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Der Preis der Magie

Die Wächterin
von

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Der Geschmack von Freiheit


 

 

“Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten”

 
 

* * *
 

Seitdem wir den Zirkel der Magi verlassen hatten und uns der Fährmann zum Festland übergesetzt hatte, schien Duncan uns zu ignorieren oder zumindest sehr still zu sein, doch das Erste was er sprach war Folgendes. »Wir werden durch das Hinterland nach Süden reisen, zu den Ruinen von Ostagar, am Rande der Korcari-Wildnis. Das Reich von Tevinter errichtete Ostagar vor langer Zeit um die Wilden daran zu hindern, in die nördlichen Ebenen einzufallen. Es passt, dass wir uns ihnen hier entgegen stellen, auch wenn uns in diesem Wald ein anderer Feind als die Wilden erwartet«, erklärte Duncan ruhig und warf uns einen strengen Blick zu.
 

Ich nickte geistesabwesend und versuchte, nicht allzu sehr an das zu denken, was uns dort erwarteten würde. Natürlich hoffte etwas in mir, dass wir Rekruten nicht direkt mit in den Kampf geschickt wurden, doch andererseits brauchten sie jeden Mann und jede Frau.
 

Genau genommen hatte ich kaum eine Chance, denn die Alternative war, dass ich Greagoirs Grausamkeit ausgesetzt war. Er konnte mittlerweile ganz schön unangenehme Strafen erfinden und ich wollte mich nicht als Opfer dafür darbieten. Vermutlich hätte es mich wirklich an den Galgen gebracht. 
 

Duncan nickte und machte auf dem Absatz kehrt. »Weiter im Süden, unmittelbar vor Ostagar erwarten uns Pferde im Zwischenlager. Ich habe bereits Nachricht gegeben, dass wir kommen.« Ich konnte ein leidiges Seufzen nicht unterdrücken, denn Reiten war etwas, das mir nie besonders gefallen hatte. Ich wusste zwar, wie man Pferde führen konnte, doch ich war mir ziemlich sicher, dass diese Tiere ganz genau wussten, dass ich sie nicht gut leiden konnte. 
 

»Ist alles in Ordnung, Emiya?« Ser Cullen hatte unwahrscheinlich gute Ohren und überraschte mich dann doch, mit der Aufmerksamkeit, die er an den Tag legte. 
 

»Ja, es ist nur, dass Reiten nie zu meiner Lieblingsbeschäftigung gezählt hatte«, erklärte ich ehrlich und verzog das Gesicht erschöpft. Ich wollte jetzt nicht ausholen darüber, wie Mutter sich immer geärgert hatte, dass ich ihre Liebe für diese ›majestätischen Tiere‹ nicht erwidert hatte, aber in all den Jahren hatte sich meine Meinung nicht geändert. 
 

»Es ist auch für mich eher ein Mittel zu Zweck«, gab Ser Cullen zu und lächelte mir aufmunternd zu. »Aber wenn Ihr reiten könnt, dann werdet Ihr es nicht verlernt haben.« Kleine Fältchen bildeten sich um seine Augen und ich musste meinen Blick abwenden, damit ich ihn nicht zu lang anstarrte, aber er war für einen Templer ungewöhnlich zuvorkommend. Ich hatte geglaubt, dass er womöglich ernst und starr bleiben würde, um seinen Aufgaben nachkommen zu können, doch er unterhielt sich nicht herabschauend mit mir und starrte mich auch nicht unentwegt an, als würde ich jeden Moment ein Messer zücken und mir die Handgelenke aufschneiden. 
 

Nach einer Weile stießen wir auf einen reisenden Händler, der seine Waren feil bot und Duncan warf einen Blick auf diese. Ser Cullen und ich standen etwas abseits und beobachteten das Treiben, unterhielten uns während dessen darüber, dass keiner von uns seit einer Ewigkeit mehr außerhalb der Zirkelmauern gewesen war und wie angenehm es war, die Sonne auf der Haut zu spüren.
 

Ich hatte ihn in dem Jahr, in dem ich ihn im Zirkel wahrgenommen hatte, eher als einen schüchternen jungen Mann empfunden und lernte gerade diese neue, gesprächige Seite an ihm kennen. Er sprach deutlich mehr als sonst, vermutlich fühlte er sich weniger beobachtet von den anderen Templern, schließlich wurde mit Sorgfalt darauf geachtet, dass sich kein Templer zu häufig und zu gut mit einem Magier verstand.
 

Seine Schüchternheit hatte ihn immer vor gewissen Gerüchten bewahrt, doch Gerüchte entstanden ohnehin im Schlaf und sie gingen herum wie ein Leuchtfeuer. 
 

Einmal ging das Gerücht herum, dass Jowan und ich ein Paar sein sollten, da wurde er für eine ganze Woche von den anderen Schülern damit aufgezogen, bis ich ihn laut brüllend verteidigt hatte. Dieses Fiasko hatte mir drei Tage im Kerker eingebracht, allerdings nur, weil ich damit eine Prügelei zwischen einigen Schülern angezettelt hatte. Darum verhielt ich mich seitdem auch ruhig. Ärger war das letzte, das ich gebrauchen konnte. 
 

Wir unterhielten uns auch über die Natur um uns herum. Die Blumen, der blaue Himmel über uns, die frische Luft. Das war alles neu für uns beide, wie es schien. Ser Cullens Augen waren weit aufgerissen, während er von dem Duft schwärmte und als ihm auffiel, dass ich ihn lächelnd musterte, wurde er sogar rot vor Scham.
 

»Ich finde es wunderschön und schade zugleich«, sagte ich schnell darauf und versuchte, das Gespräch aufrecht zu erhalten. Sollte er doch ebenso etwas von mir wissen.
 

»Die Menschen außerhalb des Zirkels… ich kann mir kaum vorstellen, dass sie diese Schönheit zu würdigen wissen. Sie sehen jeden Tag dasselbe, diese Aussicht, spüren den frischen Wind und riechen den Duft der Blumen.« Ich seufzte leise. »Ich wünschte, ich könnte mit meinen Freunden auf dieser Wiese sitzen und in den Himmel starren, nur für eine Weile.« Bei der Vorstellung musste ich grinsen, denn es machte mich unwahrscheinlich glücklich.
 

»Emiya, zeigt mir Euer Schuhwerk!«, hörte ich Duncan von weitem rufen und ich sah grübelnd hinab auf meine Schuhe. Ich hob meine Magier Robe ein Stück an und zuckte die Schultern. »Bitte schön«, sagte ich und er runzelte die Stirn. Eigentlich waren meine Stiefel doch ausreichend und warm, so dachte ich jedenfalls. 
 

Ich sah, wie er mit dem Händler sprach und ihm dann Silberlinge übergab und ich bekam prompt ein schlechtes Gewissen. Hatte er etwa für mich Gold ausgegeben? Er kam zielstrebig auf mich zu mit etwas, dass ich als Schuhwerk identifizieren konnte, aber es sah fürchterlich alt und hässlich aus. »Zieh die an, du wirst damit besser laufen als mit dem dünnen Dingern, die du zu tragen gedenkst.« Er lächelte schmal. »Dir werden die Füße vom Laufen schmerzen und da willst du es wohl so gemütlich wie möglich haben, Emiya.«
 

Ich schluckte, während er mir in die neuen Stiefel half und bedachte ihn mit einem gespielten Grinsen, obwohl ich meine Gedanken für mich behielt. Noch nie hatte ich fremde Schuhe getragen, doch ich war zu unsicher ihm zu sagen, dass ich sie nicht wollte, weil mir die Vorstellung von fremden, möglicherweise muffigen Schuhen nicht behagte. Dies war nicht der Ort, sich über solche Probleme, die eigentlich keine waren, den Kopf zu zerbrechen, geschweige denn die Freundlichkeit unseres Anführers in Frage zu stellen.
 

Ser Cullen schenkte mir ein ermunterndes Lächeln und versicherte mir, dass sie gar nicht so schlecht aussahen. Mir kam jedoch die Frage in den Sinn, wieso Cullen in seinen klobigen Templerschuhen laufen durfte, die sahen auch nicht unbedingt bequem aus. Ehe ich mich irgendwie darüber beschweren konnte, hatte mir Duncan auch schon weiteren Stoff zugeworfen. “Der Mantel ist vielleicht etwas groß, aber er wird dich vor dem eiskalten Wind schützen, der im Süden herrscht.”
 

Ich seufzte. Es konnte immer schlimmer kommen.

 
 

* * *
 

»Was glaubt Ihr, erwartet uns in Ostagar?«, hörte ich Cullen nach einer Weile sprechen und ich sah ihn fragend an. Tatsächlich hatte ich keinerlei Vorstellungen von Ostagar, immerhin war ich dort nie gewesen, hatte allerhöchstens hier und da darüber gelesen, aber mir kamen keine Bilder in den Sinn, während ich daran dachte. Vielleicht gab es eine Festung oder dergleichen, aber dann erinnerte ich mich an eines der Bücher über die Geschichte Fereldens:
 

Ostagar war vor langer Zeit ein Stützpunkt der Grauen Wächter gewesen und vermutlich mittlerweile eine Ruine. Immerhin waren die Wächter erst seit König Maric wieder in Ferelden willkommen und mit der Zeit konnten selbst tevinteraner Bauwerke verfallen, wenn sich niemand um sie kümmerte. Soweit ich wusste, war der Sitz der Wächter Fereldens mittlerweile in Denerim und dass sie sich in Ostagar versammelten, war ein notwendiges Übel, dass der Verderbnis zugeschrieben wurde.
 

»Wenn man Duncan Glauben schenken mag, dann wartet dort eine Horde der dunklen Brut auf uns. Vielleicht ein Krieg, eine Armee. Ich weiß nicht genau«, beantwortete ich seine Frage knapp und ließ meinen Blick schweifen.
 

Wenn die dunkle Brut wirklich alles verdarb, wie es in den Büchern geschrieben stand, dann waren diese grünen Wiesen, die den Weg umsäumten vielleicht bald schon Vergangenheit. Ich war zwar kein großer Pflanzenfreund, aber es veränderte etwas in mir. All die Farben und Gerüche, die Sonne auf meiner Haut. Sie ließ mein Herz schneller pochen und sogar Glücksgefühle in mir aufkommen.
 

Dabei waren wir damals sehr oft auf der Wiese vor dem Turm gewesen, bis es uns verboten wurde. Als Kinder hatten wir diesen Ausflug des Öfteren gemacht, bis jemand – Anders, um genau zu sein - einen Fluchtversuch gestartet hatte. Natürlich konnten die Templer in ihren schweren Rüstungen nicht hinterher schwimmen, also blieb nur die eine Möglichkeit, ihn mit seinem Phylakterion zu suchen, was zusätzliche Männer und Zeit benötigte.
 

»Das ist Eure erste Schlacht, hm?«, fragte ich Ser Cullen nach einer Weile und er nickte. Seine Wangen färbten sich leicht rot und er wandte sich ab. Offenbar fühlte er sich deshalb schlecht, was ich ganz und gar komisch fand, da viele Menschen nie eine Schlacht geschlagen hatten und deshalb trotzdem keinen Nachteil davon trugen. Ich war eher der Überzeugung, dass ein solcher Kampf jemanden veränderte und ihm oder ihr eine besondere Erfahrung auf den Weg mitgab. Ob das Positiv oder Negativ zu verstehen war, kam auf die jeweilige Situation an. 
 

»In der Kirche, da lernt man die Geschichte kennen. Von Andraste, dem Erbauer. Die Geschichte der Welt. Disziplin und auch das Kämpfen. Aber ich stand kaum einem würdigen Gegner gegenüber, der mir das Blut in den Adern hat gefrieren lassen. Besonders keine Monster wie wir sie sehen werden.« Er räusperte sich und ich dachte über seine Worte nach, denn vieles davon hätte aus meinem Mund kommen können.
 

Für mich würde das der erste Kampf überhaupt werden. Würde ich nützlich sein? Immerhin hatte ich meine Magie kein einziges Mal gegen jemanden richten wollen. Ich würde Monster töten und auch wenn sie böse waren… die Dunkle Brut war, bevor sie verderbt wurde, mal so wie wir gewesen.
 

Ein Mensch, ein Zwerg, ein Elf. Jeder von ihnen hatte womöglich ein Leben wie meines gehabt, im Zirkel oder eine Familie, die sie liebte und vermisst oder betrauert hatte. Natürlich waren sie stark verändert und boshaft, aber ich würde ein Leben auslöschen. Es würde im Kampf mit mir Luft atmen und danach nicht mehr.
 

Ich dachte an den leblosen Körper eines dieser Wesen und stellte mir vor, wie ich dafür verantwortlich war. Ich war bereits am Tod eines Menschen Schuld und dieser hatte mich beinahe um den Verstand gebracht. Was würden die anderen aus mir machen? Fühlte ich mich weniger als das Monster, das ich war, wenn ich der Dunklen Brut gegenüber stand?
 

Der andere Aspekt vom Kämpfen war die Magie. Wind, Feuer, Wasser... ich beherrschte meine Magie, das Mana und war nicht gerade faul gewesen. Aber ob ich damit bewirken konnte, ein anderes – und sei es nur ein monströses – Leben auszulöschen... Die Zweifel blieben.

 
 

* * *
 

Die erste Nacht in den Zelten, die Duncan mitgebracht hatte, war furchtbar. Zwar war es unglaublich freundlich von ihm, uns zuerst schlafen zu lassen – er schob Wache -, doch der Lärm der Insekten und die Kälte hielten mich vom Schlafen ab. Ich wünschte mich in mein gemütliches Stockbett zurück, indem das wunderbare weiche Kissen lag, das man mir für meine Mühen geschenkt hatte.
 

Vermutlich hatte Solona es an sich genommen, damit es niemand fortschaffte, denn sie wusste, wie sehr ich es liebte. 
 

Platz für mein Kissen hatte ich unglücklicherweise nicht mehr gehabt. Einzig die dünne Decke, die sich im Schlafbeutel von Duncan befand, sollte mich vor der Kälte schützen. Nun war mir auch bewusst, was Duncan mit dem Mantel bezwecken wollte. Unwillig legte ich das schmutzige Teil über mich und versuchte, meine Augen zu schließen. Tausend Gedanken rasten in meinem Kopf umher, bevor ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich Schlaf fand.



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