erst morgen muss jetzt schlafen gute nacht *knuffe*


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