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Ahnungslose Augenblicke

von

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Furcht

Voller Wut schlug er gegen den Sandsack. Es war alles schief gegangen, was hätte schief gehen können. Dabei war alles doch nur ein Unfall. Er wollte nur mit den Mädchen reden und dann war alles aus dem Ruder gelaufen. Und Ambers Art und Weise machte es nicht leichter. Natürlich war er auch Schuld an der Situation, immerhin ließ er sich auf den Chat mit ihr ein und hatte noch anderes mit ihr vor. Hätte er von Anfang an gewusst wer am anderen Ende des Computers saß, hätte er die Finger davon gelassen.

Danach hatte er nur noch gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Er ließ sich nicht mehr im Chat blicken und verwischte all seine Spuren. Aber auch nach über einem Jahr konnte er nicht mit seiner Tat abschließen. Anwälte waren immer auf der Hut und suchten sowohl nach Beweisen als auch nach dem fremden Mann, der von Connor gesehen wurde. Und dann war da noch Jodie. Sie hatte noch nie so richtig an Connors Schuld geglaubt. Eigentlich wollte er auch nur wissen, was Jodie ahnt oder nicht ahnt. Aber das Schicksal spielte ihm mal wieder einen Streich. Hätte er doch nur aus seinem Fehler von damals gelernt und sich rechtzeitig Plan B ausgedacht. Jetzt musste es schnell gehen.

Er sah auf den Sandsack und schüttelte den Kopf. Es war Zeit. Sein Besucher hatte sich bereits entschieden. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Mit schnellen Schritten ging er nach unten in den Keller. Sobald er an der richtigen Kellertür stand, drückte er sein Ohr gegen diese. Es war still, was hieß, dass der Junge entweder noch bewusstlos war oder dass er auf seine Erlösung wartete. Dieses Mal hatte er sich einen Plan B zur Sicherheit zurecht gelegt, hoffte aber, diesen nicht einsetzen zu müssen. Er steckte den Schlüssel in das Schloss, drehte diesen und öffnete die Tür. Da der Raum dunkel war, betätigte er den Lichtschalter.

Connor saß an der Wand. Seine linke Hand war mittels Kabelbinder an einem Heizungsrohr festgekettet. Sofort blickte er an die Tür. „Was…was wollen Sie von mir?“, wollte Connor von ihm wissen.

Er lächelte. „Wie fühlt man sich, wenn man selbst in den Keller gesperrt wird und keiner einem zur Hilfe kommt?“

Connor schluckte. „Ich…das…das war damals ein Missverständnis. Ich schwöre…bitte…“

Der Mann kam näher und kniete sich zu ihm. „Ein Missverständnis? Glaubst du das wirklich?“

„Ich bin es nicht gewesen. Ich habe Amber nicht umgebracht…ich war es nicht…es war der Mann, der das Haus beobachtet hat…ich wollte doch nur…“ Connor brach den Satz ab. „Sie…Sie waren das…Sie haben Amber umgebracht? Aber wieso? Ich…verstehe das nicht…“

„Ambers Tod war ein bedauerlicher Unfall“, gestand er. „Anfangs wollte ich mich stellen, aber der Zufall war mir hold und alle Beweise sprachen gegen dich.“

„Aber Sie sind…Sie…“ Connor schluckte. „Ich…ich werde keinem etwas Sagen. Ich verspreche es…Bitte lassen Sie mich gehen…ich sitze die Strafe…ab und dann…kann ich wieder nach Hause…“ Connor hätte alles gesagt um zu überleben.

„Mhm?“, er überlegte gespielt. „Du wirst wirklich keinem etwas Sagen?“

Connor nickte. „Ich verspreche es. Keiner wird von mir etwas Erfahren…wenn Sie mich zurück bringen…werden sie meine Haft vielleicht verlängern…weil ich heute nicht rechtzeitig zurück kam…aber ich werde nichts verraten…wirklich…“

Er legte den Kopf schief. „Gut, ich mache jetzt deine Hand los und du machst keine schnellen Bewegungen. Haben wir uns verstanden?“

„Ja…ich tue…was Sie sagen.“

„Danke, du bist wirklich ein guter Junge.“ Der Mann zog ein Springmesser aus seiner Hosentasche, ließ die Klinge hervorschnellen und schnitt den Kabelbinder durch.

Connor rieb sich das Handgelenk und beobachtete seinen Entführer. Er kannte genug Fernsehserien und er hatte das Gesicht des Mannes gesehen. Er konnte ihn beschreiben und identifizieren. Damit war er eine Gefahr. Connor wusste, dass er diesen Raum nicht leben verlassen würde, wenn er nicht was unternahm. Als der Entführer beschäftigt war, die letzten Spuren zu beseitigen, schnellte Connor los und sprintete aus dem Raum. Er lief und lief und warf sich am Ende des Ganges gegen eine Tür. Sofort drückte er die Klinke nach unten, aber es passierte nichts. „Nein, nein…“, stieß er aus. „Bitte…“ Connor schluckte. Wie sollte er jetzt entkommen? Connor drehte sich um und dachte nach. Eine andere Abzweigung hatte er auf seinem Weg auch nicht gesehen. Und dann hörte er die Schritte. Sein Entführer war ihm bereits auf den Fersen. Connor rüttelte noch einmal an der Türklinke und drückte sich erneut gegen die Tür. „Geh schon auf“, zischte er leise. Dann betastete er die obere Seite des Türrahmes und wurde fündig. Seine Hand zitterte, als er den Schlüssel in dieser hielt.

„Zu spät, Connor.“
 

Jodie schwebte auf Wolke sieben. Mit Shuichi fühlte sich alles richtig an. Und schön. Das lange Warten hatte sich gelohnt. Jodie war froh, dass sie alles auf sich zukommen ließ und nicht, wie damals von Amber gefordert, einfach mit irgendwem rummachte. Andererseits war der Abend mit Amber, Connor und Chad noch offen und keiner wusste, was passiert wäre.

Als sich ihre Lippen wieder trennten, öffnete Jodie langsam ihre Augen. „Danke“, wisperte sie. Schlagartig schoss die rote Farbe auf ihre Wangen und sie spürte ein aufkommendes Hitzegefühl. Sie hatte sich für den Kuss bedankt. Peinlicher konnte es nicht mehr werden. „Ich…ich…ich…“ Jodie blickte zur Seite und wich nach hinten, wo sie die Tür im Rücken spürte.

Shuichi legte seine Hand an ihre Wange. „Schau mich an, Jodie“, sagte er.

Langsam hob sie den Blick. „Shu…“

Ein weiteres Mal spürte sie seine Lippen auf ihren und er stahl sich den nächsten Kuss. Nachdem der Student diesen löste, schmunzelte er. „Bitte“, hauchte er gegen Jodie Lippen.

Jodie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Das Klingeln ihres Handys übertönte glücklicherweise diese wenigen Sekunden.

„Du solltest jetzt rein“, fing Shuichi an. „Deine Eltern machen sich bestimmt schon Sorgen, weil du nicht angerufen hast.“

Jodie nickte und versuchte das Handy aus ihrer Jackentasche rauszuholen. Ihre Hand zitterte, was sie sich aber nicht anmerken lassen wollte.

„Gut Nacht.“

„Gute Nacht“, wiederholte Jodie leise. Ihr Blick folgte dem Stunden bis dieser an seinem Wagen stand. Da das Klingeln ihres Handys nicht endete, zog sie dieses endlich aus der Jackentasche und drückte den Anruf ihres Vaters weg. Das würde ein Donnerwetter geben, aber es war ihr egal. Unverzüglich holte sie ihren Haustürschlüssel aus der Hosentasche, schloss die Tür auf und kam rein. Gerade als sie dabei war ihre Jacke auszuziehen, kamen ihre Eltern in den Flur. „Jodie? Du wolltest doch anrufen, wenn du nach Hause willst“, entgegnete der Agent.

„Bin zu Hause“, antwortete sie.

Ihre Eltern sahen einander irritiert an. „Ist bei dir alles in Ordnung?“

„Ja…ich geh in mein Zimmer.“ Mit einem Lächeln auf den Lippen ging sie die Treppen nach oben.

Der Agent sah ihr nach und blickte dann zu seiner Frau. „Hast du das gesehen? Irgendwas stimmt doch nicht mit ihr. Wie kam sie nach Hause? Ich sollte sie doch abholen.“ Starling sah nach oben. „Ich geh mal nach ihr sehen.“

„Liebling“, begann Angela. „Du solltest ruhig bleiben. Ich geh nach ihr sehen. Mit mir wird sie eher sprechen als mit dir. Frauensachen und so…“

Starling seufzte. „Na gut.“

Angela ging die Treppe nach oben und klopfte an Jodies Zimmertür. „Jodie? Kann ich rein kommen?“

Jodie saß mittlerweile auf dem Bett und tippte auf ihrem Handy rum. Sie schrieb eine Nachricht nach der anderen und löschte sie wieder. Wollen wir uns morgen treffen?, Danke für den schönen Abend, Bist du gut nach Hause gekommen? Jodie seufzte. Sie wusste nicht, was sie dem Studenten schreiben sollte. Sollte sie ihm überhaupt so schnell schreiben? Das Klopfen an der Zimmertür riss sie aus ihren Gedanken. „Komm rein.“ Jodie legte das Handy weg.

Angela öffnete die Tür und kam rein. Sie setzte sich zu Jodie aufs Bett. „Ist bei dir wirklich alles in Ordnung?“

„Ja, alles…gut.“

„Jodie, dein Vater und ich, wir machen uns Sorgen um dich. Ist wirklich alles bei dir in Ordnung? Du wirkst so…abwesend. Du solltest deinen Vater doch anrufen wenn du nach Hause willst. Wie bist du überhaupt nach Hause gekommen.“

„Er hat mich geküsst“, antwortete Jodie leise, aber überglücklich. Es musste einfach raus.

„Er?

Jodie sah zu ihrer Mutter und lächelte. „Ähm…naja…Shuichi war auch auf dem Universitätsgelände und hat mich nach Hause gefahren.“

„Und dich dann geküsst?“

„Ja.“

„Wolltest du das?“

Jodie nickte. Und wie sie es wollte.

„Und jetzt weißt du nicht, wie du reagieren sollst, ob du ihm schreiben sollst und bist zu aufgeregt um zu schlafen?“

Jodie sah ihre Mutter irritiert an.

Angela kicherte. „Ich war auch mal jung und hab mich genauso gefühlt, wie du jetzt.“

„Und was mach ich jetzt?“

„Du bewahrst die Ruhe. Du magst ihn sehr, nicht wahr?“

Jodies Wangen röteten sich. „Ist das…so offensichtlich?“

„Ein wenig, aber das ist nicht schlimm. Das gehört zum verliebt sein dazu.“

„Und das heißt?“, murmelte das Mädchen.

„Das heißt, du legst das Handy jetzt weg und lässt es einfach auf dich zu kommen.“

„Ich versuchs“, sagte Jodie. „Ich kann ja ein paar Hausaufgaben machen.“

Angela nickte. „Kann ich dich auch wirklich alleine lassen“

„Natürlich, Mom“, sagte Jodie.

Angela stand auf und ging zur Tür. „Aber bleib nicht die ganze Nacht wach.“

Jodie sah ihrer Mutter nach und schmunzelte. Sie und Shuichi. Aber dann ebbte das positive Gefühl ab. Waren sie jetzt zusammen? Hatte ihm der Kuss vielleicht nicht gefallen? Musste sie jetzt etwas Bestimmtes beachten? Die Schülerin sah an sich herab und schluckte. Was wenn er sich schnell mit ihr langweilte? Oder sie gar nicht wusste, was zu tun war. Shuichi hatte sicherlich schon erste Erfahrungen gesammelt und erwartete bestimmt das gleiche von ihr. Konnte sie überhaupt seine Erwartungen erfüllen? Zweifel überkamen sie, als sie sich auf das Bett legte und die Decke anstarrte.

Angela kam die Treppen nach unten und ging in das Wohnzimmer. Ihr Mann stand auf der Terrasse und hielt das Handy am Ohr. „Arbeitstier“, murmelte sie, musste aber auch lächeln. Als Frau eines FBI Agenten wusste sie genau, was sie erwartete. Ihr Mann war immer im Dienst, auch wenn er Feierabend oder Urlaub hatte. Und das war eine Sache die sie an ihm liebte. Er war immer bereit sich und seine freie Zeit für seine Mitmenschen und die Unschuldigen zu opfern. Als der Agent zurück in das Wohnzimmer kam, wirkte er blass.

„Bei Jodie ist alles in Ordnung. Der junge Akai hat sie nach Hause gebracht.“ Sie beobachtete ihren Mann. „Was ist passiert?“, wollte sie leise wissen.

Der Agent schluckte. „Connor…hat heute…anlässlich des 50. Geburtstages seines Vaters…einen Tag Freigang bekommen.“

Angela wirkte verunsichert. „Und…das heißt…?“ Sie wusste natürlich was es hieß.

„Er hätte um 19 Uhr wieder zurück sein müssen, aber…“

„Nein…“, wisperte sie leise. „…sag es nicht…“

„Er kam nicht zurück“, murmelte der Agent.

Angela sah in den Flur. „Glaubst du…er…?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete Starling und ballte die Faust. „Das FBI wurde erst eben informiert. James schickt uns zwei Agenten die sich draußen positionieren werden. Du gehst nachher nach oben und achtest darauf, dass Jodie nicht runter kommt. Ich kümmer mich in der Zwischenzeit hier unten um eure Sicherheit.“
 

Als Angela am nächsten Morgen aufstand, fühlte sie sich wie gerädert. Sie konnte kaum einschlafen und wenn es doch soweit war, schrak sie immer wieder hoch. Zur Sicherheit ging sie mehrmals in der Stunde an das Fenster und spähte raus. Obwohl sie von den Agenten wusste und ihr Mann unten Wache hielt, fühlte sie sich wie auf dem Präsentierteller. Müde kam Angela die Treppen runter und ging ins Wohnzimmer. Die Bettdecke, die sie ihm runterbrachte, lag ordentlich zusammen gelegt auf dem Sofa. Geräusche aus der Küche ließen sie erstarren. Angela verhielt sich ruhig und atmete tief durch, ehe sie die Küche aufsuchte. Zunächst lugte sie vorsichtig rein, dann überkam sie die Erleichterung. Ihr Mann stand an dem Herd und kochte gerade Frühstückseier ab. Der Tisch war ebenfalls gedeckt.

„Morgen“, murmelte sie leise und ging zu ihm. Sobald er die Hände frei hatte, umarmte sie ihren Mann. „Haben sich deine Kollegen schon gemeldet?“

„Morgen“, sagte Starling und schüttelte den Kopf. „Nichts. Aber über Nacht war es hier ruhig.“

„Wenigstens etwas. Wir sollten Jodie aber die Wahrheit sagen.“

„Das habe ich vor.“

„Guten Morgen.“ Jodie kam gut gelaunt in die Küche und setzte sich an den Tisch.

„Greif schon mal zu“, entgegnete ihr Vater und stellte eine Kanne mit Kaffee hin.

Jodie nickte und nahm eine Scheibe Brot die sie mit einer Scheibe Schinken belegte.

„Wie war die gestrige Führung?“, wollte der Agent wissen.

„Mhm? Ganz okay“, sagte Jodie.

„Aber?“ Er wusste immer, wann es ein Aber gab.

„Fotografie ist nicht meins. Alles was dahinter steht, sieht ja gut aus, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das machen möchte.“

„Ich verstehe“, entgegnete ihr Vater. „Und wie laufen deine Bewerbungen so?“

„Ich würde sagen, ganz gut. Ich schreibe gerade den ersten Aufsatz. Ich werde mich sowohl für Kriminologie als auch Literaturwissenschaften bewerben. Vielleicht belege ich dann noch ein paar medizinische Kurse.“

„Willst du denn immer noch zum FBI?“

Jodie ließ die Scheibe Brot wieder auf den Teller gleiten und sah ihren Vater an. „Wenn ich ehrlich bin, weiß ich das noch nicht, Dad. Ich kann es mir vorstellen, aber ich bin noch unsicher. Ich möchte Menschen helfen, aber ich weiß noch nicht in welcher Form.“ Jodie schluckte und wirkte mit einem Mal verunsichert. „Ich werde…vielleicht das Studium nicht innerhalb von drei Jahren beenden.“

„Mhm?“ Agent Starling sah sie an und lächelte. „Du hast alle Zeit der Welt. Setz dich mit dem Studium nicht unter Druck. Wenn du im ersten Semester feststellst, dass die Kurse nichts für dich sind, wählst du eben andere. Das ist vollkommen in Ordnung. Immerhin musst du zufrieden mit deiner Berufswahl sein und nicht ich.“

Jodie lächelte. „Danke, Dad.“

„Jodie, da gibt es noch etwas, was ich dir sagen muss“, fing der Agent an.

Sie sah ihn an. „Ja?“

„Connor…“ Starling räusperte sich. „Er hatte gestern einen Tag Freigang bekommen.“

Jodie wurde blass. „Nein…“, murmelte sie leise. „Dad…bitte nicht…nein…sag mir nicht, dass…“

„Es tut mir leid, Jodie.“



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