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Der Preis der Magie

Die Wächterin
von

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Duncans Trumpf


 

 

»Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen«

* * *
 

Duncan hatte sich wirklich nicht verschätzt, als er gesagt hatte, dass wir in ungefähr einer Woche Ostagar erreichen würden. Wir waren noch etwas länger als einen Tagesritt entfernt und obwohl das Reiten nicht unbedingt angenehmer war als das Laufen, kamen wir gut voran.
 

Ich hatte dennoch eine Heidenangst vor dem Gaul, auf dem ich die meiste Zeit des Tages thronte. Es hatte eine halbe Ewigkeit gebraucht, bis Cullen mir aufs Pferd helfen durfte, da ich wahnsinnig Angst und Respekt vor der Stute hatte. Sie war sehr viel größer und stärker als ich und jedes Mal, wenn ich versuchte, auf ihren Rücken zu klettern, bewegte sie sich, als wollte sie mich nicht reiten lassen.
 

Jetzt, da ich saß, tat mir der Hintern weh und ich dachte wehmütig an die Fußschmerzen zurück, die ich beim Laufen hatte. Alles war besser, als auf diesem Tier zu sitzen. Aber Duncan wollte Zeit einholen.

 
 

* * *
 

Erst nach einer gefühlten Ewigkeit machten wir eine Pause, weil Duncan sich in einem Laden, umschauen wollte. Cullen und ich folgten ihm in das Haus und sahen uns im hinteren Teil des Ladens um. Mir war es ein Rätsel, wie er einerseits so gehetzt wirken konnte und dann in Geschäften dermaßen die Zeit verbummeln konnte. Cullen riet drauflos, dass es möglicherweise mit den Abständen zu tun hatte, in denen wir eine Pause machen sollten. Vielleicht war das aber auch seine liebste Freizeitbeschäftigung. Wir waren unschlüssig.
 

Ich blieb bei einer Wand mit Handpuppen stehen, Kinderspielsachen offenbar. Das Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen, denn es versetzte mich abrupt in die Zeit zurück, in der ich mit meiner Mutter viel gespielt hatte. Ich hatte einen Prinzen und eine Prinzessinnenpuppe und wir hatten lauter verrückte Geschichten nach gespielt. Mein Bruder Jeffrey hatte immer den bösen Wolf gespielt, obwohl er viele Jahre älter war als ich. Mir war klar, dass er seiner kleinen Schwester keinen Wunsch ausschlagen konnte, wenn sie mit ihren Wimpern klimperte. Obwohl ich so jung war, war das eine der wenigen Gelegenheiten, die ich nie verpasste.
 

Cullen sah interessiert zu mir herüber und da ich mich nicht allein schämen wollte, erzählte ich ihm, was es mit den Puppen auf sich hatte. »Meine Mutter hat immer mit mir gespielt, weil sie es draußen für zu gefährlich hielt«, erklärte ich. »Sie wollte nicht, dass beim Spielen mit anderen meine Magie entdeckt wurde. Das hier...« ich stockte und streichelte eine der Puppen zärtlich. »Das ist die einzig schöne Erinnerung daran«, gab ich zu und konnte kaum verhindern, dass ich sentimental wurde. Meine Stimme wollte mir nicht gehorchen und ich musste mich räuspern, um Cullen auf seinen Vorschlag zu antworten.

»Vielleicht solltet Ihr eine mitnehmen, als Erinnerung«, murmelte er und ich lächelte breit.

»Das wäre fantastisch.« Doch mir fiel ein, dass ich keinen einzigen Kupfer bei mir trug.
 

Der Templer legte mir unvermittelt eine Hand auf die Schulter, wohl um mich umzustimmen, gerade, als ich ihn ansehen und ihm sagen wollte, dass alles in Ordnung war, hörten wir Glas klirren – aus dem vorderen Teil des Ladens. Ich schnappte nach Luft, als ich sah, wie sich drei Männer vor Duncan aufgebaut hatten.
 

Duncan war nur wenige Zentimeter kleiner als sie, doch er stand aufrecht und gefechtsbereit. Sie wirkte auf mich wie Banditen, der eine hässlicher als er andere. Keiner von ihnen bemühe sich um Körperpflege wie es schien. Zwei von ihnen hatten breite Narben im Gesicht, wohl vom Kampf mit anderen, die ihnen überlegener waren.
 

Natürlich war ihr Aussehen nicht allein das ausschlaggebende für meine Furcht, denn sie hatten ihre Waffen bereits gegen Duncan gerichtet, der sie mit seiner tiefen Stimme darum bat, Abstand zu halten, ansonsten würden sie seinen Zorn zu spüren bekommen. Es schien auch gar nicht, als wären sie sich überhaupt darüber im Klaren, dass Duncan nicht allein war. »Es tut mir Leid, aber davon können wir uns auch nichts Schönes kaufen«, sagte einer von ihnen und grinste dreckig. Langsam wich Duncan ein paar Schritte zurück und wurde direkt wieder von ihnen bedrängt.
 

Neben mir spürte ich, wie Cullen seinen Zweihänder leise aus der Scheide zog und auch ich fasste nach meinem Stab, um unserem Gruppenführer zur Hilfe zu eilen. Das Folgende verlief viel zu schnell, um jede Einzelheit zu erfassen. Cullen und ich kommunizierten kurz via Blicken und eilten Duncan zur Hilfe, der bereits von dem ersten Schurken angegriffen wurde. Sie waren wirklich überhaupt nicht auf uns gefasst und sie waren nur halb so stark, wie sie dachten, denn sie lagen schneller am Boden, als ihnen lieb war. Duncan keuchte nicht einmal, sondern sah abfällig auf sie herab. Mein Puls hingegen raste und ich musste tief Luft holen, ebenso wie Cullen erst mal tief ein- und ausatmete.
 

Der größere, nicht vernarbte der Drei bettelte gerade um sein Leben, mit ziemlich absurden Argumenten, wie ich fand und gebannt wartete ich, was Duncan sagen würde. Die anderen lagen noch bewusstlos neben ihm und atmeten kaum merklich. Doch überraschenderweise kam nichts von Duncan. Der Schurke bettelte weiter und nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit stieß Duncan ihm wortlos seine Klinge in den Hals. Blut spritzte und ein Schrei erhellte den Raum, ich war mir nicht sicher ob er von mir stammte oder vom Opfer, doch mein Kopf war erfüllt von Angst.
 

Erschrocken hielten Cullen und ich den Atem an, sahen uns sprachlos an. Keiner von beiden konnte das eben geschehene recht verstehen und Übelkeit stieg in mir hoch, als ich sah, dass das Blut auf meine Robe gespritzt war und der Geruch mich langsam aber sicher erreichte.
 

Ich schüttelte mich, weil mir eine Gänsehaut über den Rücken rollte. Ich wollte Schreien, so wie das Opfer – oder ich. Irgendwas in mir sagte: Das geht so nicht!
 

Aber mein Mund blieb stumm, verzerrt. Als meine Augen zum Spiegel hinübersahen, war mein Gesicht zu einer Fratze verzogen. Erst als Cullen mich sanft anschob, schienen meine Beine ihre Aufgabe wieder aufgenommen zu haben. Ich spürte, wie er mir etwas in meine Manteltaschen schob und mich sanft an der Hand hinaus manövrierte.

 
 

* * *
 

Am Abend hatte noch immer niemand ein Wort gesprochen. Duncan war mir so rücksichtslos vorgekommen, wie er den Angreifer einfach herzlos getötet hatte. Natürlich wusste ich, dass sie es definitiv auf einen Kampf angelegt hatten, doch einen von ihnen zu töten war mir ungerecht vorgekommen.
 

Als würde man über das Leben selbst richten und das zerstörte mein Bild von dem rechtschaffenen Duncan, der mir beim ersten Eindruck unter gekommen war. Ich hatte derweil versucht, das Blut von meiner Robe zu reiben mit einem Tuch und frischem Wasser, doch offensichtlich war es zu spät. Ein paar rotbraune Flecken blieben dennoch über und weit und breit hatte ich nichts, womit ich es auswaschen konnte.

 
 

* * *
 

Bei meiner Wache saß ich mit den Armen, um die angewinkelten Beine umschlossen, am Lagerfeuer und starrte in die Flamme. Im Hintergrund konnte ich die Pferde wiehern und die Insekten rufen hören, doch ich drehte mich nicht herum. Mir fehlte die Kraft zwischen all dem Gereite, Gelaufe und allen anderen Abenteuern und mir tat jede Partie meines Körpers ausnahmslos weh.
 

Irgendwie kam mir auf diese Weise sogar die Zelle im Zirkel gemütliche vor, wo Stroh als Bett dienlich war. Außerdem war Duncan ein Monster, das unter uns lauerte. Das hatte ich heute erfahren und verstehen konnte ich das noch immer nicht. Es war, als hätte er zwei Seiten und zeigte uns nun nur noch die Eine. Vielleicht wollte er uns abschrecken, vielleicht war er gestresst. Aber das entschuldigte nicht den unnötigen Tod.
 

Fast sechs Tage waren ins Land gezogen seit unserem Aufbruch und meine Sorgen zu Beginn kamen mir beinahe lächerlich vor. Heimweh? Töricht! Ich rückte diese Gedanken in weite Ferne. Überleben hieß die Devise.
 

Im Kampf gegen die Kälte, die Müdigkeit, die Schmerzen.
 

Und dann war da noch Duncan, dem ich seit heute nicht mehr vertrauen konnte und vor dem ich mich insgeheim fürchtete. Zwar hatte ich ihn anfangs für einen netten Kerl gehalten, doch jetzt war er mir unheimlich. Er war fähig und erbarmungslos. Ein Mann, mit dem man sich definitiv Lieb Kind machen sollte. Der einzige Trost war, dass nicht nur ich so empfunden haben musste. Cullen war ebenso schockiert über die Ereignisse des Tages wie ich, auch wenn er es ungern zugeben wollte.
 

Ein Wimmern holte mich aus meinen Gedanken und ich horchte mich um. Irgendwo, nicht weit entfernt, konnte ich ein Wimmern hören. Offenbar nicht nur ich, denn die Pferde waren ebenfalls aufgeregt. Zu meiner Schande war ich zu ängstlich, dem nachzugehen, also setzte ich mich auf, ging zu Cullens Zelt und weckte den Templer für seine Schicht.

 
 

* * *
 

Stunden später, als es bereits dämmerte, öffnete ich die Augen und lugte aus dem Zelt hervor. Cullen saß noch am Feuer und bewegte seinen Arm stetig auf und ab. Obwohl sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnen mussten, stolperte ich aus dem Zelt und hörte das Bellen, das gegen mich gerichtet war.
 

Cullen fuhr herum und gab den Blick auf einen Hund frei, der ihm auf dem Schoß lag. Viel zu groß, lugte der Kopf an ihm vorbei zu mir, mit der typischen eingedrückten Schnauze eines Mabaris. Erleichtert seufzte ich. Das war es also gewesen!
 

Erst, als ich am Lagerfeuer saß, begann Cullen darüber zu sprechen, dass er ihn kurz nach meiner Wacht verletzt im Wald gefunden hatte. Er hatte ihn verbunden und gestreichelt bis jetzt. Die Pferde hatten seine Not wohl gespürt und wollten auf ihn aufmerksam machen. Ich nickte aufmerksam und streichelte das kurze Fell des dunkelbraunen Mabaris. Er jaulte kurz und schmiegte sich dann an meine Hand.
 

Er sah mich aus treuen, dunklen Augen an und wartete, dass ich mich anstrengte und weiter streichelte. Offenbar war er ein rauer Kerl, also ließ ich mich nicht rügen und massierte ihm ordentlich das Fell. Cullen lachte leise. »So einer ist das also«, murmelte er und lehnte sich zurück. »Auf die Dauer wird er ganz schön schwer.« Das konnte ich ihm gar nicht verübeln. Vermutlich konnte der kleine Kerl einen Gegner entzwei reißen. Gedankenverloren massierte ich sein Ohr und sah in der Ferne die aufgehende Sonne an.
 

»Danke für die Puppen«, murmelte ich an Cullen gewandt, denn erst in der Nacht hatte ich bemerkt, dass er mir sie wohl in den Mantel gesteckt haben musste. Er war der einzige, dem ich davon erzählt hatte und so war für mich die Situation mehr als klar. Mein Herz klopfte stärker in der Brust, als er mir ein wirklich reizendes Lächeln schenkte. Seine Wangen röteten sich und irgendwas tief in mir regte sich; ein sanftes Strömen, das sich in mir ausbreitete, warm und angenehm.



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