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VII

von

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Talking Demons


 

»Denkst du, Adam wird es schaffen?«

Septima hob den Kopf. Bislang hatte sie sich in einem Halbschlaf befunden, da ihr Meister sie nicht benötigte. Die Stimmen waren dabei von ihr ausgeblendet worden, aber als diese Frage fiel, musste sie aufhorchen. Einige Dämonen unterhielten sich in der Nähe ihres Ruheplatzes, einer Treppe, über die Pilgerfahrt, eine wichtige Sache für ihren Meister. Deswegen spitzte sie ihre Ohren, um mehr von dem Gespräch mitzubekommen.

»Wenn nicht er, wird es keiner mehr schaffen«, sagte eine andere Stimme.

Einen kurzen Moment herrschte Stille, Septima fürchtete bereits, dass sie fortgegangen waren. Aber dann hörte sie Schritte und andere Stimmen, die im unteren Stockwerk vorbeizogen. Anhand der trivialen Themen, über die sie sprachen, wusste sie, dass es sich um einige Schüler handeln musste. Auserwählte Menschen, die in der Lage wären, die Pilgerfahrt selbst zu unternehmen, sich aber aus verschiedenen Gründen noch nicht dazu entschlossen hatten. Nun folgten sie in Pandora, einem Ort, der wie eine typische japanische High School aussah, einem normalen Schülerleben, vermutlich in der Hoffnung, dass ihre Jugend einfach für immer weiterging und sie nicht mehr daran denken mussten, dass ihre Heimatwelten, alle, die sie kannten, gestorben waren. Manchmal versuchte Septima, nachzuempfinden, was sie wohl fühlten, aber es gelang ihr nicht. Sie war nicht dafür entworfen worden, Gefühle zu empfinden, deswegen war sie davon auch nicht enttäuscht.

Nachdem die Schüler vorübergezogen waren, setzten die Dämonen ihre Unterhaltung fort: »Und? Denkst du, Adam wird es schaffen? Weich nicht aus.«

»Ich kenne die Details nicht«, wehrte die zweite Stimme ab. »Aber ich weiß, dass er über wesentlich mehr Fähigkeiten verfügt als die anderen Pilger. Er wurde schließlich nur für diese Aufgabe geschaffen.«

Adam, der erste von Gott geschaffene Mensch. Das Original war schon vor langer Zeit gestorben, aber aus Verzweiflung über die Situation, in der sie gerade steckten, hatten die Engel einen neuen Adam erschaffen. Seine Aufgabe war es, Babels Spitze zu erreichen, die Himmelstore zu öffnen und jenseits davon Gott zu finden, um ihn um Vergebung zu bitten.

Septima schätzte diese Chance als äußerst gering ein. Was immer Gott dazu bewogen hatte, die Göttliche Katastrophe einzuleiten, ließe sich mit Sicherheit nicht durch eine Bitte oder gar ein Opfer von Adam ungeschehen machen. Nein, sie war überzeugt, dass dieser Gott einen guten Grund dafür besaß, die Hölle unter Wasser zu setzen und sämtliche Welten nach und nach sterben zu lassen. Auch wenn niemand von ihnen diesen Grund kannte.

Für einen Moment herrschte Schweigen, dann lachte die erste Stimme. »Also setzt du auf Adam, gut zu wissen. Angeblich ist er aber wirklich unsere letzte Hoffnung. Ich wünschte, wir könnten ihn begleiten.«

»Keine Chance. Lediglich Eve wird mit ihm gehen.«

Das folgende Seufzen schien von beiden zu stammen. Septima konnte es nicht verstehen. Den Turm von Babel zu besteigen, nur um zu beobachten, wie Adam sich für sie alle opferte, war ein Wunsch, den sie noch weniger verstehen konnte als alle anderen Wünsche.

Damit schien die Unterhaltung der beiden beendet, weswegen sie kein Problem darin sah, die Treppe hinabzugehen. Nach einigen Stufen entdeckte sie zwei Personen, die wie ganz normale Menschen aussahen. Sie waren erwachsen, durchschnittlich, niemand hätte hinter ihnen Dämonen vermutet, stattdessen wirkten sie wie jene Personen, die man Lehrer nannte. Das war ihr von dem Höllenfürsten Belial erklärt worden. Schuldig geblieben war er ihr allerdings eine Erklärung dafür, weswegen alles wie eine Schule aussah und warum die Schüler nicht wissen durften, dass sie mit Engeln und Dämonen zusammenlebten.

Einige der Ringe, die an Septimas Kleidung angebracht waren, erzeugten einen hellen Klang, als sie zusammenstießen. Die beiden Lehrer hoben die Blicke, sie zogen die Brauen zusammen. Diese Reaktion von niederen Dämonen war sie gewohnt. Nichtsdestotrotz hielt sie bei ihnen inne. »Darf ich euch eine Frage stellen?«

Begeistert wirkten sie nicht, als sie sich gegenseitig Blicke zuwarfen, aber sie nickten. Manchmal glaubte Septima, sie wussten, wer sie war und dass sie Astaroth diente, und sie fürchteten sich davor, diesen wütend zu machen. Aber dem widmete sie nicht sonderlich viele Gedanken.

»Warum möchtet ihr zusehen, wie Adam sich opfert? Was ist euch so wichtig daran?«

Einer der beiden versuchte ein Lachen zu unterdrücken, der andere antwortete, wenngleich in einem leicht mitleidigen Ton: »Es ist uns nicht wichtig. Wir wollen nur gern dabei sein, wenn es endlich mal jemand schafft, uns alle hier rauszuholen.«

Das ergab für sie immer noch keinen Sinn. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie nicht glaubte, dass es Adam gelang. »Was, wenn er es nicht schafft?«

Der andere, der zuvor hatte lachen wollen, machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn Adam versagt, können wir alle ins Meer außerhalb von Babel springen. Wenigstens sterben wir dann in der Nähe unserer Heimat.«

Die Göttliche Katastrophe war eine Sintflut gewesen, genau jene Strafe, die Gott auch zu Noahs Zeiten über die Menschheit verhängt hatte. Nach vierzig Tagen und vierzig Nächten voller Regen, war damals die Welt überschwemmt worden – aber diesmal war die Hölle geflutet worden. Deswegen hatten sich die überlebenden Dämonen hier in Pandora, dem Fuß von Babel, versammelt. Die Himmelstore dagegen waren fest verschlossen worden, deswegen lebten auch Engel an diesem Ort. Die einstigen Erzfeinde waren hier verbündet, um dem endgültigen Tod zu entgehen. Welch Ironie.

»Ich verstehe.« Sie neigte den Oberkörper, um sich zu bedanken. Ohne jedes weitere Wort wandte sie sich dann von den beiden ab und ging davon.

Die Ringe an ihrer Kleidung klimperten dabei leise. Bislang war aber noch von niemandem eine Beschwerde darüber gekommen, deswegen änderte sie auch nichts daran. Aber als eine der wenigen Bewohner von Pandora trug sie weder eine Schuluniform, noch angemessene Kleidung für eine Lehrerin. Aber da sie weder eine solche, noch eine Schülerin war, störte sie sich nicht daran, dass ihr weiter Rock, an dem die Ringe befestigt waren, und ihr bauchfrei geschnittenes Oberteil aus einem bläulich-transparentem Tuch bestanden. Ihre Brust und ihr Unterleib waren, inklusive der Oberschenkel, von einem dunkelblauen Stoff bedeckt. Auch ihr silberner Halsschmuck klapperte manchmal, wenn sie den Oberkörper zu ruckartig bewegte. Auf all das bestand ihr Meister aber, deswegen wagte sie nicht, und wünschte auch nicht, sich andere Kleidung anzueignen.

Eigentlich war Septima auf dem Weg, sich eine neue Ruhestätte zu suchen, bis ihr Meister sie wieder benötigte, aber da hörte sie hinter sich, wie jemand ihren Namen rief. Sie hielt sofort inne und drehte sich um. Ein älterer Mann mit ersten Falten im Gesicht und langem grauem Haar stand vor ihr. Seine blauen Augen fixierten sie heftig. »Du gehst in die falsche Richtung.«

Als er so weitersprach, erkannte sie seine Stimme als die von Agares, einem Dämon, der ebenfalls ihrem Meister gegenüber treu war. Seine Aussage ließ sie den Kopf neigen. Er verstand ihre unausgesprochene Frage: »Bist du etwa nicht auf dem Weg zu Lilith?«

»Ich habe nichts mit der Hexe zu tun.« Es war keine Beleidigung, Lilith selbst war stolz auf den Beinamen Hexe der Nacht. »Weswegen sollte ich zu ihr?«

»Dann hast du es noch nicht gehört.« Agares wirkte eigenartig zufrieden darüber. »Lilith war mit Raziel in Babel.«

»Warum sollte mich das interessieren?«

Es ging oft jemand nach Babel, auch andere Dämonen oder Engel außer den beiden. Das einzige, was daran verwundern könnte, wäre die Tatsache, dass Raziel nicht eingeschlafen war.

»Lilith hatte den Menschen bei sich, den sie neulich gerettet hat.«

Auch das war keinerlei interessante Neuigkeit. Viele waren ausgezogen, um in sterbenden Welten nach Menschen zu suchen, in denen das Potential ruhte, Babel überwinden zu können. Für sie gab es also keinerlei Grund, anzunehmen, dass gerade Liliths Mensch erfolgreicher sein sollte als andere.

»Es ist dem Menschen gelungen, Gethel zu töten – und sie haben noch einen Menschen mitgebracht.«

Das war etwas, das sie endlich wirklich interessierte. Mit großen Augen sah sie Agares an. »Er hat Gethel getötet? Wirklich?«

Das erste Stratum von Babel war vor einiger Zeit von dem Engel Gethel besetzt worden. Sie war wahnsinnig geworden, wie so viele andere ihrer Art, hatte Pilger und andere wieder und wieder getötet, noch bevor deren Reise wirklich begonnen hatte. Da sie aufgrund ihrer einzigartigen Augen alles sehen und die Wahrheit erkennen konnte, war es nie jemandem gelungen, sie zu töten – außer diesem Menschen nun.

Agares nickte. »Es geht bereits durch ganz Pandora. Der Mensch hat gewonnen, Peccati ist nun sein Schwert und das Menschenmädchen hat Gethels Augen übernommen.«

Dann war Liliths Interesse zumindest zum jetzigen Zeitpunkt wohl berechtigt gewesen.

»Setzen Sie die Pilgerreise gemeinsam fort?«

»Davon gehen wir alle aus. Mit Gethels Augen werden sie Babel möglicherweise erklimmen.«

Jedenfalls wäre es für sie alle wesentlich einfacher als ohne die Augen. Wusste ihr Meister bereits davon? Garantiert, wenn es durch Pandora ging. Aber was dachte er darüber?

Abseits von ihm stellte sie sich aber auch eine andere Frage: War es überhaupt eine gute Idee, ein verschlossenes Tor zu öffnen, hinter dem ein offenbar wütender Gott und möglicherweise zahlreiche verzweifelte Engel saßen? Käme die bislang aufgehaltene Apokalypse damit nicht doch nur zur Vollendung?

»Du wirkst nachdenklich, Septima.«

Agares holte sie wieder aus den Untiefen ihrer Gedanken, deren Ursprung ihr vollkommen unbekannt war. Sie sollte sich um nichts anderes kümmern können als um ihren Meister. Deswegen konzentrierte sie sich wieder auf einen seiner Getreuen: Agares. »Verzeih. Ich stellte mir nur gerade eine Frage. Aber ich werde nun Meister Astaroth aufsuchen, um zu erfahren, was er tun möchte.«

Sie neigte leicht den Oberkörper, dann fuhr sie herum. Doch noch bevor sie einen Schritt machen konnte, hielt Agares sie noch einmal auf: »Was war das für eine Frage, über die du nachdachtest?«

Statt sich wieder zu ihm zu drehen, blickte sie einfach nur über ihre Schulter. »Ich fragte mich nur, ob Gott erfreut darüber sein wird, jemanden das Tor öffnen zu sehen, nachdem er versucht hat, uns alle zu töten.«
 



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