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Fliegenfang

Womit Väter es so zu tun haben
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Sodele, eigentlich wollte ich für das SaniPress-'verse erst einmal etwas ganz anderes schreiben, aber irgendwie hat es mich dann einfach gepackt und ich musste ein paar OS für Fliegenfang schreiben ID"
Ich werde jede Woche einen OS hochladen, Vorrat habe ich bereits für vier Wochen und ich habe noch genug Ideen, um bis zum Rest des Jahres hier aktiv zu sein. Mal schauen, ob das auch klappt. Wenn nicht, wird es eben auch mal eine längere Pause hier geben. Ist ja "nur" eine OS-Sammlung.

Allgemein sei vorab gesagt: Ich erhebe keinen Anspruch darauf, dass das, was Sting und Rogue in diesen OS tun, tatsächlich der eine richtige Weg ist. Ich habe versucht, sie das tun zu lassen, was mir auch für ihre jeweiligen Charaktere und für die jeweilige Konstellation und Situation passend erschien.
Und nicht alle OS werden sich mit der Erziehung von Lector und Frosch beschäftigen. Einige werden auch die Beziehung von Sting und Rogue oder andere Familienkrisen und -freuden beleuchten.
In den OS werden auch immer mal wieder andere Charaktere erwähnt werden, einiges davon wird vielleicht verwirren, aber das ist alles durchdacht und wird irgendwann an irgendeiner Stelle meiner noch geplanten SaniPress-Fics erklärt werden. Keine Sorge.

So, und nun viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich habe ich ja gedacht, dafür erst einmal keine Zeit zu haben, aber heute hat sich das einfach so ergeben und ich habe während der Wartezeit vor und nach einem Lerntreffen in der Unibibliothek schnell mal diesen OS hier geschrieben. Inspiriert wurde ich für diese Story u.a. von der Tochter einer Kollegin, die sich ihren ersten MIlchzahn regelrecht heraus gerissen hat XD

Egal... ich wünsche viel Spaß beim Lesen und bedanke mich im voraus für jeden Kommentar!
LG
Yosephia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Okay, eigentlich sollte dieser OS eher lustig werden, aber letztendlich ist er dann doch ganz schön ernst geworden. So ernst, dass ich kurzzeitig überlegt habe, den Titel doch noch mal zu ändern... Ich hoffe, ich habe es nicht zu sehr übertrieben >_<

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!

LG
Yosephia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und weiter geht es!
Dieser OS fällt hier ein wenig aus dem Rahmen, weil er deutlich ernster ist. Außerdem beschäftigt er sich weniger mit der Stingue-Familie als vielmehr ganz speziell nur mit Sting. Er war eher eine spontane Eingebung.
Viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und hiermit gibt es den OS, der direkt an Die Sache mit der Trauer anschließt. Diese Thematik ist insgesamt sehr wichtig für Sting und Rogue, was ich hoffentlich auch deutlich machen konnte.
(Übrigens wird es innerhalb dieser OS-Reihe eine eigene kleine Serie geben, die sich mit den wichtigsten Freunden aus Stings und Rogues Umkreis beschäftigt. Die Sache mit Yukino, Die Sache mit Minerva und Die Sache mit Orga wird es definitiv noch geben.)

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Mist! Doofe Technik! Ich hätte es eigentlich noch ganz knapp geschafft, diesen OS am richtigen Tag hochzuladen, aber dann hat meine Maus gezickt >_>
Na ja, egal...

Der Grund für diesen OS ist der Weltschildkrötentag, der jedes Jahr am 23. Mai "begangen" wird, um auf Schildkröten, ihren Gefährdungsstatus und dergleichen mehr hinzuweisen. Dass es diesen Tag gibt, habe ich erst dieses Jahr erfahren, und da mir das Thema sehr, sehr wichtig ist, musste ich etwas dazu schreiben.
Wenn sich jemand dafür interessiert, woran ich mich diesbezüglich beteilige, gibt es hier den Link: http://herpetopia.de/

Die eingestreuten Fakten sind nach bestem Wissen und Gewissen von mir zusammen getragen worden, aber wenn sich jemand veranlasst sieht, mich zu korrigieren, bin ich definitiv dafür offen.
Die Namen der Schildkröten habe ich angepasst, wann immer sie Landesbezeichnungen enthalten. Hier die richtigen Namen:
Galuna-Riesenschildkröte = Galapagos-Riesenschildkröte
Ishgarische Sumpfschildkröte = Europäische Sumpfschildkröte (Und ja, die ist tatsächlich auch in Deutschland beheimatet. Dafür, dass das so bleibt, setze ich mich schon seit vier Jahren ein.)
Encasische Landschildkröte = Griechische Landschildkröte
Caelum als Herkunftsort der Strahlenschildkröte steht hier für Madagascar (Ob es tatsächlich ein Ausfuhrverbot für diese Tiere gibt, weiß ich nicht hundertprozentig, ich weiß das nur konkret für Panzer und Eierschalen etc., aber es ist definitiv wünschenswert, dass keine Strahlenschildkröten mehr aus Madagascar weg geholt werden.)

Übrigens gibt es tatsächlich Erfahrungsberichte, laut denen Tierheime den Leuten raten, ihre exotischen Reptilien einfach auszusetzen. Jahr für Jahr sterben deswegen wahrscheinlich hunderte oder sogar tausende Tiere - ganz zu schweigen von den Problemen, die sie den heimischen Tieren bescheren. Ich habe selbst mal eine Rotwangen-Schmuckschildkröte in einem deutschen Teich entdeckt, hatte aber leider nichts zur Hand, um das arme Tier wieder einzufangen.

In erster Linie soll dieser OS natürlich unterhalten, aber wenn es den einen oder anderen zum Nachdenken anregt, würde mich das natürlich sehr freuen. Ich betone ausdrücklich, dass ich damit keine Spenden einheimsen will, mir geht es lediglich um Aufklärungsarbeit. Wenn dieser OS auch nur einen einzigen Menschen dazu bringt, die Anschaffung eines exotischen Reptils noch mal sehr genau zu überdenken, wäre ich schon überglücklich.

Abgesehen von den vielen Schildkröteninformationen enthält der OS auch mal ein paar kleine Andeutungen auf Charaktere, die bisher noch gar nicht richtig zur Sprache gekommen sind. Dabei sollen Romeo und Wendy auch noch eine eigene Geschichte in diesem 'verse bekommen - wann auch immer ich mal dazu kommen werde, sie zu schreiben >_>

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und danke im voraus für jeden Kommentar!
LG
Yosephia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Laxus ist kompliziert. Laxerva ist kompliziert... Aber irgendwie mag ich das Pair einfach! Laxus und Minerva passen wirklich gut zusammen, auch wenn ich mir die Beziehung der Beiden sehr unkonventionell vorstelle XD"

Egal, jedenfalls habe ich hier mal versucht, Laxus ein wenig näher zu beleuchten. Natürlich wird er in einer Story, die sich allein um Laxerva dreht - fragt mich bloß nicht, wann genau die online kommt^^' -, sehr viel mehr Screentime haben, aber besagte Story endet nur wenige Monate nach Froschhüpfer. Hier wollte ich mal eine Episode aus der späteren Zeit beleuchten. Dass sich dabei so viel Yukinerva mit eingeschlichen hat, war so nicht geplant und wahrscheinlich ist Yukinos Argumentation auch ein wenig seltsam, aber Yukinerva ist in dem 'verse echt etwas Besonderes.
Keine Ahnung, ob das verständlich ist, sorry^^'

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
Yosephia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Weiter geht es mit einem Sting-Frosch OS. Himmel, hat es Spaß gemacht, den zu schreiben!
Er ist auch länger geworden, als ich das zuerst angenommen hätte, aber ich bin sehr glücklich damit!

Ich hoffe, er gefällt! ;) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal ein winzig kleiner Happen, aber dafür schön fluffig. Genießt es, denn die nächsten beiden OS werden sehr traurig werden u.u

Irgendwie habe ich einen Narren an der Idee gefressen, dass Sting ein wenig eitel ist, wenn es um seine Haare geht, daher war der Gedankengang für diesen OS hier schnell da und die Umsetzung beinahe ebenso schnell.

Viel Spaß beim Lesen und lasst mir doch bitte einen Kommentar da!
LG
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Die Sache mit dem Bestrafen

Als Rogue in den Direktionsflügel der Schule einbog, saß sein Sohn mit trotziger Miene auf einer Bank im Flur. Er hatte eine Schramme an der linken Wange und sein T-Shirt mit einem Aufdruck der Basket Dragons wies einen langen Riss am Bauch auf. Neben dem Jungen stand ein knochiger Lehrer, der so aussah, als müsste er schon längst in Rente sein. Seine weit aufgerissenen Augen und die gräuliche Haut mit den Altersflecken hatten etwas Gespenstisches, aber die Missbilligung stand ihm offen ins Gesicht geschrieben.

Rogue ignorierte den Pädagogen, auf dessen Namensschild Mr. Yuri stand, und ging vor seinem Sohn in die Knie, um dessen Kinn anzuheben und das Gesicht vorsichtig hin und her zu drehen. Die Schramme schien zum Glück nur oberflächlich zu sein, aber es klebte noch Sand daran.

„Wieso wurde mein Sohn nicht vernünftig versorgt?“, wandte Rogue sich an den Lehrer und er hatte dabei Mühe, nicht zu viel Schärfe in seine Stimme zu legen. „Das muss desinfiziert werden!“

„Ich will nicht, dass die mich anfassen“, knurrte Lector und stand auf, um sich dicht neben seinen Vater zu stellen.

„Er hat sich äußerst ungebührlich verhalten“, keuchte der alte Lehrer mit einer Raspelstimme, die aus ihm in Rogues Vorstellung einen Poltergeist machte – er hatte eindeutig zu viele Horrorfilme mit Sting und Yukino gesehen. „Ein Prügelknabe ist an dieser Schule im höchsten Maße unakzeptabel!“

Rogue unterdrückte ein Augenrollen. Ihm war schon am Telefon von der Schulsekretärin erklärt worden, dass Lector einen anderen Jungen vom Klettergerüst geschubst und sich mit ihm geprügelt hätte. Das war nicht in Ordnung, ja, aber Rogue ärgerte sich, dass sein Sohn hier wie ein Schwerverbrecher behandelt wurde. Für Rogue stand außer Frage, dass Lector einen guten Grund gehabt haben musste – auch wenn das eine Prügelei immer noch nicht rechtfertigte.

„Darf ich Lector jetzt mitnehmen?“, fragte er ruhig und legte eine Hand auf die Schulter seines Sohnes.

„Wir bitten darum“, hauchte Yuri und warf einen empörten Blick auf den Jungen hinunter. „Lector ist für eine Woche von der Schule suspendiert und sein Betragen wurde in der Akte notiert. Sollte so etwas häufiger vorkommen, wird er für diese Schule womöglich untragbar.“

Für einen Moment ging Rogue durch den Kopf, dass es eher diese Schule war, die für ihn untragbar würde, wenn man seine Kinder hier immer so behandeln sollte. Aber er schluckte eine scharfe Erwiderung herunter und bedeutete seinen Sohn, schon mal vor zu gehen. Als Lector ein paar Meter entfernt war, senkte er seine Stimme.

„Wenn ich erfahren sollte, dass mein Sohn deswegen ungerecht behandelt wird, wende ich mich ans Jugendamt", erklärte er und starrte dem Lehrer eindringlich in die Augen. "Lector hat einen Fehler gemacht, aber er ist noch ein Kind und er verdient es, dass man ihn mit Respekt behandelt.“

Yuri schnappte empört nach Luft, aber Rogue wartete gar nicht ab, was er zu erwidern hatte, sondern ging an dem Pädagogen vorbei zu seinem Sohn, der an der Ecke auf ihn wartete. „An dieser Schule herrschen Zucht und Ordnung!“, krächzte Yuri ihnen hinterher, aber Rogue ignorierte ihn.

Beinahe war er froh, dass sein Mann gerade wieder im Reservistentraining steckte. Sting hätte sich wahrscheinlich noch viel offensiver mit dem Pädagogen angelegt und dabei mit seiner – garantiert wenig schmeichelhaften – Meinung nicht hinterm Berg gehalten. Vielleicht wäre das sogar die richtige Art, um mit einem Fossil wie Yuri umzugehen, aber Rogue hatte eigentlich keine Lust, die ganze Sache zum Skandal aufzublasen. Das half Lector letztendlich auch nicht - und es brachte ihm auch nichts über Richtig und Falsch bei.

Schweigend gingen Vater und Sohn durch die Straßen. Es war nur ein strammer Fußmarsch von fünfzehn Minuten bis zur Wohnung und bedeutete für Rogue, wenn er seinen Sohn morgens zur Schule brachte, nur einen minimalen Umweg. Zwar war Lector schon sieben Jahre alt und kannte den Weg alleine, aber Sting und Rogue waren sich einig, dass ein Siebenjähriger nicht alleine durch eine überfüllte Stadt laufen sollte – und so gerne Lector auch den starken Mann markierte, er fügte sich doch ausgesprochen willig in diese Entscheidung.

Als Lector den kurzen Schlenker zum Tarte au Stellar einschlagen wollte, schüttelte Rogue den Kopf. „Frosch kann noch eine Weile bei Yukino bleiben. Wir Beide müssen Zuhause in Ruhe miteinander reden.“

Der Junge schrumpfte in sich zusammen und beinahe tat es Rogue leid, dass er so streng sein musste. Eigentlich wusste er ja, dass sein Sohn einen guten Grund für sein Handeln gehabt hatte, aber er wusste leider auch, dass er ihn nicht einfach so davon kommen lassen durfte. Lector musste lernen, dass Gewalt keine Lösung war. Auch dann nicht, wenn man provoziert wurde.

In der Wohnung wurden sie von einer Schwanz wedelnden Minnie begrüßt, was Rogue daran erinnerte, dass er auch noch mit ihr Gassi gehen musste. Er würde das nachher damit kombinieren, wenn er Frosch abholen ging, entschied er gedanklich und schob die Hündin von seinem Sohn weg, damit sie nicht über die Schramme an der Wange leckte.

„Geh’ schon mal ins Badezimmer und zieh’ das T-Shirt aus“, ordnete er an.

Lector nickte nur zerknirscht und schlurfte in die angewiesene Richtung, nachdem er seine Schuhe ordentlich auf die dafür vorgesehene Ablage gestellt hatte. Sein eigenes Zimmer mochte oft wie ein Schlachtfeld aussehen, aber im Rest der Wohnung hielt Lector sich artig an die vorgegebene Ordnung – und solange es nicht überhand nahm, ließ Rogue seinen Sohn in dessen eigenem Zimmer in Ruhe. Von Zeit zu Zeit bemerkte Lector dann doch wieder, dass es eigentlich ziemlich unbequem war, wenn man im Zimmer nicht richtig treten konnte, und dann räumte er schon von alleine auf.

Damit Minnie erst einmal beschäftigt war, gab Rogue ihr einen der Kauknochen, mit dem sie sich auch sofort in ihren Korb verzog, der extra in einer ruhigen Ecke im Wohnzimmer stand, damit sie auch einen Rückzugsort hatte. Danach ging Rogue in Lectors Zimmer und suchte ein sauberes T-Shirt aus dem Schrank heraus. Dieses Mal eines mit einem aufgedruckten Zauberwürfel. Lector hatte lauter solche Oberteile mit Aufdrucken. Das war eine seiner vielen Marotten, aber derer hatte in dieser Familie jeder so einige.

So bewaffnet ging Rogue ins Badezimmer. Sein Sohn hockte auf dem Klodeckel und ließ mit verdrießlicher Miene die Beine baumeln, womit er jedoch sofort aufhörte, als er seinen Vater bemerkte. Dieser holte den kleinen Korb mit Desinfektionsmittel und Pflastern aus dem Badezimmerschrank und kniete sich vor seinen Sohn. Sorgsam untersuchte er dessen Oberkörper und die Arme, konnte aber zum Glück keine weiteren Blessuren entdecken, weshalb er sich endlich um die Schramme an der Wange kümmerte. Vorsichtig tupfte er den Dreck mit einem sauberen Waschlappen und warmen Wasser ab, ehe er die Wange vorsichtig abtrocknete, desinfizierte und schließlich ein großes Pflaster darauf klebte. Lector zuckte währenddessen mehrmals zusammen, aber er erhob keinerlei Protest und ganz unwillkürlich war Rogue stolz auf seinen tapferen Sohn.

„Und du hast sonst wirklich keine Schmerzen, ja?“, fragte er noch einmal forschend nach und reichte dem Jungen das saubere T-Shirt, welches dieser ohne Proteste sofort anzog.

„Mir geht es gut“, nuschelte Lector und starrte zu Boden. Er schien zu wissen, was jetzt kommen musste.

Seufzend räumte Rogue zunächst den Korb mit den Pflastern weg, um ihnen noch etwas Zeit zu verschaffen, aber schließlich musste er sich doch wieder zu seinem Sohn herum drehen. Verdammt noch mal, dieser Part des Vaterseins war wirklich unangenehm!

„Lector, warum hast du den anderen Jungen geschlagen?“

„Er hat’s verdient“, brummte der Junge, ohne den Blick zu heben.

„Vielleicht hat er das wirklich, aber das heißt noch lange nicht, dass es richtig war, ihn zu schlagen“, erklärte Rogue ruhig und verschränkte die Arme vor der Brust. „Solange du mir nicht erklärst, warum du ihn geschlagen hast, muss ich davon ausgehen, dass du nicht darüber nachgedacht hast. Also?“

Eine Weile herrschte Schweigen und Rogue fürchtete bereits, dass er seinen Sohn tatsächlich in sein Zimmer schicken musste, aber schließlich schielte Lector zu ihm hoch. In seinen dunklen Augen loderte eine Wut auf, die Rogue schon lange nicht mehr darin gesehen hatte.

„Er hat euch beleidigt.“

„Uns?“

„Dich und Papa… Er hat behauptet, ihr wärt gar keine richtigen Väter, weil ihr…“

Lector schien mit sich zu hadern und Rogue ging wieder vor ihm in die Knie, um nicht so gebieterisch über ihm aufzuragen.

„Weil ihr Schwuchteln wärt“, endete Lector zähneknirschend.

Betroffen musterte Rogue die wütende Miene seines Sohnes. Für ihn und Sting war es nichts Neues, mit Homophobie konfrontiert zu werden, aber er musste zugeben, dass er nicht damit gerechnet hatte, dass seine Sexualität für Anfeindungen gegenüber seinen Kindern sorgen könnte. Vor allem nicht in diesem Alter.

„Und deshalb hast du ihn geschlagen?“

„Nein, ich habe ihm gesagt, dass er blöd ist und dass man so etwas nicht sagen darf und dass… dass ihr tolle Väter seid…“

Jetzt musste Rogue aufpassen, dass er nicht weich wurde. Am liebsten hätte er Lector einfach an sich gezogen und ihm gesagt, dass er diesen Idioten einfach vergessen sollte. Wie sehr er seine Kinder doch liebte…!

„Und dann hat er gesagt, dass ihr weg gesperrt gehört, weil ihr krank und eklig seid… Ich war einfach wütend…“

Hilflos senkte Lector den Blick auf seine zitternden Fäuste und biss sich auf die Unterlippe. In seinen Augen schimmerten Tränen, gegen die er verzweifelt anzukämpfen versuchte. Rogue warf seine Bedenken über Bord und zog den Jungen nun doch an sich. Sofort schlang Lector die Arme um seinen Bauch und drückte sein Gesicht in seine Brust. Sanft strich Rogue durch die rotbraunen Haare und wartete ab, bis der kleine Körper nicht mehr zitterte.

Es war ihm vollkommen egal, was irgendein kleiner Hosenscheißer von seinen zurückgebliebenen Eltern nachgeplappert hatte. Aber wenn er ehrlich war, war er sehr stolz darauf, dass sein Sohn sich so sehr für ihn und Sting einsetzte. Lector hatte das Herz am rechten Fleck und er hatte sogar zuerst versucht, es mit Worten zu klären. Von wegen Prügelknabe!

Als Lector sich etwas beruhigt hatte, brachte Rogue ihn ins Wohnzimmer und ließ ihn dort auf dem Sofa warten, um in der Küche Kakao anzurühren. Mit der großen Tasse kehrte er ins Wohnzimmer zurück. Lector hing dort mehr auf der Couch, als dass er saß, seine Augen noch immer gerötet.

Rogue setzte sich neben ihn, drückte ihm die Tasse in die Hände und legte dann einen Arm um ihn. Mit einem gemurmelten Dank schlürfte Lector den Kakao, nachdem er näher an seinen Vater gerutscht war. Minnie kam zu ihnen und legte Rogue die Schnauze aufs Knie, um gutmütig zu ihm aufzublicken. Mit der freien Hand kraulte er sie hinterm Ohr, woraufhin sie mit der Rute wedelte.

„Weißt du, Lector“, begann Rogue schließlich, als sein Sohn ausgetrunken, die Tasse auf den Couchtisch gestellt und sich an ihn gekuschelt hatte, „es gibt Leute, die ein Problem damit haben, wenn Männer sich lieben. Oder Frauen. Sting und ich kennen das schon. Das kommt leider immer mal wieder vor.“

„Aber warum? Ihr seid doch ganz normale Männer.“ Verständnislos schüttelte Lector den Kopf.

Schmunzelnd stupste Rogue die Nase seines Sohnes an. „Natürlich sind wir das, aber es gibt da draußen echte Idioten. Und der Junge hat wahrscheinlich solche Idioten als Eltern, die ein Problem mit uns haben. Der Junge hat einfach nachgeplappert, was er Zuhause gehört hat… Natürlich war das dumm und falsch und ich bin sehr stolz, dass du uns verteidigen wolltest, aber es war dennoch nicht in Ordnung, den Jungen zu schlagen. Verstehst du das?“

„Aber was soll ich denn machen, wenn er so etwas noch mal sagt? Oder ein anderer?“, fragte der Junge verunsichert.

„Ignoriere sie einfach. Geh woanders hin. Der Junge wollte dich provozieren. Indem du ihn geschlagen hast, hast du getan, was er wollte.“

„Wirklich? Er hat ziemlich schlimm geblutet.“

Tadelnd zerzauste Rogue die Haare seines Sohnes. „Schlag’ ihn einfach nicht noch mal, okay?“

„Und wenn er mich schlägt?“

„Dann verteidigst du dich und rufst sofort einen von uns an. Oder Minerva oder Yukino, wenn du uns nicht erreichen kannst. Wenn dir dort jemand weh tut, sorgen wir dafür, dass er aufhört, versprochen“, erklärte Rogue und er meinte es bitterernst. Wenn es nötig wäre, würde er für so etwas sogar vor Gericht gehen, aber auf keinem Fall würde er es hinnehmen, dass sein Sohn geschlagen wurde!

„Und wenn mir die Lehrer nicht glauben?“

„Wir werden dir immer glauben und wir werden dich immer verteidigen“, versprach Rogue und schlang beide Arme um Lectors schlaksigen Körper.

Inbrünstig erwiderte der Junge die Umarmung und schmiegte sein Gesicht erneut in Rogues Brust. Dankbar drückte Rogue sein Gesicht in den rotbraunen Haarschopf und schloss die Augen.

Nach einer Weile hielt er Lector jedoch von sich und blickte ihm streng in die Augen. „Aber es war dennoch nicht in Ordnung, dass du ihn geschlagen hast, und dafür muss ich dir für die Zeit, in der du nicht zur Schule darfst, Hausarrest geben, verstehst du?“

Lector verzog enttäuscht das Gesicht, nickte jedoch resigniert. „Aber kümmerst du dich dann ganz alleine um Minnie?“, fragte er jedoch gleich darauf mit einem Stirnrunzeln.

„Du darfst einmal am Tag mit ihr raus“, ließ Rogue sich erweichen, weil es ihm so zu Herzen ging, dass Lector seine Sorgfaltspflicht gegenüber der Hündin so ernst nahm. „Aber du machst alle Schulübungen, die ich dir besorge. Wenn du etwas nicht verstehst, kannst du mich jederzeit fragen. Und der Fernseher bleibt aus.“

„Und das Spiel morgen?“

Anscheinend hatte Lector sich von seinem Großvater die Begeisterung für Basketball abgeguckt. Er war erstaunlich ausdauernd dabei, alle Spiele der Basket Dragons zu verfolgen. Im Gedanken machte Rogue sich eine Notiz, dass er sich endlich nach einem guten Kinderbasketballverein umhören musste.

„Ich nehme es dir auf und du darfst es gucken, wenn die Strafzeit vorbei ist.“

„Danke“, nuschelte Lector und kuschelte sich wieder an ihn.

Lächelnd schlang Rogue erneut die Arme um sein Kind und schloss entspannt die Augen. Es war wirklich nicht leicht, so streng zu sein, wenn er doch eigentlich so stolz auf seinen Sohn war, aber Lector schien es zum Glück begriffen zu haben. Dennoch war Rogue sich sicher, dass das nicht das letzte Mal gewesen sein würde, da er wegen seines Sohns zur Schule gerufen wurde. Lector gehörte einfach nicht zu den Menschen, die sich zurückhalten konnten, wenn sie der Meinung waren, dass etwas Unrechtes geschah oder gesagt wurde. Aber das war einer von vielen Punkten, auf die Rogue bei seinem Sohn so stolz war, das waren die Extrawege zur Schule allemal wert!

Die Sache mit der Zahnfee

Gähnend schloss Sting die Wohnungstür hinter sich und strich sich durch die Haare, deren Frisur sich im Laufe des Abends aufgelöst hatte. Dabei konnte man Sting wirklich nicht vorwerfen, dass er es zu wild getrieben hätte. Wie er es Rogue versprochen hatte, hatte er sich keinen Schnaps von seinen Kameraden aus dem Reservisten-Training aufschwatzen lassen, sondern war artig bei Bier geblieben. Bei zwei Flaschen in fünf Stunden musste er sich wirklich nichts vorwerfen lassen. Aber er war beim Air Hockey ganz schön ins Schwitzen gekommen und die Luft in der Bar war auch nicht unbedingt die Beste gewesen. Dementsprechend roch Sting auch. Da würde er wohl duschen müssen, denn so würde Rogue ihn garantiert nicht ins Bett lassen.

Nachdem er die schweren Armeestiefel und die Trainingsjacke ausgezogen und in einen Beutel gestopft hatte, der wohl schon von Rogue neben der Kommode bereit gelegt worden war, schlurfte Sting zum Badezimmer. Sein prall gefüllter Seesack blieb auch einfach neben der Kommode liegen.

Auf halbem Weg trottete ihm Minnie entgegen. Mit einem herzhaften Gähnen entblößte sie ihr beeindruckendes Gebiss, ehe sie zu ihm aufblickte, als wollte sie ihm wegen seiner späten Heimkehr Vorhaltungen machen. Mit einer kurzen Streicheleinheit milde gestimmt, verzog sie sich zurück ins Wohnzimmer und Sting wandte sich wieder der Badezimmertür zu.

Er hatte die Hand noch nicht auf der Klinke, als er ein leises Quietschen vernahm und sah, wie sich die Tür von Froschs Kinderzimmer öffnete. Kaum dass der Spalt breit genug war, schlüpfte Rogue heraus und schloss die Tür dann so leise wie irgend möglich wieder.

„Rogue?“

Der Schwarzhaarige wirbelte erschrocken herum und versteckte seine rechte Hand hastig hinter seinem Rücken. Als er Sting erkannte, seufzte er erleichtert, ehe seine Miene vorwurfsvoll wurde.

„Erschreck’ mich doch nicht so!“, beschwerte er sich flüsternd.

„Was hast du in Froschs Zimmer gemacht?“, fragte Sting neugierig, ohne sich um den Vorwurf zu kümmern.

„Gar nichts. Ich habe gedacht, ich hätte was gehört“, sagte Rogue so hastig, dass die Lüge sogar für Sting offensichtlich war.

„Was hast du da in deiner Hand?“

„Nichts!“

„Das glaube ich dir nicht!“

Mit einem übermütigen Grinsen ging Sting auf seinen Freund zu. Dass der rückwärts von ihm weg ging, machte Sting nur umso neugieriger und er zwängte Rogue in eine Ecke, um an die versteckte Hand heran zu kommen. Doch sein Mann hielt die Hand in die Höhe und versuchte, ihn mit der anderen Hand auf Abstand zu halten.

„Das ist nichts. Geh' duschen, du stinkst!“

„Ich will aber wissen, was das ist!“, erwiderte Sting hartnäckig und streckte sich.

Der Größenunterschied zwischen ihnen betrug nur ein paar Zentimeter. Wenn Sting es also wirklich darauf angelegt hätte, wäre es für ihn eine Leichtigkeit, Rogue zu überwältigen, aber erstens wollte er seinem Mann ja nicht weh tun und zweitens wollte er die Kinder nicht wecken. Aus denselben Gründen konnte Rogue sich nicht so richtig wehren und so kam es zwischen ihnen zu einem stummen Gerangel, bei dem keiner so wirklich die Oberhand gewann.

Schließlich kam Sting eine Idee und er streckte sich wieder, um Rogue einen Kuss zu geben. Zuerst sträubte der Schwarzhaarige sich, aber kaum dass er die Lippen berührte, die er zwei Wochen lang hatte entbehren müssen, verlor Sting sein eigentliches Ziel aus den Augen und genoss es einfach.

Er ging gerne zum Reservisten-Training. So absurd es auch klingen mochte, es machte ihm Spaß und die meisten Leute dort waren schwer in Ordnung. Dieses Mal war es jedoch das erste Mal gewesen, seit er und Rogue die Kinder adoptiert hatten, und Sting hatte eine ganze Weile hin und her überlegt, ob er wirklich als Reservist eingeschrieben bleiben wollte. Letztendlich hatte Rogue ihn dazu ermuntert, weil es ihm doch Spaß machte. Er hatte Sting versichert, dass er die zwei Wochen schon alleine mit den Kindern und Minnie zu Recht kommen würde. Was ja auch stimmte. Da hatte es zwar diesen kleinen Vorfall mit Lector gegeben, aber am Telefon hatte Rogue gesagt, dass das geklärt war und dass der Hausarrest seit zwei Tagen vorbei war.

Während der Abschlussfeier mit den anderen Reservisten hatte Sting jedoch gemerkt, dass er eigentlich gar keine richtige Lust darauf hatte und sich vielmehr nach seiner Familie sehnte. Er wollte wieder mit Lector und Minnie joggen gehen und mit Frosch musizieren und vor allem vermisste er es, in der Nacht Rogues Körper neben sich zu spüren.

Anscheinend war es Rogue ähnlich ergangen, denn er erwiderte den Kuss doch erstaunlich schnell und schob Sting sogar die freie Hand in den Nacken, um den Kuss noch vertiefen zu können. Als Sting die Arme um die Taille seines Mannes schlang, wollte dieser ihm die andere Hand auf den Rücken legen. Ein beinahe lautloses Klicken auf dem Parkettboden ließ sie Beide aufhorchen.

„Scheiße!“, entfuhr es Rogue und er ging in die Knie, um den Boden abzutasten.

Mit großen Augen blickte Sting zu dem Schwarzhaarigen hinunter, doch der kümmerte sich gar nicht mehr um ihn, sondern suchte weiter, als ginge es um eine unermessliche Kostbarkeit.

„Was suchst du denn?“, fragte Sting und ging in die Hocke.

Selbst in dem schwachen Licht, das durch die geöffnete Wohnzimmertür in den Flur schien, konnte Sting erkennen, wie sein Mann errötete, ehe er sich hastig wieder seiner Suche widmete. Ratlos stützte Sting die Ellenbogen auf den Knien und das Kinn auf den Handflächen ab und beobachtete weiter diese kuriose Suche. Er hoffte bloß, dass das wirklich etwas Wichtiges war. Der Kuss war gerade so schön gewesen! Und wieso musste Rogue so ein Geheimnis daraus machen? Sie waren doch erwachsene Männer und verheiratet und alles...

Just in diesem Moment stieß Rogue einen erleichterten Seufzer aus und klaubte etwas Kleines vom Boden. Dieses Mal war Sting schnell genug und er schnappte es seinem Mann geschwind weg, um es dann ins Mondlicht zu halten. Es war ein Zahn. Ein winziger, milchweißer Zahn. Überrascht blickte Sting zu Rogue auf.

„Ist der von Frosch?“

„Ja, sie hat ihn mir heute Abend gezeigt und dann unter ihr Kissen gesteckt“, brummelte Rogue verlegen, schnappte sich aber schnell wieder den Milchzahn und ging damit ins Schlafzimmer.

Unter dem Bett zog er einen Schuhkarton hervor, in dem sie alles Mögliche aufbewahrten, was mit den Kindern in Verbindung stand. Ihre erste Familienkarte vom Schlittschuhlaufen damals. Die Muscheln, die Frosch voller Begeisterung letztes Jahr beim Strandurlaub gesammelt hatte, Lectors allererster gelöster Zauberwürfel...

Und ein Döschen mit Lectors Milchzähnen. Der Junge hatte seine Milchzähne immer auf dem Küchentisch präsentiert und mit einem breiten Zahnlückengrinsen erklärt, dass er jetzt ein großer Junge sei. Ein paar der Zähne hatte er auch Minerva und Yukino geschenkt und die Beiden hatten sich geweigert, diese wieder heraus zu geben. Gerade bei Minerva hatte es Sting überrascht, aber mit der ihr eigenen Würde hatte sie erklärt, dass sie diese Zähne von Lector geschenkt bekommen hätte und dass sie keine Geschenke weiter verschenken würde.

Aus seinem Nachttisch holte Rogue eine kleine, grüne Dose hervor, steckte Froschs Zahn hinein und legte sie dann neben die Dose mit Lectors Zähnen. Mit einem rührseligen Grinsen hockte Sting sich neben seinen Mann und zog dessen Gesicht am Kinn zu sich, um ihn zu küssen. Vielleicht war es albern und kitschig, aber irgendwie war dieser Schuhkarton in seinen Augen so etwas wie eine Schatzkiste. Das waren Erinnerungsstücke an lauter wunderschöne Momente mit seinen über alles geliebten Kindern. Und mittlerweile waren es so viele, dabei kam es Sting wie gestern vor, dass er in die Küche der alten Wohnung gekommen war und zum allerersten Mal die Kinder gesehen hatte...

Nachdem er den Kuss lange Zeit innig erwidert hatte, schob Rogue ihn jedoch schließlich von sich. „Geh' duschen oder diskutiere mit Minnie, ob sie dich bei ihr schlafen lässt.“

„Du bist ja so gemein“, maulte Sting, verschwand jedoch artig in Richtung Badezimmer.

Als er eine Viertelstunde später zu Rogue unter die Decke schlüpfte, seufzte dieser zufrieden und zog ihn an sich. „Willkommen zurück“, murmelte er und gab Sting einen Kuss auf die Stirn - und der gab ein zufriedenes Schnurren von sich und kuschelte sich gleich noch mehr an seinen Mann.
 

„Papa!“

Es riss Sting fast von den Füßen, als sein Sohn ihn umarmte, aber ihm ging das Herz auf bei dieser stürmischen Begrüßung und er erwiderte die Umarmung mit einem Arm, während er mit dem anderen den Korb mit den Brötchen für das Frühstück festhielt.

„Na, mein Großer, warst du artig?“, fragte er und zauste die rotbraunen Haare.

Für einen Moment sah Lector unsicher zu Rogue, doch als dieser ihm lächelnd zunickte, grinste er übermütig zu Sting hoch. „Immer!“

Lachend zog Sting ihn gleich noch mal an sich. Natürlich wusste er über den Vorfall mit der Prügelei Bescheid, aber das musste er ja nicht wieder aufwärmen. Rogue hatte das mit Lector geklärt und der Junge hatte aus der Sache gewiss gelernt. In solchen Dingen war Rogue sowieso viel besser, das hatte Sting neidlos anerkennen müssen. Er hätte die Situation wohl nicht so gut lösen können.

„Papa! Du bist wieder da!“

Mit Froschi unter einem Arm und einer geballten Faust kam Frosch in die Küche gestürmt und warf sich in die ausgebreiteten Arme ihres Vaters. Glücklich zog Sting sie an sich und drehte sich mit ihr, ehe er ihr einen Kuss auf das winzige Näschen gab.

Im nächsten Moment wurde ihm eine Ein-Jewel-Münze vors Gesicht gehalten und Frosch schenkte ihm ein strahlendes Zahnlückengrinsen. „Guck' mal, Papi, die Schahnfee war da!“

Überrascht blickte Sting von der Münze zu seinem Mann, der verdächtig konzentriert auf den Käse hinunter starrte, den er gerade schnitt. Aha, deshalb hatte Rogue sich in der vergangenen Nacht also in Froschs Zimmer geschlichen und so ein Geheimnis aus der Sache gemacht! Irgendwoher musste Frosch das mit der Zahnfee aufgeschnappt haben und Rogue hatte sie in dem Glauben lassen wollen. Das war so süß, dass Sting aufpassen musste, nicht ins Schwärmen zu geraten.

„Toll, Fro, was willst du dir denn davon kaufen?“, wandte er sich wieder an seine Tochter, die ihm daraufhin ein noch breiteres Lächeln schenkte.

Allein das genügte schon, um Sting das Herz zu erwärmen, aber bei ihrer Antwort schoss ihm vor Rührung und Freude das Blut in die Wangen: „Ein Hochscheitsgeschenk für dich und Papi!“

Die Sache mit den Schimpfwörtern

„Fick dich!“

Überrascht blickte Sting von den Klaviertasten auf, über die bis eben noch Froschs kleine Finger getanzt waren, um eines der Übungsstücke zu spielen, die Sting für sie aus seinen Notenbüchern heraus gekramt hatte. Sein Blick wanderte zu Lector, der auf dem Teppich am Couchtisch saß und bis eben noch Hausaufgaben gemacht hatte. Jetzt schob er das Schreibheft mit düsterer Miene von sich und verließ dann schnurstracks das Wohnzimmer, um in seinem Zimmer zu verschwinden.

Auf der Couch saß Rogue, der sein Buch sinken gelassen hatte, die Stirn missbilligend gerunzelt, der Blick auf die offene Wohnzimmertür geheftet. Sogar Minnie schien die veränderte Stimmung zu bemerken, denn sie fiepte leise und legte ihren Kopf zwischen die Pfoten, obwohl sie vorher so vehement um Rogues Aufmerksamkeit gebuhlt hatte.

„Papa, was heißt das, was Lector da gerade gesagt hat?“, fragte Frosch arglos, die sich ebenfalls vom Klavier abgewandt hatte.

Beinahe hätte Sting über Rogues finstere Miene gelacht, wenn es ihn nicht selbst so gewurmt hätte, dass seine sechsjährige Tochter bereits mit solch unflätigen Ausdrücken in Kontakt kam. Sicherlich, heute warfen Kinder bedenkenlos mit so etwas um sich, einfach weil es viel zu viele Möglichkeiten gab, wobei man so etwas aufschnappen konnte. Oftmals hatte Sting den Eindruck, dass die meisten Kinder diese Schimpfworte nur nachplapperten, ohne ihren Sinn zu verstehen, geschweige denn zu hinterfragen.

Lector allerdings war in solchen Dingen bisher immer ein sehr skeptischer Zeitgenosse gewesen. Er kam nur selten gut mit seinen Altersgenossen zurecht. Freunde hatte er nur in seinem Basketballverein. Dementsprechend hinterfragte er solche Phrasen normalerweise oder ließ sie sich von seinen Vätern erklären. Das schlimmste Wort, mit dem er bisher um die Ecke gekommen war, war Schlampe gewesen, aber da hatte Lector seine Väter abgefangen, als Frosch schon im Bett gelegen hatte, um sie nach der Bedeutung zu fragen.

Als Rogue sein Buch beiseite legte, wandte Sting sich eilig an seine Tochter, um den Schaden zu begrenzen. Sanft strich er über ihre grünen Haare, die heute zu einem schlichten Pferdeschwanz hochgebunden waren – immer noch ihre Lieblingsfrisur, weil sie wohl so gerne im Partnerlook mit Rogue ging. „So etwas sagt man nicht, Fro. Das war ein Schimpfwort und du kannst wirklich Ärger kriegen, wenn die falschen Leute so etwas hören.“

Die arglos verwirrte Miene seiner Tochter brachte Sting ganz schön ins Schwitzen. Unter keinen Umständen wollte er seine Tochter jetzt schon darüber aufklären, was die eigentliche Bedeutung dessen war, was Lector gerade gesagt hatte. Eigentlich hoffte er sogar, dass auch Lector nicht darüber Bescheid wusste – zum Teufel noch mal, mit acht Jahren war der Junge viel zu jung für sexuelle Aufklärung!

„Werden die Leute dann böse auf Frosch?“

Am liebsten hätte Sting sich irgendwo versteckt. Wieso musste Frosch auf ihre niedliche Art eigentlich so komplizierte Fragen stellen? Wurde jemand böse, wenn man unbestimmt Fick dich in den Raum warf? Wohl eher wenige. Aber einige könnten an so etwas Anstoß nehmen, den Kindern daraufhin dumme Predigten halten oder sie ohne Erklärung bestrafen und dann Sting und Rogue in den Ohren liegen, was für verantwortungslose Väter sie doch wären – homophobische Andeutungen inklusive. Sting wollte das sich und seinem Mann, vor allem aber seinen Kindern ersparen.

„Einige Leute denken dann, du wärst unartig“, versucht Sting es vorsichtig und behielt Rogue im Auge, der nach Lectors Schreibheft griff. „Einige sind vielleicht auch beleidigt. Die Lehrer könnten dich dafür bestrafen. Sag' so etwas lieber nicht, verstanden?“

„Und warum hat Lector das dann gesagt?“, fragte Frosch, nachdem sie artig genickt hatte.

„Er ist frustriert“, meldete Rogue sich endlich zu Wort. Zu Stings Erleichterung war seine Miene nicht mehr finster, stattdessen lag ein Hauch von Sorge darin. Er stand mit dem Schreibheft auf. Als Minnie ebenfalls aufsprang, kraulte er sie besänftigend hinterm Ohr, ehe er ihr bedeutete, zu ihrem Korb zu gehen, was sie auch sofort bereitwillig tat. Dafür dass er vorher so gut wie gar keine Erfahrungen mit Hunden gehabt hatte, kam er erstaunlich gut mit Minnie zurecht. Aus irgendeinem Grund hatte die Hündin einen Narren an ihm gefressen, dabei war Rogue auch derjenige, der am strengsten zu ihr war.

„Frosch, spiel' noch ein bisschen, dein Vater und ich müssen mit Lector reden.“

„Seid ihr böse auf Lector?“, fragte Frosch und ihre Stirn legte sich in winzige Falten. Wenn es darum ging, Lector in Schutz zu nehmen, war Frosch überraschend hartnäckig und eigenwillig. Auch wenn sie schon seit drei Jahren bei Sting und Rogue lebten, an ihrem engen Geschwisterverhältnis hatte sich nie etwas geändert – es war höchstens noch stärker geworden.

„Nein, Frosch, wir wollen Lector helfen“, erklärte Rogue und kam zum Klavier, um sich zu Frosch herunter zu beugen und ihr einen Kuss auf die Stirn zu geben. „Und wir werden ihm vernünftig erklären, warum er so etwas auch dann nicht sagen darf, wenn er frustriert ist. Keine Sorge, wir schimpfen nicht mit ihm.“

Nur kurz blickte Frosch zwischen ihren Vätern hin und her, dann nickte sie gutmütig, rutschte aber vom Klavierhocker, um stattdessen mit Minnie zu kuscheln. Schwanz wedelnd stupste diese das Mädchen mit der Nase an und rieb ihren Kopf an Froschs Bauch.

In dem Wissen, dass Frosch bei Minnie in guten Händen – oder vielmehr Pfoten – war, folgte Sting seinem Mann in Lectors Zimmer. Wie so oft lagen auf dem Boden alle möglichen und unmöglichen Sachen herum. Dabei hatte der Junge weder übermäßig viele Spielsachen, noch war es so, dass er keinen Platz hatte, um eben diese ordentlich zu verstauen, aber Lector hatte diese Eigenart, seine Sachen einfach dort fallen so lassen, wo er gerade stand, wenn er sie nicht mehr brauchte.

Sein Ranzen lag umgekippt neben dem Schreibtisch, daneben verteilten sich mehrere Schulbücher und -hefte. Über dem Stuhl und darum am Boden verteilt lagen Klamotten. Ein paar Zauberwürfel in verschiedenen Varianten verteilten sich durch den halben Raum und die halb gepackte Sporttasche stand am Fußende des Bettes, daneben ein Basketball, handsigniert von der gesamten Mannschaft der Basket Dragons – den Ball hatte Lector bei einer Verlosung gewonnen.

Lector lag im Bett, die Decke so weit über sich gezogen, dass nur sein rotbrauner Haarschopf hervor lugte. Er machte einen furchtbar verlorenen und verletzlichen Eindruck. So hatte Sting ihn seit sehr langer Zeit nicht mehr gesehen und es schnitt ihm genau wie damals ins Herz.

Darauf achtend, dass sie sich nichts eintraten, gingen Sting und Rogue gemeinsam zum Bett und setzten sich auf dessen Kante. Als Sting vorsichtig versuchte, die Decke weg zu ziehen, klammerte Lector sich geradezu krampfhaft daran fest und rutschte sogar von seinen Vätern weg.

„Lec, wir wollen nur mit dir reden“, versuchte Sting es mit Worten.

„Lasst mich in Ruhe“, murmelte Lector gedämpft. Seine Stimme klang gequält, was Stings Herz zusammen presste.

Fragend blickte er zu Rogue, der ihm das Schreibheft gab und dann weiter vor rutschte, um durch Lectors Haare streichen zu können. Zuerst versuchte Lector, der Hand auszuweichen, aber als Rogue nach rückte, gab er es auf. Sein schlaksiger Körper erzitterte unter der Decke und dann konnte Sting ihn leise weinen hören.

Schwer schluckend blickte er auf das Heft hinunter. Auf der aktuellen Seite stand immer nur ein einziges Wort: Mädchen. Die gesamte Seite war auf allen Zeilen vollständig mit diesem einen Wort gefüllt. Die davor ebenfalls. Es war deutlich zu sehen, dass Lector am Anfang tatsächlich eine Verbesserung zustande gebracht hatte, aber auf der zweiten Seite wurde sein Schrift krakelig, mitunter fast vollkommen unleserlich, und es schlichen sich immer mehr Fehler ein. Mal fehlten die Ä-Punkte, mal wurde aus dem Ä ein E, mal war das M klein geschrieben oder das N verschwunden.

Sting blätterte weiter vor und erkannte, dass ein kurzes Übungsdiktat geschrieben worden war. Im Grunde hatte Lector dabei gar nicht so viele Fehler gemacht, auch wenn seine Schrift sehr unsauber war, dennoch hatte der Lehrer mit dem Rotstift viele überkritische Bemerkungen an den Rand geschrieben und als Hausaufgabe mehrere Wörter aufgelistet, die jeweils zweiseitig zu wiederholen seien. Insgesamt sechs Wörter. Das machte zwölf Seiten. Bei einem Achtjährigen...

Sting warf das Schreibheft beiseite und zog den immer noch weinenden Lector samt Decke zu sich. Rogue rutschte näher und schließlich lag Lector so halb auf ihren beiden Schößen und versuchte, seine Tränen fortzuwischen.

„Warum hast du uns nicht gesagt, dass du so viele Aufgaben bekommen hast?“, fragte Rogue sanft.

Lector presste die Lippen zusammen und wich ihren Blicken aus. Sein Körper zitterte in Stings Armen und dann schniefte er wieder.

„Ich wollte nicht, dass ihr denkt, dass ich dumm bin...“, krächzte er heiser.

„Das würden wir niemals denken, Lec“, begehrte Sting auf und wollte seinen Sohn enger an sich ziehen, aber Rogues ruhige Hand auf seiner Schulter brachte ihn zur Besinnung. Es half nicht, den Jungen zu bedrängen.

„Lector, wie kommst du auf so etwas? Du weißt doch, dass du immer zu uns kommen kannst“, sagte Rogue und legte seine Hand nun auf Lectors Knie.

„Mister Yuri hat gesagt, dass ich dumm bin“, schniefte Lector und zog sich die Decke wieder übers Gesicht.

Sting versteifte sich. Von diesem Yuri hatte er nun schon so einiges gehört. Der wäre auch beinahe Froschs Klassenlehrer geworden, wenn Sting und Rogue sich nicht vehement dagegen eingesetzt hätten. Dass Lector dieses Fossil in Fiorianisch hatte, hatten sie leider nicht verhindern können. Auch so hatten sie sich bei der Schulleitung bereits ganz schön unbeliebt gemacht. Bislang war es aber noch nie zu einem derartigen Vorfall gekommen. Sting trieb es vor Wut beinahe die Galle hoch.

Erst als Rogue Lector zu sich auf den Schoß zog, rief Sting sich zur Ordnung. Mit seiner Wut konnte er seinem Sohn jetzt auch nicht helfen, schalt er sich. Schuldbewusst beobachtete er, wie Rogue die Arme fest um Lector schlang und sich mit diesem leicht hin und her wiegte. Irgendwann ließ der Junge die Decke los und klammerte sich an Rogue, das Gesicht nun in dessen Pullover vergraben, um die Schluchzer zu unterdrücken.

Vorsichtig rutschte Sting näher an die Beiden heran und strich durch Lectors Haare, seine Schulter an Rogues gelehnt, um etwas von seiner Ruhe zu erhaschen. Als Lector sich endlich etwas beruhigt hatte, zog Rogue sein Gesicht am Kinn vorsichtig vom Pullover weg, damit Lector einem von ihnen in die Augen blicken konnte.

„Du bist nicht dumm. Du bist in der Schule, um zu lernen. Zum Lernen gehören Fehler. Wir haben auch Fehler gemacht. Dein Lehrer hat als Schüler auch Fehler gemacht. Und es war ein Fehler von ihm, dich als dumm zu bezeichnen und dir diese übertriebene Strafarbeit aufzugeben.“

Lector schniefte wieder lautstark, aber Sting konnte spüren, wie sein Sohn sich endlich etwas entspannte. Rogues Worte waren zu ihm durchgedrungen. Sting war heilfroh, dass sein Mann so viel besser mit Worten war!

Vorsichtig drückte Rogue ihm Lector in die Arme und verließ das Kinderzimmer. Liebevoll schloss Sting die Arme um den Jungen und lehnte sich mit ihm an die Wand. Matt kuschelte Lector sich an ihn und Sting strich ihm immer wieder beruhigend durch die ohnehin schon wirren Haare.

„Wo hast du eigentlich dieses Schimpfwort gelernt?“, unterbrach er die Stille schließlich.

In seinen Armen rührte Lector sich unsicher und er zögerte mit der Antwort. „Als ich bei Tante Mi in der Kaserne war, hat das einer der Soldaten gesagt“, erklärte Lector schließlich nuschelnd. „Tante Mi ist deshalb böse geworden und hat dem Soldaten richtig Angst gemacht.“

Nur mit Mühe konnte Sting sich ein Grinsen verkneifen. Gerade die Schwarzhaarige hatte wahrscheinlich mehr Schimpfwörter auf dem Kasten als irgendjemand sonst in Stings Freundes- und Bekanntenkreis, aber wenn es um ihre Patenkinder ging, war sie schon immer ein Softie gewesen – und gleichzeitig so etwas wie eine Löwenmutter, mit Laserblicken und Feuer speiend und größer als Godzilla, keiner würde sich jemals mit ihr anlegen, wenn sie sich für Lector und Frosch einsetzte.

„Hat sie dir auch erklärt, dass man so etwas nicht sagt?“, fragte er, als er sicher sein konnte, sich wieder im Griff zu haben.

„Ja, hat sie… Aber als ich diese doofen Aufgaben gemacht habe…“

Seufzend schloss Sting seinen Sohn noch fester in die Arme und drückte sein Gesicht in die rotbraunen Haare. „Du warst frustriert, das kann ich gut verstehen. Aber versuch’ so was nicht noch mal in Fros Gegenwart zu sagen, ja?“

Wortlos nickte Lector und hob eine Hand, um sich die Tränen fort zu wischen, ehe er zaghaft aufblickte. „Ihr seid wirklich nicht böse?“

Unwillkürlich musste Sting daran denken, wie Lector ihm genau dieselbe Frage vor drei Jahren gestellt hatte, nachdem Frosch in ihrer ersten Nacht bei ihnen ins Bett gemacht hatte. Damals hatte Lector Angst um Frosch gehabt, sein ganzes Denken hatte sich nur darum gedreht, sie zu beschützen. Eine viel zu große Aufgabe für einen Fünfjährigen, aber er hatte sie dennoch auf sich genommen. Jetzt jedoch war Lectors Angst anderer Natur und Sting begriff, wie wichtig es seinem Sohn war, dass er und Rogue nicht schlecht von ihm dachten. Lector wollte ihnen ein guter Sohn sein. Dieser kleine Dummkopf. Das war er doch schon immer gewesen!

„Niemals“, erklärte Sting voller Inbrunst. „Manchmal müssen wir streng sein, damit du und Fro etwas Wichtiges versteht, aber wir werden euch niemals böse sein. Und wenn du denkst, dass wir es sind, dann frag’ uns lieber, damit wir es dir erklären können. Abgemacht?“

Erleichterung breitete sich auf Lectors jungen Zügen aus und er nickte hastig, ehe er sich wieder an seinen Vater kuschelte.

So eng umschlungen verblieben sie schweigend, bis Rogue mit einem Tablett mit vier dampfenden Tassen ins Zimmer kam, aus denen es himmlisch nach Schokolade duftete. Frosch und Minnie folgten ihm, in Froschs Hand eine Packung mit Lectors Lieblingskeksen. In ihren großen Augen stand eine besorgte Frage, aber als sie aufs Bett kletterte und ihren Bruder umarmte, erwiderte dieser die Geste einfach nur dankbar und Frosch entspannte sich wieder.

Zu viert machten sie es sich auf dem Bett bequem und Sting war froh, dass Lector damals auf ein großes Bett bestanden hatte statt auf eines in seiner Größe. Ein Kinderbett hätte ihr gemeinsames Gewicht wohl nicht halten können. Als sie alle bequem saßen, sprang Minnie auf eine freie Stelle und rollte sich zusammen, um ihre Schnauze dann auf Lectors Schoß zu legen und gutmütig zu ihm aufzublicken. In Anbetracht der Umstände verzichtete Rogue darauf, die Hündin wieder zu Boden zu schicken.

„Ich werde morgen mit Mister Yuri und dem Schuldirektor reden“, erklärte Rogue, nachdem er alle Tassen verteilt hatte. Sting verkniff sich ein Grinsen. Die Pädagogen würden morgen nichts zu lachen haben. Wenn es um die Kinder ging, konnte Rogue wirklich gruselig werden. Und selbst in seiner Wut war Rogue vernünftig genug, dass ihm niemand widersprechen konnte. In der Hinsicht war er seinem hitzköpfigen Partner um Längen voraus.

„Danke“, nuschelte Lector in seine Tasse und lehnte sich wieder gegen Sting. „Ihr seid die besten Papas der Welt.“

„Frosch denkt das auch!“

Die Sache mit der Trauer

Die Musik dröhnte über das Eis und vermischte sich mit dem Stimmengewirr der vielen Menschen, die sich in der großen Eishalle tummelten – die meisten auf dem Eis, doch viele auch an den Fressbuden, die sich an den Längsseiten aufreihten. Die Gerüche von Glühwein, gebratenen Äpfeln und gebrannten Mandeln lagen in der Luft und vermittelten zusammen mit den eisigen Temperaturen, die den Eisgeneratoren zu verdanken waren, und dem Kunstschnee, der zuweilen von der Decke rieselte, eine weihnachtliche Atmosphäre. Dabei war es Ende Februar und draußen gab es nicht einmal mehr Schneematsch. Beinahe wirkte die Eishalle wie eine Zeitblase.

Und Frosch liebte es. Lachend schlitterte sie auf ihren Schlittschuhen über das Eis, mit Argusaugen überwacht von ihrer Patentante Yukino und ihrem Onkel Rufus, die sich nie mehr als einen Meter von ihr entfernten und mit ihr immer dorthin strebten, wo am wenigsten los war.

Ihr Bruder raste übermütig mit Orga durch das Gewühl. Seine Knie und sein Hintern waren weiß, weil er sich schon mehrmals lang gelegt hatte, aber er war jedes Mal sofort wieder aufgestanden und hatte von Ohr zu Ohr grinsend weiter gemacht.

Sting war heilfroh, dass seine drei Freunde Zeit gehabt hatten, um mit ihnen hierher zu kommen. Minerva wäre auch gekommen – wenn auch nur, um von der Bande aus zu zusehen –, aber sie musste arbeiten. Genauso wie Loke, im Zodiac Kitchen war durch Grippe bedingten Personalmangel momentan die Hölle los. Da konnte man nichts machen. Bei so einer großen Gruppe war es ganz normal, dass nicht immer alle zur gleichen Zeit konnten.

Was Sting jedoch die Laune verdarb, war die Abwesenheit seiner Cousine Lucy. Als er sie angerufen hatte – und sie nach dem fünften Versuch auch endlich mal erreicht hatte –, hatte sie ihn kurz angebunden abgewimmelt. Sie müsste noch einen Artikel fertig schreiben und an dem Konzept für die nächste Ausgabe des Magnolian History & Today arbeiten. Ihre Stimme hatte matt und monoton geklungen und es war Sting schwer gefallen, bei dieser Stimme überhaupt an Lucy zu denken.

Seine Lucy… seine kleine Cousine, die ihm so teuer wie eine Schwester war… Sie waren von Kindesbeinen an zusammen gewesen. Es gab Bilder, auf denen er als Einjähriger Lucy als Baby fest in den Armen hielt und seine Wange an ihre drückte. Als Kleinkinder waren sie von ihren Müttern oft im Partnerlook gekleidet worden. In der Grundschule hatten sie den Lehrern gemeinsam Streiche gespielt und einander zu allerlei Abenteuern angestiftet. Sting hatte mal einen Jungen geschlagen, der Lucy an den Haaren gezogen hatte. Lucy wiederum hatte damals, als Sting Rogues wegen so durch den Wind gewesen war, Stunden lang mit ihm telefoniert und ihm immer geduldig zugehört und genau die richtigen Nachfragen gestellt. Sie hatte eine Engelsgeduld mit ihm gehabt und sie war fast ausgeflippt vor Freude, als Sting ihr erzählt hatte, dass er endlich mit Rogue zusammen war…

Diese Lucy hatte Schlittschuhlaufen geliebt. Diese Lucy war ein Wirbelwind gewesen. Immer in Bewegung, immer voller Leben und Abenteuerlust und Freude. Sie hatte alle um sich herum mit ihrer Begeisterung angesteckt und die Leute hatten sich reihenweise nach ihr umgesehen, weil sie so eine umwerfende Ausstrahlung gehabt hatte.

Und diese Lucy hätte ihre Arbeit einfach verschoben im guten Glauben daran, dass sie das auch später noch rechtzeitig schaffen konnte, um die Gelegenheit zu nutzen, Zeit mit ihren Freunden zu verbringen. Diese Lucy würde jetzt Frosch Tipps geben oder sich mit Lector und Orga ein Wettlaufen liefern oder Yukino über das Eheleben aushorchen…

Vor allem aber hätte diese Lucy ihren Cousin vor zwei Wochen niemals so harsch angefahren, als er an ihrem Geburtstag versucht hatte, sie zu einer Party zu überreden. Zwar hatte sie sich danach sofort entschuldigt, aber ihr Blick hatte unmissverständlich klar gemacht, dass sie sich nicht einmal zu einem gemütlichen Beisammensein mit den Freunden überreden lassen würde.

Die Lucy von damals und die Lucy von heute waren zwei grundverschiedene Personen – und obwohl er wusste, dass er alles in seiner Macht stehende getan hatte, um diese Spaltung zu verhindern, fühlte Sting sich doch schuldig. Ihm war danach zumute, einfach nach Hause zu gehen, sich ins Bett zu verkriechen und diesen Scheißtag an sich vorüber ziehen zu lassen. Jedes Mal, wenn eines der Kinder zu ihm herüber sah, musste er sich krampfhaft zu einem Lächeln zwingen. Zum Glück hatten Rogue und die Anderen schnell geschaltet, als sie mitbekommen hatten, wie Stings Telefonat mit Lucy ausgegangen war, und sich gleich die Kinder geschnappt, um Sting die Gelegenheit zu geben, sich wieder zu fangen.

Jetzt saß er schon zwei Stunden auf der Bank, seine Schlittschuhe lagen unbeachtet neben ihm und er fühlte sich mit jeder Minute miserabler.

Als sich zwei Hände von hinten auf seine Schultern legten, zuckte er überrascht zusammen. Am Druck der Hände erkannte er jedoch sofort, wer da hinter ihm stand. Diese Hände hätte er jederzeit und überall wieder erkannt. Als er den Kopf in den Nacken legte, blickte er zu den roten Augen seines Mannes auf. Unverhohlene Sorge lag in ihnen. Eine der Hände legte sich an Stings Wange und strich sanft darüber – und ganz automatisch lehnte Sting sich Trost suchend an diese Hand.

„Lass’ uns raus gehen“, sagte Rogue mit gedämpfter Stimme.

„Aber die Kinder…“

„Ich habe mit Rufus gesprochen. Sie passen auf die Kinder auf“, erklärte der Schwarzhaarige und zog seine Hand wieder von Stings Wange, um ihn von der Bank zu schieben.

Schuldbewusst blickte Sting zum Eis, wo seine Kinder sich noch immer vergnügten, doch er protestierte nicht, als Rogue seine Hand ergriff und ihn an den anderen Bänken vorbei zum Ausgang zog. Sie hatten Tagestickets, also konnten sie nachher auch problemlos wieder rein kommen.

Draußen wandte Rogue sich nach links, fort von den Parkplätzen und der dicht befahrenen Straße. Hinter der Eishalle lag ein kleiner, verwilderter Park, der aufgrund des leichten Nieselregens, der schon den ganzen Tag anhielt, wie ausgestorben war. Als er sicher sein konnte, dass sie alleine waren, blieb Rogue stehen und drehte sich zu seinem Mann herum.

Hilflos stand Sting vor ihm und rang mit den Händen. Er wollte sich nicht so gehen lassen. Das mit Lucy war nichts Neues. Daran hatten sie alle zu knabbern. Sogar Lector und Frosch hatten das schon bemerkt. Die Tante Lu, die ihnen tolle, ausgefallene Geschenke besorgte und mit ihnen Brett- und Kartenspiele spielte oder mit Frosch malte, war eine Rarität geworden. Die Kinder konnten sich aber sehr wohl daran erinnern und sie vermissten diese Tante Lu von ganzem Herzen. So wie Yukino und Loke ihre Freundin vermissten, die ihnen so viele Schubse gegeben hatte.

„Lass’ es einfach raus“, sagte Rogue leise und schlang die Arme um Sting. „Du frisst das schon seit zwei Wochen in dich hinein.“

Ganz unwillkürlich lachte Sting gequält auf. „Ich fresse das schon seit fünf Jahren in mich hinein, Rogue!“

„Ich weiß.“

„Seit fünf verdammten Jahren!“ Stings Stimme drohte auf einmal über zu schnappen. „Seit dieser verdammten Diagnose! Das ist, als hätte ich damals gleich zwei Familienmitglieder verloren!“

„Ich weiß.“

„Sie war meine beste Freundin. Wie eine Schwester! Sie hat so viel für mich getan, sie hat Wochen lang bei mir übernachtet, als Ma gestorben ist!“

„Ich weiß.“

„Ich verliere sie“, krächzte Sting und sein Körper begann zu zittern. „Ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Sie geht vor meinen Augen ein und egal, was ich auch versuche, es ändert sich nicht das Geringste…“

„Ich weiß…“

„Ich will sie nicht verlieren.“ Stings Körper wurde von einem Schluchzer gebeutelt, den er mühsam zu unterdrücken suchte. Er wollte sich nicht so gehen lassen. Er war nicht derjenige, dem es so schlecht ging. Er war derjenige, der etwas unternehmen müsste.

Wortlos zog Rogue ihn noch fester an sich und blickte unablässig in seine Augen. Auf einmal ging Sting auf, dass auch Rogue drohte, eine Freundin zu verlieren. Lucy hatte sich in ihren Freundeskreis integriert, war sogar ganz bewusst nach Magnolia gezogen, um dort zu studieren und in der Nähe ihrer neuen Freunde zu sein. Das hier war nicht bloß Stings Problem. Es war ihrer aller Problem.

Der Gedanke war das Tröpfchen, welches das Fass zum Überlaufen brachte. Schluchzend drückte Sting sein Gesicht auf Rogues Schulter und ergab sich seinen Tränen. Es war sogar noch schlimmer als vor fünf Jahren, als die ganze Sache ihren Anfang genommen hatte. Damals war ihm ja auch noch nicht klar gewesen, was für weitreichende Folgen die ganze Sache haben würde. Damals war er zuallererst geschockt gewesen.

Heute jedoch trauerte er.

Um seine Tante. Um seine Cousine. Und um all das, was er und alle Anderen mit ihnen zu verlieren drohten…

Die Sache mit Lucy

Lucy saß bereits im Café, als Rogue durch die Tür trat. Sie hatte sich einen ruhigen Tisch in der Ecke gesucht und arbeitete auf ihrem Tablet. Es verwunderte Rogue nicht, dass sie überpünktlich war. Zwar hatte sie sich am Telefon sehr widerwillig gezeigt, als er ihr erklärt hatte, dass er mit ihr reden musste, aber er hatte dennoch darauf beharrt. Und Lucy war zwar früher die Abenteuerlust in Person gewesen, aber einen Hang zur Unpünktlichkeit hatte sie noch nie besessen. Eher ganz im Gegenteil.

Wie immer sah Lucy perfekt aus. Ihre Haare waren zu einer perfekten Banane frisiert, bei der jede Strähne makellos saß. Die weiße Bluse und der schwarze Nadelstreifenrock waren vollkommen frei von jedweden Fusseln oder Krümeln oder Falten. Die Füße steckten in Schuhen mit hohen Absätzen, die auf Hochglanz poliert waren. Das Gesicht war dezent geschminkt.

Früher hatte Lucy ihre Haare zumeist offen getragen, lockere, luftige Kleider bevorzugt und bequeme Sneakers, mit denen sie schnell rennen konnte. Make up hatte sie nur zu besonderen Anlässen aufgetragen.

Ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Rogue wusste genau, welche Lucy er bevorzugte.

Vorsichtig schlängelte er sich durch die am Eingangsbereich dichter stehenden Tische und zog sich unterwegs bereits die Jacke aus, die er schon draußen geöffnet hatte. Für Mitte März war es bereits ungewöhnlich warm draußen. Regelmäßig musste Rogue deshalb aufpassen, dass sein Sohn sich nicht dazu hinreißen ließ, sich zu dünn anzuziehen.

Als er sich ihr gegenüber nieder ließ, blickte Lucy flüchtig von ihrem Tablet auf, nur um dann sofort weiter den Text zu studieren. Sie hob den Zeigefinger der linken Hand und markierte mit dem rechten Zeigefinger etwas am Text, tippte noch eine schnelle Notiz dazu und schloss erst dann das Dokument. Missbilligend, aber wortlos wartete Rogue ab.

Bevor Lucy das Wort erheben konnte, trat eine Kellnerin heran, um Rogues Bestellung aufzunehmen – vor Lucy stand bereits eine unberührte, erkaltete Tasse Cappuccino. Rogue bestellte einen normalen Kaffee und wandte sich dann der Cousine seines Mannes zu.

Aus der Nähe wirkte sie irgendwie alt auf ihn. Nicht wie Ende Zwanzig, sondern eher wie Ende Dreißig. In ihr Gesicht hatte sich eine Müdigkeit gegraben, die wenig mit Lucys körperlicher Konstitution zu tun hatte – obwohl Rogue sich sicher war, dass es um diese auch nicht gut bestellt war. Sie war blasser als früher. Und ihre großen, braunen Augen waren matt und kühl. Das Funkeln von früher war völlig daraus verschwunden.

„Also, warum mussten wir uns unbedingt treffen? Ich muss noch einiges erledigen, weißt du?“ Erklärend deutete Lucy auf ihr Tablet.

„Jeder von uns hat seinen Job“, erwiderte Rogue bewusst kühl.

Lucy blinzelte verblüfft, dann kräuselte sich ihre Stirn für ein verärgertes Runzeln. „Nicht jeder leitet ein eigenes Magazin.“

Das Auftauchen der Kellnerin hinderte Rogue daran, sofort zu antworten. Sie stellte ihm den Kaffee hin und schenkte ihm dabei ein ausgesucht charmantes Lächeln, das ihn wieder einmal mit dem Gedanken spielen ließ, seinen Ehering doch so langsam mal an der Hand zu tragen.

Erst als die Frau wieder außer Hörweite war, ergriff er das Wort: „Du leitest dieses Magazin vielleicht, aber die Wahrheit ist doch, dass du dich nur allzu gerne hinter diesem Vorwand versteckst.“

„Was soll das denn heißen?“, fragte Lucy und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust.

Rogue war sich bewusst, wie sehr er Lucy damit provozierte, aber wenn er ehrlich war, war er allmählich an einem Punkt angekommen, an dem ihm das beinahe schon egal war. Seit Sting an diesem Tag in der Eishalle Lucys wegen in Tränen ausgebrochen war, stand für ihn fest, dass Lucy es nicht mehr verdient hatte, mit Samthandschuhen angefasst zu werden.

„Das soll heißen, dass du übertreibst. Du hattest fünf Jahre Zeit, um dich endlich mit deiner Situation auseinander zu setzen, und was hast du daraus gemacht? Du bist ein Workaholic, redest nicht mehr mit deinem Vater und schiebst deine Freunde auf die lange Bank.“

Lucy schnappte hörbar nach Luft und ihre braunen Augen weiteten sich. Für einen Moment entglitten ihr sogar die Gesichtszüge und die Verletztheit war ihr ganz deutlich anzusehen. Doch dann straffte sie gleich wieder die Schultern und hob die Nase an – eine Geste, die sie sich auch erst in den letzten fünf Jahren angewohnt hatte.

„Es ist meine Sache, wie ich damit umgehe.“

„Nicht, wenn du demjenigen, der sich so sehr für dich einsetzt, immer wieder derartig vor den Kopf stößt“, erwiderte Rogue schärfer als beabsichtigt.

Am Abend nach der Sache in der Eishalle hatte Sting keinerlei Appetit gehabt und sich sofort nach dem Essen schlafen gelegt. Bestürzt war Frosch ihm gefolgt und hatte versucht, ihren Vater zu trösten. Leider war Sting so emotional gewesen, dass er ob dieser Zuwendung erneut in Tränen ausgebrochen war, was wiederum Frosch zum Weinen gebracht hatte. Am Ende hatten Rogue und Lector sich gemeinschaftlich um ihre anderen beiden Familienmitglieder kümmern müssen. In dieser Nacht hatte Rogue eine Ausnahme gemacht und die Kinder seit Langem mal wieder bei ihm und Sting im Bett schlafen lassen.

Zwar hatte Sting sich mittlerweile wieder gefasst, aber er hatte Lucy seitdem mit keiner Silbe erwähnt, was schon genug darüber verriet, wie sehr die Sache noch immer an ihm nagte.

„Daher weht der Wind also“, stellte Lucy kühl fest. „Meinst du nicht, dass Sting alt genug ist, um selber zu mir zu kommen, wenn er ein Problem hat?“

„Du weißt genauso gut wie ich, dass er das niemals tun würde, weil er dich nicht verlieren will“, sagte Rogue und jetzt fiel es ihm tatsächlich schwer, ein Zähneknirschen zu unterdrücken. „Du gehörst auch zu meiner Familie, Lucy, aber ich kann nicht länger einfach nur zu sehen, wie du alle um dich herum unglücklich machst.“

„Ich soll alle unglücklich machen? Soll das ein Witz sein?“ Lucys Stimme war nun zum Zerreißen gespannt und ihre braunen Augen hatten sich verengt.

„Wenn es nur so wäre.“ Rogue griff nach seiner Tasse, um seine Hände ruhig zu halten, und beugte sich dabei vor. „Du bist nicht die Einzige, die leidet. Eine Menge Leute versuchen immer wieder, dir zu helfen. Und gerade Sting könnte dir wirklich helfen. Er weiß, was es heißt, die eigene Mutter zu verlieren.“

Als Lucys Hand auf den Tisch knallte, unterbrachen die Leute am nächsten Tisch irritiert ihr Gespräch und blickten zu ihnen herüber. Die Blonde stand ruckartig auf und raffte ihre Sachen zusammen. „Das höre ich mir nicht länger an!“

„Du willst also schon wieder davor weg laufen? Davon verschwinden deine Probleme aber nicht“, erklärte Rogue und stand ebenfalls auf, um Lucy den Weg zu versperren.

Mit ihrem Mantel unter einem und der Aktentasche unter dem anderen Arm blieb Lucy mit Zorn blitzenden und zugleich verzweifelt-ängstlichen Augen direkt vor ihm stehen. „Rede nicht so, als würdest du verstehen, was ich durch mache! Du hast nicht den Hauch einer Ahnung davon, was es bedeutet, eine Mutter zu verlieren!“

Schroff schob Lucy sich an ihm vorbei und Rogue ließ sie einfach ziehen, blickte ihr nicht einmal hinterher, als er sich auf seinen Platz zurück sinken ließ und in seinen allmählich erkaltenden Kaffee starrte.

Ob beabsichtigt oder nicht, mit ihren Worten hatte Lucy ihn wirklich hart getroffen. Sie mochte Recht haben, dass er ihre und Stings Gefühle nicht nachvollziehen konnte, weil er ohne Mutter aufgewachsen war, aber das hieß nicht, dass er den Verlust nicht spürte. Er war mit der Gewissheit aufgewachsen, niemals die Stimme der Frau auf diesem Bild zu hören, das im Wohnzimmer seines Vaters an der Wand gehangen hatte und von dem ein Abzug nun in seinem eigenen Wohnzimmer hing. Das war ein anderer Schmerz als der, den Sting durchgemacht hatte und auch immer noch durchmachte, aber er war nicht weniger real.

Schon allein, weil er die Trauer seines Vaters mit zunehmendem Alter immer besser erkannt hatte. Skiadrum war unsterblich in seine Frau verliebt gewesen, ihr Leben war geradezu perfekt verlaufen, gute Jobaussichten, gemeinsame Wohnung, Hochzeit, Schwangerschaft, die Geburt des gemeinsamen Sohnes… und dann war Sophia von einem Tag auf den anderen krank geworden. Die Ärzte hatten nichts unversucht gelassen und Skiadrum war Tage lang nicht von der Seite seiner zunehmend schwächer werdenden Frau gewichen. Ein Teil von ihm war damals zusammen mit Sophia gestorben, das hatte Rogue irgendwann begriffen und das schnitt ihm auch heute noch ins Herz.

„Stimmt etwas nicht mit dem Kaffee?“

Langsam hob Rogue den Blick zu der Kellnerin, die etwas verunsichert neben ihm stand. Ihm fiel auf, dass sie versuchte, auf ihre Armbanduhr zu schielen. Wie lange saß er hier schon? Er hatte völlig sein Zeitgefühl verloren…

„Alles in Ordnung“, murmelte Rogue und klaubte irgendeinen Schein aus seiner Tasche, um ihn der Kellnerin zu geben, ehe er aufstand und nach seiner Jacke griff. Als die Kellnerin nach dem Wechselgeld angeln wollte, winkte er ab.

„Wirklich?“

Er zuckte nur mit den Schultern und verließ das Café ohne irgendeinen Gruß.
 

Irgendwann mitten in der Nacht spürte Rogue, wie Sting die Arme um ihn schlang und ihm einen Kuss in den Nacken drückte. Er hatte extra versucht, still liegen zu bleiben, damit wenigstens sein Mann schlafen konnte, wenn ihm selbst schon der Schlaf verwehrt blieb, aber er hätte sich denken können, dass Sting etwas bemerkte.

Seufzend drehte er sich um und drückte sein Gesicht in Stings Schlaf-Shirt. Er sagte kein Wort und Sting fragte auch nicht nach. Er drückte ihm einfach nur einen Kuss in die Haare und hielt ihn fest – und dafür war Rogue ihm unendlich dankbar.

Die Sache mit den Schildkröten

Wir haben einen Code Grün.

Rogue ächzte leise, als er diese SMS seines Mannes las, und ließ seinen Kaffeebecher wieder sinken, während Yukino ihm gegenüber von dem Flyer aufblickte, den sie sich aus der Auslage am Eingangsbereich der Bibliothek heraus gepickt hatte.

„Was ist los?“

„Ein Code Grün“, seufzte Rogue und massierte sich die Nasenwurzel. Er liebte seine Kinder abgöttisch, aber manchmal stellten sie ihn und seine Geduld eindeutig auf eine harte Probe.

Die Weißhaarige ihm gegenüber legte mitleidig lächelnd den Kopf schief. „Schon wieder? Der letzte ist doch kaum zwei Wochen her.“

„Es ist halt die Jahreszeit dafür“, brummte er und blickte aus dem kleinen Fenster des Pausenraums für die Bibliotheksmitarbeiter. Draußen herrschte strahlender Sonnenschein und Rogue wusste, dass ihn die Wärme wie ein Vorschlaghammer treffen würde, wenn er am späten Nachmittag aus dem immerkühlen Bibliotheksgebäude treten würde.

Er nahm endlich einen Schluck von seinem Kaffee und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Eigentlich hatte er gehofft, heute nach Feierabend ganz entspannt nach Hause laufen zu können. Mit Sting hatte er ausgemacht, dass er mit den Kindern fürs Wochenende einkaufen gehen würde, nachdem er sie von der Schule abgeholt hatte. Aber mit einem Code Grün war klar, dass Sting genug anderes um die Ohren hatte. Also würde Rogue doch selbst einkaufen müssen.

„Vielleicht ist es dieses Mal ja gar nicht so schlimm“, versuchte Yukino ihn zu trösten und tätschelte seine freie Hand.

Zur Antwort schnaubte Rogue leise, sagte jedoch nichts. Die letzten drei Male war schlimm noch gar kein Ausdruck für das gewesen, was bei einem Code Grün bei ihnen los war. Einmal hatten sie sogar mit Lector zum Kindarzt gehen müssen – und die Sprechstundenhilfe dort hatte nicht den Anstand gehabt, ihre urteilenden Blicke für sich zu behalten, als sie ihr erklärt hatten, was es mit ihrem außerplanmäßigen Besuch auf sich hatte. Ganz zu schweigen von all den Tränen seitens Frosch bei jedem einzelnen Mal.

„Ich bin so froh, wenn der Sommer endlich vorbei ist“, brummte er und griff wieder nach seinem Smartphone, um seinem Mann eine SMS zu schreiben, dass er die Einkäufe erledigen würde.

„Im Herbst könnten immer noch einige Igel…“

Yukino verstummte schuldbewusst grinsend, als Rogue ihr einen leidenden Blick zuwarf. Es war wirklich unfair, wie viel Spaß Stings und Rogues Freunde daran hatten, ihnen dabei zu zusehen, wie sie bei einem Code Grün jedes Mal ins Wirbeln gerieten. Nur einmal, wünschte Rogue sich, dass so ein Fall eintrat, während Yukino oder Minerva auf die Kinder aufpassten! Damit die Beiden einmal selbst erlebten, was das alles eigentlich bedeutete!

Eine weitere SMS seines Mannes ließ Rogue wieder auf das Smartphone hinunter blicken. Als er die wenigen Worte las, stöhnte er wieder und ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken.

„So schlimm dieses Mal?“, fragte Yukino und klang ausnahmsweise sogar wirklich mitleidig.

Seufzend wuchtete Rogue sich in die Höhe und nahm noch einen Schluck von seinem Kaffee, ehe er den Thermosbecher Yukino rüber schob, die ihn wieder mit ins Tarte au Stellar nehmen würde, wo der Kaffee tausendmal besser schmeckte als der aus dieser antiken Kaffeemaschine, die hier den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wurde.

„Ich muss vor dem Pausenende noch nach einem Buch über Landschildkröten suchen…“
 

Alles hatte vor zwei Jahren damit angefangen, dass Froschs Vorschulgruppe eine Waldwanderung unternommen hatte. Als einige Jungen eine Kröte eingefangen und mit zurück in die Stadt geschmuggelt hatten, ohne dass die Betreuer es mitbekommen hatten, hatte Frosch sich verpflichtet gesehen, das Tier zu befreien und mit nach Hause zu nehmen. Dort hatte sie dann ihren Vätern erklärt, dass die Kröte zurück in den Wald müsste, damit sie ihre Familie wieder finden konnte. Und so hatte Sting sich Rufus’ Wagen geliehen – das war dann auch der letzte Anstoß gewesen, der ihn und Rogue zur Anschaffung eines eigenen Familienwagens bewegt hatte – und war mit Frosch in der Abenddämmerung und bei Nieselregen in den Wald gefahren, wo sie zu Fuß noch mal eine halbe Stunde unterwegs gewesen waren, ehe Frosch endlich der Meinung gewesen war, den Lurch ruhigen Gewissens aussetzen zu können.

Seitdem war ihre Wohnung irgendwie so etwas wie eine Rettungsstelle für Kleintiere geworden. Seien es verletzte Vögel oder aus dem Nest gefallene Küken, verirrte Igel – die nervtötend umfangreiche und langwierige Flohbehandlung nach der ersten Igelrettung hatte Frosch zumindest davon Abstand nehmen lassen, einen Igel einfach mit nach Hause zu bringen –, weitere Lurche verschiedener Arten oder auch mal ein ganzes Vogelnest mit drei intakten Eiern. Irgendeine höhere Macht schien Spaß daran zu haben, diese hilfsbedürftigen Wesen Frosch zu zuführen, damit diese dann ihrer Berufung als Tierretterin nachkommen konnte.

Vor drei Monaten hatte sie sogar, als sie mit Lector und Rogue unterwegs gewesen war, mitten in der Stadt eine Ringelnatter entdeckt und war felsenfest davon überzeugt gewesen, das Tier einfangen und wenigstens in den nahen Park bringen zu müssen, damit es auf der Straße nicht überfahren wurde. Bevor Rogue damals hatte reagieren können, hatte Lector nach dem Reptil gegriffen und war prompt gebissen worden. Zum Glück waren Ringelnattern nicht giftig, aber dennoch hatten sie mit Lector zum Kinderarzt gehen müssen, um die Wunde richtig desinfizieren zu lassen und sicher zu gehen, dass es zu keiner Infektion gekommen war. Am liebsten wäre Sting damals mit seinem Sohn zu seiner Tante Grandine gegangen, aber die hatte sich von Skiadrum zu dieser Zeit erstmalig in einen Fernurlaub locken lassen und war nicht zur Hand gewesen. Letztendlich war Lector mit dem Schrecken und vier winzigen Narben davon gekommen, die man eigentlich nur erkannte, wenn man wusste, dass sie da waren, aber es war sowohl Lector als auch Frosch eine Lehre gewesen. Wenigstens etwas.

Mit der Zeit hatten Sting und Rogue eine eigene Sprache für diese Fälle entwickelt, die vor allem während der warmen Jahreszeit mindestens einmal im Monat auftraten. Je nach Schwere des Problems war es manchmal damit getan, das betreffende Tier einfach so schnell wie möglich an einem sicheren Ort wieder auszusetzen, um Frosch zufrieden zu stellen, aber manchmal blieb ihnen wirklich nichts anderes übrig, als zum Tierarzt zu gehen. Mittlerweile wurden sie dort schon mit Namen begrüßt – dabei waren sie vorher mit Minnie nur für die routinemäßigen Impfungen, Entwurmungen und Untersuchungen da gewesen – und einer der beiden praxisleitenden Tierärzte kümmerte sich sogar pro bono um die Fundtiere.

Wenn sie Glück hatten, konnten sie verletzte Vögel oder Küken einfach an eine Auffangstation weiter reichen – was sie aber auch erst erfahren hatten, nachdem sie das erste Mal einen Spatz aufgepäppelt haben, nur um dann halb daran zu verzweifeln, dass der dankbare Vogel Wochen lang vor ihrem Wohnzimmerfenster gesessen und sich durchfüttern lassen hatte, statt das zu tun, was alle Spatzen taten und was nicht für unschuldige Kinderohren bestimmt war. Am Tag, als der Spatz endlich verschwunden war, hatte Sting im Innenhof eine Katze beobachtet, die sich sehr ausgiebig das Maul geleckt hatte, aber seinen darauf fußenden Verdacht hatte er wohlwissentlich nie mit den Kindern geteilt.

Ein wirklich kritischer Fall waren die drei Amseleier gewesen, die ihnen vor sechs Wochen im wahrsten Sinne des Wortes vor die Füße gefallen waren. Nachdem alle Versuche, das Nest wieder im Baum anzubringen, damit sich die Elternvögel wieder darum kümmerten, gescheitert waren, hatte Frosch darauf bestanden, dass die Eier dennoch ausgebrütet werden mussten. Die Auffangstation, an die sie sich sonst immer wenden konnten, hatte ihnen erklärt, dass man wegen Amseln nicht einen solchen Aufwand betreiben würde. Also hatten Sting und Rogue vor der Wahl gestanden, entweder so zu tun, als würden sie die Eier zu einer Auffangstation bringen, um sie dann heimlich zu entsorgen, oder aber zu versuchen, die Eier mit einer Rotlichtlampe auszubrüten. Minerva hatte sie Beide dafür ausgelacht, aber sie hatten sich wider besseres Wissen doch für Letzteres entschieden. Bei der Auffangstation hatte jemand Mitleid mit ihnen gehabt und ihnen eine ausrangierte Rotlichtlampe geliehen und ein paar Tipps gegeben, aber nach zwei Wochen hatten sie Frosch eben doch erklären müssen, dass die Eier abgestorben waren, weil zwischen dem Zeitpunkt des Fundes und dem Beginn des Brütens mit der Rotlichtlampe zu viel Zeit vergangen war. Das hatte ein mittelschweres Drama ergeben und die beiden Väter hatten sich wirklich alle Mühe gegeben, ihre Tochter wieder zu trösten.

Zuletzt hatten sie vor zwei Wochen einen toten Frosch gefunden und ihn in allen Ehren bestatten müssen. Frosch hatte sogar darauf bestanden, dass Minerva und die Anderen dabei waren und so hatten sich letztendlich zehn Erwachsene und zwei Kinder um ein winziges Loch im Garten von Stings Vater gescharrt und Sting hatte sich eine Grabrede aus den Fingern gesogen, während Rogue ihrer gemeinsamen Tochter eine kinderfreundliche Geschichte über den Kreislauf des Lebens erzählt hatte. Wenn sie unter sich waren, deklamierte Minerva Teile der Rede immer noch

Nach dieser Geschichte hatte Sting eigentlich gehofft, dass sie eine Weile von einem weiteren Code Grün verschont bleiben würden, aber als er die Kinder heute von der Schule abgeholt und den Karton in Froschs Armen gesehen hatte, hatte er gleich gewusst, dass er seine gemütliche Tagesplanung über den Haufen werfen konnte.

Besagter Karton stand nun im Wohnzimmer auf dem Couchtisch und seine kleinen, krabbelnden Bewohner taten sich an den Löwenzahnblättern gütlich, die Sting im Park gepflückt hatte, immer aufmerksam beobachtet von Lector, Frosch und Minnie.

Die Hündin schien zutiefst fasziniert von den winzigen Wesen zu sein. Vielleicht kam da mal wieder ihr Beschützerinstinkt durch. Den Spatz und den ersten Igel hatte sie damals ja auch regelrecht betüddelt – letzteres sehr zu Stings und Rogues Leidwesen, auch wenn sie erst hinterher erfahren hatten, was für Flohschleudern Igel waren.

Zutiefst ratlos lehnte Sting sich an den Rahmen der Wohnzimmertür und beobachtete wiederum seine Kinder. Er war immer nur mit Hunden aufgewachsen – und irgendwie auch mit Katzen, war er doch vom Krabbelalter an tagein tagaus bei den Heartfilias ein- und ausgegangen. Von Reptilien hatte er so gut wie gar keinen Schimmer. Erst recht nicht von Schildkröten. Die gab es hier in Fiore ja auch gar nicht, soweit er wusste. Er brachte Schildkröten immer mit den südlicheren Klimazonen in Verbindung. Wer kannte nicht die Bilder der Galuna-Riesenschildkröte?

Davon gab es auch zwei im Tierpark von Magnolia. Frosch war jedes Mal ganz aus dem Häuschen, wenn sie an der Brüstung des großen Schildkrötengeheges hing und die ruhigen – für Stings Geschmack eigentlich sogar schon zu ruhigen – Gesellen beobachten konnte. Wann immer die Familie im Tierpark war – und mit jemandem wie Frosch in der Familie musste das doch ein paar Mal im Jahr sein, weshalb sie sich ja auch schon eine Familienjahreskarte besorgt hatten –, war es Pflicht, auch bei den Schildkröten vorbei zu sehen.

Das leise Knacken des Wohnungstürschlosses riss Sting aus seinen wirren Gedanken und er eilte erleichtert zur Tür. Zuerst wurde eine prall gefüllte Einkaufstüte durch den breiter werdenden Türspalt geschoben, dann kam Rogue zum Vorschein, die nicht richtig geschlossene Umhängetasche über der rechten Schulter, in der rechten Hand eine weitere volle Einkaufstüte. Seine Miene war auf dem ersten Blick so ruhig wie immer, aber Sting erkannte die kleine Falte zwischen Rogues schmalen Augenbrauen – Rogues Variante eines Stirnrunzelns.

Schnell nahm Sting seinem Mann die beiden Tüten ab, damit dieser sich in Ruhe die Schule ausziehen konnte. Er hatte gerade noch genug Zeit, zur Seite zu treten, dann kam Minnie auch schon Schwanz wedelnd angetrabt, um Rogue zu begrüßen. Mit einem Seufzen ging der Schwarzhaarige in die Hocke und kraulte die Hündin hinter beiden Ohren.

„Schildkröten, ja?“, fragte Rogue mit gedämpfter Stimme und blickte frustriert zu Sting auf.

„Fünf Stück. Noch super winzig, also vielleicht auch gerade erst frisch geschlüpft. Keine Ahnung“, antwortete Sting und zog trotz der beiden schweren Tüten hilflos die Schultern hoch. „Lector und Frosch haben den Karton in einer dunklen Ecke des Schulgartens gefunden. Den Rest kannst du dir ja denken.“

„Nur zu gut“, seufzte Rogue und gab Minnie einen liebevollen Klaps auf die Flanke, ehe er sich daran machte, seine Schuhe auszuziehen. „Klingt danach, als hätte da jemand Exoten Zuhause und jetzt nicht den Anstand, sich vernünftig um den Nachwuchs zu kümmern.“

„Keine neuen Geschichte“, brummte Sting und blickte auf Minnie hinunter, die lammfromm vor Rogue saß und darauf wartete, dass er seine Schuhe weg geräumt hatte und sie noch einmal streicheln konnte.

Letztendlich war Minnie ja auch ein Opfer solcher verantwortungslosen Idioten gewesen. Wenn Sting und die Kinder sie damals nicht gefunden hätten, wäre sie vielleicht irgendwann in dieser Transportbox verhungert. So dankbar Sting auch dafür war, dass sie Minnie jetzt bei sich hatten, dieses ignorante Verhalten machte ihn auch Jahre später noch wirklich wütend.

Um sich abzulenken, erklärte er weiter: „Ich wäre ja zum Tierarzt damit gegangen, der hätte uns sicher gleich sagen können, wo wir die Tiere abgeben können, aber am Freitag haben die ja keine Nachmittagssprechstunde.“

„Irgendwie werden wir sie hoffentlich übers Wochenende bringen können“, brummte Rogue und kraulte dieses Mal die linke Flanke, die Minnie ihm anbot, kaum dass er einladend die Hand angehoben hatte. „Ich habe ein Bestimmungsbuch und ein Heft zur richtigen Schildkrötenhaltung mitgebracht. Das wird hoffentlich helfen.“

Ehe einer von ihnen noch etwas sagen konnte, erklang Lectors Stimme: „Pa, du bist ja Zuhause!“

„Schon seit fünf Minuten“, erwiderte Rogue trocken und der verzwickten Situation zum Trotz musste Sting sich ein Grinsen verkneifen, als er den Hauch von Pikiertheit aus der Stimme seines Mannes heraus hörte.

Eigentlich war Rogue gar nicht so sehr das Kuschelmonster – schon gar nicht bei diesem Wetter –, aber wenn seine Kinder ihn bei seiner Heimkehr nicht anständig begrüßten, kratzte das doch irgendwie immer an ihm. Wahrscheinlich war er ein kleines bisschen eifersüchtig auf diese Schildkröten, die ihm die anhimmelnde Aufmerksamkeit seiner Kinder streitig machten.

Während Lector und kurz danach auch Frosch ihren Vater endlich anständig begrüßten und ihm dann aufgeregt von ihrem Fund erzählten, trug Sting die Einkäufe schmunzelnd in die Küche und packte sie aus. Als er eine Packung Grüntee in einer der Tüten entdeckte, stieß er ein amüsiertes Schnauben aus. Ganz offensichtlich machte Rogue sich schon auf ein nervenaufreibendes Wochenende gefasst.
 

Die kleinen Schildkröten waren zwischen vier und sieben Zentimetern lang und meist auch etwa genauso breit, hatten winzige, braune Stummelbeine, schlanke, lange Schwänze und fast keilförmige Köpfe. Das, was von ihrer Haut zu sehen war, wirkte noch nicht so leder- fast hornartig wie bei den großen Landschildkröten, die Rogue bisher im Tierpark gesehen hatte. Die Panzer der kleinen Reptilien waren schwarz und braungelb und erinnerten ein bisschen an den Leopardenlook, der zu Rogues Schulzeit mal eine Weile bei den Mädchen beliebt gewesen war.

Dafür dass man immer von lahmen Schildkröten sprach, waren diese hier erstaunlich agil. Sie krabbelten beinahe unermüdlich im Karton herum und dabei oft genug auch übereinander. Den Löwenzahn, den Sting für sie gepflückt hatte, hatten sie beinahe restlos aufgefressen und zwei der Tiere waren in die flache Schale mit Wasser geklettert, die Rogue nach dem Überfliegen des Haltungsratgebers in den Karton gestellt hatte.

Soweit schien es den Tierchen also gut zu gehen. Das Problem war nur, dass Rogue nicht den Hauch einer Ahnung hatte, was das nun genau für Landschildkröten waren. Er hatte sich jede einzelne Seite im Bestimmungsbuch ganz genau angesehen und zig Beschreibungstexte gelesen, aber entweder waren das hier doch keine Landschildkröten oder sie unterschieden sich als Jungtiere noch sehr stark von den Alttieren – und in dem Buch wurden nur Alttiere abgebildet.

Frustriert klappte Rogue das Bestimmungsbuch zu und schob es von sich, ehe er wieder in den Karton hinunter starrte. Mittlerweile stand der Karton auf seinem Schreibtisch. Die Kinder waren irgendwann doch dazu zu überreden gewesen, schlafen zu gehen und damit Minnie das Wohnzimmer weiterhin für sich hatte und über Nacht nicht auf die Idee kam, die Schildkröten betüddeln zu wollen, hatte Rogue den Karton kurzerhand ins Schlafzimmer gebracht.

Eigentlich war das auch keine Lösung, mit der er wirklich zufrieden war, aber als er vor dem Abendessen noch verschiedene Internetseiten konsultiert hatte, was man mit Fundschildkröten machen sollte, war er lediglich auf einen dubiosen Terraristikverein gestoßen, der hier in Magnolia ansässig war. Und als er im Tierheim angerufen und gefragt hatte, ob er die Schildkröten dort abgeben konnte, hatte man ihm allen Ernstes geraten, die Tiere einfach auszusetzen. Rogue war wirklich kein Experte auf dem Gebiet, aber dass das der Tod der Winzlinge wäre, war selbst ihm vollkommen klar. Spätestens im Winter würden die doch erfrieren oder verhungern!

Als sich zwei Hände auf seine Schultern legten und diese sanft zu kneten begannen, stieß er einen schweren Seufzer aus und richtete sich wieder gerade auf, um den Kopf in den Nacken legen und zu Sting hoch sehen zu können. Der beugte sich zu ihm herunter und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Dankbar erwiderte Rogue die Geste und schloss dabei die Augen.

„Ich habe immer noch keine Ahnung, was das für Schildkröten sind“, nuschelte er in den Kuss hinein.

„Manchmal sind Bücher doch nicht die Lösung“, hauchte Sting und Rogue spürte das Grinsen des Blonden auf seinen Lippen.

Schnaufend griff er mit beiden Händen in Stings Haare und zog ihn noch tiefer zu sich herunter, um den Kuss zu vertiefen. Um nicht zu stürzen, musste Sting sich auf seinen Schultern abstützen, aber er wehrte sich nicht, sondern legte sogar den Kopf schräg, um Rogue mehr Angriffsfläche zu bieten. Zufrieden ließ Rogue seine Finger durch die blonden Strähnen gleiten, während der Kuss nach einem stürmischen Anfang zärtlich auslief.

Als Sting sich schließlich wieder aufrichtete, öffnete Rogue die Augen und drehte sich mit dem Bürostuhl herum, damit sie es leichter hatten, einander anzusehen.

„Ich gehe morgen noch mal in die Bibliothek und besorge ein anderes Bestimmungsbuch. Wenn wir wissen, was genau das für Schildkröten sind, können wir vielleicht einen dieser zig Züchter fragen, ob er sie uns abnimmt.“

„Ich glaube, das musst du gar nicht“, sagte Sting und rieb sich verlegen den Hinterkopf.

„Wieso?“ Sofort misstrauisch musterte Rogue seinen Mann eindringlich, der daraufhin auch noch unschuldig grinste. „Sag’ jetzt bitte nicht, dass wir diese Schildkröten behalten sollen. Wenn die sich als Galuna-Riesenschildkröten entpuppen, bräuchten die den gesamten Garten deines Vaters!“

„Hilfe, nein! Allein das ganze Equipment, das in dem Ratgeber aufgelistet wurde, ist schweineteuer!“, wehrte Sting hastig ab und schüttelte übertrieben den Kopf, ehe er wieder verlegen grinste. „Nein, mir ist nur eingefallen…“

„Ja…?“

„Na ja, also weißt du… ich habe es vollkommen vergessen bei all dem Trubel…“

„Sting, was ist dir eingefallen?“, fragte Rogue und bemühte sich dabei, seine Stimme ruhig zu halten.

„Öhm… wir haben zwei Schildkrötenexperten in unserer Familie?“

Verwirrt zog Rogue die Augenbrauen zusammen. „Haben wir?“

„Tante Dine und Wendy.“

Jetzt zogen sich Rogues Augenbrauen in die Höhe. „Seit wann sind die Beiden denn Schildkrötenexperten?“

„Waren sie schon immer“, erwiderte Sting mit einem Schulterzucken. „Als Pa seinen ersten Hund und Tante Layla ihre erste Katze gekriegt haben, hat Tante Dine sich eine Schildkröte ausgesucht. Da war Pa zwölf oder so. Irgendeine kleine Art hat sie, frag’ mich nicht, wie die heißt… Und die ist zwar jetzt schon steinalt, aber sie lebt noch. Der Balkon ist zum Schildkrötengehege umgerüstet worden und die Hälfte des Arbeitszimmers macht ein riesiges Terrarium aus. Mit allen möglichen Kram, der auch in dem Ratgeber aufgelistet ist, und noch so einigem mehr. Wendy ist also quasi damit aufgewachsen und ist ein Schildkrötenfan und sie kann uns wahrscheinlich besser als jedes Buch helfen.“

Ungläubig sah Rogue seinen Mann an. „Und das fällt dir jetzt erst ein, nachdem ich diesen Schinken von einem Buch zusammen mit den Einkäufen hierher geschleppt und dann auch noch zwei Stunden lang gewälzt habe?“

Hastig legte Sting die Handflächen aneinander und verbeugte sich tief vor Rogue. „Es tut mir so Leid! Ich habe das einfach total vergessen! Bitte verzeih’ mir und verbann’ mich nicht aufs Sofa!“

„Das überlege ich mir noch“, grummelte Rogue, stand auf und schob sich an Sting vorbei, um sich für die Nach umzuziehen.

Als er sich mit einem Schlafshirt und sauberen Boxershorts umdrehte, kniete sein Mann am Boden und verbeugte sich so tief vor ihm, dass er mit der Stirn den Boden berührte. Augen rollend ging Rogue ohne ein Wort ins Badezimmer. Er putzte sich bereits die Zähne, als Sting herein kam. Das leise Klicken des Riegels entging ihm keineswegs, aber er tat so, als würde er den Blondschopf gar nicht bemerken.

„Tante Dine ist ja auf so einem Lehrgang für diese komische Lapa-Irgendwas-Technik, aber ich werde morgen gleich nach dem Frühstück Wendy anrufen, versprochen“, erklärte Sting ganz eifrig und trat hinter Rogue, um die Arme um dessen Taille zu schlingen. Im Spiegel konnte Rogue den Bettelblick der blauen Augen sehen und jetzt fiel es ihm tatsächlich schwer, sich einfach weiter die Zähne zu putzen.

Er spuckte die Zahnpasta ins Waschbecken und spülte sich den Mund aus. „Laparoskopie“, sagte er schlicht. Als er Stings verwirrte Miene im Spiegel erkannte, musste er die Lippen fest aufeinander pressen, um das Lächeln zu unterdrücken. „Die Technik, für die Grandine auf einem Lehrgang ist. Damit können die Chirurgen unsere Organe mit dünnen Stabkameras überprüfen. So müssen sie nicht gleich den ganzen Bauch aufschneiden, sondern nur kleine Einlässe für die Kameras schaffen. Das ist weniger invasiv, heilt also schneller, ist aber auch ganz schön kompliziert.“

„Aha…“, machte Sting und zog einen Flunsch. „Heißt das, dass du immer noch sauer auf mich bist?“,

„Vielleicht…“

„Rogue!“

Stings Jaulen hallte laut von den gefliesten Wänden wieder und die Arme schlangen sich flehentlich fest um Rogues Taille. Jetzt konnte Rogue sich doch nicht mehr zusammen reißen und seine Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln, während er Stings Hände tätschelte.

„Du darfst im Schlafzimmer schlafen. Ansonsten könnte Minnie mir das übel nehmen, wenn ich dich aufs Sofa verbanne.“

„Du bist so gemein“, jammerte Sting und nahm seine Arme von Rogues Taille, um sie schmollend vor seiner Brust zu verschränken.

Ohne darauf zu antworten, löste Rogue seine Haare aus dem hohen Pferdeschwanz und griff dann nach der Haarbürste, um sie durch zu kämmen. Hinter sich sah und spürte er, wie Stings Versuch, standhaft zu bleiben, ziemlich schnell bröckelte.

Als Rogue die Haarbürste zurück legte und Anstalten machte, das Badezimmer zu verlassen, war er nicht überrascht, als sich einer von Stings Armen wieder um seine Taille schlang, während die freie Hand sein Gesicht für einen Kuss herum drehte. Dieses Mal lächelten sie Beide amüsiert in den Kuss hinein.
 

Sting hatte noch nicht einmal die ganze Geschichte erklären müssen, da hatte seine Cousine sich schon bereit erklärt, vorbei zu kommen und sich die Schildkröten anzusehen. Sie hatte am Telefon ganz aufgeregt geklungen.

Die Aussicht auf Babyschildkröten schien es ihr sogar wert zu sein, ein Date platzen zu lassen, denn als Sting ihr am frühen Nachmittag die Tür öffnete, wurde sie von einem bedröppelt dreinschauenden Romeo begleitet.

Sting fühlte sich an die ersten unbeholfenen Date-Versuche zwischen ihm und Rogue erinnert, bei denen er einfach nur Rogue zuliebe eingewilligt hatte, eine Dokumentation im Kino zu sehen, für die er sich nicht die Bohne interessiert hatte, oder wenn Rogue mit ihm Boldern gegangen war, obwohl er dafür nicht die geringste Begeisterung aufbringen konnte. Sie hatten wirklich ein paar Anläufe und eine klare Aussprache gebraucht, bis sie heraus gefunden hatten, was sie als Paar machen konnte und wollten und was sie doch lieber alleine oder zumindest mit anderen Freunden machen sollten. Die Sache war nur: Sting und Rogue waren damals süße sechzehn, fast siebzehn Jahre alt gewesen. Romeo und Wendy waren jetzt dreiundzwanzig und seit Wendys Heimkehr aus Alvarez vor fünf Monaten fest zusammen…

Kaum dass Wendy auf seine Einladung hin an ihm vorbei ins Wohnzimmer gegangen war, grinste Sting Romeo frech an und wackelte mit den Augenbrauen, woraufhin der Jüngere knallrot im Gesicht wurde. Kichernd klopfte Sting ihm auf die Schulter und folgte dann seiner Cousine ins Wohnzimmer, wo der Karton mit den Schildkröten – wieder versorgt mit Löwenzahn – auf dem Couchtisch stand. Lector und Frosch begrüßten Wendy mit großem Hallo.

„Wendy, Wendy, schau’ mal! Frosch hat Schildkröten gefunden!“, krähte Frosch und wedelte aufgeregt mit den Armen. „Babys! Sie sind noch ganz klein! Darf Frosch ihnen Namen geben?“

Stings Blick huschte zu seinem Mann hinüber, der sich im Sessel zurück gelehnt hatte und mit mühsam kontrollierter Miene an seinem Grüntee nippte. Schon seit dem frühen Morgen fragte Frosch immer wieder, ob sie die Schildkröten benennen durfte. Anfangs war es den Vätern noch irgendwie gelungen, Frosch jedes Mal von der Frage abzulenken, aber nachdem Frosch gesättigt war, gemeinsam mit Rogue ihre Schreibhausaufgaben gemacht und mit Sting ein paar Übungsstücke am Klavier gespielt hatte galt ihre gebündelte Aufmerksamkeit nur noch den kleinen Reptilien.

Zumindest schien nicht auch noch Lector so vernarrt in die kleinen Tiere zu sein. Er hatte sie nach dem Frühstück für eine halbe Stunde beobachtet, ehe er Sting gefragt hatte, ob er mit ihm Basketball spielte, und als sie wieder hoch gekommen waren, hatte er lieber mit Minnie geschmust, als schon wieder in den Karton zu starren. Auch jetzt sah er zwar neugierig zu Wendy auf, die sich ihm und Frosch gegenüber am Couchtisch nieder ließ, teilte aber offensichtlich nicht die Begeisterung seiner Schwester.

„Ich schaue sie mir erst einmal an, ja?“, fragte Wendy mit einem sanften Lächeln.

Wenn sie nach den Sommerferien ihr Lehrerreferendariat beginnen würde, würde sie garantiert blendend mit den Kindern auskommen – dass sie mit ihrer jüngst abgegebenen Masterarbeit vielleicht durchfallen könnte, erwog Sting nicht eine Sekunde lang. Seine jüngste Cousine war genau wie Lucy eine kleine Perfektionistin und würde bestimmt die Bestnote einfahren.

Während Sting und Romeo sich auf dem Sofa nieder ließen, hob Wendy eine der Schildkröten aus dem Karton heraus, indem sie sie mit Daumen und Zeigefinger an beiden Seiten am Panzerrand jeweils zwischen Vorder- und Hinterbein hielt, während sie die andere Hand flach darunter hielt. Das winzige Tier zappelte wild mit den Beinen und verdrehte den Kopf in alle Richtungen.

Ganz vorsichtig drehte Wendy die Schildkröte in ihrer Hand, besah sich Bauch- und Rückenpanzer, strich schließlich auch darüber und drückte am Rand ganz sachte. Ihre Miene war dabei so hochkonzentriert, dass nicht einmal Frosch etwas sagte, obwohl sie auf ihrem Platz am Couchtisch immer wieder ungeduldig herum zappelte.

„Wenn mich nicht alles täuscht, sind das einjährige Strahlenschildkröten“, erklärte Wendy schließlich. „Die kommen eigentlich aus Caelum und dürfen schon seit Jahrzehnten nicht mehr von dort ausgeführt werden, weil sie stark gefährdet sind, aber es gibt hier in Fiore noch ein paar Tiere aus der Zeit, als es noch nicht verboten war, Reptilien zu privaten Zwecken nach Fiore einzuführen.“

Bei der eintretenden Stille hob Minnie verwundert den Kopf, den sie zuvor auf den Pfoten gebettet hatte, und legte ihn mit einem Laut schief, den man leicht als verwunderte Frage interpretieren könnte. Verblüfft sah Sting seine Cousine an, Rogue hatte seine Tasse sinken lassen und Romeo grinste beeindruckt. Lector legte schließlich in Minnie-Manier den Kopf schief, während Frosch mit großen Augen zu ihrer Großcousine aufblickte.

„Ein Jahr alt?“, fragte Lector schließlich neugierig und legte sich halb auf den Couchtisch, um die Schildkröte, die noch immer in Wendys Hand zappelte, genauer betrachten zu können. „Woran siehst du das?“

„Bei so jungen Schildkröten ist das ganz einfach“, legte Wendy sogleich mit begeistert leuchtenden Augen los. Zunächst hielt sie die Schildkröte so, dass der Bauchpanzer zu sehen war und deutete auf einen Punkt, den man wohl als die Mitte des Panzers bezeichnen konnte. „Seht ihr hier die noch fein ausgeprägte Rille? Dort war vor einen Jahr noch der Dottersack zu sehen. In Fachkreisen nennt man das Fontanelle. Es dauert mehrere Monate, bis sich das komplett zurück bildet. Das ist ein bisschen mit unserem Bauchnabel zu vergleichen. Außerdem…“ Sie drehte das Reptil wieder herum und deutete nun auf die einzelnen Segmente des Rückenpanzers. „Hier könnt ihr in den Platten überall jeweils einen Ring sehen. Bei jungen Schildkröten kann man anhand dieser Ringe noch sehr gut das Alter erkennen. Wie die Jahresringe bei einem Baum. Erst mit zunehmendem Alter sind die Ringe zu nahe beieinander, als dass man sie noch genau zählen kann, und später werden die Panzer in der freien Natur so sehr abgenutzt, dass die Ringe gar nicht mehr zu erkennen sind. Bei ganz alten Tieren kann man deshalb nur sehr grob schätzen.“

Sting pfiff leise. Er hätte nicht gedacht, dass es allein für die Altersbestimmung von Schildkröten so viele Tricks gäbe!

Sogar Rogue schien seinen Unmut über die Schildkröten einstweilen vergessen zu haben, denn er beugte sich jetzt ebenfalls vor, um das Tier besser betrachten zu können. „Woran hast du erkannt, dass es eine Strahlenschildkröte ist? Ich habe das Bestimmungsbuch gestern zwei Stunden lang gewälzt und weiß immer noch nicht, was das für welche sind.“

Es sah beinahe so aus, als fühlte Rogue sich in seiner Ehre gekränkt, weil seine geheiligten Bücher ihm nicht weiter helfen konnten. Sting versteckte seine zuckenden Mundwinkel hinter seiner Hand, aber sein Mann bewies wieder einmal seine telepathischen Fähigkeiten und warf ihm einen finsteren Blick zu.

„Das ist Zufall, dass ich das weiß“, wiegelte Wendy so bescheiden wie eh und je ab. „Wir haben Zuhause ein paar Hefte, die sich immer nur konkret mit einer einzelnen Schildkrötenart beschäftigen. Da sind dann natürlich auch Fotos von den Jungtieren abgebildet. Hier schau’!“ – wieder deutete sie auf den Rückenpanzer, speziell auf die schwarzen Flecken darauf – „Das Schwarz überwiegt ein wenig und die gelben Flecken lassen das Strahlenmuster ganz vage erahnen, dem diese Art ihren Namen verdankt.“

Sting wäre bereit, seine Violine darauf zu verwetten, dass das mehr als nur ein paar Hefte waren, die Wendy und Grandine da gesammelt hatten, aber Wendy war so offensichtlich selbst ganz begeistert von ihrem Vortragsthema, dass er sie gar nicht ärgern wollte.

Ein Seitenblick auf Romeo verriet ihm, dass der junge Soldat von Wendys Enthusiasmus ganz gefesselt war. Mit einem schwärmerischen Lächeln beobachtete er seine Freundin und schien sich dabei gar nicht bewusst zu sein, dass Sting noch immer neben ihm saß. Sting musste sich unbedingt merken, Lucy davon zu erzählen, die würde ihre helle Freude daran haben, war sie doch sowieso immer davon überzeugt, dass Romeo und Wendy das niedlichste Pärchen der fiorianischen Geschichte waren.

„Wie groß werden die denn?“, fragte Lector neugierig.

„Etwa vierzig Zentimeter lang, also von meinem Ellenbogen bis zu meinen Fingerspitzen“, antwortete Wendy wie aus der Pistole geschossen und hob zur Veranschaulichung ihren linken Arm angewinkelt und mit ausgestreckten Fingern hoch. „Die Männchen werden dabei bis zu zwanzig Kilo schwer.“

„Wow!“

Das konnte Lector laut sagen! Diese Tiere wurden vielleicht nicht so gigantisch wie die Galuna-Riesenschildkröte, aber Rogue hatte mit seiner Einschätzung, dass man für die ordentliche Unterbringung der Tiere wahrscheinlich den gesamten Garten von Stings Vater bräuchte, wohl ganz Recht.

„Darf Frosch auch eine halten?“

Am liebsten würde Sting ganz laut Nein rufen, denn er konnte jetzt schon sehen, wie sehr Frosch die kleinen Tiere bereits ins Herz geschlossen hatte. Andererseits änderte es wohl auch nichts mehr, wenn sie eines der Tiere mal in der Hand hielt… Verdammt noch mal, wie brachten sie Frosch bei, dass sie die Schildkröten nicht behalten konnten?

Während Wendy den Kindern geduldig erklärte, wie sie die Schildkröten halten mussten, und dabei immer neue Informationen über Schildkröten erzählte, blickte Sting ratlos über den Couchtisch hinweg zu seinem Mann. Was sollten sie jetzt als nächstes machen?
 

Wendy war ein wandelndes Schildkrötenlexikon. In der vergangenen Stunde hatte Rogue so viel über die Reptilien gehört wie zuvor in seinem ganzen Leben nicht. Beispielsweise hatte er nicht gewusst, dass es auch hier in Fiore eine Schildkrötenart gab. Die Ishgarische Sumpfschildkröte. Sie war stark gefährdet und die Gebiete, in denen sie noch zu finden war, wurden streng geschützt und geheim gehalten. Neben dem Schutz der Gelege vor tierischen Räubern und dem allgemeinen Schutz der Gebiete stützte eine Naturschutzstation die wilde Population dadurch, dass sie in der Station auch Tiere nachzüchtete und dann im Alter von zwei Jahren auswilderte – mit strengen Zuchtregeln, um Krankheitsübertragungen und Inzucht zu vermeiden, ein wahnsinniger Aufwand, der anscheinend nur von Kennern wie Wendy gewürdigt wurde.

Bei den Tieren – nicht eines, sondern vier – , die Wendy und Grandine hatten, handelte es sich um eine der kleinsten Landschildkrötenarten, die Encasische Landschildkröte, die, wie der Name vermuten ließ, auf der Halbinsel Enca beheimatet war. Als Haustier war diese Art von allen Schildkröten am beliebtesten – dicht gefolgt von Schmuckschildkröten, die leider allzu oft in zu kleinen Aquarien und unter Ignoranz ihres natürlichen Bedürfnisses einer Winterruhe gehalten wurden.

Die Encasische Landschildkröte wurde allerdings nicht so alt wie die Strahlenschildkröte, die gut und gerne hundert und mehr Jahre erreichen konnte, wenn sie gesund blieb und nicht von tierischen Räubern oder Menschen getötet wurde. Bei den gefundenen Winzlingen ließ sich noch nicht sagen, ob sie Männchen oder Weibchen waren, das konnte man erst nach mehreren Jahren feststellen, wenn sich beim Männchen der Bauchpanzer nach innen wölbte und der Schwanz erkennbar länger als beim Weibchen war. Geschlechtsreif wurden die Strahlenschildkröten meist mit fünfzehn Jahren…

Mittlerweile schwirrte Rogue der Kopf und er fragte sich wirklich, woher seine Kinder die Ausdauer nahmen, immer weitere Fragen zu stellen. Er hatte sich in die Küche zurückgezogen und stellte seinen Wasserkocher auf siebzig Grad ein, um sich wieder Grüntee aufzusetzen. Während Wendy und die Kinder noch immer im Wohnzimmer saßen und weiter redeten, waren Sting und Romeo Rogue gefolgt, hatten sich jedoch mit Mineralwasser begnügt.

„So begeistert war Wendy zuletzt, als wir in dieser Heraldikausstellung im Historischen Museum waren“, schmunzelte Romeo mit einem beinahe verklärten Blick vor sich hin.

Unter normalen Umständen hätte Rogue seinen Mann jetzt mit einem Blick ermahnt, den Jüngeren nicht damit zu ärgern, wie verknallt er in Wendy war – geschweige denn zum tausendsten Mal auf die Art und Weise anzuspielen, wie Romeo Wendy ein Liebesgeständnis gemacht hatte –, aber er hatte heute andere Sorgen.

„So begeistert war Frosch zuletzt, als Lucy ihr dieses Puzzle geschenkt hat“, seufzte er ernüchtert und rieb sich die Nasenwurzel.

Das schien auch Sting zurück auf den Boden der Tatsachen zu holen, denn er stützte sein Kinn mit einer Hand ab und blickte Hilfe suchend in sein Wasserglas. „Es wird nicht funktionieren, wenn wir Frosch sagen, dass wir keinen Platz für die Schildkröten haben…“

Rogue nickte düster, während er das richtig temperierte Wasser über das Grünteekraut goss. Frosch war wirklich nicht dumm – egal was ein gewisser verblödeter Lehrer behaupten mochte –, aber manchmal lagen ihre Prioritäten schlicht und einfach ganz anders. Wenn sie hier keinen Platz für die Schildkröten hatten – so Froschs Logik –, dann mussten sie halt in ein Haus mit großem Garten umziehen. Dass das absolut keine Option für ihre Väter war, würde sie nie einsehen.

„Wendy, darf Frosch ihnen Namen geben?“

Rogue rutschte das Herz in die Hose, als er die aufgeregte Frage seiner Tochter hörte.

Für einige Sekunden herrschte in der gesamten Wohnung Schweigen, ehe Wendy zu einer Antwort ansetzte: „Es sollten aber wirklich gute Namen sein, damit sich die Leute im Zoo auch darüber freuen können.“

Schon wieder Schweigen und im Gedanken zählte Rogue die Sekunden bis zur unausweichlichen Explosion ab.

„Nein, Frosch will die Schildkröten behalten! Sie sollen nicht in den Zoo!“

„Frosch, weißt du noch, was ich euch darüber erzählt habe, wie wenige Strahlenschildkröten es nur noch auf Caelum gibt?“, erwiderte Wendy mit bewundernswerter Ruhe. „Weißt du, einige Forscher haben nachgerechnet, und sie haben herausgefunden, dass es in fünfzig Jahren keine Strahlenschildkröten mehr auf Caelum geben wird, wenn man nichts unternimmt. Diese kleinen Schildkröten hier könnten helfen. Im Zoo können sie mit anderen Strahlenschildkröten gezüchtet werden und ihre Babys können nach Caelum gebracht werden, wenn sie gesund sind. Das könnte die Strahlenschildkröten dort retten und das willst du doch sicher auch, oder?“

„Oh…“, machte Frosch traurig, dann: „Aber Frosch könnte doch auch versuchen, ihnen dabei zu helfen, Babys zu machen?“

Rogue schlug die Hände vors Gesicht, um sein Stöhnen zu dämpfen. Zu jung! Seine Tochter war in drei Teufels Namen noch viel zu jung, um übers Babymachen zu reden!

„Das darfst du aber gar nicht, Frosch“, erklärte Wendy immer noch ganz entspannt, als würde sie den Abgrund nicht sehen, der sich da gerade aufgetan hatte. „Weißt du, weil die Strahlenschildkröte so stark gefährdet ist, müssen auch hier in Fiore alle, die eine haben, das den Umweltamt melden und dann überprüft es, woher die Tiere eigentlich kommen und ob sie gut gehalten werden.“

„Aber Frosch hat sie doch gefunden. Frosch hat sie nicht geklaut!“

Überrascht ließ Rogue die Hände sinken. Wendy hatte es allen Ernstes geschafft, den Abgrund einfach weg zu reden und jetzt war Frosch bei einem ganz anderen Thema und machte sich gar keinen Kopf mehr über das Thema Babymachen. Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu! Wenn so etwas bei ihm oder Sting passierte, kamen sie jedes Mal in Erklärungsnot!

„Das wird man dir auch sicher glauben, aber man wird es dennoch überprüfen. Und weil es so viele sind, wird man dir auch nicht erlauben, alle zu behalten. Sie sind zu wichtig dafür. Sie werden für die Strahlenschildkröten in Caelum gebraucht“, fuhr Wendy fort.

„Aber Frosch will so gerne eine Schildkröte haben…“, murmelte Frosch zutiefst betrübt.

„Du kannst sie bestimmt ganz oft im Tierpark besuchen. Ich kenne einen der Tierpfleger dort, der für die Schildkröten zuständig ist. Er kümmert sich wirklich gut um sie und das wird er dir auch immer zeigen können, wenn du mal im Tierpark bist. Und wenn du willst, kannst du mich auch mal besuchen, um dir unsere Schildkröten anzusehen. Das ist doch auch gut, oder? Und hier Zuhause kannst du dich mit aller Liebe um Minnie kümmern. Du hast sie doch ganz bestimmt sehr lieb, oder?“

Als hätte sie nur auf dieses Stichwort gewartet, fiepte die Hündin leise. Rogue hörte seine Tochter schniefen, Minnie noch mal fiepen. Er war schon drauf und dran, doch zurück ins Wohnzimmer zu gehen, um Frosch zu trösten, aber dann erklang die zittrige, aber noch gut verständliche Stimme des Mädchens. „Ja, Frosch hat Minnie ganz doll lieb!“

Fassungslos schüttelte Sting den Kopf, während er in Rogues Augen blickte. „Wendy ist ein Genie!“
 

Das Terrarium war riesig. Sicher drei mal drei Meter. Der Boden war mit hellem Sand bedeckt, aus dem Steine, Äste und andere Hindernisse heraus ragten. Es gab kleine Höhlen, eine Wasserschale, mehrere kleine Futterschalen. Über dem Terrarium hingen zwei Wärmelampen, die im Moment jedoch nicht eingeschaltet waren… Das reinste Schildkrötenparadies!

Frosch und Lector waren begeistert und setzten die Schildkröten unter der Aufsicht von Wendy und dem blauhaarigen Tierpfleger, der sich als Yuka vorgestellt hatte, ganz behutsam eine nach der nächsten auf den hellen Sand, während sie von ihren Vätern hoch gehalten wurden. Die kleinen Reptilien begannen sofort, ihre neue Umgebung zu erkunden. Eine krabbelte beinahe schnurstracks auf eine der Futterschalen zu und begann zu fressen.

Ächzend stellte Sting seinen Sohn schließlich zurück auf seine eigenen Füße. „Du bist ganz schön schwer geworden, Lec.“

„Oder du bist schwach geworden, Papa“, erwiderte der Junge dreist, wofür Sting ihm scherzhaft mit der Faust drohte.

Als Frosch ihre letzte Schildkröte abgesetzt hatte, schlang sie die Arme um Rogues Hals und blickte ernsthaft zu Yuka. „Du darfst die Namen nicht vergessen, Onkel Yuka, sonst werden sie alle ganz traurig.“

Pflichtschuldig nickte der Tierpfleger und wiederholte die Namen, die Frosch ihm vorhin mitgeteilt hatte: „Knopf, Krümel, Planschi, Löwe und Schnarchi.“

„Ganz genau! Und Frosch darf dich wirklich immer hier besuchen?“

„Deine Väter haben meine Handynummer. Wenn ihr die Schildkröten sehen wollt, müsst ihr mich nur anrufen und dann kriegen wir das schon hin“, versprach der Mann zuversichtlich grinsend. „Und ich verspreche hoch und heilig, dass ich euch jede Woche eine Email mit Fotos schicken werde.“

„Dann ist gut“, nuschelte Frosch und kuschelte sich an Rogues Brust.

Obwohl Frosch nicht mehr protestiert hatte, nachdem Wendy es geschafft hatte, ihr begreiflich zu machen, warum die Schildkröten in den Zoo mussten, hatte sie doch eine ganze Weile in Minnies Fell und später in die Oberteile ihrer Väter geweint. Dennoch hatte sie darauf bestanden, dabei zu sein, wenn die Tiere in ihr neues Zuhause übergeben wurden.

Dieses fabelhafte Terrarium befand sich im Backstagebereich des Reptilienhauses und war nur eine Übergangslösung, wie Yuka eindringlich betont hatte. Solange die Tiere noch so klein waren, konnten sie in diesem Terrarium bleiben, das gab dem Tierparkteam die Zeit, ein großes Sommergehege und ein gutes Winterquartier mit absolut allem vorzubereiten, was eine Schildkröte nun einmal brauchte.

„Wollen wir nach Hause gehen?“, fragte Rogue sanft und rieb seine Wange an Froschs.

Das Mädchen murmelte etwas Unverständliches vor sich hin und wandte sich schniefend von dem Terrarium ab. Sting lächelte traurig und legte eine Hand auf Lectors Schulter, der das Ganze zum Glück sehr viel gelassener hinnahm.

„Wartet, wir haben noch etwas für Frosch“, sagte Yuka und ging zu einem Schrank, um eine schier riesige Tüte daraus hervor zu holen. Er hielt sie für Wendy offen und nickte erklärend auf seine sandigen Hände hinunter.

Was Wendy zu Tage förderte, war ein riesiges Schildkrötenplüschtier. Bei so etwas war es schwer zu sagen, aber Sting vermutete, dass es eine Abbildung der Galuna-Riesenschildkröte sein sollte. Groß genug war es dafür auf jeden Fall.

Staunend betrachtete Frosch das gigantische Stoffmonstrum. „Für Frosch?“

„Genau. Das ist das Mindeste, wo du doch so tapfer gewesen bist“, erklärte Yuka lächelnd.

„Frosch ist ja auch schon ein großes Mädchen“, erklärte die Grünhaarige und zappelte, damit Rogue sie absetzte und sie das Plüschtier in Empfang nehmen konnte. „Danke, Onkel Yuka! Pass’ gut auf die Schildkröten auf, damit sie ganz viele Babys machen können.“

Die Mundwinkel des Tierpflegers zuckten für einen Moment amüsiert und Wendy neben ihm lächelte verlegen. Sting sah es schon kommen, dass dieses Thema früher oder später auch mal in Minervas Beisein zur Sprache kommen würde. Dann konnten er und Rogue sich wohl auf etwas gefasst machen. So eine Gelegenheit, sie Beide zu triezen, würde die Schwarzhaarige sich garantiert nicht entgehen lassen.

Aber hier und jetzt war das Sting wirklich egal. Das Schildkrötenproblem war gelöst, sie hatten einen Beitrag zur Rettung der Strahlenschildkröten von Caelum geleistet und Frosch war glücklich mit dem neuen Mitglied ihrer sowieso schon riesigen Stofftierfamilie.

Sting tauschte einen Blick mit seinem Mann und lächelte zufrieden. Wenn doch mal jeder Code Grün so gut verlaufen würde!

Die Sache mit Laxus

Mit mürrischer Miene saß Laxus am Kopfende des Tisches und starrte in seinen Kaffee hinunter, als würden sich darin die großen Geheimnisse der Welt offenbaren. Mit einer Hand stützte er sein Kinn ab, mit der anderen fummelte er immer wieder am Henkel der Tasse herum. Seine Kiefer mahlten angespannt, als würden sie auf unverdaulichen Wörtern herum kauen. Und er sagte kein Wort.

Ratlos suchte Sting den Blick seines Mannes, der ihm gegenüber saß, doch der hob minimal die Schultern an. Also sah Sting reihum. Orga spielte ungeduldig mit dem Schirmchen seines alkoholfreien Cocktails herum, Rufus sah vollkommen entspannt aus, als käme es alle Tage vor, dass sie alle von Laxus Dreyar zu einem Gespräch gebeten wurden, und Yukino verknotete ihre zierlichen Finger so fest miteinander, dass Sting fürchtete, sie würde sie sich selbst brechen.

Keiner machte Anstalten, die Stille zu durchbrechen.

Wahrscheinlich waren sie alle genauso verwirrt wie Sting. So gut sie auch mit Minerva befreundet waren und so viel sie auch mit ihr unternahmen, zu Laxus hatten sie kaum Kontakt. Die Gefühle zwischen Laxus und Minerva waren wohl unbestreitbar echt und stark – sonst hätten die Beiden wohl kaum geheiratet –, aber es war doch schwer, die Beiden als Paar zu betrachten. Oft wirkte es, als würden sie nur nebeneinander her und nicht miteinander leben. Ihre einzigen Zuneigungsbekundungen in der Öffentlichkeit bestanden darin, dass sie einander nonstop provozierten, zuweilen sogar im Wortlaut richtig bösartig, auch wenn Sting Minerva gut genug kannte, um zu bemerken, dass kein Ernst dahinter lag.

Wenn Minerva sich mit ihren Freunden traf, war Laxus so gut wie nie dabei. Sogar bei Lokes und Yukinos Hochzeit hatte Minerva ihn nicht mitgenommen. Und von Bixlow hatte Sting erfahren, dass Laxus seine Frau auch nicht wirklich in seinem Freundeskreis involvierte. Tatsächlich hatten das Zusammenziehen in eine gemeinsame Wohnung und die spontane und streng geheime Eheschließung so gut wie gar keine Auswirkungen auf die Leben gehabt, die Laxus und Minerva davor geführt hatten. Fast so, als wäre ihr Ehedokument nur ein Nichtangriffspakt.

Dementsprechend überraschend war es für Sting gewesen, als er letzte Woche von Laxus angerufen und um ein Treffen gebeten worden war. Es gäbe etwas Wichtiges zu besprechen. Mehr hatte Laxus nicht erklärt. Das war aber schon genug gewesen, um Sting neugierig zu machen. Noch viel neugieriger war er geworden, als er erfahren hatte, dass nicht nur Rogue, sondern auch Yukino, Rufus und Orga zu diesem Treffen eingeladen worden waren.

Es musste wohl um Minerva gehen. Die würde sich wahrscheinlich zu neuen Höhen der Garstigkeiten aufschwingen, wenn sie von diesem Treffen hier erfahren sollte, wobei Sting sich nicht sicher war, ob dabei auch für ihn oder nur für Laxus eine Gefahr bestand.

Allerdings hüllte Laxus sich bereits seit geschlagenen zehn Minuten in Schweigen und allmählich wurde es Sting zu bunt. Es war ja nobel von Laxus, dass er sie eingeladen hatte, der Käsekuchen hier war erstklassig, aber ohne ein Gespräch hatte Sting sein großes Stück innerhalb weniger Minuten verputzt und sein eigener Cocktail neigte sich auch dem Ende, der Strohhalm war bereits halb zerkaut und der Keks von Rogues Kaffee hatte auch schon seinen Weg in Stings Magen gefunden.

„Okay, also was ist nun los?“, durchbrach er die Stille und ignorierte das Augenrollen seines Mannes und das Mundwinkelzucken von Rufus. Orga rutschte auf seinem Stuhl nach vorn und Yukino blickte von ihren Fingern auf. „Wofür diese Geheimnistuerei?“

„Es geht um Minerva“, brummte Laxus dem Tisch entgegen und drehte mit dem Zeigefinger die Tasse einmal um ihre eigene Achse.

„So weit waren wir auch schon.“

„Sting...“ So ruhig Rogues Stimme auch blieb, Sting hörte die Ermahnung deutlich heraus, aber er schob trotzig das Kinn nach vorn.

„Was ist denn mit Nerva?“

Schon wieder mahlten Laxus' Kiefer, ohne dass ein Wort heraus kam. Nicht dass der Soldat ansonsten eine Plaudertasche wäre, aber so maulfaul kannte Sting ihn dann doch nicht. Allmählich fiel es ihm wirklich schwer, sich noch zusammen zu reißen.

„Geht es um die Schwangerschaft?“, fragte Yukino leise.

Zu Stings Überraschung zuckte Laxus zusammen und für einen Moment offenbarte sich auf seiner Miene ein Kaleidoskop an Gefühlsregungen: Sorge, Wut, Unverständnis, Verwirrung, Freude und – das am deutlichsten und dadurch auch am beunruhigendsten – ein Anflug von Panik.

Schnell senkte Laxus wieder den Blick auf seinen Kaffee und drehte die Tasse erneut. „Wir wollten nie Kinder...“

Das hatte Sting sich vorher schon denken können. Sie waren alle überrascht, wenn nicht sogar geschockt gewesen, als Minerva ihnen vor einem Monat eröffnet hatte, dass sie schwanger war. So gut Minerva auch mit Lector und Frosch zu Recht kam – ja, Sting würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass Minerva in ihre Patenkinder richtiggehend vernarrt war –, sie war absolut kein Mamatyp. Selbst als heraus gekommen war, dass sie und Laxus geheiratet hatten, hatte Sting nicht einmal im Traum daran gedacht, dass die Beiden eine Familie gründen würden. Umso mehr sprach es für Minervas Prinzipientreue, dass sie keinen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung gezogen hatte.

„Wir haben nicht direkt darüber gesprochen, aber wir waren uns immer einig“, fuhr Laxus fort, seine Stimme genau wie sein Blick gesenkt. „Bei dieser Schwangerschaft hat Minerva dann alleine entschieden und ich habe es akzeptiert, aber jetzt...“

Als bräuchte er eine Stärkung, hob Laxus seine Tasse an, doch bevor sie auch nur in die Nähe seiner Lippen kam, setzte er sie wieder auf dem Unterteller ab und drehte sie schon wieder um die eigene Achse.

„Sie tut so, als wäre sie nicht schwanger.“

Verwirrt runzelte Sting die Stirn. Den Eindruck hatte er bisher eigentlich nicht gehabt. Klar, sobald jemand auch nur Anstalten machte, ihren Bauchansatz zu streicheln, massakrierte sie denjenigen regelrecht mit ihren Blicken. Die einzige Ausnahmen waren – wie sollte es auch anders sein? – Lector und Frosch. Jedwede Frage zum Stand ihrer Schwangerschaft überging sie einfach, egal wie sehr das die Leute aus dem Tritt brachte. Und Sting ging jede Wette ein, dass Minerva sich lieber beide Hände abhacken würde, als in einen dieser ominösen Schwangerschaftskurse zu gehen. Aber Minerva versteckte ihren Bauch nicht. Wie kam Laxus also darauf, dass sie ihre Schwangerschaft verleugnete?

„Sie geht nicht zu den Vorsorgeuntersuchungen, sie schraubt nicht bei der Arbeit zurück und sie weigert sich, Babysachen einzukaufen... Und sie redet nicht mit mir darüber. Irgendetwas stimmt nicht, aber sie winkt immer nur ab und macht genau die Dinge, die sie vor der Schwangerschaft gemacht hat.“

„Du meinst, sie bringt das Baby wissentlich in Gefahr?“, fragte Rufus leise und Yukino neben ihm zuckte gepeinigt zusammen. Sting verspürte den Wunsch, die Weißhaarige in den Arm zu nehmen, deren langjähriger Kinderwunsch sich einfach nicht erfüllen wollte, obwohl sie sogar schon zwei Hormonbehandlungen hinter sich gebracht hatte.

„Nein, niemals!“, erwiderte Laxus ungewohnt heftig und ballte die Hand zur Faust, ehe er sie wieder öffnete und ratlos darauf starrte. „Aber sie... ich weiß auch nicht, vielleicht sieht sie die Gefahr nicht...?“

„Und du willst was von uns? Dass wir mit Minerva reden?“, fragte Rogue ruhig, auch wenn er Yukino eine Hand auf den Unterarm gelegt hatte.

Laxus lächelte bitter und schüttelte den Kopf. „Als ob das etwas bringen würde. Minerva ist sturer als eine ganze Herde Maultiere.“

Sting unterdrückte ein Schnauben. Da war etwas dran. Die Schwarzhaarige war schon immer ein besonderer Fall gewesen, aber Sting hatte sie dennoch von Anfang an gemocht, als er in den Freundeskreis um Rogue aufgenommen worden war. Viele hielten Minerva für arrogant und kaltherzig, aber Sting hatte schon vor langer Zeit erkannt, dass das nur eine Fassade war. Minerva behielt gerne die Kontrolle, sowohl über die Situation als auch über sich selbst. Woher genau das kam, wusste wohl nur Yukino, Minerva war schon immer so gewesen, seit Sting sie kannte. Aber es gab eben doch diese besonderen Momente und Gesten, die zeigten, was für einen butterweichen Kern sie hinter dieser stahlharten Schale verbarg. Am deutlichsten wurde das, wenn sie sich mit Lector und Frosch beschäftigte. Dann war sie kaum wieder zu erkennen.

„Ich weiß nicht, was ich machen soll“, gestand Laxus und schob seinen erkalteten Kaffee so schnell von sich, dass dieser überschwappte. Mit sorgenvoll zusammen gezogenen Augenbrauen verschränkte er die Arme vor der muskulösen Brust und starrte weiter auf die Tischplatte. „Ich kann sie nicht zwingen, sich den ganzen Schwangerschaftskram anzutun, aber…“

„Minerva würde niemals etwas tun, was dem Kind schadet“, sagte Yukino auf einmal und hob energisch den Kopf. „Sie wollte dieses Kind nicht, aber jetzt ist es ihr Kind und sie wird dafür alles tun, was sie für richtig hält. Aber das heißt nicht, dass wir das verstehen müssen. Minerva wird vor niemandem Rechenschaft ablegen.“

„Aber wie kann es richtig sein, dass sie nicht zum Arzt geht? Das Kind könnte krank sein und eine Operation brauchen oder behindert sein oder es könnte für Minerva-“

„Lass’ sie in Ruhe!“

Wenn er nicht selbst so verblüfft wäre, hätte Sting über Laxus’ Miene lachen können, als Yukino ihm so über den Mund fuhr. So hatte wohl noch keiner mit dem blonden Muskelprotz geredet!

„Minerva wird dieses Kind annehmen, egal was auch immer es haben sollte und egal was es ihr abverlangen sollte. Wenn sie nicht zu einem Arzt geht, dann, weil sie auf ihre Instinkte vertraut. Das ist ihre Art, damit umzugehen, und dafür hat sie ihre Gründe. So ist Minerva und so wird sie immer bleiben!“

Nicht zum ersten Mal fragte Sting sich, was es war, dass Minerva und Yukino so eng zusammen geschweißt hatte. Soweit er es wusste, waren die Beiden schon seit der Grundschule Freundinnen gewesen. Dabei waren sie so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Dennoch verband die Beiden etwas so Festes, Tiefgehendes, wie Sting es wirklich selten beobachten konnte.

„Hör’ auf Yukino“, brummte Orga und deutete mit dem zerfledderten Schirmchen auf Laxus. „Wenn jemand Minerva versteht, dann ist sie es.“

Hilflos blickte Laxus reihum, doch Rufus und Rogue nickten nur zustimmend und Sting grinste aufmunternd. „Minerva hat Lector und Frosch versprochen, dass sie das Baby im Arm halten dürfen. Und Minerva bricht niemals die Versprechen, die sie den Beiden gibt. Vertrau’ einfach auf ihren Dickkopf.“

Sting bemerkte, wie die Lippen seines Mannes lautlos Dickkopf? formten, und er streckte ihm zur Antwort die Zunge heraus, ehe er sich wieder Laxus zuwandte, der sich mit einer Hand über das Gesicht strich.

„Diese Frau ist kompliziert“, seufzte er resigniert.

Unwillkürlich empfand Sting große Sympathie für den anderen Blondschopf. Minerva machte es einem wirklich nicht leicht und gerade Laxus schien sie es besonders schwer zu machen. Dennoch bestand kein Zweifel daran, dass der seine Frau aufrichtig liebte und sich große Sorgen um sie machte. Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, dass auch Minerva jemanden hatte, der sie mit all ihren Macken annahm.

Mehr noch: Dass Laxus hier bei ihnen saß und versuchte, seine Ängste in Worte zu fassen, um ihren Rat einzuholen, musste ihm unglaublich viel Überwindung gekostet haben. Normalerweise ließ er sich ja auch nicht in die Karten gucken und gab sich schroff und gefühlskalt. Für Minerva überwand Laxus seinen Stolz – und das war wahrscheinlich der größte Liebesbeweis, den ein Mann wie er erbringen konnte.

Einem Impuls folgend klopfte er Laxus auf die Schulter. „Lass’ uns ins Sabertooth gehen, du brauchst einen Absacker.“

Laxus gab ein halb unterdrücktes Schnauben von sich, aber als Sting und die Anderen aufstanden, schloss er sich ihnen an. Vielleicht war es voreilig, das jetzt schon zu sagen, aber Sting hatte so ein Gefühl, als wäre das der Moment, in dem Laxus einer von ihnen wurde…

Die Sache mit dem Pony

„Papa, Frosch will ein Pony haben.“

Abrupt hielt Sting inne und blickte zu seiner Tochter hinunter, die aus großen, treuherzigen Augen und mit all dem Charme einer Achtjährigen zu ihm aufblickte. Bei jedem anderen Wunsch hätte allein das schon gereicht, um Sting schwach werden zu lassen. Nur mit diesem einen Wunsch hatte Sting so seine Probleme…

Um sich Zeit zu verschaffen, beugte Sting sich wieder über den Geschirrspüler und nahm mehrere Teller an sich, die er in den Schrank stellte. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Frosch noch immer neben ihm stand und mit beiden Händen die sauberen Löffel hielt, die sie eigentlich ins Besteckfach zurück legen sollte – die Messer hatte Sting wohlweislich als erstes aus dem Besteckkorb geholt. Ihre dunklen Augen funkelten erwartungsvoll.

Warum ausgerechnet ein Pony? Wieso nicht ein Spielgefährte für Minnie oder ein Aquarium oder eine Katze? Selbst der Wunsch nach einem Geschwisterchen wäre Sting gerade sehr viel lieber als das!

Seit Minerva überraschend – und ziemlich widerwillig – verkündet hatte, dass sie schwanger war, hatte Frosch einen Narren an der Idee gefressen, ein Baby zu betüddeln. Lector hatte mit ihr Mutter-Vater-Kind spielen müssen und Sting und Rogue hatte fast der Schlag getroffen, als ihre Tochter mal mit einem Kissen, das sie sich unters Nachthemd geschoben hatte, um einen Schwangerschaftsbauch zu imitieren, ins Wohnzimmer gekommen war.

Zum Glück hatte sich Froschs Wunsch nach einem Geschwisterchen dadurch entschärfen lassen, dass Minerva erklärt hatte, dass ihr Junge so etwas wie der kleine Bruder von Lector und Frosch werden würde. Tatsächlich hatte Minerva ihre beiden Patenkinder sogar mehr in die Schwangerschaft einbezogen als den Kindsvater. Beinahe hatte Sting Mitleid mit Laxus.

Jetzt jedoch würde Sting sich viel lieber den Fragensturm seiner Tochter stellen, warum er und Rogue ihr kein Geschwisterchen herbei zaubern konnten, als ihr erklären zu müssen, warum er nicht wollte, dass sie ein Pony bekam.

„Warum willst du denn ein Pony?“, fragte er gedehnt.

„In Froschs Klasse haben ganz viele Mädchen Ponys“, erklärte das Mädchen eifrig.

„Wahrscheinlich meinen sie diese Spielzeug-Ponys?“, fragte Sting hoffnungsvoll, aber zu seiner Enttäuschung schüttelte Frosch heftig den Kopf, wobei ihre Rattenschwänze herum gewirbelt wurden.

„Nein, sie haben Frosch Bilder von ihren Ponys gezeigt! Frosch will auch ein echtes Pony haben!“

Nur mit sehr viel Mühe konnte Sting sich davon abhalten, das Gesicht zu verziehen. Er liebte Frosch und würde ihr sonst beinahe jeden Wunsch erfüllen, aber abgesehen von den offensichtlichen Gründen, die gegen die Anschaffung eines Ponys sprachen, hasste er Pferde abgrundtief.

Diese blöden Viecher hatten es seit jeher immer auf ihn abgesehen gehabt. Angefangen bei Lucys damaligem Pflegepferd, das Sting damals hochkant abgeworfen hatte, als Lucy ihn mal auf den Sattel hatte klettern lassen, bis hin zu dem Kutschpferd, das ihm während seines ersten Urlaubs mit Rogue auf den Fuß gestiegen war, sodass er den Rest des Urlaubs hatte humpeln müssen. Sonst kam Sting mit allen Tieren gut zurecht, aber zwischen ihm und Pferden stimmte die Chemie so überhaupt gar nicht.

„Fro, wir können hier doch kein Pony halten“, versuchte er es vorsichtig.

„Aber Opi Weiß hat doch einen großen Garten!“

„Der ist für die Hunde“, erwiderte Sting und fühlte sich sogleich wie der schlimmste Vater der Welt, denn er konnte sehen, wie Froschs strahlendes Lächeln zu wackeln begann.

„Frosch möchte aber ein Pony!“

„Ponys sind teuer, Frosch. Sie brauchen Futter und einen Stall und Ausrüstung und keine Ahnung, was noch alles.“ Je mehr vernünftige Argumente er aufzählte, desto mehr bröckelte die Begeisterung in Froschs Augen.

„Frosch will auch kein Taschengeld mehr, versprochen!“

Seufzend legte Sting den Kopf in den Nacken und starrte zur Decke hoch, um seine Tochter nicht ansehen zu müssen. Es brachte nichts, dem Mädchen zu erklären, dass es mit seinem derzeitigen Taschengeld nicht einmal das Futter bezahlen könnte, das ein Pony jede Woche vertilgte.

„Frosch kümmert sich auch ganz alleine um ihr Pony! Sie wird jeden Tag mit ihm reiten und es sauber machen und füttern!“

Jetzt hatte Froschs Ton beinahe schon etwas Weinerliches und dann stampfte das Mädchen sogar mit einem Fuß auf.

„Papa!“

„Nein, Frosch“, seufzte Sting resigniert. „Du kriegst kein Pony, nur weil andere Mädchen welche haben.“

„Aber…“

Als er zu seiner Tochter runter linste, versetzte es Sting einen Stich, die Tränen in ihren Augen schimmern zu sehen. Ihre Unterlippe war trotzig hoch gezogen und zitterte verräterisch.

„Hast du Frosch nicht mehr lieb?“

„Das hat doch damit nichts zu tun, Fro“, erklärte Sting so sanft wie möglich und ging vor ihr in die Hocke. „Ich habe dich unglaublich lieb und ich mache dir gerne eine Freude, aber ein Pony ist zu viel…“

„Frosch will auch nie wieder etwas anderes haben“, versuchte das Mädchen es weinerlich.

Als Sting den Kopf schüttelte, kamen die Tränen. Behutsam wollte Sting sie fortwischen und seine Tochter in den Arm nehmen, aber die riss sich los und rannte weinend in ihr Zimmer. Geknickt blieb Sting, wo er war und starrte auf die Küchenfließen hinunter.

Hätte er es anders angehen sollen? Hätte er ihr sagen sollen, dass er es sich überlegen würde, um dann mit Rogue einen Plan zu schmieden? War er zu schroff gewesen? Hatte er seine eigene Abneigung gegen Pferde zu sehr in den Vordergrund gestellt?

„Sting, was ist denn los?“

Als Sting aufblickte, standen Rogue und Lector in der Küchentür, letzterer noch mit der Leine in der Hand. Minnie schob ihre Schnauze zwischen Rogue und den Türrahmen, auch wenn sie keinen Schritt in die Küche hinein machte. Auf Rogues Wunsch hin hatte Sting ihr rigoros – und erfolgreich – beigebracht, dass sie diesen einen Raum nicht betreten durfte.

„Frosch ist böse auf mich“, gab Sting kleinlaut zu und richtete sich wieder auf.

Lector warf über seine Schulter einen Blick in Richtung von Froschs Zimmertür, aus der die Schluchzer des Mädchens drangen. Seine Miene wurde finster. „Was hast du gemacht?“

Toll. Ganz toll! Jetzt war gleich auch noch sein Sohn sauer auf ihn! Was war er bloß für ein grottenschlechter Vater?!

„Frosch wollte ein Pony und ich habe Nein gesagt“, erklärte Sting knapp und zog den Kopf ein.

Zu seiner Erleichterung glättete sich die Wut in Lectors Miene wieder etwas und wurde von Verwirrung abgelöst. „Wieso will sie ein Pony haben?“

„Weil die Mädchen in ihrer Klasse angeblich alle welche haben.“

Lector blies die Wangen auf. „Das sind dumme Hühner!“

Hilflos zuckte Sting mit den Schultern. „Ist ja auch egal, Frosch ist jetzt böse auf mich…“

„Ich gehe zu ihr“, erklärte Lector und machte auf dem Absatz kehrt.

Rogue trat in die Küche und gab seinem Mann einen beruhigenden Kuss auf die Lippen. „Das wird schon wieder, Sting. Sie wird sich sicher wieder beruhigen.“

Sting gab nur ein „Hm“ von sich und drehte sich wieder dem Geschirrspüler zu, um endlich fertig zu werden. Wahrscheinlich hatte Rogue Recht mit seiner Einschätzung. Frosch war wirklich niemand, der Anderen lange böse sein konnte – aber andererseits war sie bisher noch nie auf einen von ihnen böse gewesen, also wer wusste schon, wie lange das jetzt anhalten würde…?
 

„Hätte ich es ihr doch erlauben sollen?“

Neben ihm stieß Rogue ein schweres Seufzen aus und drehte sich auf die Seite. Im Dunkeln konnte Sting das Gesicht seines Mannes nicht sehen, aber er wusste, dass seine Miene wahrscheinlich sorgenvolles Verständnis wieder spiegelte.

Frosch hatte sich den ganzen restlichen Abend geweigert, mit Sting zu reden. Wann immer sie ihn angesehen hatte, hatte ein stummer Vorwurf in ihren großen, schwarzen Augen gestanden, aber meistens hatte sie einfach auf ihren Teller hinunter geblickt. Auf Stings Versuche, mit ihr zu reden, hatte sie überhaupt nicht reagiert. Sie schmollte.

Zum allerersten Mal, seit er sie kannte, schmollte Frosch. Selbst für Lector war das eine Überraschung. Er und Rogue waren immer wieder unbehaglich auf ihren Stühlen herum gerutscht und hatten kaum ein Wort gesagt.

Nach dem Essen hatte Frosch wie immer beim Abräumen geholfen, aber sie hatte dabei immer einen großen Bogen um Sting gemacht, der kaum einen Bissen von seinem Schnitzel herunter gekriegt hatte. Als er sich hoffnungsvoll im Wohnzimmer auf dem Klavierhocker nieder gelassen hatte, war Frosch einfach an der Wohnzimmertür vorbei in ihr Zimmer gegangen.

„Nein“, murmelte Rogue gedämpft. „Es gefällt mir auch nicht, aber Frosch muss lernen, dass wir ihr nicht jeden Wunsch erfüllen können. Ich denke, das ist wirklich wichtig für sie.“

„Aber sie war so schrecklich enttäuscht…“ Sting musste schwer schlucken. „Ich will sie doch gar nicht enttäuschen.“

Rogues Arme schlangen sich um ihn und an seiner Schläfe spürte Sting die Lippen seines Mannes. „Sie wird es schon noch verstehen, Sting. Du hast nichts falsch gemacht.“

Dennoch frustriert drehte Sting sich in den Armen seines Mannes und drückte sein Gesicht in dessen Halsbeuge.

„Um ehrlich zu sein, bin ich sogar ein bisschen stolz auf dich“, brummte Rogue verlegen. Überrascht entfernte Sting sich eine halbe Armlänge von dem Schwarzhaarigen und versuchte, etwas von dessen Gesicht in der Dunkelheit auszumachen. „Ich wäre wahrscheinlich eingeknickt. Es ist wirklich schwer, Nein zu ihr zu sagen.“

Aller Betrübnis zum Trotz schlich sich der Anflug eines Grinsens auf Stings Lippen, als er sich wieder an seinen Mann schmiegte und diesem ins Ohr pustete. „Du bist so ein Megasoftie, wenn es um Frosch geht.“

Rogue brummte widerwillig und kniff Sting in die Seite, aber das entlockte Sting nur ein Kichern. Vom ersten Tag an hatte er gemerkt, wie sehr Rogue der gemeinsamen Tochter verfallen war. Gut zwei Drittel aller Plüschfrösche in Froschs Zimmer gingen auf Rogues Kappe und Rogue hatte sogar richtig ernsthaften Friseurunterricht bei Minerva genommen, um Frosch alle möglichen Haarwünsche erfüllen zu können. Ganz zu schweigen davon, dass Frosch die Einzige war, die Rogue auf eine Tanzfläche locken konnte. Und in die Kleiderabteilungen von Boutiquen – in all den Jahren ihrer Freundschaft war es immer nur Sting gewesen, der für Yukino oder Lucy als Shopping-Assistent hatte herhalten müssen, Rogue hatte sich davor immer erfolgreich gedrückt.

Seufzend drückte Sting sein Gesicht wieder in Rogues Halsbeuge. Er hatte sich von Frosch auch zu mancherlei Dingen überreden lassen, an die er früher nie geglaubt hätte. Einfach weil er dieses Mädchen nun einmal abgöttisch liebte. Frosch war seine Tochter und er würde für sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Es tat weh, dass sie ihm jetzt aus dem Weg ging.

Rogues Hände strichen tröstend über seinen Rücken und jagten einen angenehmen Schauder darüber. Dankbar hob Sting den Kopf und suchte im Dunkeln nach Rogues Lippen.

„Lass’ ihr etwas Zeit, darüber nachzudenken, Sting“, flüsterte sein Mann gegen seine Lippen. „Sie wird es schon noch verstehen.“

„Aber bis dahin muss ich damit leben, dass sie böse auf mich ist“, murmelte Sting und lehnte seine Stirn gegen Rogues.

„Wahrscheinlich werden sie und Lector auch in Zukunft immer mal wieder böse auf uns sein. Es kann ja nicht immer so harmonisch laufen wie bisher. Langsam kommen sie aus dem niedlichen Alter heraus.“

Sting hörte das Bedauern aus der Stimme seines Mannes heraus, das auch ihn umtrieb. Natürlich war er wahnsinnig stolz auf ihre gemeinsamen Kinder, aber es war nicht zu leugnen, dass Lector und Frosch immer selbstständiger wurden. Sie waren keine Kleinkinder mehr, die rund um die Uhr kuscheln wollten.

„Oh Mann, wir klingen wie weinerliche Daddys in der Midlifecrisis… Nerva darf niemals davon erfahren, dass wir über so etwas gesprochen haben“, stöhnte Sting und drehte sich wieder auf den Rücken. „Damit wird sie uns sonst piesacken, bis Frosch ihren Masterabschluss hat.“

„Dann hör’ endlich auf, unseren Hund Minerva zu nennen, damit provozierst du sie nur noch mehr“, schnaufte Rogue und Sting wusste ganz genau, dass sein Mann die Augen verdrehte.

„Aber sie heißt doch nun einmal so!“

„Sie hört auch auf Minnie.“

„Spielverderber.“

„Mach’ nur weiter so und du schläfst heute Nacht auf dem Sofa.“

„Als ob du es auch nur eine Nacht ohne mich aushalten würdest!“

Als Antwort erhielt er nur ein Schnippen gegen die Stirn und dann drehte Rogue ihm den Rücken zu. Aber als Sting von hinten einen Arm um Rogues Brust schlang und sein Gesicht in dessen Haare drückte, protestierte der Schwarzhaarige nicht und seine Finger verschränkten sich bereitwillig mit Stings. Dankbar für die Nähe schloss Sting die Augen und versuchte, endlich zu schlafen.
 

Gelangweilt saß Sting auf dem Klavierhocker und klimperte den Flohwalzer vor sich hin. Normalerweise ging er ihm gut von der Hand und es macht Sting immer wieder Spaß, ein bisschen mit dem einfachen Motiv herum zu experimentieren. Vor allem im Duett mit Frosch machte das einen Heidenspaß. Das Mädchen war unglaublich talentiert am Klavier und hatte dabei eine fantastische Ausstrahlung. Sting war einfach unendlich stolz auf seine Tochter!

Aber sie hatte jetzt seit drei Tagen nicht mehr gespielt. Zumindest nicht, wenn er in der Wohnung war. Sie hatte auch kein einziges Wort mit ihm gesprochen und sich die meiste Zeit in ihrem Zimmer verkrochen.

Mehrmals hatte Sting es mit verschiedenen Friedensangeboten versucht, hatte Frosch Muffins von Yukino mitgebracht, hatte ihr neue Wachsmalstifte gekauft und ihr angeboten, mit ihr in den Zoo zu gehen. Nichts hatte geklappt. Sie hatte ihn immer nur so vorwurfsvoll angesehen und sich dann von ihm abgewandt.

Und das alles nur wegen eines dummen Ponys!

Allmählich war Sting mit den Nerven echt am Ende und als er Lector vorhin zum Basketballtraining gebracht hatte, hatte dieser ihm eine Predigt gehalten, warum er nicht nachgeben und Frosch doch noch ein Pony kaufen durfte. Sting konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor in so einer absurden Situation gesteckt zu haben: Sein Sohn predigte ihm Vernunft! Ausgerechnet Lector!

Brummend ließ Sting die Hände fallen, als Minnie zu seinen Füßen vernehmlich schnaufte und die Ohren anlegte. Nicht dass er dieses Zeichens bedurft hätte, um zu erkennen, dass sein Spiel heute absolut miserabel war. Er konnte sich einfach nicht von der Musik treiben lassen, weil seine Gedanken andauernd um Frosch kreisten.

Er senkte die Klappe und legte die Stirn darauf.

Es war nicht so, dass er rund um die Uhr Zeit mit den Kindern verbringen musste. Die Beiden waren schon sehr selbstständig und konnten sich auch mal alleine beschäftigen. Lector hatte sein Basketballtraining, fuhr Skateboard und machte diese Matherätsel, bei deren Anblick Sting jedes Mal verständnislos den Kopf schüttelte. Und Frosch ging oft Lucy besuchen und las deren Kurzgeschichten und Comics, die Lucy zum Spaß produzierte, um neben der Editierarbeit für ihren neuen Roman auch noch etwas anderes zu haben, malte und dekorierte gefühlt jede Woche ihr Zimmer um. Sting und Rogue hatten vom Vatersein zuweilen also wirklich mal Freizeit und normalerweise fand Sting dann auch etwas, womit er sich beschäftigen konnte. Aber heute… irgendwie nicht…

Überrascht hob Sting den Kopf, als sich jemand neben ihn setzte und die Klappe hoch zu drücken versuchte. Frosch. Sie hatte den Blick stur auf die Tasten gesenkt und schlug ein paar davon probehalber an. Nicht ein einziges Mal sah sie Sting an und sie sagte auch nichts zu ihm, aber er freute sich schon allein darüber, dass sie endlich wieder einmal neben ihm saß!

Als Frosch mit einer langsamen Version des Flohwalzers begann, betrachtete Sting aufmerksam ihre kleinen, flinken Finger, die geübt über die Tasten tanzten. Fehlerlos. Himmel, wie stolz er auf seine Tochter war! Sie war erst acht Jahre alt, aber sie hatte so viel Talent und war auch schon so weit, sich einfache Stücke selbst beizubringen, wenn sie die Noten dafür hatte.

Zuerst zögerte Sting noch, aber als Frosch das Anfangsmotiv zum dritten Mal wiederholte, verstand er die Aufforderung und leistete ihr Folge, indem er mit einstieg. Kaum dass sie einen gemeinsamen Takt gefunden hatten, zogen sie wie auf ein unsichtbares Zeichen hin das Tempo an. Vor Freude begann Stings Herz wie wild zu klopfen, als sie ihr altbekanntes Flohwalzer-Spiel vollführten, die Melodie gemeinsam abwandelten und immer weiter beschleunigten. Froschs Finger fanden mühelos die richtigen Tasten und ihr Zopf nach boscanischer Art schwenkte hin und her, als das Mädchen sich in der Melodie wiegte.

Nach zwei oder drei Minuten wurden sie wieder langsamer und schließlich ließen sie die letzten Töne ausklingen, ehe Frosch endlich den Blick hob. Ihre großen, schwarzen Augen spiegelte Erleichterung und Zuneigung wieder. Ganz unwillkürlich beugte Sting sich zu ihr herunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn und sie schlang sofort die Arme um seinen Hals und gab ihm einen Schmatzer auf die Wange. Glücklich zog Sting sie auf seinen Schoß und drückte sie an sich.

„Bist du mir nicht mehr böse?“, fragte er vorsichtig.

„Frosch war gar nicht böse“, nuschelte das Mädchen kleinlaut. „Frosch hatte Angst, dass Papa sie nicht mehr lieb hat.“

Sanft verstärkte Sting die Umarmung und drückte einen Kuss in Froschs Haare. „Ich könnte niemals aufhören, dich lieb zu haben, Fro.“

Das Mädchen blickte wieder zu ihm auf, ihre Augen voller Hingabe und Liebe, sodass Sting ganz anders zumute wurde. Zärtlich hauchte er einen Kuss auf ihr winziges Näschen und lehnte dann seine Stirn gegen ihre.

„Ich wollte dich nicht traurig machen, Fro. Das mit dem Pony tut mir wirklich Leid.“

„Aber Frosch darf immer noch kein Pony haben, oder?“, fragte das Mädchen vorsichtig, ohne die vertrauliche Nähe zu unterbrechen.

„Nein“, seufzte Sting und rieb seine Nase an der seiner Tochter. „Aber wenn du dich so unbedingt um ein Pony kümmern möchtest, dann schaue ich mal, ob du irgendwo Reitstunden nehmen kannst. Ist das auch okay?“

Froschs Freude schäumte derartig über, dass das Mädchen seinen Vater vom Klavierhocker schubste. Schmerzhaft landete er am Boden, die Beine noch auf dem Klavierhocker, die Arme fest um seine Tochter geschlungen. Aufgeregt sprang Minnie auf die Beine und wuselte um sie Beide herum, aber aller Rückenschmerzen zum Trotz konnte Sting einfach nicht anders, als befreit zu lachen und nach dem anfänglichen Schreck stimmte Frosch mit ein und gab ihrem Vater noch einen Schmatzer auf die Wange.

„Was wird das denn?“

Immer noch lachend legte Sting den Kopf in den Nacken und erkannte Lector, der mit skeptischer Miene neben ihnen in die Hocke gegangen war. Gleichzeitig mit Frosch griff er nach dem Jungen und zog ihn zu sich runter. Lector gab ein sehr unmännliches Quietschen von sich, als er so überfallen wurde und dann auch noch Minnie vor Freude ihrer aller Gesichter abschleckte. Jauchzend und lachend balgten sie sich miteinander, bis sie schwer atmend als Menschen- und Hundeknäuel liegen blieben, Lector und Frosch mit den Köpfen auf Stings Bauch, Minnie halb auf Stings Beinen. Der Klavierhocker war während des Tobens beiseite geschoben worden.

„Ist jetzt wieder alles in Ordnung?“, durchbrach Lector die Stille schließlich, als er wieder zu Atem gekommen war.

„Ich glaube schon, oder, Fro?“

„Frosch denkt das auch! Sie hat Papa ganz doll lieb!“, erklärte das Mädchen inbrünstig.

Selig lächelnd streckte Sting eine Hand aus und strich zärtlich über die seidigen Haare seiner Tochter. Er war so unendlich dankbar, dass sie wieder mit ihm sprach. Gleich morgen würde er nach einem guten Reithof für Frosch suchen. Dann musste er eben in den sauren Apfel beißen und sich wieder mit Pferden auseinander setzen, aber das würde er schon überleben. Für Frosch würde er noch ganz andere Dinge auf sich nehmen!
 

Mit einem zufriedenen Grinsen lehnte Sting am Koppelzaun und beobachtete seine Tochter, die jauchzend vor Freude auf dem Kamel saß und sich am Sattelhorn festhielt. Geführt wurde das gutmütig dreinblickende Tier von einem der Hofangestellten, der dem Mädchen auch immer wieder Anweisungen gab, wie es sitzen, die Zügel halten und die Füße an den Körper des Tieres schmiegen musste, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Sehr aufmerksam folgte Frosch allen Anweisungen, aber alle Konzentration konnte ihr nicht das strahlende Lächeln aus dem Gesicht treiben.

„Also doch kein Pony-Reiten.“

Sting wandte sich nach links, wo Rogue neben ihm am Zaun lehnte und ihre gemeinsame Tochter ebenfalls lächelnd beobachtete. Neben Rogue wiederum saß Lector auf dem Zaun und ließ die Beine baumeln, während er abwägend den Kopf mal auf die eine, mal auf die andere Seite neigte.

„Kamele sind cooler als Ponys“, lautete das Urteil des Jungen.

Sting schnaubte amüsiert.

Nach seiner Versöhnung mit Frosch hatte er sich an seine Cousine gewandt, um von ihr einen Reithof empfohlen zu bekommen, der für Frosch geeignet wäre. Wohl wissend, was für ein Problem er mit Pferden hatte, hatte Lucy ihm empfohlen, sich an die Cousine seines Mannes zu wenden. Juvia hatte noch immer gute Kontakte zu diesem Kamelhof hier, da hatte sie es gerne möglich gemacht, dass Frosch eine Reitstunde nehmen durfte. Eigentlich wurde hier nur Therapiereiten angeboten, aber dank Juvia wurde für Frosch eine Ausnahme gemacht. Das kostete zwar mehr als Ponyreiten, aber Sting war ehrlich erleichtert, doch noch um die Pferde herum gekommen zu sein.

Insgeheim musste er seinem Sohn nämlich zustimmen: Kamele war schon irgendwie cool. Sie waren ausgesprochen gemütliche Gesellen und Frosch schien wahnsinnig viel Spaß an ihnen zu haben. Schon als Sting ihr von der Sache mit den Kamelen erzählt hatte, war sie ganz begeistert gewesen.

Der Mann hielt das Kamel in der Mitte des Reitplatzes an und erklärte Frosch, wie sie das Tier dazu bringen konnte, in die Knie zu gehen. Es dauerte etwas, aber schließlich befolgte das Kamel den ungelenken Befehl und Frosch konnte ungefährlich aus dem Sattel rutschen. Sofort griff sie nach den Zügeln, um ihr Reittier vom Platz und zur Putzstelle zu führen.

Lector rutschte vom Zaun, um seiner Schwester Gesellschaft zu leisten und das Kamel zu streicheln, sodass Sting mit seinem Mann alleine zurück blieb.

„Ein Glück, dass Lucy das hier eingefallen ist“, seufzte Sting zufrieden, ohne die Augen von seinen Kindern zu lassen.

„Und ein Glück, dass Frosch dich gefragt hat, sonst hätten wir jetzt ein Pony“, schmunzelte Rogue und Sting fühlte, wie sein Mann einen Arm um ihn legte und am Zaun abstützte. Rogues Atem streifte seinen Nacken und Sting drehte sich wohlig erschaudernd herum.

„Vielleicht hättest du ja doch widerstanden?“

„Wohl kaum“, gab Rogue mit einem schiefen Lächeln zu und beugte sich vor.

Wie lange sie dort standen und einander küssten, wusste Sting im Nachhinein nicht zu sagen. Sie unterbrachen sich erst, als Frosch sich zwischen sie drängte, um Sting umarmen zu können. Lachend hob er das Mädchen hoch und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, während Lector zufrieden grinsend neben Rogue trat, welcher ihm eine Hand auf die Schulter legte.

„Frosch hat dich soooooooooooo lieb, Papa“, erklärte das Mädchen und schlang die Arme um Stings Hals.

„Ich dich auch, Fro“, versicherte Sting und gab ihr gleich noch einen Kuss.

Das würde gewiss nicht seine letzte Prüfung als Vater gewesen sein, aber er war wirklich froh, dass er diese hinter sich hatte und dass er sie so gut gemeistert hatte!

Die Sache mit dem Haargel

Stings verdutzter Ausruf ließ Rogue das Handtuch zurückziehen, mit dem er sich die Haare trocken gerubbelt hatte. Sein Mann stand am Spiegel und hielt die offensichtlich leere Haargeltube in der Hand.

Solange Rogue den Blonden kannte hatte dieser immer eine kleine Macke bezüglich seiner Haare gehabt und bemerkenswert viel Sorgfalt in die Herstellung seiner gewollt wilden Frisur gelegt. Rogue war der Letzte, der etwas dagegen einzuwenden hatte, denn er musste unverblümt zugeben, dass er diesen Stil auch nach all den Jahren noch ausgesprochen anziehend fand, aber zuweilen amüsierte es ihn doch ein wenig, wie eisern Sting auf dieses morgendliche Ritual beharrte. Letztendlich war er wohl ein bisschen eitel.

„Was ist los, hast du vergessen, neues zu kaufen?“

„Nein, im Schrank ist noch eine Tube, aber gestern früh war hier noch genug für ein paar Tage drin“, erklärte Sting mit verwirrt gerunzelter Stirn.

„Bist du dir sicher?“

Beleidigt blies der Blonde die Wangen auf und Rogue kümmerte sich wieder um seine eigenen Haare, um das Zucken seiner Mundwinkel zu verbergen.

Als er neben seinen Mann trat, um seine eigenen Haare durchzubürsten und zu einem Pferdeschwanz zusammen zu fassen, hatte dieser bereits die neue Tube angebrochen und seine Haare in Form gebracht. Kritisch zupfte Sting noch an ein paar Strähnen, ehe er zufrieden nickte und das Haargel zurück in den Schrank stellte.

In der Küche konnten sie ein Klappern hören und sie mussten beide grinsen. Wie erwartet, fanden sie Lector vor, der den Kühlschrank nach etwas durchsuchte, was er schnell vor dem eigentlichen Frühstück verdrücken konnte. Was der Junge mit seinen elf Jahren alles in sich hinein schaufelte, war einfach unglaublich. Dagegen waren selbst Sting und Minerva harmlos. Gut möglich, dass das regelmäßige Basketballtraining im Verein mitverantwortlich war, aber Lector hatte auch vorher schon einen gesegneten Appetit besessen.

„Morgen, du Räuber“, lachte Sting und trat zu seinem Sohn, um über dessen Kopf hinweg nach der Milch zu greifen.

Wie ertappt, zuckte der Junge zusammen und seine Hand fuhr zu den Haaren – oder wäre es, wenn diese nicht unter einem dünnen Beanie versteckt wären. Jetzt war es Rogue, der verwirrt die Stirn runzelte. Lectors letzte Mützenphase war schon eine ganze Weile her und es war eindeutig nicht kalt in der Wohnung – zumal Lector in der Hinsicht schon immer relativ schmerzfrei gewesen war.

„Ist dir kalt?“, fragte er geradeheraus.

„Nein, ich… ich finde es cool“, erklärte Lector und es hätte dabei gar nicht seiner roten Ohren bedurft, damit Rogue die Lüge erkannte.

Wenn es darauf ankam, konnte Lector eisern schweigen – bis heute wüsste Rogue nicht, warum er Lector mal mit einer weinenden Yukino im Wohnzimmer vorgefunden hatte, wenn Yukino es ihm nicht einige Tage später gestanden hätte –, aber er war ein hundsmiserabler Lügner. Und Rogue war zwar gewiss nicht allwissend, aber er konnte schon von sich behaupten, ein ganz gutes Gespür für Lügen und Halbwahrheiten zu haben. Auch wenn es um seine Familie ging.

Auch Sting schien die Lüge als solche erkannt zu haben, aber wie es nun einmal so seine Art war, tastete er sich nicht vorsichtig an das Thema heran, sondern zog seinem Sohn einfach den Beanie vom Kopf. Lector jaulte protestierend und wollte nach der Mütze greifen, aber da war es auch schon zu spät.

Jetzt war wohl geklärt, wo Stings Haargel abgeblieben war: Lectors Haare standen in steinharten, unregelmäßigen Stacheln vom Kopf ab. Anscheinend war Lector in einer neuen Ausprobierphase und hatte sich dieses Mal am Haarstyling versuchen wollen.

Das Gesicht des Jungen rötete sich verschämt und er blickte böse zu Sting auf, der sich schnell eine Hand vor den Mund schlug, um sein Prusten zu unterdrücken.

„Du bist doof!“, schimpfte Lector und rauschte dann an einer verschlafenen Frosch vorbei aus der Küche, um kurz darauf seine Zimmertür zu zuknallen.

Rogue verzog das Gesicht. Er hatte ja inständig gehofft, von dieser Teenager-Marotte mit dem Türenknallen verschont zu bleiben, aber den Gefallen tat sein temperamentvoller Sohn ihm leider nicht. Zum Glück waren die Nachbarn diesbezüglich ziemlich tolerant, weil sie alle so begeistert von Frosch waren.

„Schäm’ dich, Sting“, tadelte Rogue seinen Mann und bemühte sich, seine Miene ruhig zu halten.

„Ach, komm’ schon, Rogue! Das sah zum Schießen aus!“, kicherte der Blonde.

Streng deutete Rogue hinter sich. Er hatte keine Lust, dass sein Sohn jetzt den ganzen Tag bockig war, nur weil Sting sich nicht im Griff hatte.

„Spielverderber“, schmollte Sting, trollte sich aber.

Während der Blonde mit dem Jungen verhandelte und Abbitte leistete, kümmerten sich die anderen beiden Familienmitglieder darum, das Frühstück vorzubereiten. Frosch, die immer nur einen kurzen Anlauf brauchte, um so richtig quirlig zu werden, plapperte in einem Fort davon, wie sehr sie sich darauf freute, ihre Tante Mi und ihr Brüderchen im Krankenhaus zu besuchen. Als gestern Abend endlich die Nachricht von der erfolgreichen Geburt eingetrudelt war, war sie ganz aus dem Häuschen gewesen. Zum Glück war sie noch zu jung, um zu begreifen, was es bedeutete, dass ihre Patentante sich fast zwei Tage durch die Wehen gequält hatte.

Als Lectors Zimmertür endlich wieder geöffnet wurde, streckte Rogue den Kopf aus der Küche, aber sein Mann und sein Sohn schlugen zunächst den Weg ins Badezimmer ein und kurz darauf war das Rauschen der Dusche zu hören. Zufrieden damit, dass Sting es geschafft hatte, die Wogen zu glätten, schlüpfte Rogue in seine Straßenschuhe und ging rasch nach unten, um den Briefkasten zu leeren. Frosch wusste, dass sie die volle Kaffeekanne nicht alleine zum Tisch tragen durfte, und vom Herd hielt sie sich respektvoll fern.

Mit zwei Rechnungen und einer Postkarte von seinem Vater aus den Flitterwochen kehrte er kurz darauf in die Küche zurück. Um mit dem Frühstück auf die anderen Familienmitglieder zu warten, ließ Rogue seine Tochter die Postkarte vorlesen. Sie mochte es zu lesen und gab sich immer viel Mühe dabei, auch wenn ihr Lehrer meinte, sie sei zu langsam für das Lernpensum der Klasse. Nur unter Aufbietung all seiner Beherrschung hatte Rogue sich davon abhalten können, dem Mann zu sagen, dass ihm das Lernpensum der Klasse egal war. Frosch gab sich redliche Mühe und sie machte Fortschritte, das allein zählte doch!

„Liiiiie… be Grüüüße… Skiaaaadrum und Gran… Grandine“, las Frosch und blickte strahlend zu ihrem Vater auf, der ihr lächelnd über die noch offenen und wirren Haare strich.

„Eine Karte von Skia und Tante Dine?“

Rogue blickte zur Küchentür, wo jetzt Sting und ein vorzeigbarer Lector standen. Die Haare des Letzteren waren von dem Haargelpanzer befreit und danach von Sting gestylt worden. Sie waren gezielt verwegen, einige Ponyfransen hingen ins Gesicht und im Hinterkopf standen sie ab, aber es machte etwas her. Es passte zu Lector.

„Sieht gut aus“, erklärte Rogue und nickte seinem Sohn aufmunternd zu, der erleichtert grinste.

„Frosch denkt das auch!“, verkündete das Mädchen auf Rogues Schoß und klatschte in die Hände. „Lector sieht aus wie Papa!“

Sting grinste stolz und Lector tat es ihm gleich – und mit einem Schmunzeln musste Rogue sich eingestehen, dass seine Tochter Recht hatte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Yuri ist übrigens ein Charakter aus dem Manga. Einer der ehemaligen Ratsmitglieder, die von Tartaros getötet wurden. Er erschien mir perfekt für die Lehrerrolle, die ich in diesem OS haben wollte.

Über Kommentare würde ich mich sehr freuen!
Danke!^^
Yo Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nächste Woche kommt hierzu eine Fortsetzung, die wiederum in der nächsten größeren Fic des SaniPress-'verse ihren Bezug finden wird. Überhaupt schlage ich mit diesem Thema eine Brücke über verschiedene der Fics und OS-Sammlungen des SaniPress-'verse. Die ganze Problematik ist sehr komplex, es gibt sehr viel Hintergrundstory dafür!

Ich hoffe, es hat gefallen!
LG
Yosephia Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Oje, da hat sich keiner mit Ruhm bekleckert... Aber Rogue hat es letztendlich ja irgendwie nur gut gemeint und Lucy hat sich in die Ecke gedrängt gefühlt.
Was genau mit Layla ist, wird innerhalb dieser Serie hier allerdings nach wie vor nicht verraten. Das erfahrt ihr in Katzentapsen, das ich nächstes Jahr zu schreiben beabsichtige.

Leider, leider ist jetzt auch erst einmal eine Pause mit Fliegenfang. Ich war in den letzten Wochen zu sehr mit einem größeren OS für ein anderes 'verse beschäftigt, da wollte ich zwischendrin nicht einen anderen OS schreiben. Irgendwann im nächsten Jahr wird es hier aber sicher weiter gehen. Ich habe noch sehr, sehr viele Ideen hierfür!

Ich freue mich über jeden Kommentar!
LG
Yosephia Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Um eines klar zu stellen: ICH liebe Pferde! Ich bin zehn Jahre lang geritten und hatte unglaublich viel Freude dran. Kamele mag ich allerdings auch total gerne und ich würde furchtbar gerne mal auf einem reiten XD"

Und ja, Minerva ist zum Zeitpunkt dieses OS schwanger - und der arme Laxus hat es alles andere als leicht ID"

Über Kommentare würde ich mich sehr freuen!
LG
Yosephia Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von: Arianrhod-
2017-06-03T23:12:49+00:00 04.06.2017 01:12
So, den kleinen Kommentar schaffe ich noch, ehe ich auch ins Bett hüpfe. :) Ich fand den OS sehr süß und er ließ sich ruckzuck runterlesen. Zu lang war er auch nicht und der Inhalt sehr stimmig.

Schon den Einstieg fand ich ziemlich gut, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Sting mit sowas wie einem ‚Code Grün‘ kommen würde. Und Rogue spielt da sicher ohne Zweifel mit. Auf diese Weise kann man die Lage ganz gut zusammenfassen ohne groß irgendwas erklären zu müssen.
Ich wünsche Minerva übrigens, sich auch mal einen Code Grün herumschlagen zu müssen. XP Wenn die auch immer so fies ist. Yukino ist wenigstens mitleidig den leidgeplagten Vätern gegenüber. ^^“
Und dann ist es auch noch sowas exotisches wie Schildkröten. Damit muss man erstmal zurecht kommen.

Der Rückblick, wie das alles begonnen und sich entwickelt hat, fand ich sehr passend und auch schlüssig. Ich kann mir sowas bei Frosch gut vorstellen, selbst die Sache mit dem toten Frosch. ^^“ Sie ist viel zu weichherzig für diese Welt. Dass Rogue und Sting dafür einiges auf sich nehmen, ist klar, immerhin geht es hier um ihre Tochter… Und Lector, der es spontan für eine gute Idee hält, einfach so eine Ringelnatter zu greifen… *kopfschüttel* Naja, er wird daraus gelernt haben und nicht nochmal ein wildes Tier einfach so einfangen wollen. Wenigstens haben sie einen freundlichen Tierarzt gefunden, der ihnen hilft, der ist sicher Gold wert.
(Und Minerva muss gar nicht so das Maul aufreißen, immerhin ist SIE zu der Beerdigung eines namenlosen Frosches gekommen. Das ist ja wohl doch ein wenig mehr Aufwand, als in den eigenen Garten zu marschieren und eine kleine Rede zu halten. XP)

Wer setzt eigentlich Schildkröten einfach so aus? Oder Tiere überhaupt? Was sind das für fiese, verantwortungslose Leute? >.<

Minnie fand ich in dieser Szene besonders toll. :) Sie war halt ein Hund und wie aus dem Leben gegriffen. ^^
Und Lector und Frosch, die so von den Schildkröten fasziniert waren, dass sie ihren Pa noch nicht mal bemerken. XD Und der ist ein wenig genervt deswegen. XDDD Nicht mal Rogue ist über sowas erhaben.

Wenn Rogues einzige Problem darin besteht, nicht genau zu erkennen, was das für Schildkröten sind, können sie ja nicht so übermäßig groß sein… ^^“ Obwohl es ihn natürlich nervt, aber es gibt ganz sicher schlimmeres.
Die Szene zwischen den beiden fand ich übrigens sehr süß! Einfach so vertraut und innig und… >////< Toll. (Inklusive Spiderman-Kuss. XD) Und Stings Verzeih-mir-Faxen fand ich ziemlich lustig und Rogue ist fies. ER sollte mal auf das Sofa verbannt werden.
Und dann rückt Sting endlich mit der Info heraus, dass es da doch jemanden gibt, der ihnen helfen könnte! XD Das find ich ja schon praktisch/passend.

Dass Wendy mit ihrem Date aufkreuzt, hätte ich jetzt nicht erwartet. ^^“ Romeo muss halt auch einiges aushalten. Wobei ich mir sicher bin, dass er auch so seine Macken hat und seltsame Dinge durchzieht, also gleicht sich das sicher wieder aus.
Froschs Begeisterung für ihre Schildkröten fand ich auch so niedlich. Und Wendy steht ihr an gar nichts nach. Aber wie sie Frosch abgewiegelt und wieder runter gebracht hat, fand ich sehr passend und diplomatisch. Das hat sie gut gemacht und damit hat sie auch einige Probleme umschifft.
Dass Lector die Viecher dann doch nicht mehr ganz so interessant findet, hat auch gut reingepasst. Ist nun mal nicht seine Leidenschaft, der hat seine eigenen Hobbys.

Die Infos über Schildkröten, die du eingestreut hast, besonders in dieser Szene, fand ich persönlich ziemlich interessant. Gut, ich hab mich jetzt noch nie sonderlich mit ihnen beschäftigt, aber es gibt da doch einiges zu wissen. :) Und Frosch die fixe Idee auszureden, eine zu behalten, ist sicher keine leichte Aufgabe… Aber Wendy meistert sie mit Bravour. Wenn sie nur nicht das mit dem ‚Babys machen‘ hätte fallen lassen. |D Ich weiß, wer noch seinen Spaß haben wird, das zu erklären.

Diese Schildkröten sind sicher ein Glücksfall für die Leute im Tierpark. Wenn es so wenig von ihnen gibt, sind fünf neue sicher einiges wert, selbst wenn sie noch bis zu vierzehn Jahren brauchen, um sich ans Babymachen zu wagen. XD
Yuka als Tierpfleger find ich ja witzig. Aber er war wohl einer der wenigen Charakter, die du noch nicht untergebracht hast, oder? XP Und die Namen. Einige von ihnen sind recht selbsterklärend, aber der Löwe erscheint mir sehr willkürlich. *lol* Wo kommt der denn her?
Und awwwww. ❤ Eine Schildkröte für das Froschlein. Eine, die sie tatsächlich behalten darf.

*lol* Wenn Minerva bei diesem gewissen Thema dumm kommt, würde ich an Stings und Rogues Stelle irgendwie ihr die Erklärung zuschanzen. Dann sieht sie mal, wie das ist. XDDD

Bis nächstes Mal ^^~
Gruß
Arian
Von: Arianrhod-
2017-02-26T11:49:19+00:00 26.02.2017 12:49
D:
Lector tut mir voll leid. >.< Was für ein fürchterlicher Lehrer, ich entwickele 'langsam' echt einen Hass auf diese Mumie. Der hat ja schon mal einen solchen Kracher gebracht und seitenlang das gleiche Wort zu schreiben ist völliger Blödsinn, der erzieherische und lernende Effekt ist gleich null. Wird Zeit, dass der endlich mal in Rente geht! Der hat an einer modernen Schule nichts mehr verloren.
Zudem ist es pädagogisch natürlich absolut angebracht zu einem Kind zu sagen, dass es dumm ist. ~__~ [/s

Umso toller finde ich, wie Sting und Rogue damit umgehen. Ich möchte den Kids zustimmen, sie haben die besten Papas der Welt. :) Sie sind so einfühlsam und lieb mit den Kindern, das sieht man hier so schön! Erst Frosch und dann natürlich das schwierigere Thema mit Lector, der natürlich völlig aufgelöst ist. Ich hoffe, Rogue macht Yuri so richtig zur Schnecke. >.<
Den Abschluss fand ich auch perfekt, so ein schöner, kleiner Familienmoment, bei dem sie alle dabei sind. (einschließlich Hund. XD) Sehr fluffig. XP
Geschrieben war es 1a, das muss ich jetzt kurz mal herausheben. :)

Rogue ist ja mal absolut herzlos. ò__ó Wie kann er nur?!
Minnie will mit ihm spielen und er ließt? Was ist er für ein Monster. XD

Gruß
Arian
Von: Arianrhod-
2017-02-24T14:30:52+00:00 24.02.2017 15:30
So, jetzt hol ich das endlich nach. >.<
Ich fand den OS sehr ... interessant. Das war ein schöner, kleiner Einblick in das Leben von Laxus und Minerva, über die wir ja noch nicht wirklich viel gehört haben. Die beiden sind echt kein konventionelles Paar, aber für sie scheint es irgendwie zu funktionieren.

Laxus finde ich einen sehr schwierigen Charakter (was u.a. daran liegen könnte, dass ich mich noch nicht sonderlich mit ihm beschäftigt habe. XD"), aber dass ihm ein solches Gespräch nicht leicht fallen würde, kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich finde, du hast ihn gut hingekriegt.
Minerva als sein Gegenpart ist ebenfalls nicht einfach. Eigentlich ist es kein Wunder, dass es zwischen denen mal zu Missverständnissen kommt, weil sie nicht anständig miteinander reden.

Ich bin hier übrigens schon ein wenig auf Laxus' Seite... Diese ganzen Vorsorgeuntersuchungen und Mutterschutzvorschriften und all das sind nicht aus Spaß da und da hilft auch nicht wirklich, dass jemand ~im Gefühl hat~, dass alles schon gut werden wird. Minerva kann jetzt nicht mehr nur an sich und ihre Wünsche denken, so ist das halt. Und es ist nicht so, als wollte er sie zu irgendetwas zwingen oder so, er holt sich nur Rat von ihren Freunden. Yukino hat meiner Meinung nach viel zu heftig reagiert.

> Minerva wird vor niemandem Rechenschaft ablegen
Außer eben vor Laxus - er ist der Vater und fast genauso investiert wie sie, ob freiwillig oder nicht. So ein Kind ist eben doch eine Zwei-Mann-Show.

Das Ende fand ich schön. ^^ Endlich gibt es einen Anknüpfungspunkt zwischen Laxus auf der einen und Minervas 'Familie' auf der anderen Seite. Bin gespannt, was sich da noch so alles entwickelt.

Gruß
Arian
Von: Arianrhod-
2017-02-15T21:33:09+00:00 15.02.2017 22:33
So, den kleinen Kommentar krieg ich heute zumindest noch hin. >.<

Wie immer hat mir der OS gefallen. Ich fand ihn ziemlich niedlich.
Mit der Zahnfee hatte ich ehrlich gesagt in der Kindheit nie so viel zu tun, die gab's bei uns einfach nicht. Trotzdem find ich es toll, wie viel Mühe Rogue sich damit gibt, damit Frosch auch tatsächlich Besuch von der Guten bekommt.

Ich fand den Einstieg übrigens ziemlich gelungen. Es hat wirklich alles perfekt gepasst! Auch, dass du Bezug auf einen früheren OS genommen hast, und das Bar-Aroma, das Sting mitbringt, und Minnie, die als erste bemerkt, dass er zurückgekommen ist.
Der kleine Zoff war ja lustig, vor allem, weil sie dabei so still bleiben mussten. XD Das hatte ich bildlich vor Augen. Und die Art, wie Sting dem ganzen ein Ende gesetzt hat, war perfekt. (Auch wenn ich nicht ganz verstanden habe, warum Rogue nicht einfach sagt, was er getan hat? @__@)
Dass Rogue darüber den Zahn verliert, hat mich gar nicht überrascht, das hab ich eigentlich erwartet. Und dann bricht er sofort in Panik aus und Sting versteht nur Bahnhof.

Der Karton voller Erinnerungsstücke ist schön. :) Und die kleine Anekdote mit Lectors Zähnen. XDDDD
Mein Highlight war allerdings, wie sehr die beiden sich gefreut haben, Sting wiederzusehen. :)

Bin sehr gespannt auf den nächsten OS. X3
Gruß
Arian
Von: Arianrhod-
2016-12-14T22:00:36+00:00 14.12.2016 23:00
Lector tut mir ja schon ein wenig leid... u.u Sowas ist echt nicht leicht und wenn man da auch noch voll unerfahren rangeht. Da kann ja nichts drauß werden. Und wenn man dann auch noch so jemanden hat, der rumlästert und sich lustig macht... Schäm dich, Sting! Nur gut, dass er das wieder hingebogen hat und Lector ein paar Tipps geben konnte. ^^"

Mir gefiel auch der Einblick in das Familienleben der vier, so richtig häuslich und normal. Dazu die kleinen Nebensächlichkeiten wie Minerva (zwei Tage Wehen, OMG. >.<) und Skandine und solche Sachen. Süße kleine Story! :)

Bin gespannt auf den nächsten OS! :)
Bis dann
Arian
Von: Arianrhod-
2016-12-14T20:55:49+00:00 14.12.2016 21:55
Was für ein perfekter Einstieg, treffend und auf den Punkt gebracht, das fand ich wirklich klasse.
Das Bild von Frosch mit ihren Löffeln ist ultrasüß. >///< (Und der kleine Einblick in Minervas Schwangerschaft und die Auswirkungen auf Frosch... Omg. Kann ich mir richtig gut vorstellen.) Sting tut mir schon ziemlich leid in dieser Situation. Er kann richtig stolz auf sich sein, dass er stark geblieben ist und 'Nein' gesagt hat. Nicht nur, weil er Pferde nicht mag. XD" Ich kann mir gut vorstellen, wie sehr er gerne 'Ja' gesagt hätte, vor allem bei der Entwicklung, die das Gespräch genommen hat. Fro tut mir schon etwas leid. :( Wenigstens hat Lector gleich eingesehen, dass Sting in dieser Sache Recht hatte.
Wobei ich denke, dass Frosch bei ihren Mitschülerinnen etwas missverstanden hat. Außerdem stellt sie sich das Ganze etwas einfach vor, aber sie ist erst acht, da kann man ihr das verzeihen.

Der Abend war sicher nicht leicht für Sting. o.o Auf der anderen Seite muss Frosch auch lernen, dass sie nicht alles haben kann, was sie will, wie Rogue auch gesagt hat. (Aber er hat leicht reden, auf ihn ist sie ja nicht böse. XD")
Superdaddy!Rogue find ich aber auch zum Schreien. |D Ganz im Allgemeinen find ich diesen Moment zwischen Sting und Rogue, trotz des Themas, ziemlich schön. Die Vertrautheit der beiden ist richtig spürbar. :)

Frosch hat diesmal einen echt langen Atem. Hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Drei Tage lang schmollen, das muss man erstmal hinkriegen. (*lol* @ Lector + seine Predigt, wobei er ja Recht hat)
Wie Frosch die Versöhnung angegangen ist, fand ich irgendwie süß und sehr passend. Sowas ist halt auch nicht leicht. Vor allem bei den Gedanken, worüber sie sich den Kopf zerbrochen hat. (Wobei sie auch selbst hätte draufkommen müssen, wie Sting ihr so entgegengekommen ist. ^^") Die Versöhnung selbst war auch herzallerliebst. ❤
Und die Lösung, dass Sting sich nun doch nicht mit den bösen, bösen Gäulen rumschlagen muss, Frosch aber trotzdem ihre Reitstunden bekommt, find ich auch klasse. Gut, dass sie da Verbindungen haben. XD

> „Und ein Glück, dass Frosch dich gefragt hat, sonst hätten wir jetzt ein Pony“
Mein Lieblingssatz. XD Rogue kennt sich.

Gruß
Arian
Von: Arianrhod-
2016-12-11T11:26:06+00:00 11.12.2016 12:26
Oh Lucy. :( Das war wirklich hart. >.<

Klar hat sie sich einiges anhören anhören müssen, aber letzten Endes war das alles berechtigt und wahr, während sie nur zurückgeschlagen hat ohne Rücksicht auf Verluste. Zwar kann ich sie verstehen, warum sie sich emotional an einen so schlechten Ort befundet, aber Rogue hat Recht. Fünf Jahre sind eine lange Zeit, mit einer unveränderlichen Situation klarzukommen. Aber Lucy hat das anscheinend gar nicht richtig versucht. *seufz* (Ich glaube, das hab ich in meinem letzten Kommentar schon angesprochen, also belass ich es mal dabei.)

Ich fand den OS sehr gut aufgebaut und die angespannte Atmosphäre hat mir gut gefallen. Man hat die Spannungen zwischen den beiden richtig gespürt und auch, wie sehr Lucy tatsächlich unter Strom steht. Vermutlich hat sie sich deswegen zu diesem Schlag unter die Gürtellinie hinreißen lassen. Das war echt fies von ihr. >.>

Und dieser kleine Stingue-Moment am Ende... >////< Zum Glück haben die beiden einander, so können sie sich gegenseitig unterstützen.

Gruß
Arian
Von: Arianrhod-
2016-12-04T19:55:54+00:00 04.12.2016 20:55
:(
Oh man. :( :( :(

Obwohl ich das ja alles schon weiß und auch, wie es ausgeht, ist es nicht leichter, das zu lesen. Sting tut mir so leid, sogar mehr noch als Lucy, auch wenn er selbst nicht so denkt. Aber Lucy ist zu Teilen selbst schuld, weil sie sich so abgrenzt und keine Hilfe annimmt, während Sting alles tut, was er kann und trotzdem keinen Schritt weiterkommt, weil sie so rundheraus abblockt. Darüber vergisst sie, dass Layla nicht nur ihr wichtig ist. :( Auch wenn es für sie natürlich absolut nicht leicht ist. Aber gerade das macht es ja noch schlimmer.

Der Anfang hat mir gefallen mit den Kindern, das hatte ich total gut vor Augen und hat auf die beiden auch perfekt gepasst, ebenso wie mit ihren Aufpassern. Lector und Orga find ich eine total tolle Kombination! (Vielleicht ist da auch mal ein OS drin??? :D)
Dass Sting es trotzdem nicht über sich bringt, sich ihnen anzuschließen, kann ich nur gut verstehen. *seufz*

Aber Rogue... Rogue ist so perfekt. >//////<
Wie er sich um Sting kümmert und ihn einfach tröstet, obwohl Lucy ihm auch viel bedeutet und ... hach. >////< Und das, ohne viel zu sagen. Er lässt Sting einfach nur reden und dann trauern und ist ihm einfach nur eine Stütze. Ich weiß gar nicht, was ich dazu noch sagen soll.

Ich freu mich auf die nächste Story! :)
Gruß
Arian
Von: Arianrhod-
2016-11-13T16:53:44+00:00 13.11.2016 17:53
Wo ich grad dabei bin...
Mir hat der OS ausgesprochen gefallen! Er hat von vorne bis hinten gestimmt, ich weiß gar nicht richtig, was ich schreiben soll.

Zum einen fand ich es gut, dass es Rogue war, der sich um dieses Problem kümmern musste und nicht Sting. Ich denke nicht, dass Sting da durchgegriffen und Lector wirklich bestraft hätte. Er hätte ihm vermutlich noch auf die Schulter geklopft oder so.
Außerdem war diese fürsorgliche Art natürlich sehr toll. <3 Lector und Frosch haben wirklich Glück bei ihren Papas gehabt.
Und dann natürlich die vernünftige Erklärung - Lector ist nicht dumm und ein Kind kann durchaus verstehen, was man will, wenn man es ihm richtig erklärt, da muss man nicht mit Verboten ohne irgendwelche Erklärungen kommen. Und Rogue hatte all die richtigen Argumente.

> „Wirklich? Er hat ziemlich schlimm geblutet.“
*lach* Ich weiß, ich weiß, das ist keine so tolle Situation, aber ich musste so lachen. XD Natürlich wollte der Junge nicht geschlagen werden und Lector war ganz zu recht skeptisch. |D Auch wenn Rogue etwa anderes meinte, aber egal. Er hat's ja am Ende begriffen.

Gruß
Arian
PS. Ist ein Prügelknabe nicht der Typ, der die Schläge einsteckt?


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