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Der Junge im Bus

von

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Pacis erit vobiscum

Stiles führte Deucalion hinüber zum Sofa und wickelte ihm eine Wolldecke um die Schulter, da er zu zittern begonnen hatte.

Der alte Alpha war in sich zusammengesunken und er wirkte abwesend. Irgendwann wendete er den Kopf und richtete den verschleierten Blick auf den jungen Beta. Er betrachtete ihn eingehend, so als sei er sich nicht sicher, wen er vor sich hatte.

Schließlich öffnete er den Mund und sagte mit kratziger Stimme:

„Was ich getan habe... es tut mir so leid. Kannst du es mir verzeihen, Geliebter?“
 

Stiles stand immer noch unter dem Einfluss dessen, was er zuvor in Deucalions Erinnerungen gesehen hatte. Beinahe war ihm sogar so, als habe er diese Dinge selbst erlebt: Die erste, ja die einzige Liebe eines endlos langen Lebens und wie sie endete; in Verrat, unermesslichem Schmerz, einem Zorn, der alles andere überlagerte und anschließend dann diese furchtbare, endlose Leere:

„Ich vergebe dir, Deucalion!“ versicherte er daher. Und einer Eingebung folgend fragte er noch: „Kannst du mir denn auch vergeben?“
 

Deucalion nickte leise und erklärte:

„Das habe ich doch längst, Glaucos!“
 

Es war eigenartig, doch Stiles spürte bei diesen Worten tatsächlich, wie sich eine uralte Schuld auflöste und die Gnade der Vergebung an ihre Stelle trat, so als sei das Ganze tatsächlich IHM geschehen.

Deucalion hatte unterdessen vertrauensvoll den Kopf an Stiles Schulter gelehnt und war binnen kurzem erschöpft eingeschlafen.
 

Der Rest des Rudels hatte sich während dieser ganzen eigenartigen Situation im Hintergrund gehalten und alles beobachtet. Als Derek die Vertraulichkeit zwischen seinem Gefährten und Deucalion sah, knirschte er mit den Zähnen.
 

„Also? Warum genau killen wir den alten Dreckskerl jetzt nicht, solange er zu benommen ist, um sich zu wehren?“ knurrte Peter.
 

„Weil Stiles gesagt hat, dass wir ihn leben lassen sollen!“ entgegnete Derek betont ruhig:
 

„Ach was? Also ist Stiles jetzt unser Alpha und gibt die Kommandos, oder wie?“ bellte Peter schlecht gelaunt:
 

„Halt´ die Klappe, Peter! Das nennt sich Vertrauen, aber davon versteht einer wie du vermutlich nichts!“ grollte Derek, doch entgegen seinen Worten, wollte er dem alten Alpha im Grunde nur zu gern das Lebenslicht ausblasen, einfach nur damit von ihm nie wieder Gefahr ausgehen konnte.
 

Doch ehe zwischen Onkel und Neffe ein handfester Streit ausbrechen konnte, mischte sich nun Isaac ein und wollte wissen:

„Was geschieht hier eigentlich gerade? Was hat Stiles vorhin mit diesem Deucalion gemacht? Das war ganz schön eigenartig.“
 

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau.“ gab Derek zu: „Ich habe so etwas auch noch nie gesehen.“
 

Diese Antwort beruhigte den jungen Beta natürlich keineswegs. Nervös blickte er wieder hinüber zu Stiles und Deucalion hinüber.
 

„Wenn der Wichser auch nur einmal komisch guckt, dann mache ich ihn fertig, egal was du sagst!“ ließ Peter seinen Alpha wissen, doch dieser versicherte:
 

„Glaub´ mir, sobald Deucalion noch einmal irgendetwas anstellt, ist er fällig!“
 

Stiles löste sich vorsichtig von dem alten Alpha zog noch einmal die Decke fester um ihn und erhob sich dann.

Als er daraufhin ein weiteres Mal seit ihrer Rückkehr in der Küche verschwand und in den Schränken zu kramen begann, folgten ihm die anderen auf dem Fuße:
 

„Was wird das denn nun?“ fragte Derek ratlos:
 

„Ich habe euch doch etwas zu essen versprochen.“ erwiderte Stiles wie selbstverständlich:
 

„Moment mal? Willst du uns nicht lieber erst einmal erzählen, was hier gerade passiert ist?“ fragte Peter fassungslos: „Nebenan hockt der verdammte Deucalion und macht ein kleines Nickerchen, nachdem du mit deinen Krallen in seinem Hirn herumgekramt hast. Was zur Hölle war da los? Raus mit der Sprache!“
 

Stiles stellte einen großen Pastatopf, welchen er soeben hervorgekramt hatte auf der Arbeitsplatte ab und ließ sich müde gegen den Kühlschrank sinken, gegen welchen er noch vor kurzem von Deucalion gepresst worden war, als dieser im Begriff gewesen war, sein Leben zu beenden:

„Ich weiß aber gar nicht, wie ich euch das erklären soll?“ erwiderte er matt: „Ich wollte einfach nicht sterben und mein Wolf wusste, was zu tun ist. Und ich habe Dinge gesehen, wisst ihr? In Deucalions Kopf! Ich denke, ich verstehe ihn jetzt irgendwie. Ich weiß nun, wie er zu einem Monster wurde.“
 

Und so versuchte Stiles doch noch zu beschreiben, was er soeben erlebt hatte, auch wenn er während des Erzählens deutlich spürte, dass Worte dafür nicht ausreichten, denn da war ja auch noch das, was er gefühlt hatte und das ließ sich durch seine Beschreibungen einfach nicht transportieren.
 

„Und fühlst du dich nun irgendwie anders als vorher?“ fragte Derek beunruhigt.
 

Stiles zuckte mit den Achseln:

„Inwiefern anders?“ wollte er wissen.
 

„Ich weiß es auch nicht. Lässt du mich mal deine Augen sehen?“ forderte Derek unbehaglich.
 

Der Jüngere blickte ihn ratlos an und der Alpha präzisierte:

„Deine Wolfsaugen meine ich.“
 

Stiles kam dieser Bitte nach und Derek atmete erleichtert auf, als er das ruhige unschuldige Gold erblickte, anstelle des flackernden orange von vorhin.

Stiles konnte Angst und Unsicherheit an seinem Gefährten wahrnehmen, also trat er auf ihn zu, schlang die Arme um ihn und flüsterte in sein Ohr:

„Mach´ dir keine Sorgen, Baby! Alles ist gut! Wirklich“
 

Er schmiegte sich an Derek und rieb sein Gesicht an dessen Brust, wie ein Kätzchen und wurde dadurch augenblicklich wieder sein Stiles; jener Junge, den er in einer kalten Novembernacht an einer Bushaltestelle mitgenommen und kurzerhand behalten hatte, in den er sich nach und nach gegen seinen Willen verliebt hatte und der ihm heute mehr bedeutete, als er je für einen anderen Menschen empfunden hatte. Und da wusste er, es war wahr: Alles war gut! Stiles war am Leben. Er hatte ihn nicht verloren, denn sein Gefährte konnte auf sich aufpassen:

„Und du bist dir sicher, dass von Deucalion keine Gefahr mehr ausgeht?“ vergewisserte er sich dennoch ein weiteres Mal.
 

„Ganz sicher!“ bestätigte Stiles: „Wir haben das.... irgendwie geklärt. Er wird uns nicht mehr angreifen.“
 

Derek nickte und drückte seinem Geliebten einen Kuss auf die Schläfe.
 

Was nun folgte, war der eigenartigste Abend, den der Alpha in seinem Leben je erlebt hatte. Stiles bereitete aus dem, was er in den Schränken fand Nudeln mit Tomatensoße und Wurstscheibchen für vier Personen zu, welche sie beide daraufhin dann gemeinsam mit Peter und Isaac verspeisten, während im DVD-Player der Film „Rio Grande“ mit John Wayne lief und Deucalion friedlich und leise schnarchend neben ihnen lag, wie ein böses, altes, seliges Baby.
 

Als der Film aus war und sie alle müde wurden, fragte Peter auf Deucalion deutend:

„Und was machen wir jetzt mit dem Blödmann da? Wir können ihn ja nicht einfach so hier liegen lassen!“
 

Stiles zuckte ratlos mit den Schultern, doch da erledigte sich die Angelegenheit bereits von selbst, denn Deucalion öffnete seine Augen. Er setzte sich abrupt auf, griff sich selbst ins Genick, blickte sich verwirrt um, sprang dann auf seine Füße und zog sich mit misstrauischem Blick auf das Rudel in eine Ecke des Raumes zurück, wie ein verwundetes Tier.
 

Niemand sagte etwas.

Peter und Derek nahmen eine kampfbereite Haltung ein, Isaac hatte sich ein wenig nervös hinter ihnen positioniert, doch Stiles blieb gelassen:
 

„Es ist okay, Deucalion! Keiner tut dir etwas!“ versicherte er und schritt sehr langsam, bedächtig und mit einem besänftigenden Lächeln auf den alten Alpha zu.
 

Dieser hielt sich immer noch den Nacken und murmelte:

„Ich... ich erinnere mich. Stiles..?“
 

„Ja, ich bin es. Du bist in Sicherheit. Du bist unter Freunden!“ versicherte der Angesprochene.
 

Deucalion Blick blieb skeptisch und sagte:

„Ich habe dir wehgetan.“
 

„Aber das wirst du nicht wieder tun, richtig?“ stellte Stiles fest.

Er ergriff eine der Hände des Älteren.
 

„Nein, werde ich nicht.“ bestätigte Deucalion. Dann wollte er wissen: „Wieso habt ihr mich überhaupte leben lassen.“
 

„Wir sind nicht deine Feinde. Dein Kampf ist vorbei!“ versicherte Stiles:
 

„Du... du hast alles gesehen.“ erkannte Deucalion und es schien, als würde er sich schämen:
 

„Es ist in Ordnung! Ich verstehe!“ beteuerte Stiles daher schnell.
 

Deucalion holte tief Luft, nickte dann und fragte beinahe ein wenig kläglich:

„Werdet ihr mich gehen lassen?“
 

Stiles Lächeln wurde breiter:

„Natürlich darfst du gehen. Du bist ein freier Mann.“
 

Er brachte den Älteren noch zur Tür, wo dieser sich noch einmal umwandte und sagte:

„Danke! Danke für alles!“ ehe er einfach verschwand.
 

Derek atmete auf und Peter kommentierte:

„Der Kerl hat doch einen Knall!“



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