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Alice hinter den Spiegeln - Die tiefgründigste Fortsetzung ever

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Heyyy-hooo! :D
Ja, ähm... Es ist eine Weile her, seit ich das letzte Kapitel hochgeladen habe. Das liegt an verschiedenen Gründen, hauptsächlich aber an diversen Blockaden, die ich in der Zwischenzeit beim Schreiben hatte. Da ich zurzeit aber glücklicherweise wieder an dieser bescheuerten Geschichte weiterschreibe und ziemlich motiviert bin, dachte ich, es ist mal wieder an der Zeit für einen Upload. Vor Allem weil das dritte und vierte Kapitel eigentlich eh schon seit Ewigkeiten (fast) fertig waren, aber naja.
Außerdem habe ich mal nachträglich einen Glossar hinzugefügt, weil ich so das Gefühl hatte, das könnte den Menschen, die diese Fanfic möglicherweise noch immer verfolgen wollen, das Verständnis ein bisschen erleichtern. Ehrlich gesagt hat es MIR SELBST das Verständnis etwas erleichtert, und das... will ja dann was heißen. x'D
Naja, genug gelabert. Ich hoffe, für diejenigen, die diese Geschichte einst, vor Tausenden von Jahren, gelesen haben, stellt die sehr lange Wartezeit kein allzu großes Problem dar. Ich entschuldige mich dafür! ú_ù Und jetzt halte ich die Klappe! Komplett anzeigen

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Prolog - Dragontown

Disclaimer: Alice Cooper und die anderen hier vorkommenden bekannten Musiker gehören immer noch nicht mir, genauso wenig wie die Grund-Idee des Wunderlandes (ein Hoch auf Lewis Carrol!). Alle anderen Charaktere stammen allerdings entweder tatsächlich von mir oder sind an ausgedachte Figuren aus bestimmten Songtexten angelehnt.
 

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Ein eindrucksvoller Nebel breitete sich über der Bühne aus, und die Menge verfiel in ein ekstatisches Jubeln, als nach einem kurzen Moment der Stille das erste Gitarrenriff des Liedes ertönte, das sie alle heute Abend hierhergeführt hatte. Es war erst wenige Tage her, dass der Sommer begonnen hatte, und trotzdem war es bereits so warm, als befänden sie sich mitten im August.
 

Alice trat ein paar Schritte nach vorn, wobei der ausladende rote Mantel, der bedauerlicherweise Teil der Show war, über den Boden schleifte, und bemühte sich so gut er konnte, sich dem Publikum gegenüber nichts anmerken zu lassen. Wie zur Hölle war er bloß auf die dämliche Idee gekommen, an einem heißen Tag wie diesem ein derartiges Bühnen-Outfit zu tragen? Ob irgendjemand etwas dagegen hatte, wenn er die lästigen Klamotten während des Songs einfach der Reihe nach wegschmiss?
 

Ein Jahr war es nun her. Seine letzte Tour, Brutal Planet... und die zweifelhaften Ereignisse im Nightliner. Ein Jahr. Und jetzt war er wieder hier, in der 'Normalität', wie er es gedanklich manchmal nannte – obwohl dieser Ausdruck ihm, wenn er darüber nachdachte, alles andere als passend erschien. Nichts war mehr normal seit diesem Tag. Seit dem Tag, an dem er festgestellt hatte, dass er verrückt war.
 

„Well, here you are“, begann er ein wenig zu abwesend mit der ersten Zeile des Liedes. Beinahe hätte er seinen Einsatz verpasst, ohne wirklich zu wissen, weshalb. „Lying bleedin' on a grimy street...“ Dragontown. Der Titeltrack seines neuen Werkes. „See the broken glass... sparkling darkly as it cuts your feet.“
 

Warum war er überhaupt hier, wenn er solche Schwierigkeiten damit hatte, sich zu konzentrieren? Ach ja – weil dieser Auftritt zu seiner Tour gehörte und er nicht jedes Konzert mit der Begründung absagen konnte, dass er sich fehl am Platze fühlte. Man würde ihn irgendwo einweisen lassen, und das konnte er erst recht nicht gebrauchen.
 

War es wirklich ein ganzes Jahr her, dass er dort gewesen war? Hatte er es seitdem wirklich geschafft, so viel Zeit in der schnöden Realität zu verbringen?
 

'Realität', dachte er sarkastisch, während er nacheinander einen Blick auf jedes seiner Bandmitglieder warf. Woher sollte er wissen, dass es sich hierbei um die Realität handelte? Dass es sich bei den Leuten seiner Crew, die ihm in letzter Zeit immer häufiger mit sichtlich skeptischen Gesichtern begegneten, nicht bloß um fiktive Figuren handelte? Figuren, die ihn in seiner fälschlichen Annahme, verrückt zu sein, mit allen Mitteln versuchten zu bestärken? Vielleicht war das hier nichts als ein seltsamer Traum. Nicht das Wunderland. Das hier.
 

„Alice...!“, hörte er jemanden flüstern und schaute reflexartig zu Ryan, der jedoch voll und ganz in sein Gitarrenspiel vertieft war und ihm keinerlei Beachtung schenkte. Dabei hätte er schwören können, dass die Stimme aus dessen Richtung gekommen war. Allerdings war es ohnehin eigenartig, dass er bei dieser Lautstärke irgendjemanden flüstern hören konnte. Hatte er es sich eingebildet?
 

Nein... Jetzt war nicht der richtige Augenblick für unheimliche Halluzinationen oder verdächtige Stimmen, die seinen Namen riefen. Er befand sich mitten auf einem Konzert, verdammt! Und nicht als Zuschauer sondern als Hauptattraktion! Ohne ihn lief hier absolut nichts, also hatte er sich gefälligst zusammenzureißen – was alles andere als einfach war. Denn er hörte es schon wieder.
 

„COME ON! I've got something to show you! COME ON! You thought that it was over!“
 

Einfach ignorieren, das war das Beste. Ignorieren und weitersingen.
 

„Alice...!“ Ein Zischen. „Komm hierher, Alice!“
 

Nur nicht rausbringen lassen. Da war niemand. Kein Geist oder Freak, der sich einen Scherz mit ihm erlaubte, oder- Nein, unmöglich. Da war niemand.
 

„We can bring you back home, deep in the ground...“ Falscher Text. Aber daran störte sich ohnehin keiner. „Welcome your soul... down in Dragontown!“
 

Plötzlich registrierte er etwas aus dem Augenwinkel. Eine Bewegung. Ryan...?
 

Alice drehte sich um – im Takt und auf eine Art und Weise, die vortäuschte, dass alles zur Show gehörte, schließlich legte er es nicht darauf an, seine Fans mit einem akuten Anflug von Wahnsinn zu vergraulen. Das Problem an der Sache war nur, dass sein eigenartiges Gefühl, von jemandem verfolgt zu werden, sich in dem Moment, in dem er hinter sich schaute, bestätigte anstatt sich in Luft aufzulösen. Es war nicht sein Gitarrist, der nach ihm gerufen hatte; und es war auch kein anderes seiner Bandmitglieder. Für den Bruchteil einer Sekunde nur war es zu sehen gewesen, aber es war ihm nicht entgangen – der Schatten der beiden Gestalten, die heimlich hinter dem Vorhang verschwunden waren.
 

„Das ist... nicht wahr, oder?“, entwich es ihm, während er den Blick nicht von der Stelle abwenden konnte, an der die winzige und doch so bedeutsame Bewegung seine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Er war sich nahezu sicher. Sie waren es.
 

„Alice!“, zischte es nun tatsächlich seitens Ryan, ohne dass dieser sein Gitarrenspiel unterbrach. „Was ist los mit dir? Hab ich irgendwas nicht mitgekriegt, oder wieso stehst du da rum wie 'ne Statue?“
 

„Ich...“
 

Es war kein Hirngespinst, dachte er, mit einem Mal überzeugt. Und es war auch niemals eines gewesen. Die andere Welt, von der er inzwischen so oft geträumt hatte, ohne sie wirklich noch einmal erreichen zu können; die Welt abseits aller irdischen Dimensionen und Vorstellungskräfte... Sie existierte wirklich. Das Wunderland war real.
 

„Es... Es ist alles bestens, Ryan. Aber ich fürchte, ich habe noch etwas zu erledigen. Ihr müsst wohl ohne mich weitermachen.“
 

Noch immer hörten die anderen nicht damit auf, ihre Instrumente zu spielen, so als verliefe alles ganz nach Plan. Ryan starrte ihn mit einem Gesichtsausdruck an, der sich nicht in Worte fassen ließ.
 

„Wie meinst du das, 'ohne dich weitermachen'? Du kannst doch jetzt nicht-“
 

„Sag ihnen, ich wurde von Aliens entführt. Das zieht immer“, gab Alice zuversichtlich zurück, ehe er seinem Gegenüber lächelnd das Mikro in die Hand drückte, seinen lästigen Mantel endlich abstreifte und, nachdem er das Teil in die Menge des kreischenden Publikums geworfen hatte, an seiner Band vorbeischritt. „The show must go on!“
 


 

In den ersten paar Sekunden unsicher, ob er sich nicht doch etwas zusammengesponnen hatte, blieb Alice in dem Bereich hinter der Bühne stehen und hielt Ausschau nach einem Anzeichen dafür, dass das, was er gesehen hatte, nicht bloß seiner Fantasie entsprang. Nichts. Hier gab es nichts zu entdecken. Nichts und niemanden. Andererseits... War nicht gerade das ziemlich ungewöhnlich? Normalerweise hätte doch zumindest irgendein Backstage-Arbeiter anwesend sein müssen – aber hier herrschte vollkommene Leere.
 

„Komisch.“ Noch bevor er darüber nachdenken konnte, wo seine Crew abgeblieben war, fiel ihm auf, dass die Musik beinahe verstummt war. Stattdessen war dort etwas anderes, irgendetwas nicht Greifbares, das mit einem Mal in der Luft lag und seine Unsicherheit gänzlich beiseitewischte. Es war mehr als klar, dass heute etwas Sonderbares vor sich ging. „Hallo?“, rief er ein wenig verhalten, doch laut genug, um gehört zu werden, falls sich hier jemand versteckte. „Ich weiß, dass irgendwer hier ist! Kommt raus und zeigt euch, bevor ich es mir anders überlege und auf die Bühne zurückgehe... Das ist mein Ernst!“
 

Keine Antwort. Entweder zog wieder einmal jemand einen richtig üblen Streich mit ihm ab oder sein Verstand hatte wirklich beträchtlichen Schaden genommen.
 

„Okay... gut! Selbst schuld, wenn ihr nicht mit mir reden wollt!“, sagte er schließlich und kam sich dabei reichlich schizophren vor, ehe er sich wieder in Richtung Vorhang wandte und fast zu Tode erschrak, als sich aus heiterem Himmel zwei wohlbekannte Gesichter unmittelbar vor ihm befanden und ihm grinsend entgegenblickten. Große Güte, sie waren es tatsächlich! Unverkennbar und seit ihrer letzten Begegnung kein bisschen verändert... Die verfluchten Zwillinge.
 

„Ihr- Oh mein Gott, wollt ihr mich umbringen?!“
 

Die zwei Irren lachten bloß.
 

„Das ist aber keine sehr freundliche Art, uns zu begrüßen, Auserwählter!“, entgegnete der, der sich 'The Starchild' nannte, und fügte, untermalt von einer tiefen Verbeugung, hinzu: „Oder sollte ich sagen... 'Eure Majestät'?“
 

Alice trat irritiert einen Schritt zurück, als der Andere – The Spaceman – es seinem Bruder gleichtat und sich demütig vor ihm auf den Boden beugte.
 

„Es ist uns eine Ehre, Euch wiederzusehen, Majestät!“, wisperte er voller Ehrfurcht. The Starchild nickte zustimmend.
 

„Eine große Ehre“, ergänzte er und setzte eine erwartungsvolle Miene auf – zumindest vermutete Alice, dass sie erwartungsvoll sein sollte. Unter dem dicken schwarzweißen Make up war das nicht immer ganz leicht zu erkennen. „Allerdings gibt es ein wichtiges Anliegen, über das wir mit Euch sprechen müssen. Unverzüglich.“
 

„Schießt los!“, sagte Alice, selbst überrascht darüber, wie wenig es ihn erstaunte, die Zwei hier, hinter der Bühne, anzutreffen. Trotzdem fragte er sich, was sie gerade jetzt zu ihm führte, und hoffte, es so schnell wie möglich herauszufinden. Immerhin würde es wahrscheinlich einige Fragen aufwerfen, wenn man ihn hier mit den Beiden sah.
 

„Nun...“, begann The Starchild, „... uns interessiert selbstverständlich der Grund für Euer überstürztes Verschwinden damals. Wie es scheint, ist nach irdischen Maßstäben ein Jahr seit Eurer Krönung ins Land gezogen. Wir alle waren an diesem Tag sehr bestürzt, dass Ihr entschieden habt, uns zu verlassen. Hat der Gedanke, das Wunderland zu regieren, Euch so sehr missfallen, Hoheit?“
 

„Moment mal...“ Alice dachte an besagten Tag zurück, konnte sich jedoch nicht erinnern, eine solche Entscheidung getroffen zu haben. Nicht einmal an seine angebliche Krönung hatte er sonderlich lebhafte Erinnerungen. Was genau war vor einem Jahr eigentlich passiert? „Ich... weiß nicht, wieso ich damals auf einmal wieder in dieser Welt gelandet bin. Ich war einfach von einer Sekunde auf die nächste hier...! Das habe ich mir, ehrlich gesagt, nicht ausgesucht. Aber... was habe ich überhaupt getan, kurz bevor ich weg war? Ich erinnere mich nicht mehr...“
 

„Oh, aber Majestät!“, platzte es übertrieben entsetzt aus Sternchen heraus. „Das könnt Ihr doch nicht vergessen haben! Das kann er doch nicht vergessen haben, nicht wahr, Bruder?“
 

„Das kann er nie und nimmer vergessen haben, Brüderchen, ganz bestimmt nicht“, kam es voller Überzeugung von dessen Zwilling zurück. Alice starrte beide fassungslos an.
 

„Wollt ihr mich auf den Arm nehmen? Was kann ich nicht vergessen haben? Raus damit!“
 

„Tja, wisst Ihr...“, sagten die Pseudo-Brüder gleichzeitig, „... Ihr seid, nur einen Augenblick bevor Ihr verschwunden wart, im Begriff gewesen, der Königin das Ja-Wort zu geben!“
 

Ein grotesker Moment des Schweigens verging, weil die beiden Freaks offenbar davon ausgingen, dass er etwas dazu sagen würde. Dumm nur, dass ihm nichts, aber auch rein gar nichts Konstruktives dazu einfallen wollte.
 

„Oh“, brachte er nach einer Weile immerhin hervor. „Das... wow... Das muss ich wohl verdrängt haben.“
 

Und das Schlimmste war, dass das nicht einmal der Wahrheit entsprach. Jetzt, wo sie es ansprachen, war es, als habe die Zeitspanne in dieser Dimension niemals stattgefunden. Er wusste es wieder, als sei er nie weg gewesen. Nicht nur die jüngsten Ereignisse, die er dort, in der Welt des Wahnsinns, mitbekommen hatte – alles. Der Ball, ihr gemeinsamer Kampf gegen das Böse, die erste und zweite Bevölkerung... Marilyn. Ja, es stimmte. Marilyn hatte ihn zu seinem König gemacht. Oder hatte es zumindest vorgehabt – kurz bevor diese unerklärliche Sache geschehen war.
 

„Nun, wie Ihr Euch sicher denken könnt, Majestät, sind wir nicht hergekommen, um auf der Bühne einen Gastauftritt abzuliefern“, unterbrach The Starchild seine Gedanken, bevor er länger in Erinnerungen schwelgen konnte. „Die Königin wartet noch immer auf eine Antwort von Euch. Übrigens befindet sich auch das Tagebuch unseres dämonischen Bruders noch in Eurem Besitz. Ihr seid dazu verpflichtet, es ihm zurückzugeben!“
 

„Das Tagebuch...“, murmelte Alice. Richtig. Da war etwas gewesen. „Aber... das habe ich nicht mehr!“, erklärte er, als ihm das gesamte Szenario schlussendlich wieder einfiel. „Ich hatte es in einer Tasche des Anzuges verstaut, den ich auf eurem Ball getragen habe...“
 

„Und genau deshalb müsst Ihr mit uns mitkommen!“, schloss The Starchild unbeirrt, während The Spaceman ein Stück weiter in die Mitte des Raumes hineintrat und eine ausschweifende Armbewegung vollführte. Alice seufzte, zum Teil erschöpft und zu einem größeren Teil auf eine eigenartige Weise zufrieden. Wie er diese Unlogik doch vermisst hatte. „Also dann, Auserwählter“, rief Sternchen feierlich, als wenige Zentimeter vor seinem Bruder eine Tür aus dem Nichts erschienen war. „Es ist an der Zeit, nach Hause zurückzukehren! Folgt uns durch das Portal!“
 

„Was bleibt mir anderes übrig?“, entgegnete Alice, während er auf die magische Tür zuschritt, die The Spaceman bereits schwungvoll für ihn geöffnet hatte. „Das Wunderland braucht seinen König!“
 

Die Zwillinge warfen sich einen triumphierenden Blick zu, und kurz darauf waren sie mit ihm in dem grellen Farbenmeer versunken, das hinter der Tür lag und nicht nur aus dem Backstage-Bereich hinausführte – sondern aus allem, was bis eben noch die scheinbare Gegenwart gewesen war.

Kapitel 1 - Doppelt hält besser

Alles war genauso wie damals:
 

Der Ausgangspunkt; das Gefühl, versehentlich irgendeine obskure Substanz zu sich genommen zu haben; der psychedelische Himmel, der sich über der täuschend friedlichen Landschaft erstreckte... All das war absolut genauso wie es ihm von seinem letzten Mal in Erinnerung geblieben war, das er das Wunderland betreten hatte. Bloß das Portal, durch das er hierhergelangt war, unterschied sich von dem, das er zuletzt hatte passieren müssen. Als er das erste Mal mit dem wundersamen Boden dieser Welt in Berührung gekommen war, war es Mick Jagger im Hasenkostüm gewesen, der ihn durch ein Loch im Tourbus geführt und dann alleine gelassen hatte, bevor es an ihm gewesen war, eine bizarre Prüfung mit ein paar Schaltern und einer näherkommenden Decke zu bestehen – eine Art Einstiegstest, um zu prüfen, ob er es auch würdig war, die verwunschene Einbahnstraße in die Dimension der Verrückten zu beschreiten.
 

Diesmal hatte er nicht mehr tun müssen als zwei Gestörten, die unheimlich originalgetreue Abbilder zweier KISS-Mitglieder darstellten, durch einen skurrilen Gang zu folgen, um anschließend an exakt derselben Stelle auzukommen, an der er auch bei seinem ersten Aufenthalt nach besagtem Einstiegstest gelandet war – auf der Wiese mit den singenden Blumen. Sie schienen gewachsen zu sein, seit er das letzte Mal hier gewesen war. Und zwar nicht nur ihre Wurzeln – auch ihre Bärte.
 

„Das glaub' ich ja nicht, Bruder!“, hörte er eine von ihnen rufen, kaum dass The Spaceman die magische Tür, aus der sie gekommen waren, leise hinter sich geschlossen hatte. Wie erwartet war diese kurz darauf genauso schnell wieder verschwunden wie der schwarzweiß-geschminkte Freak sie herbeigezaubert hatte. „Dich hab' ich ja schon ewig nicht mehr gesehen! Wo hast du dich die ganze Zeit rumgetrieben? Übrigens... Schnieke Smoking, Kumpel!“
 

„... Smoking?“ Halb erfreut über das spontane Wiedersehen mit dem sprechenden Hippie-Gewächs und halb irritiert über dessen Bemerkung, schaute Alice an sich herunter und musste überrascht feststellen, dass er tatsächlich wieder dasselbe Outfit trug, das er vor einem Jahr von der Königin bekommen und auf dem königlichen Ball getragen hatte. Mittlerweile hatte er starke Zweifel daran, ob nicht doch sein Aufenthalt in der vermeintlich realen Welt bloß ein langer Traum gewesen war. „Ja... Danke für das Kompliment. Er ist maßgefertigt“, gab er zögerlich zurück, was seine kleinen, bunten Gesprächspartner mit einem dümmlichen Grinsen quittierten. Alice fragte sich, ob Slash alias 'Die Raupe' manchmal vorbeikam, um sie an seiner Pfeife teilhaben zu lassen, und musste kurz darauf selbst grinsen, als all die Erinnerungen an die Zeit, die er im Wunderland verbracht hatte, sich langsam in sein Gedächtnis zurückschlichen. Waren es wirklich nur zwei Tage gewesen? Es kam ihm vor, als habe er jahrelang hier gelebt, bevor eine unbekannte Macht ihn aus der mystischen Welt, die für ihn unbemerkt zu seinem Zuhause geworden war, herausgerissen hatte.
 

„Eure Majestät!“, ertönte eine weitere bekannte Stimme hinter ihm, die von einem tiefen Schnurren begleitet wurde. Wenig erstaunt wandte Alice sich um und fand sich genau den Beiden gegenüber, mit denen er ohnehin innerhalb der nächsten paar Minuten gerechnet hatte. Wenn die Zwillinge bei ihm aufkreuzten, konnten auch die restlichen Zwei nicht weit sein.
 

„The Demon und The Catman!“, erwiderte er deren herzliche Begrüßung, mit nur geringer Beunruhigung feststellend, dass das amüsierte Grinsen im Gesicht des Katzenkerls noch breiter zu sein schien als bei ihren letzten Begegnungen. Bei den Blumen war es etwas anderes. Wenn sie grinsten, wirkte es bloß benebelt. Bei ihm wirkte es hingegen regelrecht gruselig, und Alice hatte das Gefühl, dass Kitty ihn von Mal zu Mal mit bedenklicherer Intensität anstarrte. „... Euch scheint es gut zu gehen. Das freut mich!“
 

The Demon lächelte, was dank seiner düsteren Erscheinung nicht viel weniger verdächtig aussah als das Minenspiel der Grinsekatze.
 

„Welch eine Ehre, dass Ihr Euch Gedanken um unser Wohlergehen macht!“, schleimte er so euphorisch, dass er jeder Schnecke damit hätte Konkurrenz machen können. Das war bereits das zweite Mal am heutigen Tage, dass irgendwer etwas von Ehre faselte. Zweifellos war ihm selbst bewusst, wie großartig er war – aber so großartig? Konnte es wirklich sein, dass die Bewohner des Wunderlandes ihn aus einer derart veränderten Perspektive betrachteten, weil er nun... der König war?
 

„Ihr wirkt abwesend, Majestät“, schnarrte Kitty und machte eine lockere Geste in seine Richtung. „Ihr wisst, dass da noch etwas in Eurer Tasche steckt, das meinem lieben Bruder hier gehört, nicht wahr?“
 

„Ähm... ja, richtig“, antwortete Alice, öffnete rasch die Knöpfe des Anzuges, um in den innen eingenähten Taschen nach dem antiken Tagebuch suchen zu können, und überreichte es seinem Gegenüber, als er es nach flüchtigem Herumkramen tatsächlich an dem Platz wiedergefunden hatte, an dem es offenbar ein volles Jahr lang irgendwo im Nirvana verborgen gewesen war. „Hier, bitte! Der Grund, aus dem ich wieder bei euch bin, stimmt's?“
 

The Demon, der das Buch infolgedessen seit genau diesem Zeitraum nicht mehr in seinen Händen gehalten hatte, begutachtete das Stück eingehend und strich, als er es entgegennahm, andächtig über den Deckel, so als wolle er erfühlen, ob es sich dabei auch wirklich um sein kostbares Eigentum handelte, das er ihm damals geliehen hatte.
 

„Vielen Dank, Majestät! Der wahre Grund, aus dem Ihr wieder bei uns seid, ist allerdings ein anderer, um ehrlich zu sein. Die Königin hat schlicht und einfach befohlen, Euch endlich zu uns zurückzu-“
 

Abrupt hielt er inne, bevor er seinen Satz zu Ende gesprochen hatte, und richtete seinen Blick gen Himmel. Erst jetzt registrierte Alice den merkwürdigen Schatten, der sich mitten auf der Wiese abzeichnete und zunehmend deutlicher wurde. Die Form erinnerte ihn an ein Tier, und als er ebenfalls einen Blick nach oben warf, wurde ihm alles klar.
 

„Servus, ihr Landeier! Wie geht's euch da unten?“, gröhlte jemand, der niemand anderes als der Schwarze Ritter sein konnte, von dem Rücken des imposanten, fliegenden Schweines aus zu ihnen herunter. Selbstverständlich. Ritterchen Schwarz, der eine in eine halbwegs edle Rüstung verpackte Version von Ozzy Osbourne darstellte, und dessen ebenso schwarze Kriegssau Black Beauty... Wie könnte er die beiden bloß vergessen?
 

„Ah, sieh an! Hat der allseits talentierte Herr Ritter jetzt einen Pilotenschein gemacht?“, kommentierte The Demon die – für wunderländische Verhältnisse – gar nicht einmal so spektakuläre Szene, was Ozzy offenbar als Anlass nahm, etwas näher an ihre kleine Gruppe heranzufliegen und sich auf Black Beautys Rücken ein Stück nach vorne zu beugen, sodass er nun für alle Beteiligten besser zu sehen war.
 

„Nicht ganz, mein werter Dämon!“, entgegnete er sichtlich gut gelaunt, während er der Sau von dort oben aus den Kopf tätschelte. „Ich bin nicht derjenige, der ihr das beigebracht hat. Trotzdem scheint sie es zu lieben, mit ihrem allerbesten Ritterfreund durch die Lüfte zu sausen! ... Moment mal! Das ist doch-“
 

Erwartungsvoll trat Alice einen Schritt zurück, als Ozzy seine grunzende Gefährtin mit plötzlicher Entschlossenheit zur Landung anhielt, von ihr abstieg und voller Begeisterung auf ihn zueilte.
 

„Du bist es! Ich meine... Ihr! Ihr, der dunkle König... oder so!“
 

„Ich muss meinen neuen Rang auch erst mal verinnerlichen, bis ich mir das mit der Anrede endlich merken kann“, sagte Alice schief lächelnd, was Ozzy merklich zu erleichtern schien – jedenfalls machte er nicht den Eindruck, als sei er erpicht darauf, nun auch noch vor ihm auf diese überspitzt demütige Art herumzukriechen wie er es vor der Herzkönigin immer tat. Wenn auch meist freiwillig.
 

„Das ist blendend!“, rief er, jetzt an die vier neben ihm versammelten Brüder gewandt. „Und... diesmal ist es der Richtige, oder?“
 

„Definitiv“, erwiderte The Spaceman sofort. „Diesmal ist es zu hundert Prozent der richtige Auserwählte.“
 

„Der richtige- Wie jetzt?“, schaltete sich Alice dazwischen, als ihn das dumpfe Gefühl überkam, dass die Konversation der Beiden irgendeine tiefergehende Bedeutung innehaben musste. Bevor einer der anderen jedoch zu einer Erklärung ansetzen konnte, hallte die Antwort bereits in Form einer überschwänglichen Stimme zu ihnen herüber, die ihm nicht bloß irgendwie bekannt vorkam... sondern zweifelsohne viel zu bekannt.
 

„Warte auf mich, Ritterchen! Du kannst doch nicht ohne mich wegfliegen...!“, keuchte die ominöse Stimme leicht atemlos, als derjenige, dem sie gehörte, mit pseudo-beleidigtem Gesichtsausdruck den gleichen Weg entlangrannte, den Ozzy zuvor auf seiner Sau überflogen hatte, bis er schließlich nah genug bei ihnen stand, dass Alice den fraglos gutaussehenden, jungen Mann – die Betonung lag auf 'jung' – in allen Einzelheiten begutachten konnte.
 

„Wow...! Das ist, ich meine... Wow!“, formulierte der Neue genau das, was er selbst gerade hatte sagen wollen, als er ihn in der Menge bemerkt hatte. Alice zögerte einen Moment, ehe er noch ein wenig näher an das wahrhaft spektakuläre Naturphänomen herantrat, sodass er ihm nun direkt gegenüberstand.
 

„Ja, allerdings... wow.“
 

Einen scheinbar unendlichen Augenblick lang taten sie nichts als sich lediglich anzusehen, beide gleichermaßen fasziniert und neugierig, bis der Andere diesen wahnsinnig absurden Moment mit einer fast noch absurderen Aussage beendete.
 

„Mann, heftig. So werde ich also aussehen, wenn ich mal alt bin!“
 

„... Wie bitte?“, brachte Alice möglichst beherrscht hervor, als er den Inhalt dieses Satzes vollständig verarbeitet hatte. „Mein eigenes Spiegelbild hat mich soeben 'alt' genannt... Darf ich mir bitte einen Sarg aussuchen?“
 

„Leute, was geht'n hier eigentlich ab? Seh ich jetzt doppelt?“, meldete sich erneut eine der Bartblumen zu Wort, als Alice beinahe schon vergessen hatte, dass sie ja auch noch da waren. „Ist das etwa dein Bruder, Bruder?“, hörte er eine andere von ihnen interessiert fragen. Gut zu wissen, dass er wenigstens nicht der Einzige war, der keinerlei Ahnung hatte, was hier gerade gespielt wurde.
 

„Nun, ich denke, es gibt da etwas, das schleunigst geklärt werden sollte“, warf The Spaceman, offenbar mehr belustigt als ernst, ein. Alice hätte vermutlich misstrauisch zu ihm herübergeschielt, hätte er den Blick von seinem sichtbar erheiterten Ebenbild abwenden können. „Vielleicht sollte der Schwarze Ritter das übernehmen“, ergänzte The Spaceman gespielt streng. „Er wird am besten erklären können, wie es zu diesem kleinen Missverständnis kommen konnte.“
 

Mit einer demonstrativ abwartenden Haltung wandte sich Alice dem verlegen vor sich hingrinsenden Ritter zu, der sicher fünf Sekunden lang nichts anderes als „Äähm“ herausbrachte, ehe er es endlich hinbekam, einen vollständigen Satz zu formulieren.
 

„Das war keine Absicht!“, war das Erste, das ihm einfiel, nachdem er sich etwas gesammelt hatte. „Wisst Ihr, nun ja, das war so... Unsere Lieblingskönigin – eigentlich ist sie ja unsere einzige Königin, aber Ihr wisst, was ich meine – ... jedenfalls hatte sie schon seit Längerem das ein oder andere Mal geäußert, dass sie Euch unbedingt wiedersehen wolle. Wie dem auch sei, heute hat sie also den Befehl erteilt, in Eure Dimension aufzubrechen und Euch aufzuspüren, damit Ihr mithilfe eines Portals in unsere Welt zurückkehren könnt. Selbstverständlich habe ich mich sofort angeboten, das zu erledigen – Ihr wisst schon, um ihr zu imponieren... ich habe bisher so selten wichtige Aufgaben übernommen –, nur habe ich wohl... nun ja... vielleicht doch kein so gutes Gespür, wie ich bisher angenommen hatte-“
 

„Was er damit sagen will...“, unterbrach Alice' deutlich jüngerer Doppelgänger das verwirrende Gestammel des Schwarzen Ritters, „... ist im Grunde einfach nur: Er hat, so wie ich das verstanden habe, in der falschen Dimension nach dem Auserwählten gesucht und daher nicht dich gefunden, altes Ich – sondern eben mich. Und jetzt bin ich, wie's aussieht, Teil eurer Welt. Yippee!“
 

Einen Moment lang war nichts zu vernehmen als das kratzige Räuspern einer der Bartblumen. Alice nahm es nur hintergründig wahr – zu sehr war er damit beschäftigt, zu realisieren, dass er nicht nur gerade eben in das Wunderland zurückgekehrt war, dessen Existenz er ein Jahr lang immer wieder angezweifelt hatte, sondern sich dieses nun auch noch mit einem zweiten Alice teilen musste, für den das Ganze offenbar nicht einmal eine besonders große Sache war. Irgendetwas musste er verpasst haben.
 

„Nochmal ganz langsam“, sagte er betont ruhig zu seinem Ebenbild. „Ozzy, ich meine der Schwarze Ritter hat-“
 

„Ozzy? Ich wusste es, Ritterchen! Du bist Ozzy Osbourne!“
 

„Ja, das ist er. Aber das spielt jetzt keine Rolle“, versuchte Alice die Aufmerksamkeit seines leicht abzulenkenden Gegenstücks wieder auf sich zu ziehen. „Um aufs Thema zurückzukommen: Ritterchen, wie du ihn nennst – was ich übrigens auch tue, oh Wunder – hatte vor, mich eigenhändig ausfindig zu machen und hierher zurückzubringen, hat sich dann aber in die falsche Parallelwelt verirrt und stattdessen dich- Also gut. Eine Frage: Welches Jahr war es, bevor Ritterchen dich mitgenommen hat?“
 

„1971“, gab seine jüngere Version nüchtern zur Antwort. Niemanden, außer ihn selbst, schien das in irgendeiner Form zu beeindrucken.
 

„Neunzehnhunderteinundsiebzig...? Das ist... Da hatte ich noch nicht mal 'School's out' geschrieben!“, entfuhr es ihm ungläubig, mehr an sich selbst gerichtet als an irgendwen sonst. Sein Gegenüber hob fragend eine Augenbraue.
 

„'School's out'? Das klingt tatsächlich nach etwas, das von mir stammen könnte“, murmelte Alice Jr. anerkennend. „Eines würde mich mal interessieren, anderes Ich: Traust du dich in deinem Alter eigentlich immer noch, auf der Bühne 'I'm eighteen' zu singen?“
 

Schweigend starrte Alice das nicht mehr ganz so faszinierende Naturphänomen an, dann warf er einen fassungslosen Blick auf den Schwarzen Ritter, der noch immer hervorstechend unbeteiligt mit seiner Sau neben ihm herumstand.
 

„Sagt mal, Ritter Schwarz“, begann er, ohne auf die eben gestellte Frage einzugehen. „Wie ist es eigentlich möglich, dass Ihr dieses rotzfreche Nesthäkchen mit mir, dem einzig wahren und echten Auserwählten, verwechseln konntet? Und was noch viel wichtiger ist... Wie kann es überhaupt sein, dass die Königin es ausgerechnet Euch erlaubt hat, in den unendlichen Weiten der Paralleluniversen nach einer bestimmten Person zu suchen?!“
 

„Er hat mich so lange bedrängt und angebettelt, bis ich es nicht mehr ausgehalten und nachgegeben habe“, antwortete jemand anderes anstelle des entschuldigend dreinschauenden Ritters, und Alice wusste nicht nur aufgrund des Inhaltes dieser Erklärung, wer dieser Jemand war. Diese Stimme hätte er unter Hunderten wiedererkannt.
 

„Marilyn!“, sagte er lediglich in Gedanken, als er sich umdrehte, so als sei es nicht offensichtlich, dass er es war, der nicht einmal zwei Meter von ihm entfernt auf der Wiese stand und ihn lächelnd beäugte, als warte er auf irgendeine Reaktion seinerseits. Oft hatte Alice sich vorgestellt, wie es verlaufen würde, wenn sich herausstellte, dass das Wunderland und somit auch dessen Königin nicht bloß in seiner Einbildung existierte, und hatte dann darüber nachgedacht, was er wohl tun oder sagen würde, wenn er sie wiedersähe. All das war jedoch jetzt, da er sie leibhaftig dort stehen sah, wie weggewischt, und er hatte schlichtweg keinen blassen Schimmer, wie er reagieren sollte. Was konnte man nach einem derart peinlichen letzten Treffen auch schon sagen, ohne dass es die ganze Sache noch peinlicher machte?
 

„Na sowas“, gab Marilyn vergnügt von sich, während er locker eine Hand in die Hüfte stemmte. „Gerade noch leidenschaftlich am Zetern, und kaum, dass ich die Bildfläche betrete, verschlägt es dir die Sprache... Das nehme ich mal als Kompliment, wenn es dir recht ist.“
 

„Ihr... Ihr seid...“, startete Alice den Versuch, so etwas wie einen Satz zusammenzufassen, als er glaubte, seine Sprache wiedergefunden zu haben, wandte sich dann aber lieber an die Zwillinge, die für seinen Geschmack schon eindeutig zu lange nichts mehr gesagt hatten. „Warum habt ihr mir eigentlich nicht mitgeteilt, dass die Herzkönigin auf dem Weg hierher ist? Ich war... darauf noch nicht vorbereitet!“
 

„Aber Majestät!“, kicherten die beiden bloß gleichzeitig, fast wie zwei kleine Jungen, die gerade jemandem einen Streich gespielt hatten. „Die Königin wartet nun schon seit so langer Zeit auf Euch“, fuhr The Spaceman alleine mit ihrer Antwort fort. „Wie lange gedachtet Ihr denn noch, sie schmoren zu lassen?“
 

„Schmoren lassen? Was meinen sie damit, Eure Hoheit?“, hatte Alice Jr. bereits gefragt, bevor er selbst sich in irgendeiner Weise dazu hätte äußern können. Der Ausdruck in Marilyns Augen nahm schlagartig etwas an, das möglicherweise als neckisch, vermutlich aber eher als vorwurfsvoll zu interpretieren war.
 

„Weißt du, Kleiner... Das ist so“, begann er in einem Tonfall, der so rechthaberisch klang, dass Alice darüber nachdachte, sich vorsichtshalber schon jetzt eine passende Antwort zu seiner Verteidigung zurechtzulegen. „Es ist eine Weile her, da waren deine ältere Hälfte und ich gemeinsam auf einer Feier und gerade im Begriff, uns, nun, zu verloben. Es hätte so romantisch und perfekt werden können... Und was macht er? Haut einfach ab und lässt mich eiskalt sitzen!“
 

„So war das überhaupt nicht!“, schaffte Alice es nun doch endlich, seinen Teil zu der Diskussion, die leider so gar nicht in seinem Sinne vonstattenzugehen schien, beizutragen. „Ich war... Ich wollte ja etwas sagen, aber... das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich auf dem Boden lag. Und dann war ich auf einmal wieder in meinem Tourbus. Was kann ich dafür, wenn ich durch irgendwelche magischen Kräfte willkürlich von einem Ort zum anderen gebeamt werde?!“
 

„Ach, ich bitte dich!“, schleuderte Marilyn trotzig zurück. „Jeder hier kann es bestätigen – du bist aus heiterem Himmel umgekippt, und kaum, dass wir einmal geblinzelt hatten, warst du verschwunden! Wie willst du dir das bitteschön erklären?“
 

„Bestimmt nicht, indem ich mich von einer Sekunde auf die andere aus dem Staub gemacht habe! Außerdem finde ich es höchst fraglich, dass Ihr und Euer gesamtes Volk, ohne euch vorher abgesprochen zu haben, alle im selben Moment blinzelt!“
 

„Ihr seid... verlobt?“, drängte sich Alice Jr. in einem kurzen Augenblick der Stille dazwischen. Alice betrachtete erst ihn, dann Marilyn genauestens, und konnte schließlich nicht anders als über seine eigene Erkenntnis zu lachen.
 

„Wie ich sehe, habt Ihr Euch mit meinem jüngeren Ich schnell angefreundet und ihm sicher schon einiges über Euch erzählt. Nur diesen einen Teil habt Ihr ausgelassen, was?“
 

„Oh! Bist du eifersüchtig?“, grinste die Königin plötzlich hocherfreut.
 

„... Nein!!“, erwiderte Alice so nachdrücklich er konnte. „Ich habe keinen Grund, eifersüchtig zu sein... Erst recht nicht auf einen vorlauten Bengel, der vergeblich versucht, ich zu sein!“
 

„Hey! Ich bin du, falls du es vergessen hast!“
 

„Tut mir leid, dass es mir entfallen ist. Muss wohl am Alzheimer liegen, das ist in meinem Alter ja schließlich nicht unüblich, stimmt's?“
 

„Ich glaube, die beiden mögen sich nicht, Majestät...!“, hörte er Ozzy von außen seinen geistreichen Senf dazugeben und bemerkte, dass dessen Kriegsschwein gar nicht mehr bei ihm stand sondern sich stattdessen wohl dazu entschlossen hatte, Alice einen kleinen Besuch abzustatten. „Wollt ihr nicht vielleicht dafür sorgen, dass sie mit dem Gezanke aufhören? Wer weiß, wie das sonst endet...“
 

„Ich finde es, ehrlich gesagt, recht unterhaltsam, dass er es ernsthaft hinbekommt, sich mit sich selbst zu streiten“, entgegnete Königin Manson, während sein Ebenbild übertrieben gleichgültig tat und Black Beauty inzwischen damit angefangen hatte, ihn von oben bis unten geräuschvoll zu beschnüffeln. „So etwas bekomme ich normalerweise nur bei Fish zu sehen, wenn er wieder mal mit seinen gruseligen Handpuppen zugange ist.“
 

„Sitz! Aus...!“, versuchte Alice erfolglos, das nicht wenig respekteinflößende Schwein auf Abstand zu halten, und ignorierte das schadenfrohe Gelächter, das Küken-Alice offensichtlich nur mühevoll unterdrücken konnte. „Himmel... Ich schätze, unser liebenswerter Neuzugang wird das Wunderland ebenso wenig aus eigener Kraft verlassen können wie ich, nicht wahr?“, fragte er vorsichtig, als ihm langsam dämmerte, welches Ausmaß an Komplikationen diese Tatsache auf Dauer mit sich bringen würde. „Wir brauchen... einen Namen für ihn. Ich meine, wenn sich ein solches Zusammenleben wirklich nicht vermeiden lässt, können wir schlecht beide mit ein und demselben Namen angesprochen werden, oder?“
 

Sämtliche Anwesenden blickten sich auf einen Schlag mit großen Augen an, so als sei ihnen dieses Problem bisher gar nicht erst in den Sinn gekommen.
 

„Da hat er Recht, Majestät. Ihr könnt uns nicht beide 'Schatz' nennen!“, pflichtete sein Doppelgänger mit säuselnder Stimme bei. Alice bemühte sich, nicht allzu entgeistert auszusehen.
 

„Beachte ihn nicht“, sagte Marilyn trocken, strich beiläufig sein glänzendes Kleid glatt und setzte dann eine nachdenkliche Miene auf. „Das Namen-Problem ist tatsächlich eine Sache, die wir schnellstmöglich miteinander abklären sollten. Hat irgendjemand eine Idee, wie wir unseren schnuckeligen Zuwachs von jetzt an nennen könnten?“
 

„Oscar!“, ertönte es heiser von irgendwo weiter unten aus, gefolgt von einigen noch schlimmeren Vorschlägen, die so wild durcheinandergerufen wurden, dass kaum etwas zu verstehen war. Die, die Alice hatte herauskristallisieren können – unter Anderem Sam, Felix und Filius – reichten ihm allerdings aus, um zu wissen, dass von den bunten Gesellen, die nahe ihrer kleinen Versammlung aus der Wiese wuchsen, nichts Hilfreiches mehr kommen würde. Einen Hund gab es im Wunderland schließlich schon – zumindest ein dauergenervtes, eigenartiges Wesen, das sich für einen solchen hielt –, und das war mehr als genug.
 

„... Das gefällt mir nicht“, motzte der Namenlose an niemand Bestimmten gerichtet. „Wenn ich mich schon umbenennen muss, dann will ich wenigstens was Cooles und Ausgefallenes. Zerox, zum Beispiel.“
 

„Ja, genau“, erwiderte Alice sarkastisch. „Träum weiter, Filius.“
 

Den beleidigten Blick seines überheblichen Abbildes nicht beachtend, ganz wie Marilyn es ihm geraten hatte, wartete er konzentriert auf die rettende Idee, die sich hartnäckig verstecktzuhalten schien. Für einen winzigen Augenblick hatte er geglaubt, die Lösung gefunden zu haben, als er daran gedacht hatte, ihm doch einen der Namen zu geben, die er irgendwann einmal in seinen Songtexten verwendet hatte. Nachdem das erste Lied, das ihm einfiel, jedoch 'Nurse Rozetta' war, fiel es ihm zunehmend schwerer, seine Konzentration aufrechtzuerhalten. Warum nur hatte ihm kein anderer Titel einfallen können?
 

„Ich weiß etwas“, durchbrach die schnurrende Stimme der Grinsekatze unerwartet die Stille. „Wie wäre es ganz einfach mit einem Namen, der sich aus ähnlichen Buchstaben wie 'Alice' zusammensetzt? Hmmm... Eliza, beispielsweise. Das wäre für jeden leicht zu merken und klingt außerdem hübsch.“
 

„Liz...!“, kicherte The Demon mit einem extra-breiten Grinsen, welches dem seiner zu groß geratenen Hauskatze in nichts nachstand.
 

„Lizzy!“, setzte Ozzy dem Ganzen daraufhin mit einer für ihn typischen Überschwänglichkeit die Krone auf.
 

'Lizzy'?“, wiederholte Alice gedehnt. „Soll das ein Witz sein? Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass so ein bescheuerter Name-“
 

„Also, mir ist das recht!“, räumte sein Doppelgänger zufrieden ein. Alice wollte ihn fragen, ob er noch ganz bei Trost sei, entschied dann aber, es zu lassen. Offensichtlich litt sein jüngeres Ich an einer leichten bis mittelschweren Geschmacksverirrung, aber das hatte ihn im Grunde nicht zu kümmern – er war immerhin nicht derjenige, der nun auf ewig mit diesem Namen gestraft war.
 

„Fantastisch!“, rief Marilyn freudig aus und unterstrich diese, wahrscheinlich gespielte, Begeisterung, indem er einmal weit ausholend in die Hände klatschte. „Da das Thema jetzt vom Tisch ist, können wir uns ja endlich unserem eigentlichen Vorhaben widmen. Schutzpatronen! Geht und sagt einigen meiner Diener und Dienerinnen Bescheid, dass sie hier vorbeischauen sollen. Sorgt für eine festliche Atmosphäre, aber holt nicht zu viele Leute hierher. Mir ist heute mehr danach, im kleinen Kreis zu feiern. Ihr wisst ja, wer meine Lieblingsuntertanen sind. Also, hopp hopp, fangt an!“
 

„Wird gemacht, Eure Hoheit!“, gab The Starchild nicht weniger enthusiastisch zurück, gefolgt von einem von The Demon versprochenen „Wir werden Euch nicht enttäuschen!“; dann hatten die vier Freak-Brüder sich schneller als ein Blitz im Nichts aufgelöst. Alice fixierte die Stelle, an der sie bis eben zusammengestanden hatten, und drehte sich anschließend verständnislosen Blickes zu der Königin um.
 

„Verzeiht mir die wahrscheinlich sehr dumme Frage...“, sagte er mit einer unguten Vorahnung, „... aber was genau gibt es zu feiern?“
 

Marilyn lächelte vielsagend, während er ihm zwei Mal exorbitant energisch auf die Schulter klopfte.
 

„Du bist zu bescheiden, Alice. Ich halte es nur für angemessen, die Rückkehr des Auserwählten wenigstens ein bisschen zu zelebrieren“, erklärte die Herrscherin des Wunderlandes wie selbstverständlich, was Alice erleichtert aufatmen ließ – allerdings für nicht mehr als drei Sekunden. „Außerdem soll es doch nicht trist und langweilig werden, wenn wir beide heiraten, nicht wahr? Königliche Vermählungen und eine festliche Stimmung sind nun einmal untrennbar miteinander verbunden!“
 

„Ich wusste es!“, zischte Alice möglicherweise eine Spur zu hysterisch. „Ihr entscheidet das einfach über meinen Kopf hinweg, was? Wer sagt denn, dass ich jetzt Lust auf eine Hochzeit – noch dazu auf meine eigene – habe? Ich, jedenfalls, habe nie gesagt, dass ich... dass ich...“
 

Stille. Der Ausdruck, mit dem Marilyn ihn nun ansah, pendelte irgendwo zwischen 'zutiefst enttäuscht' und 'zu Tode betrübt'.
 

„Sprich weiter“, seufzte er mit dem Blick eines verstoßenen Welpen. „Sag mir knallhart ins Gesicht, dass du mich ablehnst. Ich kann das verkraften. Nur, weil ich dir damals das Leben gerettet und dann eine Ewigkeit auf dich gewartet habe – und im Übrigen auch sonst alles für dich getan hätte –, habe ich natürlich noch lange keinen Anspruch auf deine Unterstützung. Dann muss ich das Wunderland wohl weiterhin alleine regieren... einsam und allein, ohne dich, als König, an meiner Seite... Welch ernüchternder Reinfall! Ich arme, arme-“
 

„Ist ja gut!“, unterbrach Alice das theatralische Geschwafel, ehe es gar kein Ende mehr nehmen und die Königin ihm diese verfluchte Sache permanent nachtragen würde. „Ihr... Ihr habt, wie immer, gewonnen... Ich hoffe, Ihr seid jetzt glücklich!“
 

„Ja, sehr!“, quiekte sein Gegenüber nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde, nachdem er resigniert sein Einverständnis gegeben hatte. Noch niemals zuvor hatte er einen Gesichtsausdruck sich so rasant um hundertachtzig Grad wenden sehen. „Also dann, ich werde vorerst zu meinem Schloss zurückgehen und ein paar Vorbereitungen treffen... Solange hast du Zeit, dich schon mal umzuziehen. Hier ist dein Gewand!“, schwafelte Marilyn munter weiter und streckte ihm, als sei es völlig normal, ein sicher bodenlanges schwarzes Kleid entgegen, das er eben hinter seinem Rücken hervorgeholt hatte. Alice konnte sich nicht entscheiden, welche Tatsache ihn im Augenblick mehr beschäftigte – die, dass er, zusätzlich zu der Spontan-Hochzeit, anscheinend auch noch dazu gezwungen war, ein Brautkleid anzuziehen, oder die, dass Marilyn es nötig hatte, für irgendwelche dubiosen Vorbereitungen den Weg zu seinem Schloss zurückzulaufen, wenn er gleichzeitig imstande war, ein Kleidungsstück dieses Ausmaßes aus dem Nichts hervorzuzaubern. „Nimm es schon! Es ist für dich, und du solltest dich ein bisschen beeilen, bevor unsere Gäste erscheinen!“
 

„Ähm... ja. Vielen Dank?“
 

„Gern geschehen!“, war das Letzte, das er ihre Majestät ungewohnt lebhaft zur Antwort geben hörte, als sie sich bereits mit federleichten Schritten – wie ihr das, trotz High Heels, möglich war, war ihm ein Rätsel – in Richtung ihrer Behausung begeben hatte. Eine Weile lang blickte Alice ihr sprachlos hinterher, ehe er abwechselnd die noch verbliebenen, umstehenden Personen und das Kleid betrachtete.
 

„Herrlich“, kommentierte er monoton. „Ein schwarzes Brautkleid. Endlich geht mein Kindheitstraum in Erfüllung.“
 

„Ein Weißes würde an dir mehr als unglaubwürdig wirken“, äußerte sein jüngeres Ich – Lizzy, um es noch einmal anzumerken – überaus subtil und trat ein Stück näher an ihn heran, offenbar, um das Gewand, wie Marilyn es genannt hatte, selbst begutachten zu können. „Hey, wenn du es nicht willst, nehme ich es dir gerne ab! An einem knackigen Jüngling wie mir würde es ohnehin wesentlich besser zur Geltung kommen.“
 

Mit einem Blick, der nicht mehr und nicht weniger sagte als „In welchem Universum war ich mit Anfang Zwanzig eigentlich ein dermaßen garstiges Biest?!“, wandte er sich seinem Ebenbild – Lizzy, verdammt nochmal! – einen Moment lang zu, und wandte sich schließlich wortlos wieder von diesem ab, als es ihm allen Ernstes die Zunge herausstreckte. Schlimmer konnte es definitiv nicht mehr werden. Wenigstens das stand fest.
 

„Also schön“, gab er sich letztlich geschlagen. „Ich bin gleich wieder da!“
 


 

Etwa zwanzig Minuten hatte es gedauert, bis alle Gäste eingetroffen waren – er hatte es daran erkannt, dass auch die vier Brüder zusammen mit dem Letzten wieder aufgetaucht waren – und nun wie ein Schwarm bunter Paradiesvögel um ihn herumwuselten. Obwohl das nicht ganz stimmte, wenn man bedachte, dass sein frischgebackener Doppelgänger sich, wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, die meiste Zeit über in den Vordergrund drängte und die anderen – hauptsächlich die weiblichen Beteiligten – genau genommen eher ihm ihre Aufmerksamkeit schenkten, so als sei er irgendeine Art Attraktion. Wie ein Affe in einem Tierpark, dachte Alice, sprach es jedoch nicht aus. Wobei er 'Tierpark' im Allgemeinen für ein treffendes Wort befand, um die inzwischen nicht mehr ganz so kleine Truppe zu beschreiben, die sich auf Marilyns Befehl hin hier versammelt hatte. Der Märzhase, der, dank seines offenbar brandneuen Hofnarrenkostüms, noch unzurechnungsfähiger erschien als er es für gewöhnlich schon tat, stach am meisten ins Auge, aber die identitätsverwirrte Haselmaus, die sich von ihrem Herrchen, dem Hutmacher, an der Leine führen ließ, machte ihm durchaus Konkurrenz, dicht gefolgt von der großen, drallen Lady mit den Schmetterlingsflügeln. Black Beauty, das einzige echte Tier unter ihnen, rückte bei dieser Gesellschaft fast in den Hintergrund.
 

Die übrigen Damen, die er in der Menge gezählt hatte, waren die drei Maids, die er von seinem letzten Aufenthalt im Schloss noch in Erinnerung behalten hatte und die eindeutig, jetzt wo er genügend Gelegenheit hatte, sie zu betrachten, ausnahmslos aus bekannten Sängerinnen der Siebziger und Achtziger bestanden, und eine junge Brünette, die er zwar äußerlich nicht zuordnen konnte, die aber aufgrund der Tatsache, dass sie sich freiwillig in der Nähe des Märzhasen aufhielt, nur dessen Freundin Mary sein konnte. Alles in Allem also ein ziemlich verrückter Haufen. Zumindest vermutete er das anhand dessen, dass ein vor Charme und Attraktivität übersprühender Kerl im schwarzen Brautkleid für keinen von ihnen etwas Besonderes zu sein schien. Anders konnte er sich nicht erklären, dass er trotz seines extravaganten Outfits – das er, am Rande bemerkt, nur mit der wenig hilfreichen Hilfe des Schwarzen Ritters hatte anziehen können, weil es an der Rückseite äußerst kompliziert zuzuschnüren war – kaum Beachtung fand.
 

„Okay, wie lange dauert das noch? Ich warte hier jetzt schon seit einer halben Ewigkeit und stehe mir meine zarten Füße platt! Passiert hier auch noch mal was?“, rief die Schmetterlingslady, als er bereits nicht mehr damit gerechnet hatte, dass sich noch großartig etwas tun würde, mit hörbarer Empörung. Offensichtlich eine klassische Diva. Eine der Maids, die mit ziemlicher Sicherheit irgendwann in einer anderen Dimension einmal Dolly Parton gewesen war, grinste amüsiert zu ihr herüber.
 

„Du könntest ja schweben. Wozu hast du sonst diese übergroßen Flügel auf deinem Rücken?“
 

„Mädels!“, ertönte eine dunkle Stimme, die Alice – zum wiederholten Male – zusammenfahren und aufschauen ließ. „Keine Zickereien, wenn ich bitten darf!“
 

„Eure Majestät...!“, platzte es augenblicklich mehr als bewundernd aus Ozzy heraus, der die Königin dermaßen aufdringlich begaffte, dass man das Gefühl bekommen konnte, er würde sich überhaupt nicht mehr einkriegen. „Ich bin überwältigt! Ihr seht... einfach umwerfend aus!“
 

Abgesehen davon, dass Ritter Schwarz einen nicht von der Hand zu weisenden Hang zu maßlosem Geschleime besaß und sich so aufführte, als sei er selbst der Bräutigam, musste Alice zugeben, dass er nicht Unrecht hatte. Die königliche Mörderpuppe sah tatsächlich umwerfend aus. Das schwarzrote Kleid, das sie vorher getragen hatte, hatte sie durch ein vollkommen Rotes ersetzt, das wie ein wallender Schleier an ihr hinabfiel. Seide. Mit Spitze. Kein Wunder, bei dieser auffälligen Präsenz, dass er Wache Nummer Zwei und Charlie, die jeweils links und rechts von ihrer Hoheit als Begleitung mitgekommen waren, im ersten Moment glatt übersehen hatte.
 

„Sehr schmeichelhaft, mein lieber Ritter! Nicht ganz so umwerfend wie mein hübscher Gemahl, wie ich finde“, hörte er Marilyn antworten, was allerdings nur vage zu ihm durchdrang, weil momentan eher dessen göttliche Haus-Schlange sein Interesse weckte.
 

„Alicccce!“, zischte Charlie, anscheinend ebenso erfreut über ihr Wiedersehen, und vollführte einen ausladenden Schlenker, ehe er sich langsam auf ihn zu bewegte. „Willkommen zzzurück!“
 

„Vielen Dank! Es ist mir eine Ehre, wieder bei Euch zu-“ Alice stockte einen Moment, als Marilyn sich vernehmlich räusperte und er nebenbei bemerkte, dass er im Augenblick nicht weniger schleimig daherredete als seine untertänigen Mitfreaks. „Ich meine, ähm... Ich find's auch schön, wieder hier zu sein!“
 

„Ähem! Ich bin auch noch da!“, machte Marilyn außerordentlich dezent auf sich aufmerksam. Charlie wich blitzartig zwei Meter zurück, seine Autorität vollständig untergrabend.
 

„Verzeiht mir, Majestät“, erwiderte Alice kaum merklich sarkastisch. „Ich hatte nicht vor, mit Eurer Schlange fremdzugehen.“
 

„... Das habe ich auch nicht vermutet“, gab die Königin gedehnt zurück – ihr verkappt entsetzter Seitenblick auf Charlie war köstlich. „Ich dachte nur... Du könntest mir wenigstens kurz bestätigen, wie reizend ich doch gerade aussehe! Der Schwarze Ritter hat es immerhin schon vergemacht. Jetzt will ich es von dir hören.“
 

Charlie machte den Eindruck, als würde er innerlich den Kopf schütteln, während Marilyn in einer abwartenden Haltung und mit gespannter Miene vor ihm stand.
 

„Ihr seht reizend aus“, antwortete Alice knapp. „Sonst noch was? Oder können wir endlich anfangen?“
 

„Etwa ungeduldig? Du kannst es wohl kaum erwarten, mich zu heiraten, was?“ Alice beherrschte sich, nicht auf diesen Kommentar einzugehen, als Marilyn weiter zum Zentrum der Versammlung hin an ihm vorbeischritt und dann abrupt hinter ihm stehenblieb. „Dein Gewand ist nicht richtig verschlossen“, sagte er feststellend, ohne sich vom Fleck zu rühren. „Ich weiß ja nicht, welcher ungeschickte Dilettant sich daran zu schaffen gemacht hat, aber das lässt du lieber mich mach-“
 

„Das geht schon, keine Sorge! Kommen wir jetzt mal zur Sache? Ich will hier irgendwann auch noch fertig werden...“
 

Mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck sah ihre Hoheit ihn eine Weile lang an, dann drehte sie sich um und zeigte mit einer bedeutungsschwangeren Geste auf einen ihrer Diener in der Menge – entweder meinte sie den Hutmacher oder dessen auf dem Boden zusammengerollten Haus-Hybriden.
 

„Hutmacher!“, bestätigte sich seine Vermutung rasch. Angesprochener schaute, im Gegensatz zu Piepwuff, hellwach auf. „Komm nach vorne und halte eine kleine Rede! Wir brauchen einen Pfarrer!“
 

„Aber Majestät!“, wandte er halbherzig ein. „Seid Ihr sicher, dass Ihr einem Stümper wie mir diese Aufgabe zuteil werden lassen wollt?“
 

„Schlimmer als bei unserer letzten Hochzeit vor 117 Jahren kann es nicht werden“, entgegnete Marilyn geheimnisvoll, während Wachmann Mercury zu seiner Rechten geistesabwesend nickte.
 

„Ruhe in Frieden, Eleanor“, murmelte er kaum hörbar. Wahrscheinlich war es besser, nicht weiter nachzufragen. Der Hutmacher wirkte ein wenig unschlüssig, was allerdings, wie es aussah, eher auf sein schlafendes Mitbringsel zurückzuführen war, dessen Leine er einige Sekunden lang abwägend fixierte, ehe er sie kurzerhand einer der umstehenden Frauen – Mary, wenn er es richtig erkannte – in die Hand drückte.
 

„Also gut... Ich tu mein Bestes!“, lenkte er schließlich ein, trat in ihre Mitte – inzwischen hatten sie sich so hingestellt, dass die dazu gezwungen waren, sich direkt anzusehen – und warf erst auf ihn, dann auf Marilyn einen sichtlich belustigten Blick, bevor er unnötig hochtrabend zu sprechen begann. „Liebe Gemeinde! Ihr habt euch hier eingefunden, um einem ganz und gar revolutionären Ereignis beizuwohnen. Ein Ereignis, auf das wir alle lange gewartet haben. Es ist eine besondere Freude, heute dabei sein zu dürfen-“
 

„Mach voran!“, unterbrach Alice das pathetische Geschnatter, nicht sicher, ob er es nervig oder amüsant finden sollte. Möglicherweise hätte es ihn mehr amüsiert, wenn es ihm weniger so vorgekommen wäre, als würde der Kerl sich über ihn lustig machen. Marilyn hingegen schien seinen Spaß zu haben – nicht, dass er sich darüber groß wunderte.
 

„Nun...“, fuhr der Hutmacher gespielt seriös fort, „... einer unserer beiden Hochzeitskandidaten scheint es eilig zu haben. Dann wollen wir ihm doch den Gefallen erweisen und keine weitere Zeit verlieren. Eure Majestät!“
 

„Ja, bitte?“, grinste Marilyn vorfreudig. Alice verdrehte die Augen.
 

„Wollt Ihr, die bisher alleinige Herrscherin des Wunderlandes, Euren Auserwählten, Alice, zu Eurem Angetrauten nehmen, in guten wie in schlechten Zeiten? Dann antwortet bitte mit 'Ja, ich will'!“
 

„Ja, nichts lieber als das!“, gab Marilyn voller Überzeugung zur Antwort. Alice hätte beinahe angenommen, er würde vor lauter Entzücken in die Luft springen, wenn er nicht gewusst hätte, dass das mit solch hohen Absätzen absolut unmöglich war.
 

„Das nenne ich Euphorie!“, redete der Hutmacher weiter und klang dabei mehr nach einem Sport-Kommentator als alles andere. „Nun zu dir, Auserwählter. Möchtest du, Alice, gefeierter Held und Retter des Wunderlandes, die Herzkönigin, deren Namen ich nicht aussprechen werde, zu deiner sicherlich treuen und bemerkenswert männlichen Gattin nehmen, in guten wie in schlechten Zeiten? Dann antworte bitte mit 'Ja, unbedingt, nichts lieber als das'!“
 

„... Von mir aus“, sagte er gleichmütig. Der sogenannte Pfarrer machte ein Gesicht, als würde er vortäuschen, erst einmal gründlich darüber nachdenken zu müssen.
 

„Ich denke, das lasse ich gelten“, räumte er gütigerweise ein, mit einem Unterton, als habe er in seiner nicht existenten Pastorenlaufbahn soeben die Ausnahme des Jahrhunderts gemacht, und wandte sich danach ein letztes Mal voller Leidenschaft an sie beide. „Die Eheschließung, meine Damen und Herren, ist hiermit also beendet! Ich erkläre euch nun zu... was auch immer. Die Bräute dürfen jetzt übereinander herfallen, und ich... bin hier fertig, oder?“
 

„Allerdings“, kicherte Marilyn auf eine Art, wie man es sonst meist bei pubertierenden Mädchen hört. „Du darfst dich wieder entfernen. Das einzige, was jetzt noch fehlt, sind die Ringe!“
 

„Das ist nicht Euer Ernst, oder...? Wir werden Eheringe tragen?“
 

„Selbstverständlich werden wir das! Das gehört nun mal dazu, du Scherzkeks. Die Ringe, bitte!
 

Während der Hutmacher sich wieder an seinen vorherigen Platz in der Menge begab, trat die Grinsekatze aus selbiger hervor und stolzierte mit einem kleinen, aufgeklappten Kästchen in der Hand geradewegs auf sie zu. Was als nächstes geschah, war gleichzeitig das Unglaublichste, Idiotischste und Lächerlichste, was Alice jemals innerhalb eines winzigen Momentes erlebt hatte.
 

Der Märzhase starrte mit einem Ausdruck puren Entsetzens in den Himmel und fing urplötzlich damit an, fürchterlich laut und panisch zu schreien („Die Eule, die Eule! Sie will sich an mir rächen!!“ – was auch immer das nun wieder bedeuten sollte), womit er die bis gerade eben noch ruhende Haselmaus weckte, die infolgedessen mit weit aufgerissenen Augen die Grinsekatze ins Visier nahm, deren Anwesenheit ihr zuvor offensichtlich nicht bewusst gewesen war, und sich unkontrolliert knurrend von der Leine in Marys Hand losriss. Kitty, der erst die Hälfte des Weges hinter sich gebracht hatte, erschrak bei Piepwuffs Attacke so sehr, dass er stolperte und die Ringe fallen ließ, welche ein beträchtliches Stück weit flogen und unmittelbar neben Alice im Gras liegen blieben. Das wiederum schien Black Beauty als Anlass zu nehmen, wie eine wilde Bestie nach vorne zu stürmen und sich auf besagte Ringe zu stürzen – wahrscheinlich weil sie diese für etwas Essbares hielt –, wobei sie derart ungünstig auf sein über die Wiese schleifendes und nicht richtig verschlossenes Kleid trampelte, dass es ihn aus dem Gleichgewicht und zu Boden riss – und ebenjenes Kleid gleich mit. Einzig und allein seinen guten Reflexen war es geschuldet, dass er es rechtzeitig hatte erfassen und festhalten können, sodass es ihn wenigstens zur Hälfte noch bedeckte.
 

Verfluchen, dachte Alice. Ich will irgendwen verfluchen.
 

Der Märzhase hätte sich angeboten, oder die geistesgestörte Haselmaus. Möglicherweise auch das Schwein. Doch ironischerweise war es Lizzy, der in dieser Sekunde seinen gesamten Unmut gänzlich auf sich zog, obwohl er einer der wenigen war, die nichts zu dem kleinen Unfall beigetragen hatten. Vielleicht aus dem Grund, dass er nichts Besseres zu tun hatte, als ihn voller Schadenfreude auszulachen, während er selbst sich bemühte, wieder auf die Beine zu kommen, ohne dabei das Kleid loszulassen. Vielleicht aber auch einfach deshalb, weil dieser Name so schrecklich albern klang und seinen ohnehin schon unsympathischen Doppelgänger noch wesentlich unsympathischer für ihn machte.
 

„So! Genug Peinlichkeiten für heute!“, beendete Alice das groteske Szenario, während Marilyn nichts weiter tat, als ihn lange und penetrant anzustieren, und Ozzy verzweifelt damit beschäftigt war, seiner Sau die Ringe wieder aus der Schnauze zu fischen. The Catman hatte sich hinter The Demon verkrochen und fauchte hin und wieder beleidigt. Die Maids und die Schmetterlingslady schienen sich prächtig unterhalten zu fühlen, ebenso wie der Hutmacher, der die Leine wieder an sich genommen hatte und scheinbar sehr angestrengt ein Grinsen unterdrückte. Mary sagte gar nichts.
 

„Du liebes Bisschen, Alice! Geht es dir gut?“, erkundigte sich die Königin gefühlte fünf Minuten zu spät. Hinter ihren Rücken war ein Röcheln zu vernehmen, das höchstwahrscheinlich von Black Beauty ausging. Lizzys nicht endendes Gelächter konnte es jedoch nicht übertönen.
 

„Danke der Nachfrage, mir geht es fantastisch“, gab Alice mit einem überfreundlichen Lächeln zurück. „Ich denke nur, dass mindestens eine der hier herumstehenden Witzfiguren sich schleunigst einen Anwalt suchen sollte.“
 

Marilyn blickte nachdenklich zur Seite.
 

„Das ist keine sehr gute Idee. Gerichtliche Prozesse sind nicht gerade unsere Stärke, falls du dich erinnerst.“ Kurz beobachtete er die anderen, die den Anschein des personifizierten Chaos erweckten, dann drehte er sich ganz zu ihnen herum und erhob entschlossen seine Stimme. „Die Hochzeit ist vorbei! Ihr könnt wieder nach Hause gehen – oder wohin auch immer ihr wollt!“ Danach wandte er sich wieder an ihn. „Tja“, machte er verlegen. „Natürlich läuft hier nichts, aber auch rein gar nichts, ohne Komplikationen ab. Aber sieh es positiv: Jetzt sind wir verheiratet und du bist offiziell der neue König!“
 

„Toll. Freut mich, ganz ehrlich“, sagte Alice mit nur einem Hauch von Ironie. Die Königs-Sache war eigentlich in der Tat nicht übel. „Wenn wir beide uns schon einen Rang teilen... dann frage ich mich gerade, ob ich jetzt nicht auch einen Teil Eurer übersinnlichen Macht abbekomme? Nur so ein Gedanke. Immerhin wäre das hilfreich, um das Wunderland zu regieren.“
 

„Nicht so schnell“, lachte Marilyn typisch überheblich. „Du hast vollkommen Recht. Du bekommst deine großartige Macht irgendwann. Aber zuerst... zuerst musst du dich beweisen.“
 

Alice seufzte schwer. Es erinnerte ihn nur zu sehr an die Prüfungen, die er vor einem Jahr hatte bestehen müssen, um überhaupt als Auserwählter anerkannt zu werden. Wenn das alles sich nun wiederholte, dann gute Nacht.
 

„Es wird nicht so schwierig, wie du jetzt vielleicht denkst“, fügte Marilyn aufmunternd hinzu. „Alles, was du tun musst, ist, mir zu zeigen, dass du die Aufgaben eines Königs beherrschst. Die Dinge, die dafür wichtig sind, solltest du auch ohne Hokuspokus auf die Reihe kriegen. Du könntest damit anfangen, dich gegen dein jüngeres Ich durchzusetzen!“
 

„Gegen Lizzy?“, erwiderte er skeptisch. Als hätte er wie durch unsichtbare Sensoren mitbekommen, dass man über ihn sprach, drehte dieser sich winkend zu ihnen um und setzte sein strahlendstes Pseudo-Lächeln auf. „Ha-Ha. Wie witzig. Das glaubt Ihr doch wohl selbst nicht?“
 

„Du packst das schon... Majestät!“ Wenigstens Marilyn schien eine Menge Vertrauen in ihn und seine Fähigkeiten zu haben, wenn er es schon selbst nur in geringen Maßen besaß. „Der Tag ist noch jung und es gibt viel zu erledigen. Aber als erstes könnten wir eine Stärkung gebrauchen, findest du nicht auch? Wenn du mit mir zum Schloss kommst, können wir gemeinsam zu Mittag essen!“
 

„Klingt vernünftig“, entgegnete Alice. „Wenn Ihr mir vorher ein anderes Outfit besorgt...?“
 

Marilyn wirkte mehr als zufrieden, ehe er sich Richtung Schloss wandte und erhobenen Hauptes vorauslief.
 

„Das lässt sich einrichten“, sagte er heiter. Alice zögerte nicht, ihm zu folgen.

Kapitel 2 - Mittagskrieg

Der Weg zu Marilyns königlichem Heim-Bezirk erwies sich als deutlich weniger kompliziert als er es in Erinnerung behalten hatte. Zum Teil lag es wahrscheinlich daran, dass die Königin höchstpersönlich ihn führte. Zu einem sicherlich nicht unwesentlichen Teil aber auch daran, dass Humpty Dumpty, das Ei der Gerechtigkeit, nicht mehr als Wächter im Labyrinth tätig war und ihn dreist von der Seite vollschwafelte. Genau genommen war Humpty Dumpty auch ansonsten in keinster Weise mehr tätig – seit Alice ihn damals, gnadenlos wie er war, mit einem gezielten Wurf zur Strecke gebracht hatte. Bis heute war niemandem bewusst, dass es kein Tod mit natürlicher Ursache gewesen war.
 

Seit dem letzten Mal hatte die Kulisse um ihn herum kein bisschen von ihrer Pracht verloren; im Gegenteil. Jetzt, wo er wieder hier war, machte es ihn sogar ein wenig sentimental, zu sehen, dass sich fast alles noch am selben Platz befand wie vor einem Jahr – in einer derart wunderlichen Umgebung wäre es schließlich nicht erstaunlich gewesen, wenn das gesamte Land sich aus einer Laune heraus komplett verändert hätte.
 

Trotzdem wandte er den Blick immer wieder ab, um zwanghaft an sich herunterzuschielen. Das demolierte Brautkleid, das er zuvor hatte tragen müssen, hatte Marilyn ohne Umschweife mit nichts weiter als einem Fingerschnippen durch einen neuen grandiosen Fummel ersetzt, noch bevor sie den Irrgarten betreten hatten. Zugegeben, das hautenge und mit diversen Schnallen verzierte Leder-Outfit war ganz nach seinem Geschmack. Jedoch fragte er sich allmählich ernsthaft, ob irgendein tieferer Sinn dahintersteckte, wenn Marilyn ihm erst ein Gewand zum Anziehen überreichte, dann in Sekundenschnelle eines mithilfe seiner magischen Kräfte herbeizauberte und schließlich ankündigte, dass er kurz sein Gemach aufsuchen müsse, um sich ebenfalls umzuziehen. Es würde wohl eines der vielen Mysterien bleiben, die der Aufenthalt im Wunderland nun einmal mit sich brachte.
 

„So... Da wären wir!“, trällerte Marilyn, als sie das Labyrinth verlassen und den Hof erreicht hatten. „Du kennst dich hier ja bereits aus. Leider ist der ursprüngliche Zustand des Eingangsbereiches noch nicht vollständig wiederhergestellt. Es war eine Menge Arbeit, alles wieder aufzubauen, nachdem die Hammer-Armee die Wände meiner schönen Empfangshalle eingerissen hatte... Ich hoffe, du entschuldigst das.“
 

„Kein Problem“, antwortete Alice, während er sich ein Stück nach vorn lehnte, in dem Versuch, die drei Personen, die zusammen vor dem Schlosstor zu warten schienen, besser erkennen zu können. Eine von ihnen war Wache Nummer Eins, das stand außer Frage. Die anderen beiden in der gold-gelben und der orange-roten Rüstung waren ihm allerdings fremd. „Habt Ihr zwei neue Wachen? Die waren beim letzten Mal noch nicht da, oder?“
 

„Ja und nein“, erklärte Marilyn. „Bei deinem letzten Besuch hatte ich nur zwei von der Sorte, das stimmt. Es sind... neue alte Wachen, sozusagen. Warum sprichst du nicht selbst einmal mit ihnen? Sie sind sicher ganz wild darauf, ihren neuen König richtig kennenzulernen.“
 

„Ist das so?“
 

Ein wenig irritiert über Marilyns Worte – schließlich hatte er, wenn Alice sich recht entsinnte, damals versprochen, keine weiteren Berühmtheiten mehr ins Wunderland zu rekrutieren – trat er auf die drei Wächter zu, ahnte jedoch bei genauerem Hinsehen, was die Königin mit 'neue alte' gemeint hatte. Von Weitem war ihm doch tatsächlich entgangen, dass es sich bei den beiden in Gelb und Orange nicht, wie er reflexartig angenommen hatte, um Männer handelte. Jedenfalls machten sie einen etwas weiblicheren Eindruck auf ihn als Wachmann Purple, der, wie gewohnt, mit ernstem Gesicht den Türsteher spielte.
 

„Hey, sieh mal einer an!“, hauchte eine von ihnen – die Wächterin in Gelb – mit dunkler Stimme. „Unser adliger Neuzuwachs ist hier... und er ist mir jetzt schon sympathisch!“
 

„Halt dich zurück, Wache Nummer Vier“, mahnte die Andere – eine androgyne Erscheinung mit kurzen roten Haaren; offenbar Annie Lennox – gespielt streng. „Wir sind hier bei der Arbeit. Beherrsch dich ein kleines bisschen.“
 

„Spielverderberin!“, flüsterte die Erste breit grinsend. Alice lächelte verführerisch zurück.
 

„Darf ich vorstellen?“, sagte Marilyn. „Wache Nummer Drei und Wache Nummer Vier. Sind sie nicht bezaubernd? Wache Nummer Eins kennst du ja schon.“
 

„Herzlich willkommen am Hof, Majestät“, meldete sich nun auch besagter Wachmann zu Wort, ohne eine Miene zu verziehen. Die angedeutete Verbeugung, die er dabei vollführte, hatte etwas Mechanisches an sich.
 

„Falls Ihr damit mich meintet: Vielen Dank!“, erwiderte Alice und fügte dann an die Damen gewandt hinzu: „Nett, eure Bekanntschaft zu machen. Lasst euch nicht allzu sehr von mir ablenken!“, was diese mit einem leisen Kichern beziehungsweise einem kühlen Lächeln quittierten.
 

„Wo ist Wache Nummer Zwei?“, fragte Wächterin Lennox an Marilyn gerichtet. „Nur aus Interesse. Nicht dass wir noch mehr Verstärkung bräuchten... Hier ist sowieso nichts los.“
 

Marilyn drehte sich kurz in Richtung Heckenlabyrinth, als würde er erwarten, ihn dort stehen zu sehen, ehe er zu einer Antwort ansetzte.
 

„Wache Nummer Zwei ist noch im anderen Teil des Wunderlandes geblieben. Er müsste eigentlich gleich hier erscheinen“, sagte er nachdenklich. „Aber denkt nicht, dass eure Schicht dann für heute vorbei ist! Auch wenn im Moment nichts hier los ist – ich habe das Gefühl, dass einige unserer Mitmenschen heute so etwas wie einen Clown gefrühstückt haben. Es könnte jederzeit sein, dass irgendein Irrer plötzlich den Hof stürmt. Die Grinsekatze vernachlässigt ihren Posten am großen Baum in letzter Zeit... Sie treibt sich andauernd mit dem Dämon herum. Ich denke, ich sollte mal ein ernstes Wörtchen mit ihr reden.“
 

„Vielleicht sollte ich das übernehmen“, schlug Alice hilfsbereit vor. „Ich meine... Zählt es nicht zu meinen Aufgaben als König, solche Dinge zu regeln? Kann ja so schwer nicht sein.“
 

„Süß, unser Zuwachs“, hörte er Wache Nummer Vier an Wache Nummer Drei gewandt tuscheln. Wache Nummer Eins blickte starr an ihnen vorbei.
 

„Du kannst es gerne versuchen“, entgegnete Marilyn scheinbar amüsiert, bevor er seinem persönlichen Türsteher bedeutete, Platz zu machen, und mit einer eleganten Bewegung das Tor öffnete. „Aber vorher sollten wir uns eine Pause genehmigen. Wollen wir mal nach dem Essen schauen?“
 

„Da sage ich nicht Nein!“, gab Alice zurück, ehe er ihm an den Wachen vorbei in die Empfangshalle und durch diese hindurch zu einer Tür folgte, die er, seiner Erinnerung nach, bei seinem letzten Aufenthalt im Schloss nicht näher in Augenschein genommen hatte.
 

„Die Küche“, erklärte Marilyn. „Du gehst am besten in geduckter Haltung hinein. Es könnte sein, dass dir... nun ja... etwas entgegenkommt.“
 

„Was soll das denn heißen?“, hatte er eigentlich fragen wollen, jedoch kam er nicht mehr dazu, da die Königin sich bereits mit den Worten „Setz dich schon mal, ich komme gleich wieder!“ aus dem Staub gemacht hatte. Wahrscheinlich um ihr festliches Kleid gegen etwas weniger Auffälliges einzutauschen.
 

Was soll's, dachte er, drückte vorsichtig die Klinke herunter, um ihrer Anweisung Folge zu leisten und sich die Küche schon einmal von innen anzusehen – als auf der anderen Seite der Tür ein so schrilles Scheppern, begleitet von einem ebenso schrillen Kreischen, ertönte, dass er überlegte, ob es nicht ratsamer wäre, auf das Essen zu verzichten, wenn er dafür diesen Raum betreten musste, in dem, so wie es sich anhörte, eine wütende Harpye oder dergleichen hauste.
 

„Daneben!“, lachte eine ziemlich wahnsinnig klingende Stimme, gefolgt von einem weiteren Scheppern und einem mit beachtlich viel Inbrunst geschrienen „Schnauze!!“. Vielleicht war es auch keine Harpye sondern zwei Hexen, die dort drin ihr Unwesen trieben. Alice wartete einen Moment ab und lauschte, ob noch mehr aus der Kammer des Unheils zu hören war, entschloss sich dann aber, die Tür endlich ganz aufzustoßen und hineinzugehen. Nur knapp konnte er einem durch die Luft fliegenden Teller ausweichen, der hinter ihm an der Tür zersprang und in kleinen Teilen zu Boden glitt.
 

„Hah! Lern erst einmal Zielen, bevor du mit Geschirr um dich wirfst!“, brüllte die Frau am Herd, ohne auch nur ein winziges bisschen Notiz von ihm zu nehmen, ehe sie nach der Pfanne griff, welche sie mit einem diabolischen Grinsen in die Höhe hielt. „Hast du Lust auf Frühlingszwiebeln?“
 

Gekonnt wich die andere Frau – die, nebenbei bemerkt, einen rosa Plüschpantoffel mit einer Hand liebevoll an sich drückte – dem angebratenen Gemüse aus, das die offenbar geistesgestörte Köchin wie ein Geschoss auf sie zu schleudern versuchte.
 

„Da fehlt noch Pfeffer!“, entgegnete sie, nicht weniger laut, schmiss ihren Pantoffel wahllos in eine Ecke und stürmte mit einem Pfefferstreuer in Richtung Herd, von dem die Andere sie unter größten Anstrengungen fernhielt. Erst jetzt erkannte Alice, dass die beiden niemand Geringere waren als Madonna und Bonnie Tyler.
 

„Ähm“, machte er, in der Hoffnung, die absurde Auseinandersetzung der Zwei wenigstens kurz unterbrechen zu können, stellte jedoch schnell fest, dass er vermutlich ein Megaphon brauchte, um auch nur zu einer von ihnen durchzudringen. Ein wenig kam er sich vor wie ein Zuschauer bei einer Kneipenschlägerei. Nur dass eine Kneipenschlägerei wahrscheinlich weniger tödlich gewesen wäre.
 

„STIRB!!“, schrie Madonna urplötzlich, während sie sich ruckartig umdrehte und mit einer beängstigenden Geschwindigkeit ein Küchenmesser warf, das in der steinigen Wand hinter ihm steckenblieb wie in einem weichen Klotz Butter. Marilyn, der unerwarteterweise neben der Tür stand – er musste gerade in diesem Moment unbemerkt zurückgekommen sein – musterte erst die Köchinnen ausdruckslos, dann das Messer, bevor er es aus der Wand zog und vollkommen unbeeindruckt auf den Tresen legte.
 

„Ihr solltet achtsamer mit euren Utensilien umgehen“, sagte er ruhig, ging, ohne ein weiteres Wort an sie zu verschwenden, an den beiden vorbei und setzte sich auf eine Bank vor einem kleinen Tisch, der etwas abseits der Action dort aufgebaut war. Es hatte beinahe das Flair eines Cafés. „Nimm Platz, Alice! Mach es dir bequem!“
 

„... Ich bin mir nicht sicher, ob ich es in Gegenwart dieser... temperamentvollen, jungen Damen da vorne wirklich 'bequem' finde“, äußerte er misstrauisch, obwohl er wusste, dass seine Meinung im Vergleich zu Marilyns Ansichten ohnehin nicht viel wog, kam dessen Aufforderung nach anfänglichem Zögern aber doch nach und setzte sich zu ihm. Das Besteck lag bereits, säuberlich in eine Serviette verpackt, auf dem Tischchen. „Warum essen wir nicht im Speisesaal?“, fragte er vorsichtig. „Da hat es mir irgendwie deutlich besser gefallen, wenn ich so zurückdenke.“
 

„Bei kleineren Mahlzeiten speisen meine Diener und ich für gewöhnlich hier in der Küche anstatt viel Aufwand zu betreiben“, antwortete Marilyn, während Madonna und Bonnie Tyler sich gegenseitig mit Speckwürfeln bewarfen und dabei fast den Kochtopf von der Herdplatte fegten. „Außerdem wollte ich, dass du, jetzt wo du eine führende Position bei uns einnimmst, auch die Bereiche zu sehen bekommst und die Damen kennenlernst, mit denen du dich vor einem Jahr nicht mehr vertraut machen konntest. Ich halte das für sehr wichtig!“
 

Es stimmte, dass er damals nicht viel Gelegenheit gehabt hatte, sich mit den Frauen des Wunderlandes zu befassen, nachdem diese aus ihrem Gefängnis im Kerker der Kehrseite entkommen waren. Einige von ihnen hatte er zwar kurz von Nahem gesehen, aber soweit er sich erinnerte, hatte er nicht einmal ein Wort mit einer von ihnen gewechselt. Wenn er sich die Zwei vor dem Herd so besah, wunderte ihn das auch kaum.
 

„Verstehe. Ihr habt wirklich an alles gedacht“, erwiderte Alice, innerlich hoffend, lebend wieder hier herauszukommen, als er von der anderen Seite der noch immer offenstehenden Tür langsam lauter werdende Schritte vernahm. Der Gedanke, der ihm als erstes in den Sinn kam – die Befürchtung, dass im nächsten Moment eine dritte Köchin dazustoßen könnte, um bei der gemeingefährlichen Küchenschlacht mitzumischen – wurde glücklicherweise beiseitegewischt, sobald er die zu den Schritten gehörende Stimme hörte, die ihm sofort allzu bekannt vorkam.
 

„Hey, was treibt ihr beiden da schon wieder?! Das kann man ja nicht mitansehen...!“
 

„Sie sind es!“, rief Alice erfreut, als der Typ mit der schwarzen Uniform in den Raum trat, ihm einen schwer zu deutenden Blick zuwarf und sich schließlich den beiden Psychopathinnen zuwandte, um sich todesmutig zwischen sie zu drängen. „Lange nicht gesehen! Das heißt... Genauso lange, wie ich all die anderen auch nicht gesehen habe. Wie war nochmal gleich Ihr Name?“
 

„General Floyd!“, gab Marilyn, anstelle des Generals, im Flüsterton zur Antwort. „Sei etwas sparsamer mit deiner Euphorie. Wir wollen schließlich nichts an unangebrachter Stelle verschwenden.“
 

„... Ignoriert er mich?“, fragte Alice, als er auch nach weiteren dreißig Sekunden keinerlei Beachtung bekam – eine Gegebenheit, die definitiv nur im Wunderland möglich war.
 

„Kann gut sein“, versetzte Marilyn knapp, während er desinteressiert seine Hände betrachtete. Er trug kein Kleid mehr, fiel es Alice verspätet auf. Bisher war er wohl zu sehr von dessen umnachteten Bediensteten abgelenkt gewesen, um darauf zu achten, aber er trug tatsächlich ausnahmsweise eine recht schlichte Bekleidung, bestehend aus einem Träger-Top und einer Hose. Beides in Rot, selbstverständlich.
 

Das beleidigte Stöhnen der beiden Köchinnen riss ihn aus seinen Gedanken, als ihm erneut bewusst wurde, dass er ja eigentlich zum Essen hierhergekommen war.
 

„Wir sind noch nicht fertig!“, empörte sich Madonna voller Ernsthaftigkeit. Floyd sah sie an, als überlege er, ob er darüber lachen sollte oder nicht.
 

„Zum Glück!“, sagte er schließlich, abwechselnd die Frauen und die Herdplatte fixierend. „Ihr habt nun wirklich schon genug angerichtet! Wenn ich sehe, wie ihr mit Lebensmitteln umgeht, wird mir ganz anders... Was sollte das überhaupt werden?“
 

„Austern“, erwiderte Madonna.
 

„Pfeffersuppe“, kam es gleichzeitig von Bonnie Tyler. Floyd stand einen Augenblick lang bloß wie eine Statue da, ehe er sich umdrehte und offenbar den Kochtopf untersuchte.
 

„Nicht zu fassen“, seufzte er, griff nach dem Küchenmesser und begab sich damit zum Spülbecken. „Ihr setzt euch am besten irgendwohin und nehmt euch ein Malbuch, während ich sehe, was da vielleicht noch zu retten ist!“
 

„Sie können kochen?“, fragte Alice überrascht, obwohl es im Grunde nicht wirklich erstaunlich war. Irgendjemand musste schließlich für die Verpflegung im Wunderland zuständig sein – und von den beiden Ladies, die gerade damit beschäftigt waren, aggressiv schnaufend die Fliesen zu zählen und mit einem Plüschpantoffel zu schmusen, war offensichtlich nicht viel zu erwarten.
 

„Davon kannst du dich gleich selbst überzeugen“, antwortete Floyd, noch bevor Marilyn es wieder für ihn tun konnte, während er sorgfältig das Messer abtrocknete und sich anschließend um die Austern kümmerte. „Herzlichen Glückwunsch übrigens zur Hochzeit.“
 

„Ähm... danke. Sie wissen also schon davon.“
 

Floyd sah ihn nicht an. Entweder weil er es nicht für nötig hielt oder weil er zu sehr auf sein Werk vor dem Herd konzentriert war.
 

„Das ganze Land weiß inzwischen davon“, entgegnete er so monoton, dass er damit beinahe Wache Nummer Eins Konkurrenz machte. „Du glaubst nicht, wie schnell sich Dinge bei uns herumsprechen... Majestät.“
 

Marilyn stützte gelangweilt den Kopf auf einer Hand ab, scheinbar nicht sonderlich interessiert an der Konversation, und blickte abwesend geradeaus.
 

„Hat er irgendein Problem mit mir, von dem ich nichts weiß?“, flüsterte Alice, darauf bedacht, nichts zu tun oder zu sagen, was einen – oder eine – der hier Anwesenden in irgendeiner Weise aufregen könnte. Bei dieser Gesellschaft konnte man schließlich nie wissen, wie man sich am besten zu verhalten hatte.
 

„Frag mich was Leichteres“, gab Marilyn in einem hörbar entnervten Tonfall zurück, von dem Alice sich nicht sicher war, auf wen er sich bezog. „Ich glaube, er ist sauer auf dich, seit du damals plötzlich verschwunden bist... ist aber auch nicht damit einverstanden, dass du jetzt wieder da bist. Ich steige da auch nicht durch. Denk am besten nicht weiter drüber nach.“
 

„Aber-“
 

„Guten Appetit wünsche ich!“, unterbrach Floyd ihr Gespräch mit einem Lächeln, das ihm wahrscheinlich ein wenig Angst gemacht hätte, wenn die anderen, die mit ihm in diesem Raum waren, ihn an Bedrohlichkeit nicht um Längen überboten hätten, und stellte zwei duftende Teller vor ihm und Marilyn auf dem Tisch ab, bevor er wortlos wieder nach vorne an seinen Platz zurückkehrte, nur um schweigend und mit verschränkten Armen dort stehenzubleiben und demonstrativ zur Seite zu gucken.
 

„Das ging aber schnell“, bemerkte Alice halb beeindruckt halb skeptisch, besah sich die fertige Speise von Nahem und hielt irritiert inne, als er glaubte, ganz leise nur einen eigenartigen Singsang zu vernehmen. Als normaler Mensch in einer normalen Umgebung hätte er sicherlich angenommen, dass er halluzinierte – aber da er bereits mit Blumen, einer Schlange und einer jüngeren Version von sich selbst gesprochen hatte, hielt er absolut nichts mehr für ausgeschlossen. Auch nicht den Umstand, dass die Austern gerade 'Always look on the bright side of life' vor sich hinsummten.
 

„Nun, sag mal, Alice...“, begann Marilyn, vollkommen unbeirrt in dem Gemüse auf seinem Teller herumstochernd, „... hast du schon eine Ahnung, was du jetzt, nach deiner Ernennung zum König, als erstes tun willst? Dir steht immerhin alles offen. Worauf hast du Lust?“
 

„Worauf ich Lust habe? Ähm...“ Da waren keine unheimlichen Gesichter in seinem Essen. Das war sicher reine Einbildung. „Naja, ich denke... Ich sollte mich doch als erstes irgendwie... beweisen oder so?“
 

„Beweisen, gutes Stichwort!“, erwiderte Marilyn beschwingt, ehe er eine kleine Pause einlegte, um sich einer der Austern zu widmen, die singend vor ihm auf dem Tisch serviert waren. „Es gibt einiges zu tun, wobei ich gern deine Hilfe in Anspruch nehmen würde. Beispielsweise könntest du mir helfen, mich bei der neuen Farbwahl für mein Schlosstor zu entscheiden! Das ist immer wieder eine anspruchsvolle Denk-Arbeit.“
 

Kurz dachte Alice darüber nach, mit einem vor Sarkasmus strotzdenden Spruch zu antworten, merkte jedoch sehr rasch, dass seine Aufmerksamkeit dafür zu immens von seiner Mittagsspeise in Beschlag genommen wurde.
 

„Tja“, gab er stattdessen nur zögerlich zurück. „Ich würde sagen... entweder schwarz oder rot?“
 

„Also, Alice... Ich versuche hier gerade dir zur Liebe, eine Konversation in Gang zu setzen, um die Atmosphäre etwas aufzulockern, und du trägst überhaupt nichts dazu bei!“
 

„Entschuldigt, aber es ist etwas schwierig, bei dieser- Moment... War das Euer Schlosstor?“
 

„Ja, davon sprach ich doch gerade! Hast du mir gar nicht zugehört?“
 

„Nein, nein... Was ich meinte war... Ist da gerade jemand ins Schloss gekommen?“
 

Marilyn lehnte sich ein Stück gegen die Wand, so als würde er sich erhoffen, auf diese Weise besser hören zu können, was in der Empfangshalle passierte. Bevor er auf seine Frage eingehen konnte, kam die Antwort jedoch bereits durch die offene Tür gekrochen und bewegte sich mit einer seltsamen Atemlosigkeit auf sie beide zu.
 

„Geschhhafft...! Ichhh bin... endlichhhh angekommen!“
 

„Charlie!“, rief Alice feststellend, als die Schlange knapp vor dem Tisch zum Stehen kam – oder wie auch immer man das bei einem Wesen ohne Beine bezeichnen sollte. „Schön, dich zu sehen! Ich hatte mich schon langsam gefragt, wo du abgeblieben bist. Ist alles okay mit dir?“
 

Auf eine für ein Reptil sehr ungewöhnliche Weise keuchend blickte Charlie zu ihm auf, seine leuchtend gelben Augen wirkten untypisch müde.
 

„Diesssser Kerl... dein kleiner Doppelgänger... Er hält mich ganzzz schhhön auf Trab“, erklärte er, was Alice gleich zu den schlimmsten Befürchtungen verleitete, und atmete einmal tief ein und aus, ehe er weitersprach. „Jedenfallssss... habe ichhh esss nach einer Weile geschhhafft, ihn lossszzzuwerden und hierherzzzukommen – schliesssslich habe ich dichhh noch gar nicht angemessssssen begrüsssst, ssseit du wieder hier bissst!“
 

„Oh, aber das wäre doch nicht nötig gewesen!“
 

„Du brauchst dich bei meiner Schlange nicht einzuschleimen, Alice“, sagte Marilyn dazwischen, während er scheinbar amüsiert ein paar Speckwürfel aufspießte. „Charlie ist bescheiden und er mag dich auch, ohne dass du einen auf korrekt und anständig machst.“
 

„Ähm, ja. Verzeihung.“ Alice räusperte sich, bevor er sich von Marilyn und dem kuriosen Mittagessen abwandte und sich etwas weiter zu Charlie umdrehte, der immer wieder einen leicht beunruhigten Blick Richtung Tür warf. „Ich wollte nur sagen, dass du dir wegen mir nicht solche Mühe machen musst. Du siehst ganz schön erschöpft aus... Ich hoffe, das Balg- ich meine Lizzy ist dir nicht allzu sehr zur Last gefallen?“
 

„Keine Sssorge. Er war eigentlichhh ganzzz nett... bisss er angefangen hat, michhh zzzu verfolgen und mit eigenartigen Fragen zzzu löchhhern. 'Bissst du ein Männchhhen oder Weibchhhen?' und 'Kannssst du dichhh in einen Engel verwandeln?' waren noch die Harmlossseren“, entgegnete Charlie mit einem latent verstörten Ausdruck in seinem geschuppten Gesicht. „Eigentlichhh war ichhh auf dem Weg zzzu Fishhh, um etwasss mit ihm zzzu besssprechen. Aber dazzzu bin ichhh dann... nichhht mehr gekommen.“
 

„Fish?“ Er erinnerte sich an ihn. Marilyns Hofnarr, mit dem er bei seinem letzten Aufenthalt im Schloss meistens gut ausgekommen war. Leider war er von Marilyn persönlich gefeuert worden, nachdem er gegen irgendeine ungeschriebene Regel verstoßen hatte oder etwas in der Art. „Was ist aus ihm geworden? Geht er immer noch seinem Hobby nach, Theaterstücke für die Blumen aufzuführen?“
 

„Momentan ist er meist in seiner eigenen kleinen Hütte anzutreffen, da der Märzhase seinen Job als Narr bei mir übernommen hat“, antwortete Marilyn anstatt seines Haustieres, das diese Aussage allerdings mit einem Nicken bestätigte. „Ich kann aber schon jetzt versprechen, dass er früher oder später wieder zum Einsatz kommen wird. Fish wird für die Kehrseite zuständig sein, der wir nach all den negativen Geschehnissen wieder zu neuem Glanz verhelfen werden und die, nebenbei bemerkt, dein privates Herrschaftsgebiet sein wird, wenn es irgendwann soweit ist. Freu dich, Alice! Du wirst viel Platz in deinem königlichen Reich hinter dem Spiegel haben, wenn alles erst richtig wiederhergestellt ist.“
 

„Wirklich? Ich bekomme die komplette Kehrseite geschenkt? Und da kann man echt noch was draus machen? Beim letzten Mal sah es eher danach aus, als wäre da jegliche Hoffnung verloren“, gab Alice zurück, während er mit der Gabel die verdächtigen Austern beiseiteschob und sich dazu überwand, zumindest von dem Gemüse ein wenig zu probieren. Wider Erwarten schmeckte es lange nicht so abscheulich wie er aufgrund der Umstände zunächst angenommen hatte. Im Gegenteil – es war köstlich.
 

„Nur Geduld! Esss wurde bereitsss renoviert und wir sssind sssehr ssssicher, dassssss-“ Charlie stockte, als von draußen ein leises Geräusch ertönte, das danach klang, als sei möglicherweise ein weiterer Gast durch das Tor in die Empfangshalle eingetreten. Mit einem Mal schien er sich deutlich unwohler zu fühlen. Jedenfalls ließ die Tatsache, dass er sich blitzschnell unter den Tisch verzogen hatte, stark darauf schließen.
 

„Komm schon, Charlie. Ist das dein Ernst?“, erkundigte sich Marilyn, während er sich so weit es ging zu dessen improvisiertem Versteck hinabbeugte, als vollkommen unvorhergesehen ein silberner Kochlöffel mit beachtlichem Tempo auf die Tür zusauste und nur um Haaresbreite neben der Gestalt auf dem Boden liegenblieb, die offenbar gerade eben erst hineingekommen war. Lizzy.
 

„Die Küche ist voll!!“, kreischte Madonna, die anscheinend für die Löffel-Attacke verantwortlich war, von ihrem Platz neben Bonnie Tyler aus, an dem sie tatsächlich eine Weile lang mehr oder weniger ruhig verweilt hatten. Ein Wunder, dass sie das überhaupt für länger als fünf Sekunden hinbekommen hatten, wenn man ihn fragte.
 

„Ladies...!“, rief Lizzy gedehnt aus dem Türrahmen heraus. „Seid ihr immer so wild? Wenn ja, finde ich das wirklich spannend!“
 

„Ich ahne, dass hier noch einiges 'wirklich spannend' wird, wenn das so weitergeht“, murmelte Alice, nicht sicher, ob er sich unterhalten fühlte oder eher abgeschreckt. Lizzy hingegen ließ sich offenbar von nichts abschrecken, trat weiter in die Küche hinein, als sei nichts gewesen, und blieb ziemlich aufdringlich neben General Floyd stehen, der, wie es aussah, gerade damit beschäftigt war, das von den beiden Köchinnen verursachte Chaos aufzuräumen, sichtlich bemüht, sich nicht von ihm aus dem Konzept bringen zu lassen.
 

„Ich wusste gar nicht, dass man zum Saubermachen heutzutage eine Uniform trägt“, bemerkte Lizzy, nachdem er ihn einen Moment lang bloß schweigend beobachtet hatte. Floyd bedachte ihn lediglich mit einem flüchtigen Blick, ohne sein Tun zu unterbrechen.
 

„Alles hat seine Ordnung, das solltest du dir merken. Und um diese Ordnung regelmäßig im Auge zu behalten, ist es nicht nötig, auszusehen wie ein Butler.“
 

Lizzy hob eine Augenbraue – vermutlich, weil ihm gerade ein paar skurrile Bilder durch den Kopf gingen.
 

„Süß“, kommentierte er knapp, was Floyd merklich angestrengt ignorierte. Besser so, dachte Alice, immerhin war selbst er beinahe überfordert mit dem frisch hinzugekommenen Wunderland-Küken – und das, obwohl er leichter mit ihm hätte zurechtkommen müssen als alle anderen, die hier lebten. „Na, was esst ihr denn da Schönes? Muscheln? Ich könnte schwören, ich hätte gesehen, wie Charlie sich vorhin hier irgendwohin verkrochen hat...“
 

„Also, wenn du Charlie suchst... Der ist nicht hier“, log Alice so überzeugend wie möglich. Schließlich konnte er nicht zulassen, dass sein jüngeres Ich ihn derart bedrängte und wer weiß was mit ihm anstellte. Nachher würde das alles noch auf ihn zurückfallen, und das konnte für seinen neuen Ruf als Respektsperson nicht besonders einträglich sein.
 

„Ehrlich gesagt würde ich darauf wetten, dass ich ihn habe ins Schloss kriechen sehen“, fuhr Lizzy etwas nachdrücklicher fort, während er sich dermaßen unachtsam gegen den Tisch lehnte, dass er Alice' noch fast vollen Teller dadurch ein Stück verrückte. Nicht weiter schlimm. Er hatte ohnehin nicht damit gerechnet, beim Mittagessen – oder irgendeiner anderen Aktivität an diesem Ort – wirkliche Ruhe genießen zu dürfen. „Aber es würde mich nicht überraschen, wenn Charlie jetzt auch noch hopps gegangen wäre... Hier scheint es ja üblich zu sein, dass Tiere hin und wieder verschwinden oder einfach wegfliegen, wenn ihnen danach ist.“
 

„Was meinst du damit?“, fragte Marilyn gelassen, nachdem er seine Portion restlos aufgegessen und das Besteck ordentlich zusammengelegt hatte. Alice hatte eine vage Vermutung, was sein Doppelgänger mit dieser Äußerung meinen könnte – schließlich gab es im Wunderland nicht sonderlich viele Tiere, die jemandem gehörten und auf die akribisch aufgepasst werden musste.
 

„Naja, dieses Schwein... Wie hieß es doch gleich? Black Beauty?“, bestätigte er seine Vermutung mit einem nachdenklichen Blick an die Decke. „Diese Sau jedenfalls... Sie ist abgehauen, als Ritterchen und Wächterchen Nummer Zwei versucht haben, die Ringe wieder aus ihr herauszubekommen. Hatte wohl keinen Nerv mehr, und schwupps, war sie einfach weg.“
 

„Entschuldigt, dass ich mich einmische, aber habe ich das richtig verstanden? Black Beauty ist verschwunden?“, meldete sich Floyd nun deutlich aufgebrachter zu Wort als er es zuvor bei seiner Aufräum-Aktion noch gewesen war. Lizzy sah ihn verständnislos an.
 

„Ja, genau. Ist das schlimm?“
 

„Ob das schlimm ist?!“, wiederholte Floyd fassungslos. „Ich will gar nicht daran denken, was ihr alles passieren könnte, wenn sie mutterseelenallein zwischen den ganzen Wahnsinnigen herumstreunt... Mir war von Anfang an klar, dass ein Amateur wie der Schwarze Ritter sich nicht vernünftig um ein Tier ihres Ausmaßes würde kümmern können. Nicht umsonst hat sich damals jedes unserer Pferde geweigert, sich mit ihm zu verbünden!“
 

„Beruhige dich. Wir werden das schon in den Griff kriegen“, sagte Marilyn, selbst die Ruhe in Person, und setzte plötzlich die Art von Grinsen auf, die man immer dann bei ihm beobachten konnte, wenn ihm ein komischer Einfall kam. „Ich weiß was! Wir überlassen Alice die Führung. Du hast doch nach einer Gelegenheit gesucht, bei der du deine Fähigkeiten als neuer König unter Beweis stellen kannst – voila! Da hast du schon eine Aufgabe!“
 

„... Ich weiß ja nicht, ob das so eine gute Idee ist“, wandte er ein, schließlich wollte er nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn irgendetwas nicht so funktionierte, wie die ehrenwerte Königin es sich vorstellte. Floyd nickte zustimmend.
 

„Er hat Recht, Majestät. Besser wäre, Ihr würdet mich das machen lassen.“
 

„Nein“, erwiderte Marilyn entschieden. „Du bleibst hier und gibst Acht auf unseren Neuankömmling und die beiden anderen da drüben in der Ecke! Alice wird das wieder hinbiegen, da bin ich sicher. Kein Grund also, in Panik zu verfallen!“
 

Lizzy grinste belustigt.
 

„Viel zu tun heute, was? Erst Butler, jetzt Babysitter...“
 

„Falls du vorhast, dich in irgendeiner Weise querzustellen, wirst du schon sehen, was du davon hast“, gab Floyd bitter zurück, wofür Alice reichlich Verständnis hatte. Ihm wäre es ebenfalls lieber gewesen, Floyd an seiner Stelle nach der Sau suchen zu lassen. Wo sollte er schon anfangen? Jemand, der sich in der Gegend meistens verirrte, wenn er allein unterwegs war, war nicht gerade im Vorteil gegenüber jemandem, der schon seit einer Ewigkeit hier lebte. Trotzdem half es nichts. Wenn die Herzkönigin sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann hatte sich ihr niemand zu widersetzen.
 

„Na gut, was soll's“, seufzte Alice, als er sich von seinem Platz erhob und langsam, gefolgt von Marilyn, auf die Tür zusteuerte. „Mir bleibt ja wohl keine andere Wahl. Dann lasst uns mal aufbrechen... bevor das Schwein wirklich noch von einem Wahnsinnigen entführt wird.“
 

„So ist es recht“, pflichtete Marilyn bei. Sekunden später hatten sie die Küche verlassen und begaben sich auf den Rückweg durch das Heckenlabyrinth.
 


 

Auf den ersten Blick wirkte alles harmonisch. 'Normal' hätte er es beinahe genannt – wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass im Wunderland absolut nichts als normal bezeichnet werden konnte.
 

Mit Marilyns Hilfe war es wie ein Kinderspiel, sich in allen verdrehten Winkeln und Abzweigungen der Gegend zurechtzufinden, was ihn nur noch mehr an der Beständigkeit des Ortes zweifeln ließ anstatt zu denken, dass es auf seinen eigenen Orientierungssinn zurückzuführen war. Es war ganz eindeutig – die Landschaft veränderte sich von alleine, und wenn er den Weg aus den Augen verlor, dann lag es nur daran, dass dieses sadistische Land ihn ganz persönlich ärgern wollte.
 

„Der Schwarze Ritter und Wache Nummer Zwei scheinen nicht mehr hier zu sein“, bemerkte Marilyn, als sie erneut die Wiese mit den Bartblumen erreicht hatten, so als sei diese Feststellung wirklich überraschend. Höchstwahrscheinlich waren die beiden längst selbst aufgebrochen, um nach Black Beauty zu suchen, was Alice sich recht aussichtslos vorstellte, wenn man bedachte, dass die Sau in der Lage war zu fliegen. Anstatt des Ritters und der Wache konnte er jedoch zwei andere Personen in der Nähe der Blumen ausmachen. Eine von ihnen schien Fish zu sein. Die Andere, die konstant geradeaus blickend mitten im Gras kniete, trug ein niedliches schwarzweißes Kostüm, weshalb er annahm, dass sie eine der drei Maids war, deren Gesichter er sich bisher aufgrund mangelnder Gelegenheit des Kennenlernens nicht weiter eingeprägt hatte.
 

„Ooh!“, rief Fish plötzlich mit seiner angeborenen Überschwänglichkeit, die Alice nur allzu lebhaft im Gedächtnis geblieben war. „Welch erfreulicher Zufall, Euch hier zu treffen, Eure Majestäten! ... Ist es in Ordnung, wenn ich Euch so nenne, Auserwählter? Ich hörte von der Sache mit der Hochzeit...“
 

„Du bist der Erste, der mich heute überhaupt um Erlaubnis fragt. Für jeden, der mich bis jetzt angesprochen hat, war es offenbar selbstverständlich, mich so zu nennen, entweder voller Demut oder voller Sarkasmus... außer für Lizzy. Von ihm wurde ich bisher nur mit 'Altes Ich' betitelt.“
 

Fish legte den Kopf schief wie ein bunt angezogener Hund.
 

„Lizzy? Ihr meint sicher den Neuen, den ich vorhin habe hinter Charlie herrennen sehen, nicht wahr? Das war wirklich merkwürdig. Ich bin sicher, dass Charlie gerade auf dem Weg war, mich zu besuchen – und dann hat er auf einmal kehrtgemacht und hatte es ganz eilig, von hier zu verschwinden. Dabei wollten wir beide eigentlich ein gemeinsames Willkommensständchen für Euch einstudieren, Auserwählter! Verzeiht – Eure Hoheit!“
 

Nur aus dem Augenwinkel registrierte Alice das amüsierte Grinsen, das die Königin ihm kurz zuwarf, ohne sich jedoch zu äußern, so als erwarte ihre Majestät tatsächlich, dass er sämtliche Konversationen ab jetzt alleine führte, und als stünde sie nur neben ihm, um darauf zu achten, dass er sich nicht völlig blamierte. Was auf eine Art und Weise auch absolut zu ihr passte. Es war die eine Sache, die sie zweifelsohne mit dem Hutmacher gemeinsam hatte – diese Eigenart, sich aus allem einen Spaß zu machen, egal, worum es dabei ging.
 

„Tjaaa, das ist ja echt nett und ich fühle mich wirklich geschmeichelt...“, entgegnete Alice lächelnd, ohne auf Marilyns beinahe hörbares Schweigen weiter einzugehen, „... aber leider ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für langes Gerede und Begrüßungen. Anscheinend ist Black Beauty entlaufen – oder entflogen, was auch immer –, und ich muss sie so schnell wie möglich finden. Du hast nicht zufällig den Schwarzen Ritter und Wache Nummer Zwei hier irgendwo vorbeikommen sehen?“
 

„Nun... Eigentlich nicht, nein“, erwiderte Fish nachdenklich und zeigte dann misstrauischen Blickes in Richtung der Maid, die noch immer unbeweglich auf der Wiese hockte. „Ich kam nur kurz hierher, um nach den Blumen zu schauen... und die einzige Person, die ich seitdem gesehen habe, ist sie. Fragt mich nicht, wo sie die ganze Zeit über hinstarrt. Sie wirkt ganz verzückt, wenn man näher herangeht.“
 

Irritiert schielte Alice zu der Maid hinüber, die tatsächlich nichts weiter tat als mit einem entrückten Lächeln im Gesicht in die Leere zu stieren. Es hatte fast etwas Unheimliches an sich.
 

„Wenn das so ist... Danke für deine Hilfe“, sagte er zu Fish, bevor er sich Marilyns Bediensteter – die jetzt vermutlich auch seine Bedienstete war, wenn man es genau nahm – zuwandte und sich mit einer gewissen Skepsis zu ihr herunterbeugte. „Ähm... hi. Sorry, falls ich störe, aber ich hätte mal eben eine Frage. Geht auch ganz schnell.“
 

Die Maid blinzelte ein paar Mal, ohne ihren Blick von dem Was-auch-immer, das sie beobachtete, abzuwenden, und stieß einen tiefen und glücklichen Seufzer aus.
 

„Hach...“, machte sie verträumt, „... was für ein Bild von einem Mann.“
 

Alice drehte sich um, in der Hoffnung, das zu sehen, was sie offenbar sah, konnte jedoch weit und breit niemanden in dieser Richtung entdecken. Die Frau musste an ernsthaften Wahnvorstellungen leiden, anders konnte er sich ihr Verhalten nicht erklären.
 

„Okaaay... Was ich eigentlich nur wissen wollte, ist, ob du mir vielleicht sagen kannst, wo der Schwarze Ritter und Wache Nummer Zwei hingegangen sind, damit ich mit ihnen über Black Beauty sprechen kann. Aber ich könnte natürlich auch die Blumen dazu befrag-“
 

„Nein...!“, zischte sie plötzlich empört, so als sei er gerade im Begriff gewesen, eine schlimme Straftat zu begehen, und fügte dann mit unpassend sanfter Stimme hinzu: „Störe sie jetzt nicht. Sie schlafen.“
 

Marilyn hielt es anscheinend noch immer nicht für nötig, sich in irgendeiner Weise zu äußern, wenn er auch alles, was Alice tat oder sagte, genauestens aufzunehmen und zu überwachen schien. Zugegebenermaßen konnte er sich gut vorstellen, dass das Ganze für ihn wie eine Art Unterhaltungsprogramm aussehen musste. Ein ziemlich eintöniges Unterhaltungsprogramm, seiner Meinung nach.
 

„Der Schwarze Ritter und der Wachmann sind in verschiedene Richtungen gelaufen“, gab die schweigsame Maid unerwarteterweise doch noch eine halbwegs hilfreiche Antwort, als er die Hoffnung, irgendetwas von ihr zu erfahren, beinahe schon aufgegeben hatte. „Ich habe gesehen, wie das Schweinchen sich von ihnen losgerissen hat. Es ist einfach abgehoben und davongedüst. So leicht werden sie es nicht wiederfinden, ganz bestimmt nicht.“
 

Fantastisch, dachte Alice, ohne es auszusprechen. Das klang doch schon einmal sehr vielversprechend.
 

„Die Beteiligten haben sich also kreuz und quer im Wunderland verteilt, und Genaueres ist keinem bekannt“, fasste er die bisherigen Informationen zusammen, während er sich wieder erhob und sich ein Stück von der Blumenwiese entfernte, um auch bloß niemanden versehentlich aufzuwecken – es war ihm lieber, die Lady in dem Maidkostüm nicht unnötig zu verärgern. „Warum konnte Lizzy eigentlich keine etwas genauere Auskunft geben? Er war doch die ganze Zeit hier, oder nicht? Hätte ja ruhig auch mal bei der Suche mithelfen können, der Gute. Aber nein, stattdessen stalkt er Charlie und stellt gerade wahrscheinlich das gesamte Schloss auf den Kopf. Warum ist meine jüngere Hälfte so nutzlos?!“
 

„Na na, wir wollen doch nicht hinter deren Rücken über unsere Untergebenen lästern, nicht wahr?“, mahnte Marilyn augenzwinkernd. „Lizzy hätte dir auch nicht mehr mitteilen können als das, was du eben erfahren hast. Es muss also eine andere Lösung für das Problem geben. Denk mal scharf nach. Was wäre in so einem Fall am sinnvollsten zu tun, wenn man nicht weiß, wo oder bei wem man mit der Suche beginnen soll?“
 

Alice überlegte einen Moment, konnte sich jedoch nicht erinnern, sich jemals in einer solchen Lage befunden zu haben – zumal der Fakt, dass es sich hierbei nicht um irgendeinen x-beliebigen Ort sondern um ein magisches Land voll unzurechnungsfähiger Hippies handelte, die Angelegenheit noch einmal um einiges erschwerte.
 

„Keine Ahnung“, sagte er, allmählich ein wenig ungeduldig. „Vielleicht Plakate mit der Aufschrift 'Wer hat Black Beauty gesehen?' basteln und überall aufhängen?“
 

„Das wäre schon mal ein Anfang!“, stimmte Marilyn dem bescheuerten Vorschlag, den er gerade spaßeshalber gemacht hatte, tatsächlich zu. „Wunderbar! Das ist die richtige Herangehensweise. Also los, an die Arbeit! Die Plakate malen sich nicht von selbst!“
 

„Ich soll auch noch etwas malen? Ich habe doch nicht mal einen Stift oder Papier...!“
 

Die Königin lächelte bloß ihr typisches allwissendes Lächeln – sie hatte für jede Situation einen passenden Gesichtsausdruck, stellte er fest.
 

„Da hast du Recht, noch hast du das nicht“, antwortete sie. „Aber wer wären wir, wenn es nicht jederzeit die Möglichkeit gäbe, sich zu beschaffen, was man braucht? Man muss nur die richtigen Diener zur Hand haben. Spezielle Diener, die sich ohne den geringsten Aufwand herbeirufen lassen und sofort zur Stelle sind, wenn du nach ihnen verlangst...“
 

„Die vier Pandabären?“
 

Marilyns allwissendes Gesicht nahm abrupt einen herrlich verwirrten Ausdruck an.
 

„Was zum Flamingo ist ein 'Pandabär'?“ Nur einen winzigen Augenblick lang starrte er ihn mit einer wirklich faszinierenden Verständnislosigkeit an, ehe er rasch so tat, als habe er die Frage eben gar nicht erst gestellt. „... Ja, ich denke, du weißt, wen ich meine. Die Schutzpatronen, selbstverständlich. Du solltest sie kontaktieren.“
 

„Und wie zum Storch funktioniert das?“
 

„Machst du dich etwa gerade über mich lustig?“
 

Alice bemühte sich konzentriert, das Lachen zu unterdrücken, das sich beinahe in ihm verselbstständigt hatte, schluckte es einfach hinunter und verdrängte den Kommentar, der ihm bereits locker auf der Zunge gelegen hatte. Auch wenn sie sich mittlerweile deutlich besser kannten als bei seiner ersten Audienz am Hof vor einem Jahr – er musste sich dringend ins Gedächtnis rufen, dass es die Herzkönigin war, mit der er hier sprach, und dass es vermutlich nicht sehr gesund für ihn sein würde, es sich mit ihr zu verscherzen.
 

„Nein. Das würde ich niemals wagen“, antwortete er respektvoll. „Aber trotz allem... Was muss ich tun, damit die Schutzpatronen – oder wie man die Vier auch sonst nennen soll – aus heiterem Himmel hier erscheinen?“
 

„Oh, das ist ganz einfach“, sagte Marilyn, scheinbar noch immer voller Zuversicht. „Du musst nur zwei Mal in die Hände klatschen und ihnen den Befehl geben, herzukommen – natürlich laut genug, damit sie dich auch hören können –, und schon sind sie da!“
 

„Und das... soll ich jetzt ausprobieren, wenn ich das richtig verstehe?“, fragte er sicherheitshalber noch einmal nach, was Marilyn bloß mit einem Nicken und einer ausladenden Armbewegung beantwortete, die wohl bedeuten sollte, dass er ihm, gütig, wie er war, den Vortritt ließ. In Ordnung. Blamieren konnte er sich nicht. Wenn die Typen nicht auftauchten, war es schließlich nicht seine Schuld. „Also gut, was auch immer. Ähm... SCHUTZPATRONEN! KOMMT HER, ICH BRAUCHE EURE HILFE!!“, rief er so inbrünstig er nur konnte, während er, wie Marilyn es ihm aufgetragen hatte, zwei Mal hoheitlich in die Hände klatschte. Nicht einmal drei Sekunden später wurde er von einem gleißenden Licht geblendet, das plötzlich mitten aus dem Nichts heraus erleuchtete; und tatsächlich – kurz darauf standen alle vier vollzählig vor ihm, ganz genauso wie die Königin es ihm vorhergesagt hatte.
 

„Ihr habt nach uns gerufen, Majestät?“, schnurrte die Grinsekatze, begleitet von einer untertänigen Verbeugung, so als sei es nicht ansatzweise etwas Besonderes, dass sie diesmal auf sein Wort hörten anstatt auf Marilyns Befehle. Alice musterte die Vier mit einem gewissen Gefühl von Stolz und kam nicht umhin, sich vorzustellen, wie begeistert sein Publikum auf der Erde wahrscheinlich von diesem Trick gewesen wäre. Seine Bühnenausstattung war zwar schon immer ziemlich beeindruckend gewesen, aber mit nichts weiter als einem Klatschen die gesamte KISS-Truppe herbeizurufen – das war durchaus ein Highlight.
 

„Hmmm, was soll ich sagen... Ich habe euch gerufen, das stimmt“, gab er ein wenig geistesabwesend zurück, fasste sich dann aber schnell wieder – immerhin hatte er noch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. „Mein Anliegen ist eigentlich nur... Naja, ich bin dazu genötigt, ein paar blöde Plakate zu basteln, um unsere Mitmenschen auf Black Beauty aufmerksam zu machen. Aber dazu brauche ich natürlich Papier und einen Stift... und man sagte mir, wenn ich etwas brauche, soll ich damit euch auf die Nerven gehen.“
 

„Auf die Nerven geht Ihr uns niemals, Majestät!“, schleimte The Demon fröhlich, während er einen edlen schwarzen Füller und sein antikes Tagebuch aus irgendeiner nicht existenten Westentasche hervorkramte. „Wie viele Plakate sollen es denn in etwa werden?“
 

„Ich weiß nicht... Zehn?“, warf er schätzungsweise eine Zahl in den Raum, bemerkte jedoch den unzufriedenen Blick, mit dem Marilyn ihn aus dem Off heraus anschaute, und korrigierte seinen Fehler, den er offenbar gerade beim Raten gemacht hatte. „Vielleicht eher zwanzig. Das sollte wohl reichen, oder?“
 

„Ganz wie Ihr wünscht, Eure Hoheit!“, erwiderte The Demon, ohne sich in irgendeiner Form weiter dazu zu äußern, ehe er damit anfing, der Reihe nach unbeschriftete Blätter aus seinem Buch herauszureißen, die er ihm, als er damit fertig war, sauber und geordnet zusammen mit dem Füller in die Hand drückte. Alice fragte erst gar nicht nach, wie er denn so viele Seiten seines kostbaren Schatzes einfach so aus dem Stegreif entbehren konnte – wenn er sich recht entsinnte, wuchsen die Seiten dieses Buches immer wieder von alleine nach und gingen niemals aus. Nicht dass ihn das auch nur im Geringsten wunderte, in einer Welt wie dieser.
 

„Vielen Dank. Damit dürfte ich auskommen“, entgegnete er, fürs Erste optimistisch, als einer der Zwillinge – The Starchild, wenn er es richtig erkannte – plötzlich hervortrat und ihm eine Hand entgegenstreckte, in der er einen kleinen Beutel oder etwas Ähnliches hielt.
 

„Nehmt das auch mit!“, sagte er und fügte kurz darauf erklärend hinzu: „Brot- und Kekskrümel verschiedenster Sorten. Wenn Ihr ein bisschen davon hier und da im Gras verstreut, wird Black Beauty ganz gewiss nicht anders können als auf den Boden zurückzukommen, falls sie sich in der Luft aufhält. Kein Schwein kann dieser speziellen Mischung widerstehen!“
 

„So? Na dann... sehr freundlich.“ Ein wenig skeptisch besah sich Alice den Beutel von Nahem, steckte ihn dann aber ein und blickte sich vorsorglich schon einmal nach einer geeigneten Stelle um, an der er sich würde niederlassen können, um die zwanzig Zettel zu bemalen. Er musste nicht lange suchen, bis ihm ein großer und recht ebenmäßiger Felsen ins Auge stach, der wie geschaffen dafür schien, es sich darauf bequem zu machen. Zumindest so bequem, wie es auf einem Felsen nun einmal sein konnte. „Tja... Ich würde sagen, mehr brauche ich nicht. Danke für eure Hilfsbereitschaft. Man sieht sich bestimmt... demnächst.“
 

„Wann immer Ihr nach uns verlangt, Majestät!“, verabschiedete The Catman sich im Namen aller Schutzpatronen, die ein letztes Mal mit einem überproportional breiten Grinsen in ihren Gesichtern winkten, bevor sie sich in demselben grellen Leuchten entmaterialisierten, in dem sie zuvor auch aufgetaucht waren. Einen Moment lang fixierte Alice die Stelle, an der sie bis eben noch gestanden hatten, dann ging er gemächlichen Schrittes auf den Felsen zu, den er sich ausgesucht hatte, und nahm so darauf Platz, dass er den zu bearbeitenden Papierstapel improvisatorisch auf seinen Beinen ablegen konnte. Marilyn folgte ihm, ganz wie der ständige Aufpasser, den er im Augenblick leider verkörperte, und beugte sich dann, mit einem Arm auf dem Felsen abgestützt, ein wenig zu ihm herunter.
 

„Hast du nicht etwas vergessen?“, machte er eine Andeutung, die Alice nicht ganz verstand – wahrscheinlich weil er zu sehr darauf konzentriert war, sich ein anständiges Design für die Plakate zu überlegen –, fügte dann aber, als er von ihm scheinbar nicht die gewünschte Reaktion bekam, ein hinweisendes „Die Katze und ihre Pflichten...!“ hinzu. Alice schaute nur kurz von seinem Stapel auf, ehe er damit anfing, einen schwarzen Kreis mit zwei großen Ohren auf das erste Blatt Papier zu malen, der – unverkennbarerweise – Black Beautys Kopf darstellen sollte.
 

„Darum kümmere ich mich später. Man muss Prioritäten setzen, nicht wahr?“, gab er zur Antwort, gekonnt überspielend, dass er es tatsächlich vergessen hatte, besagte Katze auf die Sache anzusprechen. „Sagt mal, diese Plakate... Warum muss ich so eine Drecksarbeit als König eigentlich alleine machen, wenn ich fragen darf? Sollten sowas nicht normalerweise die Diener erledigen?“
 

Marilyn lachte merklich amüsiert.
 

„Auch ein König fängt klein an“, erklärte er pseudo-weise, während er dabei zusah, wie Alice zwei große Augen in den Kreis zeichnete. Er hatte gut Reden. Wahrscheinlich hatte er selbst nie irgendwelche idiotischen Prüfungen bestehen müssen, bevor er zum König ernannt worden war – schließlich war Marilyn im Gegensatz zu ihm nie etwas anderes als ein König oder eine Königin gewesen, soweit es ihm bekannt war.
 

„Wer macht sich jetzt über wen lustig, hm?“
 

„Du interpretierst das völlig falsch, Alice. Ich will nur dein Bestes! Hast du daran etwa jemals gezweifelt?“, grinste Marilyn so offensichtlich erheitert wie man nur eben aussehen konnte, wenn man sich über jemanden lustig machte. „Genau deshalb werde ich dich jetzt auch vorerst alleine lassen und mich um andere Angelegenheiten kümmern, während du in aller Ruhe deiner – wie hattest du es doch gerade genannt? – Drecksarbeit nachgehen kannst. Es gibt bestimmt noch vieles für mich zu tun, und ich möchte dich nur sehr ungern dabei stören, wenn du so... sichtbar fokussiert dein Werk verrichtest. Komm einfach zu mir zurück, wenn du fertig bist! Dann werde ich mich selbst von dem Ergebnis überzeugen. Im besten Fall ist Black Beauty dann ja schon wieder da!“
 

„Wartet mal...! Ihr könnt doch jetzt nicht einfach-“
 

„Bis dann, mein Lieber! Und viel Erfolg weiterhin!“, war das Letzte, das er Marilyn beschwingt zu ihm herüberrufen hörte, als er bereits dabei war, den Bereich zu verlassen, in dem Alice jetzt, wie es aussah, auf sich selbst und seinen Orientierungssinn angewiesen war, bis er es geschafft hatte, jedes der Plakate irgendwo anzubringen und danach, als sei das nicht schon genug Zeitverschwendung, außerdem völlig alleine wieder zu der Königin zurückzufinden, die sich im Grunde überall aufhalten konnte. Wenn das nicht nach Spaß klang. Ganz definitiv war es wieder genauso wie bei seinem ersten unfreiwilligen Besuch im Wunderland, als er sich auf die verschiedensten unmöglichen Arten hatte beweisen müssen, um überhaupt von allen Anwesenden als Auserwählter anerkannt zu werden. Mit dem Unterschied, dass er diesmal bei der Hälfte seiner Mitbürger bekannt und sogar hochgeschätzt war – und trotzdem das Mädchen für alles spielen musste, um die Königin zufriedenzustellen. Typisch, wenn er so darüber nachdachte. Anders hätte er es auch eigentlich nicht erwarten dürfen.
 

„Also gut“, sagte er besonnen zu sich selbst, während er das erste fertige Plakat prüfend betrachtete und anschließend neben sich auf dem Felsen ablegte, um sich dem Nächsten zu widmen. „Wenn ich es damals geschafft habe, mich zu beweisen, dann schaffe ich das auch nochmal. Wäre doch gelacht, wenn ich so eine simple Aufgabe nicht meistern könnte...!“
 

Und wie er das konnte. Mit viel Geduld, Mühe und Konzentration würde es sicherlich eine Kleinigkeit werden, Black Beauty zu finden. Mit viel, viel Geduld.
 

„Ihr werdet schon sehen, Majestät. Ich bin nicht so ungeschickt, wie Ihr vielleicht denkt. Nur möglicherweise etwas... untalentiert im Schweine zeichnen.“

Kapitel 3 - Raubtiere und Verrückte

Eine nur schwer zu ertragende Hitze hatte sich vollkommen unvermittelt um ihn herum ausgebreitet, weil die, passend zum Rest dieses Landes, schrecklich brutale Sonne sich offenbar von einem Moment auf den anderen dazu entschlossen hatte, knallhart mitten auf den Bereich zu scheinen, in dem er gerade planlos umherstreifte und damit beschäftigt war, seine mühevoll angefertigten Plakate an irgendwelchen Gebilden aufzuhängen, die ihm am geeignetsten dafür erschienen.
 

„Black Beauty gesucht!“, hatte er in fein säuberlichen, großen Buchstaben auf jedes der Blätter geschrieben. Darunter prangte eine ebenfalls recht ausladende Zeichnung, die zwar mehr nach einem verbeulten Tintenfleck mit Gesicht aussah als alles andere, dafür aber mit Sicherheit die Aufmerksamkeit eines jeden vorbeigehenden Passanten auf sich zog. Und am unteren Rand der Aushänge war zusätzlich eine kleine Information zu finden, die aller Wahrscheinlichkeit nach für einen Großteil der Bevölkerung Anreiz genug war, mindestens ein Auge offen zu halten. („Wer hat dieses fliegende und temperamentvolle schwarze Kriegsschwein gesehen? Demjenigen, der es findet und entweder zum Schloss oder zu seinem Besitzer, dem Schwarzen Ritter, zurückbringt, winkt eine großartige Belohnung in Form eines wertvollen Autogrammes von mir, König Alice, an einer Stelle eurer Wahl. Viel Glück bei der Suche!“)
 

Bedauerlicherweise war ihm kurz nach Fertigstellung der Plakate aufgefallen, dass er nichts bei sich hatte, womit er die Zettel hätte aufhängen können, sodass er ein weiteres Mal dazu gezwungen gewesen war, die Schutzpatronen herbeizurufen, die ihn vermutlich zuvor heimlich beobachtet und sich ins Fäustchen gelacht hatten, als er alles Erdenkliche ausprobiert hatte, um das verdammte Plakat an einem Baumstamm zu befestigen. Sogar mit einem Zauberspruch hatte er es versucht. Leider hatte es nicht den Effekt erzielt, den er sich, naiv wie er war, erhofft hatte. Das extra-stark haftende Klebeband, das er von The Catman bekommen hatte, wirkte da doch um Längen besser.
 

Inzwischen war er sicher eine halbe, wenn nicht sogar eine ganze Stunde durch das brütend heiße Nirvana geirrt und hatte gerade einmal vier von seinen zwanzig Plakaten angebracht. Es gefiel ihm nicht, doch er musste sich wohl oder übel eingestehen, dass die Aufgabe doch nicht ganz so simpel war, wie er zunächst angenommen hatte – was zu einem nicht unwesentlichen Teil daran lag, dass seine Umgebung sich alle paar Minuten nach Lust und Laune veränderte, so als besäße sie ein Eigenleben, das einzig und allein dazu diente, ihm seine Arbeit, wo es nur ging, zu erschweren. Eines war ihm in der Zeit, die er in dieser Welt bisher verbracht hatte, nun endgültig klar geworden: Die Wege des Wunderlandes waren unergründlich.
 

Vielleicht hätte ich doch in Amerika bleiben sollen, dachte Alice, während er beiläufig in den Beutel griff, den The Starchild ihm überlassen hatte, und eine Handvoll Krümel gleichmäßig auf dem Boden verstreute. Obwohl... das Wetter dort, wenn ich an das letzte Konzert denke, eigentlich nicht wesentlich besser war als hier.
 

Ein seltsamer Geruch ging von der Krümelmischung aus. Nicht unangenehm – nur ein wenig sonderbar. Angeblich sollte dieser Duftstoff irgendetwas beinhalten, das Schweine geradezu magisch anzog. Bis jetzt war davon allerdings nicht viel zu merken, wenn man bedachte, dass er seit einer gefühlten Ewigkeit schon mit dem Zeug hier herumlief und von Black Beauty noch immer jede Spur fehlte. Vielleicht war er ja zu ungeduldig. Aber hatte er als König nicht Anspruch auf wenigstens ein kleines bisschen mehr Unterstützung?
 

„Ich möchte wetten, dass die ehrenwerte Herzkönigin sich in diesem Moment um keine einzige wichtige Angelegenheit kümmert. Wahrscheinlich sitzt sie gemütlich in ihrem Schloss, bei einem Kaffeekränzchen mit ihren Wachen, oder lässt sich im Garten von ihrem neuen Hofnarren bespa-“
 

Alice hielt inne, als er glaubte, ein Geräusch hinter sich gehört zu haben, das verdächtig nach einem Grunzen geklungen hatte. Also doch. Fideldum oder Fideldei – oder wie auch immer der Sternentyp sich nochmal nannte – hatte Recht gehabt, als er die Wirksamkeit dieser Mischung angepriesen hatte!
 

„Ich dachte schon, das würde hier gar nichts mehr werden“, grinste er, drehte sich langsam um und merkte, wie ihm das Grinsen schlagartig wieder verging, als er sich nicht, wie erwartet, einem schwarzen sondern einem weißen Schwein gegenüber fand, das er noch nie zuvor gesehen hatte und das Ozzys geliebte Haus-Sau von dem Ausmaß seiner Statur her noch einmal um ein gutes Stück übertraf. Es war ein Eber, wenn er es richtig erkannte. Ein ziemlich hungrig aussehender Eber. „Ja, ähm... sorry für die Verwechslung. Du bist nicht Black Beauty, also... mach's mal gut!“
 

Vorsichtig trat er erst einige Schritte rückwärts, um das wahrlich respekteinflößende Tier, das ihm geräuschvoll schnaufend hinterherstarrte, bloß nicht aus den Augen zu lassen. Dann wandte er sich so zügig wie möglich um und rannte. Schnell. So schnell, wie er schon lange nicht mehr gerannt war. Nahezu im selben Moment, in dem er damit angefangen hatte zu rennen, bereute er es allerdings auch schon, da das Schwein, dem lauten Getrampel, das er hinter sich vernahm, nach zu urteilen, nicht die Absicht hatte, ihn einfach so davonkommen zu lassen. Alice bezweifelte, dass er eine wirkliche Chance hatte, es abzuhängen. Kurz kam ihm der Gedanke, sich noch einmal umzudrehen, um zu sehen, wie dicht es ihm auf den Fersen war. Jedoch kam er zu dem Schluss, dass er gar nicht so genau wissen wollte, wie ein riesiges, wildes, rennendes Schwein von Nahem aussah.
 

„Mist, Mist, Mist...!“, keuchte er, während er hoffte, dem Eber mit irgendeinem Trick vielleicht doch noch entkommen zu können – als ihm mit einem Mal der Beutel einfiel, den er noch immer in der Hand hielt. Das war es. Wenn er ihn einfach losließ, hatte das Vieh keinen Grund mehr, ihm hinterherzuhetzen, oder? „Hier, schenke ich dir!“, rief er, die Mischung ohne weitere Umschweife ins Gras sinken lassend, und beruhigte sich ein wenig, als er kurz darauf das Gefühl hatte, tatsächlich kein beängstigendes und von unkontrolliertem Schnaufen begleitetes Getrampel mehr hinter sich zu hören. Trotzdem lief er solange weiter, bis er, ohne damit gerechnet zu haben, augenscheinlich schon den nächsten Abschnitt erreicht hatte. Jedenfalls sah es ganz danach aus, denn der Anblick, der sich ihm nun bot, unterschied sich deutlich von dem, was vor der Begegnung mit dem Schwein noch um ihn herum gewesen war.
 

„... Pause“, sagte er leise zu sich selbst, als er beschloss, wenigstens für ein paar Minuten lang auszuruhen, bevor er mit seiner aussichtslosen Suche fortfuhr. Nicht einmal mehr den Beutel hatte er jetzt bei sich. War es überhaupt wirklich nötig, ein solches Theater wegen einer entlaufenen Sau zu veranstalten? Er konnte sich schlecht vorstellen, dass Black Beauty nicht früher oder später von alleine zurückkommen und sich im Ernstfall nicht auch durchaus selbst verteidigen würde, wenn jemand ihr zu nahe kam. Immerhin war sie ein ausgewachsenen Kriegsschwein!
 

Alice schloss einen Moment lang die Augen, nachdem er sich im Schatten eines Baumes auf dem erstaunlich weichen Boden niedergelassen hatte. Die Luft schien ein wenig abgekühlt zu sein, seit sich wie von Geisterhand die Kulisse verändert hatte. Es war nicht mehr so schrecklich heiß. Es war sogar eigentlich recht angenehm...
 

„Hier zu schlafen ist, ehrlich gesagt, keine sehr gute Idee!“, ertönte vollkommen unerwartet eine Stimme neben ihm, die er erst zuordnen konnte, als er in das dazugehörige Gesicht sah. Der rothaarige Typ, der so lange verschwunden gewesen war – Ziggy! Oder Major Tom... wie auch immer man es betrachten wollte. „Es kann gefährlich werden, wehrlos in dieser Gegend herumzu- Moment! Du bist doch... Ihr seid der Dunkle König, habe ich Recht?“
 

„Nenn mich Alice. Oder Darth Cooper, falls es dir lieber ist.“
 

„Ich wusste es doch!“, grinste Ziggy seltsam amüsiert. „Meine beiden Mitbewohner haben mir von der Hochzeit berichtet, nachdem sie live dabei waren, als... Nun ja, Ihr wisst ja selbst, was passiert ist.“
 

„Deine Mitbewohner?“, erwiderte Alice, die subtile Anspielung auf den nicht erwähnenswerten Unfall ignorierend. Andererseits – war nicht dieser Unfall erst daran Schuld gewesen, dass Black Beauty die Ringe verschluckt und sich danach in den unendlichen Weiten des Wunderlandes verkrochen hatte?
 

„Ich wohne im Topsy Turvy hier in der Nähe, gemeinsam mit dem Hutmacher und der Haselmaus“, sagte Ziggy und fügte auf Alice' fragenden Blick hin erklärend hinzu: „Seit der Märzhase als Narr am Hof angestellt wurde, haben sie mich als neuen Mitbewohner bei sich aufgenommen.“
 

Das klang sinnig. Wenn Märzi nun regelmäßig dafür zuständig war, die Königin bei Laune zu halten, hatte er sicher nicht mehr allzu viel Zeit, seine beiden Tee-Genossen mit seinem unvergleichlichen Flötenspiel zu bereichern. Obwohl Alice sich vorstellen konnte, dass die Zwei es sogar tatkräftig unterstützt hatten, ihn und seine Flöte loszuwerden. Er konnte sich lebhaft an das verstörende Gepfeife erinnern, das er bei seinem letzten Besuch im Haus der Tee-Gesellschaft schon von Weitem gehört und das ihn fast davon abgehalten hatte, hineinzugehen.
 

„Hey, wo wir schon dabei sind... Habt Ihr nicht Lust, auf eine Tasse Tee bei uns vorbeizuschauen?“, unterbrach Ziggy seine Gedanken mit einem erwartungsvollen Lächeln. „Wir haben Kuchen gebacken. Und Ihr seht aus, als könntet Ihr ein wenig... Entspannung gut vertragen.“
 

Alice brauchte nicht lange, um abzuwägen, ob er sich einen solchen Ausflug im Augenblick leisten konnte – es würde vermutlich nicht lange dauern, und ein kleiner Engergieschub konnte nicht schaden, um seiner Motivation wieder etwas auf die Sprünge zu helfen.
 

„Warum nicht?“, entgegnete er zufrieden, ehe er sich gemächlich von seinem Platz unter dem Baum erhob. Ziggy machte eine Geste in Richtung des Waldes, der kahl und düster vor ihnen lag.
 

„Hier entlang!“, sagte er fröhlich und lief bereits ein paar Schritte voraus. „Es ist nicht mehr weit. Die anderen werden sich bestimmt freuen, Euch erneut bei uns begrüßen zu dürfen!“
 


 

Tropf. Tropf.
 

Nur vage nahm er die Stimmen ringsherum wahr, die sich über irgendetwas unterhielten, das mit verschiedenen Sorten von Tee zu tun hatte. Grüner Tee. Roter Tee. Sie redeten die ganze Zeit, doch verstehen konnte er nicht viel.
 

Das Plätschern der Getränke war laut, wenn es von der Kanne in die Tassen floss. Durchdringend. Eigentlich mochte er keinen Tee, aber in Kombination mit dem fabelhaften Kuchen schmeckte er gar nicht einmal so übel.
 

„Die Butter ist beinahe aufgebraucht. Wir brauchen dringend eine neue Butter.“
 

„Die Butter?“
 

„Ja, die Butter. Und der Zucker ist auch schon fast leer.“
 

Tropf. Tropf.
 

Wasser. Das Plätschern kam nicht von dem Tee. Es war Wasser. Ein Teich... oder ein See?
 

„Mein Napf muss aufgefüllt werden. Ich habe nichts mehr zu Trinken.“
 

„Frag dein Herrchen, wenn es zurückkommt. Ich habe keine Ahnung, wo dein Zeug steht.“
 

Wasser; es war definitiv Wasser. Und etwas war dort hineingefallen. Ein Mensch.
 

„Mein Herrchen...?“, wiederholte die Stimme von eben, im einen Moment noch ruhig und gelassen, im Nächsten plötzlich auf eine groteske Weise verzerrt. „Unser Meister... Unsere Herrin – wo ist sie? Sie kommt nicht zurück...“
 

Das Plätschern wurde lauter; noch lauter und durchdringender, und er sah eine Person am Ufer entlanghinken – einen Mann. Er beugte sich über das Wasser, aus dem im selben Augenblick ein Mädchen auftauchte. Ihre Erscheinung war... unwirklich.
 

„Sie wird nicht mehr zurückkommen! Sie darf nicht mehr zurückkommen! Ihr solltet ihr nicht trauen...!“
 

Das Mädchen griff nach der Hand ihres Retters, blickte ihn an... und dann-
 

„Majestät!“ Jemand rief nach ihm. Nach... ihm? „Könnt Ihr mich hören? Seid Ihr noch wach, hochverehrter Gast?“
 

„... Was?“
 

Der Hutmacher. Er stand direkt vor ihm, in einer Hand die quietschbunte Teekanne haltend, die andere, wie um ihn zur Besinnung zu bringen, vor seinem Sichtfeld hin- und herschwenkend. Alice setzte sich rasch in seinem Stuhl auf. Seit wann... Wie lange war er schon hier?
 

„Ah, Ihr seid also noch ansprechbar!“, stellte der Hutmacher freudig fest, hörte damit auf, vor seinem Gesicht herumzuwedeln und wandte sich halb in Richtung Piepwuff, der ausgestreckt in seinem originell designten Körbchen lag. „Wenn Ihr das nächste Mal bei einer unserer Tee-Parties abdriftet, werde ich meinen persönlichen Bello schicken, Euch zu wecken!“
 

„Das kannst du vergessen“, murrte Piepwuff, neutralen Blickes die Wand fixierend. Ziggy setzte sich neben ihn und tätschelte Bello hingebungsvoll den Kopf.
 

„Wie... Wie spät ist es?“, fragte Alice mit einer schlagartig aufgekommenen Nervosität. Dass er die Bewegungen seiner Gastgeber um sich herum beinahe wie in Zeitlupe wahrnahm, trug nicht gerade dazu bei, sich in deren Obhut sonderlich wohl zu fühlen. Der Hutmacher lehnte sich ein Stück vor, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Bisher war Alice nicht einmal aufgefallen, dass dieses Haus so etwas wie Fenster besaß. Vielleicht lag es daran, dass diese wie sechszinkige Sterne geformt und somit – zumindest für ihn – nicht gleich als solche erkennbar waren.
 

„Eine genaue Uhrzeit kann ich Euch nicht nennen, fürchte ich. Aber der Farbe des Himmels nach zu urteilen...“, sagte der Hutmacher und spähte erneut prüfend nach draußen, „... dürften wir uns irgendwo zwischen Morgen und Vormittag befinden, Eure dunkle Majestät. In diesem Gebiet, jedenfalls.“
 

„In diesem Gebiet?“ Wie es in einer Welt wie dieser möglich war, sich an Verabredungen oder sonstige Zeitpläne zu halten, wollte er sich im Moment lieber nicht genauer überlegen. „Wenn es hier bei euch also gerade irgendwas zwischen neun und zehn Uhr ist, so wie ich das verstanden habe... wie spät ist es dann ungefähr am Hof?“
 

„Oh, gute Frage!“, kicherte sein Gegenüber, so als gäbe es daran irgendetwas Lustiges. „Zehn oder elf Stunden später, würde ich sagen... Was sagst du dazu, meine werte Haselmaus?“
 

Piepwuff, der sich in seinem Körbchen inzwischen auf die Seite gerollt hatte – anscheinend, damit Ziggy besser zum Kraulen an ihn herankam –, gab einen gleichgültigen Laut von sich.
 

„Mir egal. Hauptsache, die Zeit läuft weiter.“
 

„Waren es nicht sogar zwölf Stunden?“, äußerte Ziggy, was den Hutmacher aus völlig unerfindlichen Gründen bloß noch schriller zum Kichern brachte. Er hörte gar nicht mehr auf.
 

„Also... Ich weiß wirklich nicht, was daran so witzig ist!“, warf Alice ärgerlich ein, während er versuchte, von seinem Stuhl aufzustehen, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren. Dieser verdammte Scherzkeks... Was hatte er schon wieder in den Teig geschüttet, als er diesen Kuchen gebacken hatte?! „Wenn es stimmt, was ihr da sagt... Großer Mist! Ich muss dringend von hier verschwinden...! Die Königin wartet auf mich, und ich bin nicht einmal damit fertig geworden, die Plakate zu verteilen!“
 

„Plakate? Ihr meint diese Zettel mit dem schwarzen Esel in der Mitte, die Ihr vor Beginn unserer Tee-Party auf dem Regal dort abgelegt habt?“, erkundigte sich Ziggy, ohne ihn anzusehen, weil er vermutlich zu sehr von Piepwuffs bizarrem Anblick eingenommen war. Alice ignorierte seine Frage und zog es vor, die Plakate schleunigst wieder einzusammeln, um wenigstens noch einigermaßen zeitig von hier wegzukommen. „War doch nur Spaß“, grinste Ziggy irgendwann, als er scheinbar nicht mehr ignoriert werden wollte, wandte sich von seinem Schoßhündchen ab und stand von seinem Platz neben dem Körbchen auf. „Warum ist es denn so wichtig, diese Dinger zu verteilen? Bleibt doch lieber noch ein bisschen bei uns und genießt eine Tasse Tee! Es ist auch noch eine Menge Zitronenkuchen übrig.“
 

„Danke, aber nein danke. Ich finde meine Aufgabe selbst bescheuert, aber ich werde jetzt sicher nicht einfach aufgeben. Außerdem... will ich keinen Kuchen mehr“, sagte Alice – hoffentlich unmissverständlich genug –, ehe er, den Papierstapel fest im Griff, wieder Richtung Ausgang schritt. Ziggy schaute ihm enttäuscht hinterher.
 

„Darf ich wenigstens anbieten, Euch zu begleiten? Nur zur Sicherheit, damit Ihr Euch auf dem Weg zum Schloss nicht verlauft!“
 

Der Vorschlag war tatsächlich eine Überlegung wert. Wenn es bereits so spät war, konnte er gut darauf verzichten, wieder stundenlang durch das Wunderland zu irren, bis er den richtigen Weg endlich gefunden hatte. Andererseits – gehörte nicht gerade das irgendwie zu seiner Prüfung dazu?
 

„Also... Danke für das Angebot, aber ich lehne ab“, gab Alice letztlich zur Antwort. „Als König muss ich es alleine hinbekommen, mich in meinem, ähm... Reich zurechtzufinden. Die Königin stellt mich auf die Probe. Wenn ich mich von einem von euch führen lassen würde, wäre das, als würde ich... schummeln.“
 

Ziggy nickte anerkennend. Piepwuff war mittlerweile scheinbar eingeschlafen.
 

„Eine kluge Entscheidung“, sagte der Hutmacher, noch immer leise kichernd, und nippte beiläufig an seinem Tee – Alice hatte keine Ahnung, wie die Tasse plötzlich in dessen Hand gelangt war. „Eine wirklich sehr kluge Entscheidung. Ihr denkt schon jetzt wie ein wahrer König, Majestät...!“
 

Ja, dachte Alice. Vielleicht tat er das wirklich. Trotz allem hatte er das unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging und er schon sehr bald vor einem großen Problem stehen könnte, das sich nicht so leicht ohne jegliche Hilfe würde lösen lassen. Er hätte nicht benennen können, woran es lag. Aber ihm war, als würde sich der Schrecken, der sich vor einem Jahr hier abgespielt hatte, in irgendeiner Weise wiederholen, ohne dass die Königin und ihre Bediensteten etwas davon ahnten. Konnte es sein, dass...?
 

„Blödsinn“, unterbrach er seine eigenen Gedanken schnell. Wahrscheinlich war er bloß noch immer paranoid von seinem letzten Aufenthalt in dieser Welt und all den gruseligen Begegnungen, die er damals gemacht hatte. Sicher war es besser, sich nicht so viele Sorgen zu machen. Ja. Bestimmt. „Tja, dann... Verzeiht mir meine Unhöflichkeit, aber ich muss gehen. Die Pflicht ruft!“
 

„Kein Grund, sich zu entschuldigen“, lächelte der Hutmacher, ehe er ihm ein letztes Mal mit seiner freien Hand zuwinkte. „Kommt gut nach Hause... und passt bloß auf Euch auf!“
 

„Das werde ich“, gab er zurück, drehte sich um und öffnete die nach Zuckerguss duftende Tür. Kurz darauf hatte er das Topsy Turvy binnen weniger Sekunden wieder verlassen.
 


 

Nur nicht verunsichern lassen, sagte Alice sich immer wieder, als er durch das Heckenlabyrinth 'nach Hause' zurückzukehren versuchte, wie der Hutmacher es formuliert hatte. Es war inzwischen stockdunkel in diesem Bereich, und trotzdem hatte er es geschafft, bis hierher zu gelangen. Das Gröbste hatte er längst hinter sich gebracht, und er war wirklich froh über die Aussicht, in wenigen Minuten vermutlich wieder im Schloss zu sein, wo er sich ausruhen konnte, ohne von drei zwielichtigen Tee-Fanatikern umzingelt zu sein, die jeden Moment irgendetwas dubioses Unvorhergesehenes anstellen konnten. Ob Ziggy Stardust ihm mehr oder weniger geheuer war als der Märzhase, war fraglich.
 

Zwei Plakate hatte er noch anbringen können – eines an einem weiteren Baumstamm, das andere an einem steinartigen, länglichen Etwas, das in der Nähe des Waldes mitten aus der Erde wuchs –, bevor die Müdigkeit ihn derart unaufhaltsam überkommen hatte, dass es höchstwahrscheinlich zu riskant gewesen wäre, ohne Begleitung weiter dort herumzulaufen. Jetzt wo es so viele weibliche Fremde hier gab, konnte er schließlich nie sicher wissen, wer oder was möglicherweise hinter dem nächsten Busch lauerte.
 

„Wenn das mal nicht seine dunkle Majestät ist!“, wurde Alice ungewohnterweise von der orange-rot-gekleideten Wächterin begrüßt, als er schneller als gedacht den Weg aus dem Labyrinth gefunden und das Schlosstor erreicht hatte. Offenbar teilte sie sich ihre Nachtschicht mit Wache Nummer Eins. „Falls Ihr die Königin sucht: Sie ist gerade nicht anwesend. Aber sie ließ ausrichten, dass Ihr gerne durch den Spiegel in ihrem Gemach schreiten dürft und die Kehrseite Euch zum Schlafen zur Verfügung steht.“
 

„Aha? Ihr könnt ihr auch etwas ausrichten, wenn Ihr sie das nächste Mal seht“, entgegnete Alice ein wenig erschöpft und ließ seinen Blick flüchtig durch den Garten schweifen, um sich zu vergewissern, dass außer ihm und den beiden Wachen auch wirklich niemand anderes hier war. „Die Aufgabe, die sie mir... aufgegeben hat... konnte ich bedauerlicherweise nicht vollständig erfüllen. Richtet Ihr aus, dass ich morgen damit weitermachen werde, wenn ich wieder in einer... besseren Verfassung bin. Oh, und richtet Ihr auch aus, dass ich es unzumutbar finde, einen armen, hilflosen Auserwählten, der insgesamt nicht einmal drei volle Tage in dieser unzumutbaren Welt verbracht hat, ganz sich selbst zu überlassen... zwischen Raubtieren und Verrückten. Das ist... unzumutbar.“
 

„Zu Befehl, Majestät. Ich werde es ihr mitteilen!“, antwortete Wächterin Lennox, während Wache Nummer Eins, wie immer, schweigend und mit ausdrucksloser Miene danebenstand. Allmählich fragte sich Alice ernsthaft, ob der Kerl überhaupt echt war oder nicht doch eher ein Roboter. „Habt Ihr sonst noch einen Wunsch? Ihr wirkt etwas angeschlagen.“
 

„Ich, angeschlagen? Pfff... Nein, ich bin nur müde, weiter nichts“, versicherte er der Wache so überzeugend er konnte und bedeutete ihr dann mit einer Handbewegung, das Tor für ihn zu öffnen, durch das er sogleich in die Empfangshalle wankte. Er hörte noch, wie sie ihm von draußen aus eine erholsame Nacht wünschte, bevor das Tor sich wieder schloss und er einen Moment lang unschlüssig im Saal stehenblieb. Hoffentlich war sein beeinträchtigter Zustand wirklich nur der schweren Müdigkeit geschuldet und keine Nachwirkung des ominösen Zitronenkuchens.

Alice trat auf die große Treppe zu und entdeckte dabei Wache Nummer Vier, die auf der Couch nahe der Standuhr schlief. Der Gedanke, ob Wache Nummer Zwei wohl noch immer mit Ritter Schwarz zusammen in der Gegend umherstreifte, kam ihm in den Sinn, und kurz darauf fiel ihm auf, wie chaotisch es zurzeit hier zugehen musste, wenn manche von Marilyns Leuten offenbar nicht einmal ein eigenes Zimmer besaßen, in dem sie nächtigen konnten. Er fragte sich, wie lange die momentanen Umstände wohl noch bestehen würden. Und ob er selbst es war, der dieses Chaos in Charlies Welt gebracht hatte. Oder war es schlicht und einfach die Wiederkehr der Frauen vor einem Jahr gewesen, durch die das Land ein wenig durcheinandergeraten war...?
 

Komisch, dachte er, als er die Tür, die er geistig Marilyns Gemach zuordnete, geöffnet hatte und auf den Spiegel zuschritt. Kaum hatte er Zeit mit der Teegesellschaft verbracht, schweiften seine Gedanken gleich wieder wer-weiß-wohin. Beim ersten Mal war es auch so gewesen, nach seinem eigentümlichen Besuch bei den Dreien. Dabei wusste er doch eigentlich, dass die Süßigkeiten des Hutmachers niemals nur das beinhalteten, was für gewöhnlich dort hineingehörte.
 

„Der Tag war eindeutig zu anstrengend...“
 

Alice trat durch das unstete Glas, so als sei es absolut nichts Besonderes – er war sich ohnehin nicht ganz sicher, ob er im Augenblick wach war oder womöglich doch träumte –, und steuerte geradewegs auf das dunkle Bett zu, das sich so minimal von dem auch sonst sehr dunklen Zimmer hinter dem Spiegel abhob, dass er es beinahe übersehen hätte. Vielleicht war es aber auch das lange Oberteil, das, wie es aussah, auf der Matratze ausgebreitet war und in das ein paar rote Verzierungen eingenäht waren, welches ihm in der Dunkelheit ins Auge gestochen war. Marilyn schien eine nicht von der Hand zu weisende Leidenschaft dafür zu hegen, ihm sorgfältig ausgesuchte Klamotten herauszulegen. Fast so, als sei er seine Mutter. Wobei Alice sich nur schwerlich vorstellen konnte, dass eine Mutter ihrem Sohn freiwillig derartige Outfits würde verpassen wollen.
 

Neben dem Bett konnte er ein weiteres Möbelstück ausmachen – ein Nachtschränkchen, wie sich herausstellte – auf dem anscheinend so etwas wie eine Taschenlampe lag. Wer auch immer hier renoviert hatte, hatte zumindest an das Nötigste gedacht.
 

„Alles klar“, sagte er leise zu sich selbst, als er sich die Sachen, die er seit der Mittagszeit getragen hatte, abstreifte, stattdessen in das offensichtlich für die Nacht gedachte Kleidungsstück schlüpfte, die Plakate und das Klebeband improvisorisch neben der Taschenlampe ablegte und sich, ohne noch mehr unnötige Zeit zu verlieren, in das gar nicht einmal so unbequeme Bett fallen ließ. Die Sachen wegräumen und sich genauer umsehen konnte er schließlich auch später noch. Das einzige, was jetzt wichtig war, war Schlaf. Nichts weiter.
 

Nur ein kleines bisschen Schlaf...
 

„Zeig dich, Schurke! Los!“
 

... War da ein Flüstern gewesen? Nein. Bestimmt nicht. Wer sollte schon um diese Zeit auf der Kehrseite herumschleichen und mit ihm reden? Unsinn. Er musste wirklich ganz schön übermüdet sein, wenn er schon wieder anfing zu halluzinieren. Einfach nicht drum kümmern, das war das Beste. Nicht beachten. Schlafen. Einfach schlafen.
 

Ein plötzlicher scharfer Luftzug, begleitet von einem schneidenden Geräusch und einem vollkommen irren Kampfschrei, der sich in etwa wie „HYAAARGH!!“ anhörte, ließ Alice aufschrecken und reflexartig an das Kopfende des Bettes weichen – das hieß: an das Kopfende des zerfledderten Objektes, das vor ein paar Sekunden noch ein Bett gewesen war. So wie es sich eben angehört hatte, konnte von der Matratze nicht mehr viel übrig geblieben sein.
 

„Was... zum hässlichen Henker sollte das denn bitte gerade?!“, entwich es ihm, als er den Schock halbwegs überwunden hatte, bevor er nach der Taschenlampe griff und dorthin leuchtete, wo er den Umriss des Wahnsinnigen erkennen konnte, der eben offenbar versucht hatte, ihn umzubringen, und einzig und allein durch seine Unfähigkeit, richtig zu zielen, daran gescheitert war. Natürlich. Warum nur wunderte es ihn kein bisschen, niemand Geringeren als Lizzy vor sich zu sehen? „Du... Kannst du mir vielleicht freundlicherweise erklären, was du hier machst? Und was mich noch mehr interessiert: Wo zum Teufel hast du das verdammte Samuraischwert her?!“
 

Lizzy geriet ins Straucheln, so als wolle er ihm antworten, ohne aber zu wissen, wo er anfangen sollte. Er wirkte etwas benommen; fast, als habe ihm irgendetwas die Sinne vernebelt.
 

„Naja, das Schwert...“, fing er an, führte den Satz dann jedoch anders fort. „Ich wollte dich nicht ermorden, falls du das jetzt denkst. Echt nicht!“
 

„Oh, das finde ich aber nett, dass du mich nicht ermorden wolltest! Und du meinst wirklich, das glaube ich dir jetzt? Du hast doch nur darauf gewartet, dass ich schlafe, damit du mich aus dem Weg räumen und meinen Platz einnehmen kannst, du verrückter, kleiner-“
 

„Nö, das stimmt nicht!“, platzte Lizzy bestimmt dazwischen, während er auf eine äußerst bedenkliche Weise mit dem Samuraischwert herumfeixte. Alice war sich nicht sicher, wer von ihnen beiden als Erstes aufgespießt sein würde, wenn der Kerl so weitermachte. „Eigentlich habe ich mir nur einen relaxten Abend mit der Raupe gemacht und wollte dann schlafen, auf der Couch unten... Die Königin sagte, es sei okay, wenn ich hinter ihrem verzauberten Spiegel übernachte... Aber dann habe ich Geräusche gehört und dachte, hier wäre ein Einbrecher oder so. Ich wusste ja nicht, dass du auch hier schläfst.“
 

Einerseits fassungslos und andererseits zu müde, um sich noch weiter aufzuregen, starrte Alice sein jüngeres Ebenbild an, das so aussah, als könne es kein Wässerchen trüben. Glücklicherweise wusste er, dass Eindrücke manchmal täuschen konnten.
 

„Du hast mir immer noch nicht gesagt, wo du dieses Schwert her hast“, erinnerte er Lizzy ein wenig beunruhigt.
 

„Das...? Das war hier schon, als ich reingekommen bin!“, gab der Spinner mit einem verdächtigen Unterton zur Antwort und vollführte eine hektische Verrenkung, weil der Griff des Schwertes ihm wohl versehentlich aus der Hand geglitten war. Alice hielt sich selbst mühsam davon ab, das ganze Spektakel übersarkastisch zu kommentieren, schnappte sich seine Sachen, die er vorübergehend auf dem Nachtschränkchen und dem Boden verteilt hatte, und stand auf. „Hä...? Wohin gehst du?“
 

„Mir reicht's“, erwiderte er eine Spur gereizter als zuvor, während er langsam in Richtung des Spiegels schritt. „Du hast soeben mein Bett zerstört, also kann ich hier wohl schlecht bleiben. Ich gehe und suche mir einen anderen Schlafplatz. Wehe, du rennst mir hinterher!“
 

„Aber-“
 

„Nichts 'aber'! Bleib, wo du bist!“, wiederholte er nachdrücklich an seinen Doppelgänger gewandt, ehe er sich wieder umdrehte, durch das magische Glas auf die andere Seite zurückkehrte... und beinahe vor Schreck einen Satz nach hinten machte, als er ohne jegliche Vorwarnung der Königin gegenüberstand – die in diesem Augenblick mit hundertprozentiger Sicherheit nicht einmal mehr Ozzy für eine Königin gehalten hätte.
 

„... Alice!“, grinste 'sie', nachdem sie ihn einen Moment lang bloß überrascht angesehen hatte. „Na, sowas! Ich habe nicht damit gerechnet, dich jetzt hier zu treffen.“
 

„Oh Mann... Das sieht man“, war alles, was er vorerst herausbrachte. So sehr er sich auch bemühte – ihm wollte nichts anderes einfallen. Das war zu viel. So viel konnte an einem einzigen Tag doch gar nicht schiefgehen, oder? Wie es aussah, wohl doch.
 

„Möchtest du vielleicht, dass ich mir etwas anziehe?“, trällerte ihre schamlose Majestät offenbar gut gelaunt. Alice richtete seinen Blick starr auf die rot-gestrichene Wand neben sich.
 

„Das wäre sehr zuvorkommend, ja.“ Warum hatte er bloß nicht in Erwägung gezogen, dass er eventuell Marilyn begegnen könnte, wenn er schon durch dessen Gemach lief? Er hätte gründlicher darüber nachdenken sollen, ganz definitiv. Er und seine vorschnellen Handlungen! „Warum, wenn ich fragen darf, muss das Portal zur dunklen Seite eigentlich ausgerechnet in diesem Zimmer sein...? Das kann doch nicht gutgehen auf Dauer! Habt Ihr nie darüber nachgedacht, den Spiegel... naja, in einem anderen Raum unterzubringen?“
 

„Das habe ich in der Tat vor langer Zeit“, antwortete Marilyn, während er anscheinend in seinem Kleiderschrank wühlte. „Wie du dir sicher denken kannst, war es auch damals, als Alicia noch lebte und beide Hälften des Wunderlandes bewohnt waren, nicht immer leicht, sich zu arrangieren. Jedes Mal, wenn jemand von der dunklen auf die helle Seite wollte oder umgekehrt, musste er dafür erst durch dieses Zimmer gehen. Selbstverständlich ist mir da schon der Gedanke gekommen, den Spiegel in der Empfangshalle zu platzieren anstatt in meinem Gemach.“
 

„Und? Wieso habt Ihr diesen Gedanken nicht umgesetzt?“
 

Marilyn lachte angedeutet – oder machte zumindest ein Geräusch, das sich so ähnlich anhörte.
 

„Ich habe ihn umgesetzt“, erwiderte er. „Allerdings war es unmöglich, es dabei zu belassen. Von Anfang an hat der Spiegel hier in meinem Gemach gestanden. Die Kehrseite hat sich gebildet, während er hier gestanden hat. Daher ist der Zutritt zur Kehrseite leider blockiert, wenn der Spiegel an einer anderen Stelle steht als genau dort, wo er sich jetzt befindet. Niemand hätte auf diese Weise je wieder die jeweils andere Seite betreten können. Übrigens... Du kannst dich wieder umdrehen, ich bin fertig.“
 

Nur zögerlich wagte Alice, sich selbst von dieser Aussage zu überzeugen, stellte jedoch erleichtert fest, dass Marilyn ihn nicht angelogen hatte. Das majestätische Gewand, das er nun trug, ähnelte seinem Eigenen – roter Stoff, der hier und da von ein paar schwarzen Schnörkeln verziert wurde. Es hatte durchaus etwas Edles an sich.
 

„Schön. So lässt es sich wesentlich besser mit Euch reden“, sagte er, was Marilyn offenbar wieder einmal als belustigend empfand.
 

„Stell dich nicht so an“, gab er bloß, noch immer breit grinsend, zurück und setzte sich dann mit übereinandergeschlagenen Beinen und erwartungsvoller Miene auf die Bettkante. „Was führt dich eigentlich hierher? Ist dir eingefallen, dass du deine Hochzeitsnacht lieber mit deinem Gatten anstatt alleine in einem erst zur Hälfte eingerichteten, dunklen Raum verbringen willst?“
 

„Nicht ganz“, entgegnete Alice – hoffentlich nicht allzu zynisch. „Ich hätte im Prinzip überhaupt kein Problem damit gehabt, in dem 'erst zur Hälfte eingerichteten, dunklen Raum' zu schlafen. Das Problem ist nur, dass der liebenswürdige andere Alice, der ohne mein Wissen anscheinend auch von jetzt an da drüben wohnt, wohl irgendeine Art von Anfall bekommen und einfach mal mir nichts dir nichts mein Bett zerdeppert hat. Und deshalb dachte ich, es wäre sinnvoll, mich nach einem anderen freien Platz umzusehen.“
 

„Moment mal“, sagte Marilyn skeptischen Blickes. „Lizzy hat dein Bett... zerdeppert? Womit denn?“
 

Mist, dachte Alice augenblicklich. Wäre es wirklich schlau, der Königin von dem seltsamen Samuraischwert zu erzählen, das Lizzy aus unerfindlichen Gründen bei sich hatte? Dessen Erklärung, es sei schon dort gewesen, als er hergekommen war, erschien ihm doch mehr als unglaubwürdig. Vielleicht war es besser, dieses Detail zunächst für sich zu behalten und der Sache später auf den Grund zu gehen...
 

„Naja, ich weiß nicht genau“, versuchte er, sich noch rechtzeitig aus der Situation herauszuwinden. „Ich glaube, das Bett war von vornherein nicht ganz in Ordnung. Hat schon so komisch geknarzt, als ich mich da reingelegt habe... Und Lizzy war sowas von high, der wusste gar nicht mehr, was er tat! Bei dem, was er da abgezogen hat, hätte es mich gewundert, wenn nichts zu Bruch gegangen wäre!“
 

„Tatsächlich?“ Marilyn machte noch immer einen viel zu amüsierten Eindruck für seinen Geschmack. „Tja, Alice... Die Sache ist die: Es gibt im Schloss keinen freien Schlafplatz mehr. Sämtliche Möbel, die sich zu so etwas wie einem Bett haben umfunktionieren lassen, sind bereits besetzt. Das Wunderland ist nicht wie deine Welt. Es bleibt nicht gleich sondern passt sich automatisch an – nur geschieht das manchmal, bei großen Veränderungen, ein wenig zu langsam. Als die Frauen verschwunden waren, war auch das Wunderland geschrumpft, musst du wissen. Seit sie alle auf einen Schlag wieder zurückgekehrt sind, haben wir... nun, ein kleines Platzproblem.“
 

„Ein Platzproblem? Und das sagt Ihr mir erst jetzt?“, brachte Alice leicht entsetzt hervor. „Na, klasse. Wenn hier also alles schon voll ist... wo schlafe ich dann? Auf dem Boden oder was?“ Noch bevor er eine richtige Antwort bekam, war er sich plötzlich fast sicher zu wissen, welche Art Lösung Marilyn für das Problem im Sinn hatte, wenn er dessen Gesichtsausdruck und die Weise, wie er neben sich auf das Laken klopfte, korrekt deutete. „Nein... Das ist nicht Euer Ernst, oder? Gibt es denn wirklich keine andere Möglichkeit als... das?“
 

„Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber... nein, gibt es nicht. Jedenfalls heute nicht“, antwortete Marilyn entschuldigend, obwohl Alice ihm eindeutig ansehen konnte, dass es ihm kein bisschen leidtat. „Entweder du kommst in mein Bett, das für zwei Personen groß genug ist, oder du schläfst eben auf dem Boden. Ich weiß eigentlich ohnehin gar nicht, wo dein Problem liegt. Hast du nicht damals, als du mit Fishs Hilfe aus dem Kerker entkommen bist, auch neben dem Schwarzen Ritter übernachtet?“
 

„Das ist doch etwas vollkommen anderes!“, wandte er ein, unsicher, ob Marilyn diese Naivität nur spielte oder ob er den Unterschied wirklich nicht erkannte. Jedoch kam er fatalerweise zu dem Schluss, dass ihm tatsächlich keine andere Wahl blieb, wenn er es nicht gerade darauf anlegte, am nächsten Morgen nur noch aus Verspannungen zu bestehen, weil er die komplette Nacht auf den Fliesen verbracht hatte. In Anbetracht der Tatsache, dass er vermutlich auch am morgigen Tag wieder viel unterwegs sein würde, war es besser, sich zwei Mal zu überlegen, ob er das riskieren wollte. „Himmel... Okay, ich denke... solange Ihr genug Abstand haltet, bin ich damit einverstanden. Aber kommt bloß nicht auf irgendwelche Ideen!“
 

„Für wen hältst du mich denn?“, kicherte Marilyn, was ihm in diesem Moment bereits unheimlich genug erschien. Allerdings kam ein Rückzieher jetzt nicht mehr in Frage. Für den Fall, dass die Mörderpuppe – dieser Name war auch jetzt noch absolut passend – irgendetwas anstellte, konnte er schließlich ganz einfach nach den Wachen rufen, nicht wahr?
 

Bleibt nur zu hoffen, dass sie mich nicht im Schlaf mit dem Klebeband knebelt, dachte er, als er sich zum zweiten Mal in dieser Nacht nach einer Stelle umschaute, an der er seine Sachen vorübergehend unterbringen konnte. Marilyn schien sich wider Erwarten nicht einmal daran zu stören, als er sie spontan auf seinem Teppich ablegte und seinem sonst so perfekt reinen Zimmer damit einen Hauch von Unordnung verlieh. Irgendwie wirkte es heimisch – die durcheinander herumliegenden Papiere und Klamotten auf dem Boden. Jetzt noch ein paar Instrumente und den einen oder anderen fremden BH dazwischen, und es hätte ihn stark an seine Anfangszeit erinnert.
 

„Wann müssen wir eigentlich morgen aufstehen?“, fragte Alice und bemühte sich, dabei möglichst sachlich zu klingen. Erstaunlicherweise war Marilyns Antwort ebenso sachlich und frei von obszönen Andeutungen.
 

„Früh“, erwiderte er knapp und fügte erklärend hinzu: „Wir haben keine Zeit, uns lange auszuruhen. Wir haben Arbeit vor uns. Ich fürchte, als König wirst du dich daran gewöhnen müssen, dich quasi ständig um nervige Angelegenheiten zu kümmern.“
 

„Ach, wirklich?“, gab Alice latent ironisch zurück, während er sich gezwungenermaßen auf dem königlichen Bett niederließ und dabei versuchte, sich so weit am Rand zu positionieren, dass Marilyn ihn nicht zerquetschen konnte, falls er sich im Schlaf hin- und herrollte. Immerhin war das nicht auszuschließen; er kannte dessen Gewohnheiten ja nicht – natürlich abgesehen von der, nachts unbekleidet in seinen Gemächern herumzulaufen, wie es schien. „Wie dem auch sei... Ich bin froh, wenn ich überhaupt ein paar Stunden Ruhe abbekomme. Ist schließlich nicht selbstverständlich.“
 

„Da hast du Recht“, pflichtete Marilyn bei, ehe er sich, den Geräuschen nach zu urteilen, ebenfalls auf seiner Seite des Bettes einrichtete. Alice konnte es nicht sehen – seine Augen waren bereits geschlossen und er lag außerdem der anderen Richtung zugewandt. „Bei all der Hektik ist es wie ein Geschenk, zwischendurch die Ruhe genießen zu können. Schätzt du die Stille auch so sehr wie ich? Den ganzen Tag ist man von dem wirren Chaos irgendwelcher Bediensteten umgeben. Jeder will irgendwas von mir. Da sind mir Momente wie dieser, in denen es ruhig ist und keiner stört, doch wesentlich lieber!“
 

Machte er das mit Absicht? Alice hätte sich selbst dafür verfluchen können, offenbar so zerstreut gewesen zu sein, dass er vergessen hatte, nach dem Schalter zu suchen und das Licht zu löschen. Vielleicht hätte das ihrer Majestät schon gereicht, um zu verstehen, dass er schlafen und keine schnulzigen Konversationen führen wollte.
 

„Weißt du...“, schwafelte Marilyn unbeirrt weiter, „... noch ist auf der Kehrseite zwar nicht sonderlich viel los, aber wir werden sie wieder aufblühen lassen, ganz genauso wie früher. Du wirst es hier gut haben als König, das verspreche ich dir! Auch wenn es viel zu erledigen gibt, es gibt ebenso viele Vorteile. Hm... Wenn du nichts dagegen hast, würde ich dir gern etwas zeigen?“
 

„Bitte nicht... Ich habe für heute echt genug gesehen“, entgegnete Alice und merkte selbst, dass es mehr nach einem Nuscheln klang als alles andere. Er hörte, wie Marilyn irgendetwas darauf antwortete und kurz darauf einen Laut verursachte – ein Schnippen oder ein Klatschen –, und dann war es vollkommen dunkel im Raum. Vage vernahm er, wie die Königin leise etwas sagte. „Es ist übrigens okay, dass du deine Aufgabe heute nicht geschafft hast“, oder irgendetwas Ähnliches. Wenige Sekunden später hatte die Dunkelheit ihn ganz eingeholt und er bekam nichts mehr um sich herum mit.

Kapitel 4 - Der ver(w)irrte Soldat

Das Rascheln von Stoff und das leise Knarzen einer Tür waren das Erste, was er wahrnahm, als Alice registrierte, dass er nicht mehr schlief. Helle Sonnenstrahlen drangen von draußen durch das große Fenster, und erst einen Moment, nachdem er die Augen geöffnet hatte, wurde er sich darüber bewusst, in welchem Bett er sich befand. Beinahe hätte er es vergessen – er hatte es tatsächlich über sich gebracht, ausgerechnet bei Marilyn zu übernachten, weil angeblich nirgendwo in dessen riesigem Schloss auch nur ein einziger freier Schlafplatz für ihn übrig gewesen war. Glücklicherweise schien er die Nacht wenigstens unbeschadet hinter sich gebracht zu haben.
 

„Bist du wach?“, hörte er die Stimme seines Gastgebers, bevor dieser ihm plötzlich bereits vollständig bekleidet – diesmal natürlich wieder in prachtvoller roter Tracht – und mit erwartungsvoller Miene gegenüberstand. Alice setzte sich widerwillig auf, was sich als noch mühsamer gestaltete als erwartet. Er fragte sich, wie viele Stunden wohl vergangen waren, seit er sich hier hingelegt hatte. Sonderlich viele konnten es nicht gewesen sein. Allerdings vertraute er ohnehin nicht mehr wirklich auf Dinge wie Uhr- oder Tageszeiten. Bis er sich an den Lauf der Zeit und dessen Abstände oder Zusammenhänge zwischen den einzelnen Gebieten des Wunderlandes gewöhnt hatte, konnte wahrscheinlich noch eine Weile vergehen.
 

„Nein, ich bin nicht wach. Ich schlafe mit offenen Augen“, gab er ironisch zurück, während er angestrengt versuchte, irgendein kleines Anzeichen von Müdigkeit oder Unreinheit in Marilyns Zügen zu entdecken. Nichts. Selbst am frühen Morgen sah er genauso perfekt und puppenhaft aus wie immer – abgesehen davon, dass er noch keinen blutroten Lippenstift trug, wie er es sonst zu tun pflegte. Irgendwie unfair, wo er selbst sich gerade mehr wie ein matschiger Untoter fühlte als alles andere.
 

„Das würde mich nicht wundern, so paranoid, wie du gestern Nacht wegen mir warst“, lachte Marilyn offenbar amüsiert und zeigte dann mit einer Hand auf seinen magischen Spiegel. „Tut mir leid, dich aufscheuchen zu müssen, aber lange herumliegen kannst du nicht mehr. Es ist schon recht spät. Du kannst dich auf der Kehrseite umziehen; dort steht ein Kleiderschrank für dich, in dem du sicher ein paar Sachen finden wirst, die dir zusagen. Danach steht dir selbstverständlich mein Badezimmer zur Verfügung. Du weißt noch, wie du dort hinkommst?“
 

„Ja... ich denke, das kriege ich noch zusammen“, antwortete Alice, ehe er sich notgedrungen von der königlichen Matratze erhob – zugegebenermaßen war es wirklich eines der bequemsten Betten gewesen, in denen er jemals genächtigt hatte – und auf dem Weg zu Marilyns Spiegel versuchte, sich ein wenig zu sammeln. Wenn er heute damit weitermachen musste, bei brütender Hitze die Plakate zu verteilen, war es mit Sicherheit nicht gerade von Vorteil, so müde zu sein, dass er sich wie ein Zombie fühlte. Marilyn war anzumerken, dass er die morgendliche Hektik schon seit Langem gewohnt war. Mit den Worten „Ich bin in der Küche, falls du mich suchst“ hatte er den Raum bereits verlassen, bevor Alice die Gelegenheit gehabt hatte, in irgendeiner Art weiter nachzuhaken. Eigentlich gab es aber auch nichts nachzuhaken. Wenn es sich schon einmal ergab, dass er alleine und ohne Umschweife die Kehrseite aufsuchen durfte, würde er wenigstens dazu kommen, noch einmal ein unauffälliges Vier-Augen-Gespräch mit seiner jüngeren Hälfte zu führen, bevor diese ihrer Hoheit selbst begegnen und irgendeinen unüberlegten Stuss brabbeln konnte. Er musste Lizzy dringend dazu anhalten, nichts von dem ominösen Samuraischwert zu erzählen und sich in Zukunft bloß zusammenzureißen, was das Zerstören von Möbeln und das Belästigen seiner Mitmenschen betraf. Am Ende würde sie sonst beide niemand mehr ernst nehmen können – schließlich waren sie, genau genommen, eine Person.
 

Fast erwartete er schon, sein anderes Ich bei irgendeiner dubiosen Aktion zu erwischen, als er auf die dank des Tageslichts nicht mehr ganz so dunkle Seite des Spiegels trat. Jedoch wurden seine Erwartungen enttäuscht – er bemerkte nichts, rein gar nichts Außergewöhnliches, als er in Alicias ehemaligem Gemach stehenblieb und einen Moment lang in die Stille hineinlauschte. Ob Lizzy noch schlief?
 

Ja, wahrscheinlich tut er das, dachte Alice und ging, um sich selbst davon zu überzeugen und das eigenartige Gefühl zu verdrängen, das schlagartig in ihm aufkam, durch die Tür in den spiegelverkehrten Flur, wo er einen Blick über das Geländer auf die schwarze Couch in der Empfangshalle warf und ein weiteres Mal etwas anderes sah als erwartet – nämlich nichts als Leere.
 

„Komisch... Nach den gestrigen Eskapaden hat er es ernsthaft selbstständig hinbekommen, so früh aufzustehen?“, sagte er leise zu sich selbst, suchte den Saal flüchtig mit den Augen nach irgendeinem Lebenszeichen ab und probierte es schließlich, zwei Mal nach seinem neuen Mitbewohner zu rufen – allerdings erfolglos. „Hoffentlich ist er nicht schon auf die andere Seite gegangen und geht dort irgendwem auf die Nerven...“
 

Ein wenig geistesabwesend schlenderte Alice zurück zu seinem von nun an höchsteigenen Zimmer, in welchem sich hinter dem zertrümmerten Bett tatsächlich der Kleiderschrank befand, von dem Marilyn gesprochen hatte. Er musste ihn bisher in der Dunkelheit übersehen haben. Jetzt, da es heller war, konnte er auch das Nachttischchen besser erkennen, das offenbar mit den gleichen Schnörkeln verziert war wie sein und Marilyns Nachtgewand. Wie es aussah, hatte hier jemand eine sehr arge Vorliebe für verschnörkelte Muster und Dinge, die solche aufwiesen. Wenn er darüber nachdachte, passte es irgendwie auch zu Marilyn. Alles musste wunderschön und edel sein, um ihm und seinem Anwesen möglichst viel Würde zu verleihen.
 

„Na, mal sehen, wie würdevoll die Klamotten aussehen, die er mir vorerst überlässt“, murmelte Alice, als er die Schranktür aufstieß und diesmal exakt das fand, was er auch erwartet hatte – eine beachtliche Auswahl schwarzer Sachen, die sich gegenseitig an Einfallsreichtum und Freizügigkeit geradezu übertrumpften, was den Schnitt betraf. Im Prinzip also genau das Richtige für ihn. „Den Modegeschmack muss man ihm lassen“, sagte er anerkennend, während er damit anfing, nach etwas zu suchen, das sich für den heutigen Tag anbieten würde. Lange brauchte er dafür nicht. „Perfekt. Das sieht doch gut aus!“
 

„Aaah!“, machte Marilyn, als er Alice im Rahmen der Küchentür gesichtet hatte, mit einer Stimme und einer Geste, die ebenso gut von einem seiner weiblichen Fans hätten stammen können. „Du überraschst mich immer wieder aufs Neue! Das ist ja noch süßer als das Erdbeertörtchen, das ich zu meinem letzten gefeierten Nicht-Geburtstag bekommen habe...!“
 

„Mir war heute nach einem etwas japanischeneren Look“, entgegnete Alice und zupfte, wie um diese Aussage zu unterstreichen, an seinem mit einigen kleinen Schleifchen versehenen Oberteil, das er mit einem ausgefransten Faltenrock, Plateustiefeln und flauschigen Armstulpen – alles in schwarz – kombiniert hatte, ehe er den Rest, wie geplant, in Marilyns Badezimmer erledigt hatte. Erstaunlicherweise fiel es ihm nach einem Jahr, das er dieses Schloss nicht mehr von innen gesehen hatte, kein bisschen schwer, sich in den Räumlichkeiten zurechtzufinden. „Ich hätte da nur eine ganz kleine Bitte an Euch: Könnten wir, wenn es Euch nichts ausmacht, vielleicht im Garten frühstücken? Ich habe das Gefühl, dass ich ein bisschen frische Luft gut gebrauchen könnte...“
 

Nur kurz machte Marilyn ein leicht irritiertes Gesicht, schien seine Erklärung jedoch nicht großartig weiter hinterfragen zu wollen.
 

„Klar, das können wir machen!“, antwortete er schließlich und deutete beschwingt auf den Tisch, an dem sie einen Tag zuvor gemeinsam zu Mittag gegessen hatten – zumindest Marilyn hatte das getan. Er selbst hatte im Grunde lediglich daneben gesessen und ein wenig von dem gebratenen Gemüse probiert. „Suche dir einfach etwas aus und nimm es mit nach draußen! Meine Diener sind gerade damit fertig geworden, es anzurichten. Sie müssten ebenfalls noch irgendwo vor dem Schlosstor mit Frühstücken beschäftigt sein.“
 

„Das kommt doch gut. Dann können wir ihnen ja einfach ein bisschen Gesellschaft leisten oder so“, gab Alice zurück, griff sich, ohne viel Zeit vor dem Tisch zu verschwenden, einen Bagel und steuerte mit diesem wieder auf den Ausgang zu. Besser sie entfernten sich voerst so weit wie möglich von Marilyns Spiegel. Die Wahrscheinlichkeit, dass Lizzy sich irgendwo auf der Kehrseite versteckt hielt, war, so wie er sein jüngeres Ich einschätzte, doch größer als die Wahrscheinlichkeit, dass er unbemerkt auf die helle Seite herübergegangen war und sich noch immer hier aufhielt. Nein, mit Sicherheit war er auf der Kehrseite, weil er dort irgendetwas entdeckt hatte, das ihn faszinierte, oder weil die finstere und abgewrackte Hälfte des Schlosses schlichtweg eine solche Anziehungskraft auf ihn ausübte, dass er nicht anders konnte, als dort jeden nur erdenklichen Winkel zu erkunden. Um Lizzys Denkweise vollständig zu verstehen, musste er bloß sich selbst gut genug kennen, nichts weiter. Vielleicht würde ihm draußen ein noch besserer Einfall kommen, wie er ihn abfangen und in ein Gespräch verwickeln und nebenbei auch noch die Kehrseite genauer unter die Lupe nehmen könnte, ohne dass er von jemandem dazu gedrängt wurde, seine absolut sinnlose Aufgabe fortzuführen.
 

„Du hast es aber eilig!“, hörte er Marilyn hinter sich rufen, als er bereits dabei war, das Schlosstor zu öffnen, und sah ihn, als er sich umdrehte, mit einer Art rosa Cupcake in der Hand hinter sich herhechten – wobei 'hechten' nicht ganz das richtige Wort war, denn das war in diesem Aufzug unmöglich. „Warte auf mich! Findest du es nett, mich dumm herumstehen zu lassen, nachdem ich dir extra einen Platz in meinem Schlafzimmer gewährt habe?“
 

„Hah! Ihr habt doch selbst gesagt, dass wir uns beeilen und nicht lange herumtrödeln sollen“, entgegnete Alice, während sie durch das Tor an Wache Nummer Zwei und Wache Nummer Vier vorbeischritten, die beide, abgesehen von der Farbe der Glasur, die den einzigen Unterschied darstellte – bei der Wächterin war es ein leuchtendes Grasgrün und bei Wachmann Mercury ein stechendes Blau – den gleichen Cupcake dabei hatten wie Marilyn. Wahrscheinlich hatte Wachmann Mercury die Dinger selbst gebacken. Jedenfalls konnte Alice sich das gut vorstellen.
 

„Guten Morgen, Eure Hoheiten!“, begrüßte besagter Wächter sie fröhlich, während dessen Kollegin bloß mit einem stummen Grinsen winkte, weil sie anscheinend gerade auf einem Stück Cupcake kaute. Etwas abseits von ihnen entdeckte Alice nun auch Floyd, der jedoch nicht einmal mit der Wimper zuckte oder irgendetwas anderes tat als unbeteiligt an der Wand des Schlosses zu lehnen und geradeaus zu schauen. „Ich hoffe, ihr hattet eine erholsame Nacht?“, fügte Wache Nummer Vier gut gelaunt hinzu, als sie ihren Bissen heruntergeschluckt hatte. Marilyn ging, offenbar nicht weniger gut gelaunt, an ihr vorbei und blieb dann vor einem Rosenstrauch stehen, nur um mit beinahe besessenem Blick dessen Duft einzuatmen.
 

„Oh ja, die hatten wir in der Tat“, sagte er verträumt. „Eine sehr angenehme Nacht.“
 

„Denkt jetzt bloß nichts Falsches!“, ergänzte Alice klarstellend an die beiden Wachen gewandt, ehe er sich mit gemischten Gefühlen etwas von ihnen entfernte, ein Stück von seinem Bagel abbiss und sich so bequem es möglich war an die Schlossmauer lehnte, nahe der Stelle, an der auch Floyd schweigend herumstand. Offensichtlich konnte dieser sich noch immer nicht zu einer Begrüßung durchringen, schien aber zu versuchen, einen flüchtigen Blick auf ihn und seinen Bagel zu erhaschen – vermutlich, weil er selbst an der Zubereitung beteiligt gewesen war und nun sehen wollte, ob es ihm schmeckte oder nicht.
 

„Weißt du, Alice...“, begann Marilyn, als er den Strauch in Frieden ließ und sich wieder zu ihm gesellte, „... du magst von mir ja halten, was du willst, aber als du gestern durch den Spiegel in mein Gemach kamst – du weißt schon, was ich meine –, da hast du mich ganz schön genau angesehen.“
 

„Es gibt nun mal etwas, das sich 'Reflex' nennt! Jeder hätte Euch in dem Moment genau angesehen, allein schon, um... Ach, vergesst es“, unterbrach Alice sich selbst, widmete sich wieder seinem Bagel und hatte dabei die Erkenntnis, dass es ihm zukünftig mehr als schwer fallen würde, Marilyn weiterhin als Königin zu betrachten. „Außerdem... war ich doch bestimmt nicht der Erste, der eine solche Begegnung mit Euch hatte, nicht wahr? Nur so aus Neugierde: Wie viele gab es schon vor mir, die diesen Anblick zu Gesicht bekommen haben?“
 

„Also wirklich, was denkst du denn gleich von mir? Bin ich derjenige, der sich bei unserer Hochzeit vor dem gesamten Publikum exhibitioniert hat – oder du?“
 

„Hey, das war ein Unfall, falls Ihr es vergessen habt!“, verteidigte er sich schnell. „Und 'exhibitionieren' würde ich das jetzt nicht nennen, Eure übertreibende Majestät. Der Einzige, der hier bisher mehr von mir gesehen hat, ist General Floyd!“
 

„W-was?!“, zeigte Floyd nun endlich auch eine Reaktion – und noch dazu eine wirklich Herrliche. „Er... er lügt, Majestät! Das ist Verleumdung...!“
 

„Ach, tatsächlich?“, erwiderte Marilyn hörbar skeptisch. „Und warum wirst du dann gerade so nervös?“
 

Alice konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, weil er es wirklich derart leicht bewerkstelligt hatte, sich dem Mittelpunkt Marilyns Aufmerksamkeit zu entziehen. Auch wenn diese kleine Sache damals – sein latent ungünstiger Versuch, im Schottenrock auf Black Beautys Rücken zu steigen – im Grunde ebenso unbeabsichtigt gewesen war wie der Unfall auf der Hochzeit. Aber das war nebensächlich.
 

„Also... das... Wenn er ständig in solch unsittlichen Kleidern herumläuft und sich meinem Sichtfeld geradezu aufdrängt, ist das ja wohl nicht meine Schuld!“, brachte Floyd irgendwann merklich empört hervor, ehe er sich von Marilyn ab- und dafür ihm zuwandte. „Du scheinst wirklich nicht gerade darum bemüht, dir einen anständigen Ruf als Autoritätsperson aufzubauen!“, zeterte er, offenbar ganz in seinem Element. „Bei deinem anstößigen Auftreten ist es kein Wunder, wenn man dich nicht respektiert!“
 

„Das hat mich jetzt aber hart getroffen!“, gab Alice unbeeindruckt zurück. „Schon mal darüber nachgedacht, dass es möglicherweise nicht an mir liegt? Vielleicht sind Sie ja auch einfach nur unsagbar prüde.“
 

„... Prüde? Das reicht jetzt langsam!“, wandte Floyd halbherzig ein, drehte sich dann zur Seite und setzte einen erstaunten Blick auf. „Die Königin ist gar nicht mehr hier...“
 

„Lenken Sie nicht vom Thema ab!“, warf Alice dazwischen, ohne auf die Feststellung seines Gegenübers einzugehen. „Wissen Sie... Nur weil meine Vorgängerin Sie irgendwann vor Äonen einmal grob behandelt hat, heißt das nicht, dass Sie jetzt den Spieß umdrehen und mit mir umspringen können, wie Sie wollen. Mich die ganze Zeit über konstant zu ignorieren, ist nämlich auch nicht gerade sehr freundlich!“
 

„Warte! Du verstehst das falsch...!“, hörte er Floyd ihm zögerlich hinterherrufen, als er bereits kehrtgemacht und ihn und die Wachen vor dem Schloss alleine zurückgelassen hatte, um nach irgendeinem Hinweis dafür Ausschau zu halten, was hier nun schon wieder los war. Es stimmte. Marilyn war nicht mehr anwesend – aber wo war er hingegangen? Entweder bildete er es sich ein oder es war wieder einmal irgendetwas nicht so, wie es eigentlich sein sollte. Bevor er länger darüber hätte nachdenken können, registrierte er allerdings schon ein grelles Leuchten aus dem Augenwinkel, das nur von einem der Schutzpatronen rühren konnte. Und er hatte Recht mit seiner Vermutung.
 

„Eure Majestät!“, empfing The Spaceman ihn, diesmal ungewohnterweise ohne seinen Zwilling, mit einer untertänigen Verbeugung. „Es gibt wichtige Neuigkeiten! Ihr müsst sofort mitkommen und Euch das selbst ansehen!“
 

„Ich muss sofort- Was geht hier eigentlich schon wieder ab? Bevor ich irgendwohin mitkomme, möchte ich erst mal eine Erklärung!“
 

„Es ist etwas Unglaubliches geschehen“, sagte The Spaceman mit einem bewegten Funkeln in seinen geschminkten Augen. „Das Wunderland... Nach so langer Zeit hat es endlich wieder selbstständig neue Kinder geboren! Zwei! Wir dürfen zwei neue Mitbewohner bei uns begrüßen!“
 

Ein wenig verdattert starrte Alice den wie verzaubert vor sich hinschwärmenden Freak an, dann versuchte er, das, was ihm gerade durch den Kopf ging, in Worte zu fassen.
 

„Das Wunderland hat also... Nachwuchs bekommen? Jetzt gerade? Aber ich dachte... ich dachte, seit die Frauen zurück sind, wäre es hier sowieso schon zu voll?“
 

„Deshalb müssen wir uns ja darum kümmern, Majestät! Mein Bruder und die Königin sind bereits zu einem der Neuankömmlinge aufgebrochen. Jetzt liegt es an uns, für den anderen der Beiden zu sorgen. Haltet Euch an mir fest!“
 

„Wenn es weiter nichts ist...“, antwortete Alice ein Fünkchen misstrauisch, hielt sich, wie aufgetragen, an einem Arm des Schutzpatronen fest, und kaum, dass er nach ihm gegriffen hatte, spürte er plötzlich ein seltsames, nicht zu ortendes Ziehen. Weniger als drei Sekunden später stellte er fest, dass sie sich nicht mehr im Schlossgarten befanden. „Wie ist das- Hast du mich an einen anderen Ort teleportiert?“
 

„Unser neuester Trick!“, zwinkerte Spacey selbstsicher. „Ab hier müsst Ihr den Weg alleine weiterbeschreiten. Ihr wisst sicher, was zu tun ist. Ich wünsche Euch viel Erfolg!“
 

„Welchen Weg? Hey, bleib hier!“, rief Alice irritiert, als der Kerl sich doch tatsächlich schon wieder aus dem Staub machen wollte. „Ich dachte, ihr Zwillinge wärt für die Neuankömmlinge zuständig? Wieso muss ich das denn jetzt alleine machen?“
 

„Nun, es ist richtig, dass normalerweise wir dafür zuständig sind“, antwortete The Spaceman lächelnd. „Doch jetzt, da Ihr auf Eure Fähigkeiten als Herrscher unserer Welt geprüft werdet, legen wir einen Teil unserer Aufgaben in Eure Hände, um zu sehen, ob Ihr der Verantwortung gewachsen seid. Schaut Euch einfach hier um und entscheidet selbst, wie Ihr weiter verfahren wollt! Ich vertraue auf Euch, Majestät!“
 

Noch im selben Augenblick, in dem er den Satz zu Ende gesprochen hatte, war er auch schon wieder in einem abermals gleißenden Leuchten verschwunden, bevor Alice ihn hätte aufhalten können. Gut. Kein Problem. Er war der König, das war vollkommen richtig – also konnte er sich auch selbst um wichtige Angelegenheiten kümmern!
 

„Okay... Wo bin ich hier überhaupt?“
 

Zunächst nahm er an, in einem Bereich gelandet zu sein, den er bisher noch nicht aus der Nähe gesehen hatte. Bei genauerem Betrachten jedoch kam ihm seine Umgebung nicht unbekannt vor – konnte es sich hierbei möglicherweise um dieselbe Lichtung handeln, auf der er vor einem Jahr das erste Mal... dem bösen Phantom begegnet war?
 

„Oh, verflixt, wo ist es nur hingefallen?“, wurden seine Gedanken von einer verärgerten und zugleich besorgten Stimme unterbrochen, die von ein paar Metern weiter links zu kommen schien.
 

Bingo, dachte Alice. Schon hatte er gefunden, weshalb er hier war. Er brauchte keinen langen Weg zu beschreiten, wie The Spaceman es ausgedrückt hatte. Einige Schritte reichten aus, und er glaubte, den Neuen bereits von Weitem sehen zu können – falls es denn wirklich der Richtige war. Andererseits kannte er mittlerweile, wenn er sich nicht täuschte, jede männliche Person, die im Wunderland lebte. Und den jungen Mann, der dort vorne scheinbar ein wenig verzweifelt auf dem Boden herumkrabbelte, hatte er, soweit er sich erinnerte, noch nie hier gesehen... obwohl...
 

„Nein. Das ist bestimmt eine Verwechslung“, sagte er zu sich selbst, ehe er näher auf den Fremden zulief und dabei das Gefühl hatte, auf irgendeinen Gegenstand getreten zu sein, der wohl verdeckt im Gras gelegen haben musste. Neugierig beugte sich Alice auf den Boden und hob ein merkwürdiges quietschgelbes Plastikteil auf, das danach aussah, als habe ein Kind es hier verloren. Es machte einen recht billigen Eindruck. Ob dieses Ding das war, wonach der Neue gerade so konzentriert suchte?
 

„Ähm... Entschuldigen Sie“, begann er, als er auch die restlichen Meter hinter sich gebracht hatte und nun direkt vor dem Fremden stand, der noch immer die Erde abgraste, als hinge sein Leben davon ab. Er sah ein wenig aus wie ein Soldat – jedenfalls sein beigefarbener Mantel ließ Alice irgendwie an das Militär denken. Die hellbraunen Haare, die ihm glatt über die Schultern fielen, passten dafür eher weniger zu dieser Assoziation.
 

„... Hm?“, machte sein Gegenüber, als er endlich bemerkt zu haben schien, dass man mit ihm sprach. „Was ist los? Ich bin beschäftigt...“
 

„Kann es sein, dass das hier Ihnen gehört?“, wies Alice ihn auf das undefinierbare Kinderspielzeug hin und zeigte mit seiner freien Hand auf ebendieses, was den seltsamen Kerl vor ihm dazu veranlasste, einen merklich erleichterten Laut von sich zu geben und etwas ungeschickt wieder auf die Beine zu kommen.
 

„Gott sei Dank, ich habe es wieder!“, lächelte er, als er das gelbe Ding entgegennahm. „Ich dachte schon, es sei auf ewig verloren... Hoffentlich funktioniert es noch!“
 

Alice erwiderte sein Lächeln höflich, musterte das Teil eingehend und überging gekonnt die Tatsache, dass er eben versehentlich daraufgetreten war.
 

„Es sieht auf jeden Fall heil aus“, entgegnete er gespielt unschuldig. „Was soll das eigentlich sein, wenn ich fragen darf?“
 

„Aber mein Herr...!“, stieß der komische Kauz erstaunt aus. „Haben Sie etwa noch niemals ein Kazoo gesehen? Man sieht es ihm vielleicht nicht an, aber es ist ein wirklich grandioses Instrument, das wahrhaft liebliche Töne erzeugen kann, wenn man es richtig verwendet!“
 

Na, toll, dachte Alice mit einer unguten Vorahnung. Noch so ein Flötenfetischist.
 

„Außerdem verbinde ich sehr viel mit diesem kleinen Wunderwerkzeug“, erzählte der Typ schwelgerisch weiter. „Damals... da habe ich es von der Königin bekommen, als Geschenk, zusammen mit dieser Medaille, die ich an meiner Jacke trage! Es war eine Belohnung für meinen Sieg über- Hmm, welches Land war es doch gleich? Egal. Aber ich bin mir sicher, dass es ein ehrenhafter Sieg gewesen ist!“
 

„Augenblick mal... Ein Geschenk von... der Königin?“, wiederholte Alice, bevor der Kerl weiter von seinen fraglichen Taten schwafeln konnte. „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Ich dachte, Sie wären gerade erst hier angekommen – oder geboren worden oder wie auch immer man das jetzt nennen soll. Wie können Sie da schon die Königin kennen?“
 

„Mein Herr, soll das vielleicht heißen, hier gibt es auch eine Königin?“, erwiderte der Typ überrascht, was Alice stark vermuten ließ, dass er nicht von Marilyn gesprochen hatte. Es hätte ihn auch eigentlich schwer verwundert, wenn Marilyn einem offenbar verwirrten Pseudo-Soldaten irgendeine Medaille und ein komisches Instrument geschenkt hätte. „Ich will nicht unhöflich sein, aber... was ist das hier überhaupt für ein Ort? Eigentlich war ich gerade auf dem Weg, meine liebe Mutter zu besuchen, da wurde plötzlich alles schwarz und... an mehr kann ich mich nicht erinnern.“
 

Ein wenig ratlos betrachtete Alice sein Gegenüber und stellte sich unweigerlich die Frage, ob es wohl jedem Angehörigen der ersten Bevölkerung so ergangen war. Und kurz darauf fiel ihm wieder ein, dass es doch geheißen hatte, die erste Bevölkerung sei nur durch die Fantasien der Menschen dort draußen ins Leben gerufen worden. Waren diese Erinnerungen an eine angebliche Königin und seine Mutter, von denen der Fremde da redete, also nichts weiter als Hirngespinste?
 

„Oh, Verzeihung!“, räusperte er sich auf einmal und reichte ihm lachend eine Hand. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Clegg. Corporal Clegg, um genauer zu sein!“
 

Alice zögerte nur kurz, ehe er auf diese Geste einging und sich ebenfalls vorstellte.
 

„Ich bin Alice, der Auserwählte und seit gestern Gemahl der Herzkönigin. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, und willkommen im Wunderland, Clegg!“
 

Mit einem Gesichtsausdruck, der absolut nicht zu deuten war, starrte der Neue ihn an, blickte sich dann ausschweifend in der Umgebung um und seufzte anschließend.
 

„Das Wunderland also... Jetzt ergibt es Sinn.“
 

„Was ergibt Sinn?“, fragte Alice, und mit einem Mal kam es ihm so vor, als würde der verschrobene Typ eine unheimliche Melancholie ausstrahlen.
 

„Alles“, antwortete er mit einem irgendwie traurigen Lächeln. „Alles... und gleichzeitig nichts.“
 

Eine Weile lang sagte keiner von ihnen mehr ein Wort, bis Alice beschloss, langsam aber sicher Taten sprechen zu lassen anstatt bloß sprachlos in der Gegend herumzustehen – so skurril die Situation im Moment auch sein mochte, er war trotz Allem nicht zum Spaß hier.
 

„Hören Sie...“, begann er in einem möglichst optimistischen Tonfall, „... ich werde Sie jetzt erst einmal zum Schloss bringen, in Ordnung? Bis wir dort angekommen sind, könnte es sowieso ein bisschen dauern. In der Zwischenzeit erkläre ich Ihnen alles, was Sie wissen wollen... und dann sehen wir weiter, was meinen Sie?“
 

„Das ist sehr freundlich!“, entgegnete Clegg, bevor er ihm schließlich folgte und sie sich gemeinsam auf den Weg zurück zum Hof machten. „Ich danke Ihnen, Herr Alice!“
 

Marilyn war nirgendwo zu sehen, als sie den Schlossgarten irgendwann wider Erwarten ohne große Komplikationen erreicht hatten. Das bedeutete also, dass er es tatsächlich geschafft hatte, diese Aufgabe noch vor der Königin zu erfüllen. Ob Marilyns Neuankömmling wohl Probleme machte? Zu gerne hätte Alice gewusst, ob der zweite neugeborene Wunderlandbewohner wohl mehr oder weniger verrückt war als der, den er selbst eben aufgegabelt hatte.
 

„Wow...! Dieses Anwesen ist ja wirklich unglaublich schön!“, rief Clegg sichtlich begeistert, als er das riesige Gebäude beäugte, das wahrlich majestätisch vor ihnen aufragte. Wache Nummer Zwei und Wache Nummer Vier warfen einen interessierten Blick zu ihm herüber, was Alice als Anlass nahm, die beiden in ein kurzes Sechs-Augen-Gespräch zu verwickeln und ihnen ein paar Fragen zu stellen.
 

„Hi. Wie man sieht, habe ich jemanden mitgebracht“, sagte er mit einem Fingerzeig neben sich selbst, wo er vermutete, Clegg stehen zu sehen – allerdings war der Kerl offenbar schon wieder wer-weiß-wo hingegangen, wahrscheinlich um sich mit seinem neuen Zuhause ein wenig vertrauter zu machen. „... Naja, ähm... Dieser Typ in dem Offiziersfummel oder was das auch sein soll – das ist jedenfalls Clegg, unser neuer Mitbewohner. Ich hörte, die Königin sei mit einem der Zwillinge losgezogen, weil es noch einen zweiten Sprössling gibt, der gerade das bunte Licht unserer Welt erblickt hat. Ist sie noch nicht wieder zurück?“
 

Wachmann Mercury machte ein grüblerisches Gesicht, während Wache Nummer Vier grinsend in die Richtung sah, in die Clegg aller Wahrscheinlichkeit nach abgedampft war.
 

„Bisher habe ich sie zumindest nicht hier vorbeikommen sehen“, antwortete er nachdenklich. „Es ist recht ungewöhnlich, dass sie so lange weg bleibt. Ich glaube zwar nicht, dass ihr etwas passiert ist, aber irgendetwas scheint sie aufzuhalten!“
 

„Ah... Clegg heißt der hübsche Mann also...“, murmelte Wache Nummer Vier abwesend, was ihren Kollegen offenbar dazu bewog, in die gleiche Richtung zu starren und ihren neuen Mitbewohner genauestens zu betrachten, als dieser, umgeben von einer rastlosen Aura, erneut an ihnen vorbei- und im selben Moment General Floyd über den Weg lief, der anscheinend gerade von der anderen Seite aus um die Ecke gebogen war. Erst jetzt fiel Alice auf, dass das Gehen dem Neuen irgendwie schwerzufallen schien – zumindest sah es danach aus, als würde er leicht sein linkes Bein nachziehen. Floyd blieb abrupt stehen und wirkte nur für einen winzigen Augenblick irritiert – scheinbar bemühte er sich, schnellstmöglich wieder sein Pokerface aufzusetzen –, als sein Gegenüber ihn aus welchem Grund auch immer von oben bis unten musterte.
 

„Hm“, machte Clegg gedankenversunken. „Sagen Sie... Kennen wir uns?“
 

„Das wage ich zu bezweifeln“, erwiderte Floyd auf seine typische kühle Art, was Clegg jedoch nicht davon abzuhalten schien, ihn weiterhin anzugaffen wie ein Tier in einem Zoo. „Da ich Sie hier noch nie zuvor gesehen habe und es vor dem Wunderland für Sie und mich absolut nichts anderes gab, ist es unmöglich, dass Sie irgendeinen der hier Anwesenden kennen. Ach, und... wozu eigentlich dieser Aufzug? Falls Sie vorhaben sollten, ein Soldat meiner Armee zu werden, muss ich Sie leider enttäuschen. Sie sind nämlich kein Hammer.“
 

„Armee?“, wiederholte Clegg, als er anscheinend einen Geistesblitz hatte. „Ah, so ist das also! Sie sind hier der Lieutenant, nicht wahr? Und Sie kämpfen also mit Streithämmern?“
 

Floyds Pokerface wich schlagartig einem Gesichtsausdruck, der vieles hätte aussagen können, wahrscheinlich aber bedeutete, dass er sich beleidigt fühlte.
 

„... Erstens: General! Nicht Lieutenant!“, gab er langsam und gedehnt zur Antwort. „Zweitens: Nein. Ich kämpfe nicht mit Streithämmern. Haben Sie überhaupt irgendeine Ahnung von dem, was Sie da reden? Oder haben Sie ihre Uniform bei einem Faschingsverkauf geklaut?“
 

„Mein Herr, wissen Sie denn gar nicht, wen Sie da vor sich haben?“, entgegnete Clegg mit einem Hauch von Empörung. „Sehen Sie die Medaille auf meiner Jacke? Auf Ihrer sehe ich keine, was mich doch ein wenig an Ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln lässt!“
 

„Medaille? Sie meinen den bunten Papierschnipsel, der da auf Ihrem Mantel klebt? Sie sind wohl ein kleiner Komiker, was?“, konterte Floyd mit einem dezent spöttischen Unterton, ehe er Clegg ebenso dezent beiseiteschob. „Ich habe keine Zeit für solche Mätzchen. Lassen Sie mich vorbei, damit ich mich wichtigeren Dingen widmen kann!“
 

„Nicht so schnell, General Floyd!“, mischte sich Alice dazwischen, als ihm spontan ein grandioser Einfall gekommen war, während er mit wachsender Faszination die Unterhaltung zwischen den beiden verfolgt hatte. Wenn er sich recht an die Worte des Schutzpatronen erinnerte, durfte er frei darüber entscheiden, wie es fürs Erste mit der Aufnahme des Neuen im Volk des Wunderlandes weitergehen sollte. Zum Hof gebracht hatte er ihn bereits. Es ging also sicher in Ordnung, wenn er diese Verantwortung vorerst jemand Qualifizierterem übergab, oder? „Ich habe gerade einen Entschluss gefasst. Und zwar befehle ich Ihnen, unseren Neuen, Clegg, ein bisschen im Wunderland herumzuführen, damit er sich zukünftig auch hier zurechtfindet!“
 

„Wie bitte?“, gab Floyd ungläubig zurück. Begeisterung sah anders aus. „Entschuldige, aber... die Befehle der Herzkönigin sind die einzigen, die ich entgegennehme. Glaubst du vielleicht, ich lasse mich von dir durch die Gegend scheuchen?“
 

„Tja, das werden Sie wohl oder übel müssen“, grinste Alice siegessicher. „Da ich von einem der Zwillinge – die in der wunderländischen Rangfolge über Ihnen stehen, wenn ich mich nicht irre – den Auftrag bekommen habe, für das Wohl unseres Neuankömmlings zu sorgen, um meine Fähigkeiten als König unter Beweis zu stellen, bin ich momentan auch in der Position, Entscheidungen zu treffen wie ein König. Und als Solcher befehle ich Ihnen, Clegg unsere Welt ein wenig näherzubringen. Ich schätze, bei Ihnen ist er am besten aufgehoben.“
 

Mit den Augen eines herrenlosen Welpen blickte Clegg zu Floyd herüber, der wiederum danach aussah, als würde er sich am liebsten auf der Stelle erschießen.
 

„Schön“, gab er schließlich widerwillig nach. „Eigentlich bin ich ja der Meinung, dass ich etwas mehr Ruhe verdient hätte, nachdem ich gestern den ganzen Abend damit verbracht habe, diesen unmöglichen Knirps im Zaum zu halten... Aber wenn ich von jetzt an häufiger dazu degradiert werde, den Aufpasser für irgendwelche verirrten Schafe zu spielen, dann muss ich damit wohl leben!“, sagte er an Alice gerichtet, bevor er sich seufzend Clegg zuwandte und bereits ein Stück vorauslief. „Kommen Sie...! Ich wäre gern möglichst schnell wieder zurück im Schloss.“
 

„Vielen Dank!“, entgegnete Clegg mit einem absolut ehrlichen Lächeln – so ehrlich, dass Alice sich fragte, ob es wohl ratsam wäre, ihn jemals ganz alleine auf das trügerische Wunderland loszulassen. Er war vielleicht ein komischer Vogel, aber er schien aufrichtig zu sein. Blieb nur zu hoffen, dass er sich nicht von jemandem, der weniger aufrichtig war, übers Ohr hauen oder zu irgendwelchen unlauteren Dingen verleiten ließ.
 

„... nachdem ich gestern den ganzen Abend damit verbracht habe, diesen unmöglichen Knirps im Zaum zu halten...“, hallten Floyds Worte nachträglich in seinem Kopf wider, als Alice dabei zusah, wie die beiden den Hof verließen, und es erinnerte ihn daran, dass er wirklich dringend auf der Kehrseite nach dem Rechten sehen musste. Er hatte Lizzy heute noch kein einziges Mal gesehen und wollte sich lieber nicht vorstellen, wie es wohl enden würde, wenn niemand ein Auge auf ihn hatte. Eigentlich war jetzt, wo Marilyn nicht hier war und er das Schloss für sich hatte, die beste Gelegenheit dazu.
 

„Ich bin gleich wieder da... Muss nur kurz was im Schloss erledigen!“, sagte er zu den Wachen, die ihn mit einem zur Kenntnis nehmenden Nicken durch das Tor ließen, und beeilte sich, sobald es wieder hinter ihm geschlossen worden war, in Marilyns Gemach und somit durch den Spiegel auf die dunkle Seite des Wunderlandes zu gelangen. Kaum dass er die Kehrseite betreten hatte, kam es ihm wie ein Traum vor, dass er mit den anderen unter dem blauen Himmel im Garten gestanden und sich unterhalten hatte. Es war ein eigenartiges Phänomen, das er nur schwerlich hätte in Worte fassen können. Obwohl es in diesem Raum, genau wie in Marilyns rot-gestrichenem Gegenstück, ein großes Fenster über dem Bett gab, erreichten nur wenige Sonnenstrahlen das Innere des düsteren Gemachs. Damals, als er sich das erste Mal heimlich hinter dem Spiegel umgesehen hatte, war es sogar noch dunkler gewesen. Selbst bei Tag war es hier so schwarz gewesen, dass man hätte annehmen können, dieser Bereich absorbiere jegliches Licht und verschlänge jeden mit Haut und Haaren, der sich unüberlegt hineinwagt. Jetzt, da die Königin davon sprach, die Kehrseite 'wieder aufleben zu lassen', schien zumindest ein Teil des Lichtes wieder hierher zurückgekehrt zu sein. Als würde der Ort hinter dem Spiegel nach seinem Tode wiederauferstehen, wie der Phönix aus der Asche – bloß dass es bisher noch wesentlich mehr nach Asche als nach einem Phönix aussah.
 

Aus irgendeinem Grund darauf bedacht, keinen allzu auffälligen Laut zu verursachen – möglicherweise, weil er sich einbildete, noch immer die Präsens des Showmasters in der stickigen Luft zu spüren –, schlich Alice durch die spiegelverkehrte Empfangshalle, deren Treppe offenbar glücklicherweise nicht mehr so widerlich knarzte wie beim letzten Mal, das er sie überquert hatte, und blieb dann mitten im Saal stehen, als er bemerkte, dass das Schlosstor einen spaltbreit offenstand. Konnte es sein, dass Lizzy nach draußen gegangen war, um sich ein wenig im Garten der Kehrseite umzusehen?
 

Natürlich, dachte er mit einem Mal überzeugt. Wenn die Welt hinter dem Spiegel eine von vorne bis hinten auf den Kopf gestellte Version des Wunderlandes darstellte, dann beschränkte es sich demnach nicht nur auf das Schloss sondern auch auf alles, was dahinter und um die königlichen Mauern herum lag. Seltsamerweise war ihm das bis jetzt nie wirklich bewusst gewesen. Aber wenn es tatsächlich so war, wie er es im Augenblick vermutete, gab es folglich genauso viele Möglichkeiten, wo sein jüngeres Ich sich aufhalten konnte, wie es verschiedene Bereiche im hellen Teil des Landes gab – wenn Lizzy denn überhaupt dort draußen war.
 

„Nein... Bloß nicht zu viel nachdenken!“, sagte Alice zu sich selbst, während er das pechschwarze Tor ansteuerte, es ein Stückchen weiter aufstieß und schließlich selbst in den umgekehrten Schlossgarten trat, der schon auf den ersten Blick einen so tristen und grauen Eindruck machte, dass es ihn kein Bisschen mehr wunderte, warum sein Gemach trotz Tageslicht so düster blieb. Alles wirkte kalt. Leblos. Es war, als befände er sich unter einer mechanischen Kuppel oder in einer stillstehenden Schneekugel – mit dem Unterschied, dass hier kein Schnee lag – und als müsse erst irgendein Rädchen im Getriebe eingesetzt oder ein Knopf betätigt werden, damit dieses Gebiet wieder in Gang kam. Diese Vorstellung fing aus irgendeinem Grund an ihn zu gruseln, je länger er sich damit beschäftigte. „Mal überlegen“, murmelte er, um auf andere Gedanken zu kommen. „Wo würde ich als Erstes hingehen, wenn ich alle Zeit der Welt hätte, mich hier umzuschauen?“
 

Zuerst fiel sein Blick auf das Heckenlabyrinth, welches er jedoch eigentlich nur ungern alleine in dieser seltsamen Dunkelheit durchqueren wollte. Die Dunkelheit der Nacht auf Marilyns Seite des Spiegels war nicht zu vergleichen mit der, die auf dieser Seite anscheinend fortwährend herrschte. Das hier war anders. Bedrohlich, auf irgendeine Art und Weise, wenn er diese Weise auch nicht wirklich hätte benennen können. Ob Lizzy es genauso empfand wie er? Offenbar nicht, denn wie es aussah, schien er es sich irgendwo an diesem merkwürdigen Ort gemütlich gemacht zu haben.
 

Vielleicht ist er an der Klippe, kam es ihm plötzlich in den Sinn, und er war sich nicht sicher, ob diese Idee ihn beruhigen sollte oder eher nicht. Alicia war von der Klippe magisch angezogen worden, wenn es stimmte, was er bisher über sie gehört hatte – daher war es naheliegend, dass auch Lizzy eine gewisse Faszination verspürte, was die Grenze des Wunderlandes betraf. Wenn er sich dort aufhielt, musste er wenigstens nicht lange nach ihm suchen. Es blieb nur zu hoffen, dass die unsichtbare Wand vor der endlosen Tiefe auch hier existierte oder dass sein Doppelgänger wenigstens vorsichtig genug war, nicht allzu nah an den Abgrund heranzugehen. Wenn er dort hinunterfiel, würde das nur für unnötigen Aufruhr unter den anderen sorgen – und gerade jetzt, wo zwei Neue hinzugekommen waren, deren Wohl momentan an oberer Stelle stand, war es besser, so etwas zu vermeiden.
 

Mit etwas schnelleren Schritten als zuvor lief Alice an einer Seite der Schlosswand entlang, um möglichst zügig besagte Klippe zu erreichen, hielt jedoch irritiert an, als ihm etwas ins Auge stach, das irgendwie falsch wirkte. Bei genauerem Betrachten des Bodens kam er auch darauf, was es war. Die kleine Tür, die für gewöhnlich den Notausgang verdeckte, durch den man rückwärts in den Kerker und wieder zurück in den Garten gelangen konnte, war geöffnet und gab die Sicht auf den darunter befindlichen Gang frei. Allerdings sah es nicht nach dem Notausgang aus, den er aus dem Bereich auf der hellen Seite des Spiegels kannte. Im Gegensatz zu diesem war es hier keine Leiter, die nach unten führte, sondern eine mit Moos bewachsene Steintreppe... und es schien außerdem noch etwas tiefer hinunterzugehen als bei dem Gang, der ihm bisher bekannt gewesen war.
 

„Interessant.“ Nur kurz wägte er ab, ob es wohl zu gefährlich war, sich den Raum am anderen Ende der Treppe von innen anzusehen, ehe er beschloss, dass ein flüchtiger Abstecher bestimmt nicht schaden konnte, und die Stufen leise hinabstieg, bis er in einer irgendwie antik anmutenden Kammer angelangt war, an deren grünlichen Wänden ein paar brennende Fackeln prangten, fast als wolle dieser Raum einen dazu einladen, hineinzukommen und ein Weilchen zu bleiben. Ihm fiel auf, dass hier unten wieder mehr Farbe – mehr Leben – um ihn herum zu sein schien, als es oben, in dem verlassenen Garten, der Fall gewesen war. Das Auffälligste aber war das rostige Gebilde, das in der Mitte des Raumes vom Boden bis zur Decke hin aufragte und ihm aus seiner ursprünglichen Welt im Jahre 2001 noch wohlbekannt war – ein Fahrstuhl. Auch wenn dieses Exemplar so alt und modrig wirkte, dass er bezweifelte, ob es noch intakt war, konnte er es sofort als einen solchen identifizieren. „Vielleicht gibt es in dieser Welt doch noch mehr zu entdecken, als ich dachte.“
 

Alice ging ein Stück weit um den Fahrstuhl herum, um zu überprüfen, ob dieser auch wirklich das Einzige war, wofür dieser Raum existierte, und widmete sich schließlich der Vorrichtung an sich, als er zu dem Schluss kam, dass er mit dieser Vermutung richtig lag. Sonst schien es hier nichts zu geben – und es war mit Sicherheit nicht verboten, das Ding ein wenig zu untersuchen, wenn es hier schon derart öffentlich zur Schau gestellt war. Von Nahem jedoch sah es so aus, als... stünde die Tür bereits einen Spalt breit offen?
 

„... Ach nein. Hätte ich mir ja denken können, dass du hier bist!“, sagte er feststellend, als er die Aufzugtür noch etwas weiter aufgeschoben hatte und genau das hinter ihr entdeckte, weswegen er ursprünglich hierhergekommen war.
 

„Hä? Was machst du denn hier?“, entgegnete Lizzy, der offenbar gerade damit beschäftigt gewesen war, die in der Wand angebrachten Knöpfe zu malträtieren, geistreich. „Ich dachte, du hättest irgendwelche wichtigen Dinge zu erledigen? Hat die Königin dich geschickt, nach mir zu suchen?“
 

„Ganz im Gegenteil“, erklärte Alice möglichst geduldig. „Die Königin ist gerade nicht da, was auch der Grund dafür ist, dass ich mich überhaupt vor meiner dämlichen Arbeit drücken kann. Sobald sie zum Hof zurückkommt, wäre ich allerdings auch gerne wieder dort, weshalb ich dich bitten würde, mir kurz zuzuhören und dann mit mir auf die andere Seite zu kommen... bevor man dich noch vermisst.“
 

Nicht sicher, ob seine jüngere Hälfte auch nur in irgendeiner Weise daran interessiert war, ihm zuzuhören – eine Reaktion bekam er jedenfalls nicht –, beobachtete er eine Weile lang, wie Lizzy, noch immer voll und ganz auf die Knöpfe fixiert, erst nachdenklich und dann zunehmend wilder auf diesen herumprügelte, als würde das wirklich dabei helfen, den Fahrstuhl in Bewegung zu versetzen. Unglaublich, dachte Alice, wie beharrlich er dabei vorging.
 

„Was zum Teufel machst du da eigentlich die ganze Zeit? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du mit diesem brutalen Rumgekloppe irgendwas erreichst?“
 

„Aber irgendwie muss man das Ding doch in Fahrt kriegen!“, rief Lizzy ärgerlich und ließ für einen Moment von den Knöpfen ab, um ihm einen frustrierten Blick zuzuwerfen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nur zur Zierde hier rumsteht... und ich will unbedingt wissen, wo es einen hinführt, wenn man es geschafft hat, damit zu fahren!“
 

„Das würde ich auch gerne wissen, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für sowas! Das Wunderland hat zwei neue Freaks geboren, und es wirft nicht gerade ein gutes Licht auf mich als neuen König, wenn ich mich hier unten herumtreibe, während Marilyn alle Hände voll mit einem... verirrten Schaf zu tun hat“, gab Alice zurück, die Worte aufgreifend, die Floyd passenderweise benutzt hatte, und trat nun selbst zwei Schritte in den Fahrstuhl hinein, um Lizzy wie ein stures Kind – was er in gewisser Weise auch zu sein schien – am Arm hinter sich herzuzerren. „Auf dich wirft es übrigens auch nicht das beste Licht. Also, los jetzt! Komm mi-“
 

Weiter kam er nicht, denn im selben Augenblick, in dem er die Gerätschaft verlassen wollte, knallte die Tür völlig unerwartet mit einem lauten Krachen vor ihm zu, und unmittelbar danach hatte das Teil von allen Seiten begonnen, heftig zu rumpeln und zu rattern, sodass man beinahe hätte annehmen können, dass es jeden Moment würde zu Boden stürzen. Der Fahrstuhl trug sie nach unten – wie auch immer sie das angestellt hatten.
 

„Wie hast du das gemacht?!“, brachte Lizzy fassungslos hervor, fast als habe er seine Gedanken gelesen. Alice zuckte die Schultern und bemühte sich, sein Gleichgewicht zu halten, was bei der Geschwindigkeit, mit der das Teil scheinbar hinabraste, gar nicht so einfach war.
 

„Ich weiß auch nicht!“, antwortete er etwas lauter, damit es das beunruhigende Gerumpel übertönte, das anscheinend gar kein Ende mehr fand. „Vielleicht habe ich etwas gesagt, das irgendwas bei dem Teil bewirkt hat... oder es reagiert nur auf mich, weil ich der Auserwählte bin.“
 

„Ich bin doch auch der Auserwählte!!“
 

„Was weiß ich. Dann ist dein Herz vielleicht nicht rein genug!“
 

Schmollend wandte Lizzy sich ab, nur um kurz darauf unsanft auf dem Boden zu landen, als der Fahrstuhl urplötzlich zum Stehen kam. Einige Sekunden lang tat sich nichts mehr – dann öffnete die rostige Tür sich automatisch, was ein schauriges Knarzen verursachte und den Blick schließlich auf etwas noch viel Schaurigeres freigab.
 

„... Boah“, machte Lizzy nach einer Weile des Schweigens, nachdem er wieder aufgestanden war und nun scheinbar voller Bewunderung die eigenartige Stadt betrachtete, die sich mit einem Mal wie selbstverständlich vor ihnen erstreckte. „Das hatte ich jetzt nicht erwartet!“
 

„Nein. Ich auch nicht“, dachte Alice und hätte es auch ausgesprochen, wäre er in diesem Moment nicht ausnahmsweise absolut sprachlos gewesen. Vor ihnen lag tatsächlich eine ganze Stadt, über die bisher niemand, den er aus dem Wunderland kannte, auch nur ein einziges Wort verloren hatte, und von der er sich ernsthaft fragte, wo sie herkam und wer sie so tief unter der Erde überhaupt gebaut haben sollte. Es war keine gewöhnliche Stadt, wie er sie aus seiner ursprünglichen Welt gekannt hatte, mit Häusern, Geschäften und Straßen – es war mehr wie ein riesiger, heruntergekommener Platz voll merkwürdiger Ruinen und gigantischer Steinstatuen, die hier und da hoch über der Erde aufragten und dem Ort eine irgendwie gefährliche Atmosphäre verliehen. Etwas an diesem Platz schien unheimlich verdächtig. Was ihn jedoch am meisten verunsicherte, war das Schild, das neben einem alten Holzbogen nicht weit von ihnen stand und auf dem in großen, verschmierten Buchstaben offenbar der Name der Stadt geschrieben stand. Die Farbe war ein wenig verlaufen, doch es war trotzdem ganz eindeutig, was der Schriftzug bedeuten sollte:
 

Dragontown.
 

„Dragon... Town...“, murmelte er, mit einem Mal von einer seltsamen und vereinnahmenden Verwirrung gepackt, was Lizzy dazu veranlasste, sich fragend zu ihm umzudrehen.
 

„'Dragontown'?“, wiederholte er irritiert. „Das hast du nicht wirklich gerade aus dem Geschmiere auf diesem Schild da vorne gelesen, oder? Das kann man doch überhaupt nicht entziffern...!“
 

Natürlich konnte man das – wenn das Wort einem derart vertraut war, weil es auf einem Song, einem Album und einer Tour beruhte, die man kürzlich erst selbst auf die Beine gestellt hatte. Aber dass sein Doppelgänger nicht sofort dieselbe Assoziation wie er in Bezug auf die Bedeutung des Schriftzuges gehabt hatte, war kein Wunder, in Anbetracht der Tatsache, dass er zu seiner Zeit – diese Formulierung klang so absurd im Zusammenhang mit einer jüngeren Version von sich selbst – wahrscheinlich nicht einmal geahnt hatte, dass er einmal ein Werk mit diesem Titel herausbringen würde. Nein. Für Lizzy war dieses Wort nur der Name einer eigenartigen Stadt, die sie eben entdeckt hatten, nichts weiter.
 

„Schon gut. Ist auch egal“, sagte Alice, um möglichst schnell zu einem anderen Thema zu wechseln. Vielleicht war das Ganze auch bloß ein komischer Zufall. Jedenfalls hatte er keine Lust, mit seinem anderen Ich endloslange Diskussionen über sein derzeitiges Album und seine Karriere zu führen – was definitiv der Fall sein würde, wenn er ihm jetzt erklärte, warum das Wort 'Dragontown' ihn ein wenig stutzig machte. „Lass uns einfach wieder nach oben fahren und auf die andere Seite zurückgehen, ja? Wir sollten nicht so lange hier unten bleiben, wenn es jederzeit sein könnte, dass die Königin zurückkehrt und uns – in erster Linie mich – drüben beim Schloss erwartet.“
 

„Und wie kommen wir wieder nach oben, wenn wir die richtige Taste oder das Lösungswort oder was-auch-immer-uns-vorhin-hierhergebracht-hat gar nicht kennen?“, erwiderte Lizzy berechtigterweise skeptisch. Alice überlegte einen Moment, weil ihm nicht sofort eine Antwort darauf einfiel.
 

„Wenn wir nach unten gelangt sind, müssen wir auch irgendwie wieder nach oben gelangen“, sagte er und versuchte, es sicherer klingen zu lassen, als er sich im Augenblick fühlte. „Besser, wir probieren es einfach aus, als gar nichts zu tun und bis morgen in dieser Grotte rumzuhängen, oder nicht?“
 

„Hmm, wie du meinst“, gab Lizzy scheinbar nicht sonderlich begeistert zurück, während er ihm wieder in das Innere des Fahrstuhles folgte, aus dem er ein Stück herausgetreten war, nachdem sie hier unten angekommen waren. Alice entging nicht das leise geflüsterte „Spießer!“, das seine nichtsnutzige jüngere Hälfte nachträglich hinzufügte, ehe sie beide erneut ratlos in dem dunklen Aufzug standen und wenig sinnvoll auf die Wände starrten.
 

„Was habe ich vorhin gesagt, kurz bevor das Teil plötzlich angesprungen ist?“, fragte Alice, in der Hoffnung, Lizzy könnte zur Abwechslung einmal hilfreich sein und sich an etwas möglicherweise Entscheidendes erinnern.
 

„... Keine Ahnung“, antwortete er – eigentlich war es nicht anders zu erwarten gewesen –, schien die Situation ein paar Sekunden später aber doch im Geiste rekonstruieren zu können. „Du warst gerade dabei, mich sehr grob und unfreundlich nach draußen zu zerren. Ich glaube, du hast sowas gesagt wie... „Komm jetzt“ oder „Los jetzt“!“
 

Bevor Alice ihm in dem Punkt „grob und unfreundlich“ widersprechen konnte, hatte der Boden bereits wieder, begleitet von einem markerschütternden Rattern, zu beben begonnen; die Tür krachte abermals quietschend hinter ihnen zu und der Aufzug schoss mit einem schwindelerregenden Tempo zurück an die Erdoberfläche. Der Gedanke, dass der Erbauer dieser Gerätschaft ein verrückter Sadist gewesen sein musste, rückte immer präsenter in sein Bewusstsein. Den darauffolgende Gedanken, dass es vielleicht Marilyn gewesen war, versuchte er rasch wieder zu verdrängen.
 

„Dann reagiert der Aufzug, wie es aussieht, auf- Nein, vielleicht sollte ich es nicht sagen“, unterbrach Alice sich selbst, ehe das alte Teil, dessen unerbittliches Geruckel ihn beinahe ein wenig an das Gefühl erinnerte, das man bei einem Ritt auf Miss Flugsau erleben durfte, endlich wieder zum Stehen kam. „... Ich möchte nicht freiwillig riskieren, dieses Ding während der Fahrt auch noch zu verwirren, indem ich das... Zauberwort öfter ausspreche als unbedingt nötig.“
 

„Du meinst-“
 

„Wage es nicht...!“
 

Mit einem amüsierten Grinsen schlängelte Lizzy sich an ihm vorbei und stieß die schwere Metalltür mühevoll auf, ohne das Innere des Fahrstuhls aus den Augen zu lassen.
 

„L-O-S“, buchstabierte er, während er seitlich einen Schritt aus dem teuflischen Gebilde heraustrat und sich offenbar geradezu daran weidete, sein älteres Ich auf die Palme zu bringen. Nicht dass es etwas Neues gewesen wäre. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund schien diese spezielle Alice-Version von Natur aus eine verzogene Bratze zu sein, und er war leider – zumindest bisher – nicht imstande dazu, irgendetwas dagegen zu tun. Außer vielleicht, sich unbemerkt eine der Bratpfannen aus Marilyns königlicher Küche zu schnappen und seinem Doppelgänger damit eins über die Rübe zu ziehen. Allerdings war die Chance, dass dessen Schaden sich dadurch nur verschlimmerte, geringfügig zu hoch.
 

„Was auch immer das für ein komischer Ort ist, den wir da unten gerade spontan gefunden haben – ich wäre dafür, dass das vorerst unter uns bleibt, okay?“, gab Alice vorsichtig zu Bedenken, als sie die antike Kammer hinter sich gelassen und den leblosen Schlossgarten am oberen Ende der Treppe wieder erreicht hatten, um auf die schönere Seite des Schlosses zurückzukehren. Lizzy sah ihn verständnislos an.
 

„Warum? Meinst du, wir haben gerade was Verbotenes getan?“, fragte er mit seiner üblichen Naivität. Alice überlegte einen Moment, wie er ihm seinen Standpunkt am besten begreiflich machen sollte, und kam zu dem Schluss, dass er den Grund für diesen Gedanken selbst nicht einmal wirklich wusste.
 

„Ich... Ich weiß auch nicht genau. Ist nur so ein Gefühl. Vielleicht ist es tatsächlich verboten, da unten rumzuschleichen“, gab er wahrscheinlich eher wenig überzeugend zurück. „Ich meine, warum sonst hat bisher noch niemand auch nur ein Wort über diese seltsame Stadt verloren? Ich, als König, müsste immerhin darüber Bescheid wissen, wenn ich die komplette Kehrseite irgendwann regieren soll. Da fällt mir ein... Dieses Schwert, mit dem du mich gestern um meinen Schlafplatz gebracht hast – ich würde wetten, das hast du auch irgendwo da unten gefunden. Gib es zu!“
 

„Das Schwert?“ Für einen winzigen Moment sah Lizzy ernsthaft so aus, als habe er keine Ahnung, wovon überhaupt die Rede war. „Ach, das Schwert!“, erinnerte er sich kurz darauf zum Glück doch an das von ihm selbst verursachte Dilemma, als sie gerade dabei waren, zügig auf die große Treppe zuzusteuern, die zu Alicias ehemaligem Gemach führte. „Ja, also... Das sollte eigentlich mein Geheimnis bleiben, aber du hast Recht. Ich hab es in dem Aufzug gefunden, als ich gestern Nacht schon mal hier war. Deshalb hatte ich auch beschlossen, später nochmal wiederzukommen und den Aufzug näher zu untersuchen. Das Schwert fand ich erst mal irgendwie interessanter... Willst du es dir mal ausleihen?“
 

„... Nein, danke“, antwortete Alice, nicht sicher, ob er über diese Frage oder eher über den Umstand den Kopf schütteln sollte, dass sein jüngeres Ich sich so leicht von einer Waffe begeistern ließ, die womöglich auch noch extra dort platziert worden war, um gutgläubige Idioten wie ihn anzulocken und in irgendwelche Schwierigkeiten zu bringen, die er sich im Augenblick lieber nicht allzu detailliert ausmalen wollte. „So ein Samuraischwert hat schon seinen Reiz, ja... Aber ich habe zurzeit mit genug anderen Sachen zu tun und bin übrigens der Meinung, dass wir das mit dem Schwert genauso für uns behalten sollten wie das mit der Kammer da unten – zumindest solange, bis wir mehr darüber herausgefunden haben.“
 

Lizzy machte ein nachdenkliches Gesicht, hielt aber erstaunlicherweise doch einmal den Mund, bis sie auf der anderen Seite des Schlosses angelangt waren – wahrscheinlich jedoch nur, weil er es nicht darauf anlegen wollte, sich bei dem Gang durch den Spiegel an dem flüssigen Glas zu verschlucken.
 

„Sag mal...“, fing er an, als sie das knallrot-gestrichene, große Tor beinahe erreicht hatten, „... du hast doch vorhin irgendwas davon gesagt, dass das Wunderland irgendwen geboren haben soll oder so... Wie hab ich das jetzt eigentlich genau zu verstehen?“
 

„Ich glaube, das siehst du dir am besten selbst an“, wollte Alice gerade antworten, während er nach dem Knauf langte und das Tor öffnete, um zu der Stelle im Garten zurückzukehren, an der er die Hälfte der besagten Neuankömmlinge – Clegg – das letzte Mal gesehen hatte, ehe dieser mit seinem neuen Aufpasser irgendwo in den Tiefen des Wunderlandes verschwunden war... als er mit einem Mal ziemlich unverhofft der Königin gegenüberstand, die offenbar die andere Hälfte im Schlepptau hatte. Und es war bei Weitem nicht das, womit er gerechnet hatte, als von 'zwei neuen Mitbewohnern' die Rede gewesen war.
 

„Alice!“, stieß die Königin auf eine scheinbar überraschte Weise erfreut aus. „Und Lizzy hast du auch dabei! Wo kommt ihr Zwei überhaupt plötzlich her? Nun ja... Das ist jetzt nicht weiter wichtig.“
 

Bevor einer von ihnen beiden auch nur irgendeine Art von Erklärung vorbringen konnte, redete Marilyn bereits überschwänglich weiter und störte sich – zu seinem Glück – offenbar gar nicht daran, dass die Arbeit mit den Plakaten am heutigen Tage noch keinerlei Fortschritt gemacht hatte.
 

„Es gab ein paar Komplikationen...“, erzählte er mit beinahe kindlicher Aufregung, „... aber letztlich ist alles gutgegangen, und wir dürfen eine besonders hübsche, junge Dame als neues Mitglied unserer Gemeinschaft begrüßen!“
 

„Hi“, sagte das Mädchen mit den auffälligen, bunten Haaren und den noch auffälligeren Augen, das schüchtern neben Marilyn herumstand, und hob zaghaft eine Hand zum Gruß. „Ich bin Lucy... Freut mich, euch kennenzulernen!“



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  Sky-
2018-01-07T21:33:42+00:00 07.01.2018 22:33
Ach ja, dieses Kapitel hat mich mal wieder richtig zum Lachen gebracht und hatte zum Ende hin einen guten Spannungsaufbau. Ich habe mich so derbst weggeschmissen vor Lachen, als Marylin und Alice sich plötzlich über Exhibitionismus unterhalten haben und dann plötzlich der arme Floyd zur Zielscheibe wurde. Ist auch mal schön zu sehen, dass er auch mal das Profiopfer spielen darf. Das war einfach so herrlich, dass ich mich nicht mehr einkriegen konnte. Was mich aber überrascht ist, dass Marylin einfach so abhaut anstatt Alicezu sagen, dass es Arbeit gibt. Also ich muss schon sagen, dass ich aus ihm nicht wirklich schlau werde. Ich kann noch nicht einmal sagen, ob er jetzt mehr Männchen oder Weibchen ist. Selbst Alice ist da überfragt und dabei hat er ihn nackt in all seiner königlichen Pracht gesehen.

Habe ich schon mal erwähnt wie sehr ich Lizzy liebe? Diese kleine Kackbratze ist einfach nur ein nur der Knaller. Allein die Provokation mit dem Fahrstuhl war echt fies. Bist du sicher, dass er schon in den 20ern ist? Ehrlich gesagt benimmt er sich mehr wie ein 16-jähriger Teenager, der nur Blödsinn im Kopf hat. Aber die Entdeckung von Dragontown finde ich interessant. Irgendwie muss ich da automatisch an den Jabberwocky denken, aber ich weiß nicht ob das jetzt beabsichtigt ist oder nicht. Auf jeden Fall bin ich gespannt, wie es weitergeht und was die Kehrseite noch bereit hält. Da du ja gesagt hat, dass du dir von dieser FF eine Auszeit nehmen willst um an deiner Spider Story zu schreiben, werde ich warten, bis es weitergeht und mir deine anderen FF vorknöpfen
Antwort von:  Drachenprinz
07.01.2018 23:59
Wie schnell du immer mit dem Lesen bist, obwohl die Kapitel so lang sind!
Hehe, ich freu mich ja immer total, wenn du sagst, dass du die FF spannend findest. ^^ (Das Kompliment kann ich allerdings wirklich zurückgeben!) Und ja, Floyd mach ich auch immer wieder gerne zum Opfer. ^.^
Also, Marilyn ist auf jeden Fall ein (Alpha-)Männchen, aber wahrscheinlich haben die vielen Jahre des Kleidertragens ihn auch innerlich immer weibischer werden lassen. So muss es sein. u.û

Ich hab Lizzy irgendwie auch total gern, obwohl er mir an Alice' Stelle wahrscheinlich auch das ein oder andere Mal hart auf den Sack gehen würde. XD Ich mein... Wenn ich mir vorstelle, ich hätte eine jüngere Version von MIR die ganze Zeit in meiner Nähe... Hm, da bin ich mir auch nicht so sicher, wie gut man das auf Dauer aushält. :'D
Ob das Ganze etwas mit dem Jabberwocky zu tun hat oder nicht, verrate ich mal noch nicht. ;)

Also, das fünfte Kapitel hab ich eigentlich schon seit Längerem fertig, nur noch nicht hochgeladen. Und ich hab auch noch zwei 'Side Storys' zu dem ganzen Wunderland-Universum rumfliegen, die zu einer OS-Sammlung gehören, die ich bisher nur auf Fanfiktion.de veröffentlicht hab. Die könnte ich hier demnächst eigentlich auch mal hochladen, aber wenn ich mit meinem Spider-OS fertig bin, werd ich wahrscheinlich auch sowieso mal wieder hier dran weiterschreiben. Bei deinen motivierenden Kommentaren kann ich gar nicht anders. ^^
Von:  Sky-
2018-01-07T18:50:32+00:00 07.01.2018 19:50
Und wieder folgt Alice das Unglück auf dem Fuße. Erst lockt er das falsche Schwein an und dann begeht er dieselbe Dummheit noch mal und dröhnt sich mit dem Teegebäck des Hutmachers zu. Dabei sollte er echt mal die Finger von den Haschkeksen (oder Haschkuchen?) lassen.

Schade nur dass Black Beauty noch nicht wieder aufgetaucht ist. Ich hoffe der armen Sau ist nichts passiert. Wir wollen Ritterchen Schwarz doch nicht das Herz brechen. Ich hoffe mal sie taucht bald wieder auf.

Holy Shit, jemand sollte Lizzy nachts eine Zwangsjacke anlegen (daran sollte Alice ja eh gewöhnt sein XD). Wo zum Teufel hat er das Schwert her und was muss man denn geraucht haben, um so eine abgedrehte Kill Bill Nummer abzuziehen? Also dir Unschuldsnummer kaufe ich ihm nicht so wirklich ab. Na wenigstens kann Alice bei Marylin pennen aber ich habe meine Zweifel, dass er dort wesentlich sicherer ist (beachte nicht das perverse Grinsen, während ich meinen Fantasien nachgehe). Aber mal ernsthaft Alice, sei mal nicht so paranoid. Ein bisschen bi schadet nie und it's okay to be gay XD
Antwort von:  Drachenprinz
07.01.2018 23:48
Naja, im Grunde sind die Haschkekse/kuchen vom Hutmacher ja wiederum nützlich - ohne sie hätte Alice weniger von diesen tollen prophetischen Halluzinationen, und das wär ja echt ein Verlust! xD

(Spoiler) Black Beauty geht es gut, keine Sorge. :D (Spoiler Ende)

X'DD Das hätte ich gerne gesehen, wie Uma Thurman in 'Kill Bill' einen wilden Anfall kriegt und irgendjemandes Bett zerstört! xD
Ich musste auch ziemlich grinsen, als ich die Szene geschrieben hab, das kannst du mir glauben. *lol* Als ich mir damals anfänglich den Vorgänger-Teil dieser FF ausgedacht hab, hätte ich auch nicht gedacht, dass Alice Marilyn mal irgendwann nackt sehen und sich das Bett mit ihm teilen würde, aber hey, Dinge kommen anders, als man erwartet! xD
Von:  Sky-
2018-01-05T22:45:34+00:00 05.01.2018 23:45
So, nachdem ich mich nach langer Zeit wieder reingelesen und mir wieder mal so richtig einen Ast abgelacht habe, muss ich noch mal mein Kompliment aussprechen. Es gehört schon ein gewisses Talent dazu, eine witzige Szene zu schreiben und sie auch richtig gut zu machen. Vor allen Liebe ich Humor, der clever ist und nicht einfach nur aus irgendwelchen oberpeinlichen Situationen oder Toilettenhumor besteht. In dem Fall kann ich mir genauso gut Adam Sandler Filme reinziehen. Der Humor in dieser Fanfiction besteht aus cleveren Referenzen, abgedrehter Situationskomik die perfekt ins Wunderlanduniversum passt. Oder aber der Humor spielt auf subtiler Ebene und ist so lustig, weil es als so natürlich dargestellt wird obwohl es offensichtlich total verrückt ist.

Mir tut Alice ja echt leid. Der arme Kerl muss aber auch echt viel Scheiß mitmachen. Zumindest ist ihm die Hochzeitsnacht erspart geblieben, das ist doch schon mal eine gute Nachricht für ihn. Ich glaube nämlich, dass er auch im Bett den Arsch hätte herhalten müssen. Wortwörtlich XD

Madonna vs Bonnie Tyler. Ich habe mir Madonna nie als eine durchgeknallte und mordlustige Furie vorgestellt. Na zumindest hat General Floyd weitere Kollateralschäden verhindern können. Aber aus ihm werde ich auch nicht wirklich schlau. Ist er on der zweiten Pubertät oder braucht er einfach nur eine Freundin, die kein Schwein ist? Vielleicht geht ja auch eine Dreiecksbeziehung mit Ozzy und Black Beauty XD

Und holy shit müsste ich bei den singenden Austern lachen. Das hat mich so dermaßen an Das Leben des Brian erinnert und war so makaber passend. Ich an Alices Stelle hätte die Austern zurückgehen lassen. Wenn mein Essen noch spricht oder singt, ist es mir ein bisschen zu frisch und noch nicht ganz tot. U d Marilyn scheint auch ganz schön schnell gelangweilt zu sein solange es nicht ihn betrifft. Irgendwie scheint er ja auch ein bisschen ADHS zu haben. Na hoffen wir mal dass Alice seine Späße mit Marylin nichtzu weit treibt. Ansonsten gibt das noch eine Runde Rachesex XD

Irgendwie finde ich auch, dass Lizzy und General Floyd ein super Paar abgeben würden. Auf jeden Fall shippe ich die beiden von jetzt an, hehehe
Antwort von:  Drachenprinz
06.01.2018 02:40
So, und hier auch nochmal: Hey! :D
Mann, jetzt bin ich mal wieder in einem Zwiespalt! XDD Eigentlich bin ich momentan noch dabei, an dem OS weiterzumachen, von dem ich dir letztens auch erzählt hab (der zu meinem Steven&Spider-Zeugs dazugehört), aber jetzt hab ich durch deinen netten und voll lustigen Kommentar (der mich übrigens so zum Lachen gebracht hat, dass ich davon Seitenstechen hatte X'D) auch schon wieder Bock gekriegt, an dieser FF hier weiterzumachen. Argh. Was soll ich nur tuuuun. (Meine üblichen Probleme - wahrscheinlich mach ich jetzt einfach alles durcheinander oder so u.û)

Danke auf jeden Fall für das ganze Lob bezüglich meines Humors und so. Das ist wirklich schön zu hören, dass du meinen doch teilweise recht speziellen Humor dem aus Adam Sandler-Filmen vorziehst! Ich mein, wirklich, das freut mich! :D

Na na, noch ist der Tag ja auch noch nicht zu Ende! Da war ja auch noch keine Gelegenheit für eine Hochzeitsnacht. ;D
'den Arsch hinhalten', höhö. *lacht äußerst subtil und räuspert sich* *flüstert ganz dezent* Ich sag mal nichts dazu, was ich mir vorhin vorgestellt habe, nachdem ich dein Kapitel mit dem Strafbock gelesen hab. xDD (Alice, falls du das hier jemals sehen und trotz deutscher Sprache verstehen solltest: Vergiss einfach, was ich gerade gesagt habe!!)

Haha, ja, dass die Art, wie General Floyd hier drauf ist, etwas seltsam rüberkommt, kann ich mir vorstellen, aber man muss dabei im Hinterkopf behalten, dass er gegen Ende des ersten Teils diese 'geistige Begegnung' mit Alice in Gestalt von Alicia hatte - und über Alicia, für die er mal was empfunden hat, nie hinweggekommen ist. Alice bringt also einfach seine Hormone durcheinander, das ist alles! xD

Ach wat, passiert es dir nicht auch ständig, dass dein Steak noch muht, wenn du es gerade schneiden willst? Ich erlebe sowas dauernd. u.û
Rachesex. x'DD Uuuh. Bring mich doch nicht auf solche bösen Gedanken! XD

Lizzy und Floyd find ich auch ganz lustig zusammen, muss ich sagen. Aber mit der Zeit haben sich ehrlich gesagt eh mehrere Pairings mit Floyd ergeben, die ich ganz gern shippe. :'D Weiß nicht, der Kerl bietet sich so an dafür. Der ist so schön unschuldig und spießig, das ist zum Shippen genau richtig!

Danke nochmals für deinen tollen Kommentar, und es freut mich natürlich, dass dir die Story immer noch gefällt! ^-^
Antwort von:  Sky-
06.01.2018 08:55
Mach dir mal keinen Druck. Wenn ich mit dem Lesen dieser Kapitel fertig bin, knöpfe ich mir auch mal andere Fanfictions von dir vor und geb meinen Senf dazu. Auf deine Spiderstory bin ich ja auch sehr gespannt.

Ich finde, es ist schwierig, guten Humor zu schreiben und ehrlich gesagt sind die Adam Sandler Filme das perfekte Beispiel dafür, dass viele Leute denken, guter Humor besteht aus Fäkalhumor und einfach nur schmerzhaft peinlichen Situationen. Da weiß ich Geschichten wie deine richtig zu schätzen, weil diese qualitativ hochwertig sind.

Oh jetzt habe ich langsam auch Kopfkino. Sorry Alice, aber da musst du jetzt durch. Die Opferrolle passt einfach zu dir XD

Tja, wenn General Floyd so in Alicia verknallt war, dann würde ich sagen: Marylin, warum verkuppelst du ihn nicht mit Lizzy? Du bist doch immer für bescheuerte Ideen zu haben!
Antwort von:  Sky-
06.01.2018 10:29
Mir fällt noch was ein, was ich in meinem ersten Kommentar vergessen hatte:

Ein fliegendes Schwein mit Brotkrumen anlocken? Ist Black Beauty jetzt auch noch zum Teil ein Vogel? Naja, solange es klappt sie damit anzulocken... Aber lustig ist did Vorstellung schon, dass ein Schwein auf einer Stange hockt und herumzwitschert und sich von Vogelfutter ernährt XD
Antwort von:  Drachenprinz
06.01.2018 16:07
Böh, ja, mein Problem ist, dass ich immer automatisch denke, dass es für jemanden, der meine Sachen liest, doch irgendwie blöd sein muss, wenn ich so viel durcheinander mache und dann bei einer FF (wie dieser hier xD) immer so ewig lange Pausen dazwischen hab. Aber andererseits waren bei deiner Petboy-Geschichte auch längere Pausen, und ich bin jetzt trotzdem wieder gut reingekommen. °-° Ich glaub, ich mach mir echt zu viel Druck.
Wenn du an anderen FFs von mir auch interessiert bist, freut mich das aber natürlich umso mehr! ^-^

Woah, echt, ich nehm das wirklich als großes Kompliment, dass du meinen Humor so magst und sagst, dass du 'Geschichten wie meine schätzt'. *-* Qualitativ hochwertig... Das ist... zu viel des Lobes. ;_;

Freut mich, wenn ich dich mit meinem Kopfkino anstecken kann! XDD Jaja... Alice und seine Opferrolle. :'D

Die Vorstellung von Lizzy und Floyd als Paar macht mich irgendwie auch fertig. Ich glaub, Lizzy würde ihm nur auf der Nase rumtanzen. XD Black Beauty auf einer Stange gibt mir den Rest!

Ich les dann auch gerade mal bei dir wieder ein bisschen weiter! ^.^
Von:  Sky-
2016-08-09T19:20:26+00:00 09.08.2016 21:20
Oh Mann, es gab so viel in dem Kapitel, was ich im Kommi erwähnen wollte, dass ich mir echt einen doppelt großen Notizzettel machen musste, damit ich auch ja nichts vergesse. Vor allem weil ich gewisse Stellen in diesem Kapitel ganz besondere Stellen feiere.

Verwunschene Einbahnstraße in die Dimension der Verrückten

Ich glaube, das schlägt um längen meine Beschreibung zu Alice Reise in die "Promi-Irrenanstalt der Verdammnis". Wirklich eine perfekte Beschreibung. Was habe ich mich da weggeschmissen.
Des Weiteren habe ich mich tierisch gefreut, die üblichen Verdächtigen wiederzusehen. Auch wenn es noch nicht lange her ist, seit ich die letzte FF gelesen habe, habe ich mich besonders bei Ritterchen Schwarz und Black Beauty gefreut. Vor allem habe ich die Tatsache gefeiert, dass Black Beauty fliegen kann. Als Marilyn mal meinte, Schweine gehören in die Luft und nicht auf dem Boden, hatte ich es zuerst als typische Wunderlandverrücktheit abgestempelt. Aber nein. In dieser Welt ist mit allem zu rechnen. Selbst dass Schweine fliegen können.

Als Ozzy fragte, ob Alice dieses Mal der richtige Auserwählte ist, habe ich mir bildhaft vorstellen müssen, wie die Wunderland-Crew von einer Dimension in die nächste spaziert, aus jeder eine Version von Alice entführt und Marilyn immer frustrierter wird, weil es nicht der richtige ist. Aber die junge Version hat er/sie behalten wollen? Etwa als eine Art Kind-Ersatz weil er Alice heiraten will und die beiden dann eh ein Paar sind? Irgendwie ein ziemlich schräges Bild aber bei Marilyn muss man ja mit allem rechnen...

Traust du dich in deinem Alter eigentlich immer noch, auf der Bühne 'I'm eighteen' zu singen?

Oh Lizzy, das war aber ein ganz böses Foul. Man macht sich doch nicht über alte Leute lustig. Wobei... wir bezahlen ja ihre Rente. Für irgendwas müssen die also gut sein *böse lach*
Die Hochzeit war grandios, wobei mir Alice ja schon ein wenig leid getan hat, dass er in Frauenkleidern heiraten musste. Aber er hätte wenigstens ein bisschen mehr Feingefühl an den Tag legen können, immerhin war das ja Marilyns großer Tag. Er kann froh sein, dass unsere Herzkönigin nicht allzu nachtragend ist. Aber dass der Hutmacher den Pfarrer spielen muss, stelle ich mir irgendwie schräg vor. Naja, ansonsten bleiben sowieso nur noch mehr Verrückte übrig. Immer noch besser als den Märzhasen zu nehmen. Und was bei Mercurys Hochzeit passiert ist, dass eine Eleanor gestorben ist, da will ich wohl lieber keine weiteren Details wissen... XD

Ich erkläre euch nun zu... was auch immer. Die Bräute dürfen jetzt übereinander herfallen, und ich... bin hier fertig, oder?

Hätte ich an Hutmachers Stelle auch gesagt. Ich glaube ich wüsste auch nicht, ob ich als Pfarrer die beiden jetzt als Mann und Mann, Mann und Frau oder Frau und Frau verheiratet hätte. Auf jeden Fall haben wir damit offiziell das schrägste Ehepaar aller Zeiten. Na ich würde zu gerne das Gesicht von Alice sehen, wenn Marilyn jetzt auch noch mit der Hochzeitsnacht ankommt. Der arme Kerl... wahrscheinlich würde er dieses Mal freiwillig die Biege machen.
Antwort von:  Drachenprinz
10.08.2016 21:34
Hi :D
Tut mir leid, dass ich jetzt erst antworte und auch noch nicht an deiner FF weitergelesen habe. >_> Gestern und heute war nicht so mein Tag und ich war seit 'ner Weile nicht mehr am PC. Morgen bin ich mir auch noch nicht sicher, ob ich zum Lesen komme... Aber spätestens am Freitag bestimmt wieder. ^-^ Übrigens bin ich auch schon seit ein paar Tagen dabei, ein Bild zu deiner Story zu zeichnen, mit dem ich bestimmt auch bald fertig bin. ;)
Jetzt aber mal zu deinem (mal wieder sehr tollen) Kommentar hier:

Ah, supi, jetzt bin ich nicht mehr der Einzige, der sich Notizen beim Kommentar schreiben macht. XD Ja, ich fand die Formulierung auch ganz passend, immerhin ist es ja irgendwie sowas wie 'ne Einbahnstraße - wenn nicht gerade sowas Blödes passiert wie bei der Feier, kommt man normalerweise hinterher nicht wieder da raus. :D Aber deine Umschreibung von wegen "Promi-Irrenanstalt" finde ich auch klasse. Ich muss dabei immer an so eine typische RTL-Show denken. "Unsere neue Sendung: 'Die Promi-Irrenanstalt', jeden Werktag um 20:15 Uhr! Schalten Sie ein!" XD
Ich habe mich auch irgendwie gefreut, als ich gleich zu Anfang schon den Schwarzen Ritter wieder unterbringen konnte. :> Allerdings hat das mit den Schweinen in der Luft ja nicht Marilyn gesagt sondern General Floyd! Er ist derjenige, der so auf Black Beautys Flugfähigkeiten besteht. xD

*lol* Deine Interpretation, dass die da einfach mal alle heiter durch verschiedene Dimensionen reisen und immer einen anderen falschen Auserwählten mitbringen, ist natürlich auch nicht schlecht. XD Allerdings hatte ich mir das eher so gedacht, dass Ozzy halt einmal den Falschen mitgebracht hat, das dann mehr oder weniger im Wunderland erduldet wurde (immerhin kann man ja, wie gesagt, auch nicht so einfach wieder zurück, wenn man einmal da ist) und danach dann halt, damit das nicht nochmal passiert, direkt die Schutzpatronen losgeschickt wurden, um den richtigen Alice zu holen. xD Ob Marilyn Lizzy als sowas wie einen Kind-Ersatz betrachtet... hmmm, das bezweifle ich eher, ich glaube, dafür findet er ihn zu attraktiv. XD Habe Lizzy gerade übrigens auch mal direkt in die Charakterübersicht aufgenommen.~

Na, so alt ist der ältere Alice ja hier nun auch noch nicht. XD Auch wenn Lizzy sich gerne darüber lustig macht. 2001 (zu der Zeit von 'Dragontown') müsste er so Anfang 50 gewesen sein, aber da er im Wunderland automatisch das Aussehen aus seiner 'Poison'-Zeit annimmt, weil diese Welt auch gleichzeitig so eine Art überdimensionaler Jungbrunnen ist, ist er da optisch nochmal 12 Jahre jünger. :D
Die Stelle mit Eleanor war an das Lied 'Eleanor Rigby' von den Beatles angelehnt, was ich zurzeit rauf und runter höre, weil ich es so schön finde. <3 Ob es allerdings wirklich die Hochzeit von Wache Nummer Zwei war oder ob er da nur ein Gast war... tja, das ist die Frage. Wen er wohl heiraten würde von den Leuten da? Hm.

Wie es weitergeht mit Alice' und Marilyns Eheleben (*rofl*) bleibt abzuwarten. X'D
Vielen Dank jedenfalls wieder für dein ausführliches Feedback und bis dann! :)
Antwort von:  Sky-
10.08.2016 21:57
Ist schon okay, ich habe ja auch nicht jeden Tag große Lust zum Schreiben oder Lesen ;-)

Ich bin echt gespannt, wie es bei unserem Lieblingsehepaar weitergehen wird und wie sehr Lizzy unserem armen Alice noch das Leben schwer machen wird.
Von:  Sky-
2016-08-03T15:02:31+00:00 03.08.2016 17:02
Ein Jahr lang hat es gebraucht, dass die Wunderlandtruppe ihn wiedergefunden hat? Mal im Ernst, warum haben die denn so lange herumgetrödelt oder vergeht die Zeit in unserer Welt wesentlich schneller als im Wunderland? Das wäre mal interessant zu erfahren.

Ich hoffe mal für Alice, dass Marilyn nicht allzu nachtragend ist, dass er einfach verschwunden ist, nachdem er der Herzkönigin das Ja-Wort geben musste. Dass er sich es nicht freiwillig ausgesucht hat, abzuhauen, konnten die Wunderlandbewohner ja wohl schlecht wissen aber die Frage stellt sich mir genauso wie Alice, warum er damals in seine Welt zurückgekehrt ist. Nun, ich bin wahnsinnig gespannt, wie es in der neuen Geschichte weitergehen wird. Ich würde gerne wissen, wie es momentan im Promi-Irrenhaus aussieht^^
Antwort von:  Drachenprinz
03.08.2016 17:42
Und auch hier noch einmal danke für deinen Kommentar und schön, dich beim nächsten Teil wieder begrüßen zu dürfen! ^_^
Ob die Zeit in unserer Welt schneller oder langsamer vergeht, kann man so genau wahrscheinlich nicht sagen. Auf jeden Fall vergeht sie im Wunderland 'anders'. Die Zeit hat da mehr oder weniger ihren eigenen Willen. xD

Wie es weitergeht, jetzt wo Alice wieder zurückgekehrt ist und bald die Herzkönigin wiedertrifft, kannst du voraussichtlich erst mal nächsten Montag erfahren, denn da werde ich das erste Kapitel hochladen. ^^ Die nachfolgenden Kapitel werde ich in einem zweiwöchentlichen Abstand hochladen und hoffe, damit auf lange Sicht gesehen hinzukommen, mit dem, was ich bisher vorgeschrieben habe.

Man liest ja voneinander! :3
Antwort von:  Sky-
03.08.2016 17:53
Das im Wunderland die Zeit anders vergeht, habe ich ja schon feststellen dürfen, da es an den unterschiedlichsten Orten dort die unterschiedlichsten Tageszeiten gibt. Mich würde das ja echt ziemlich verwirren, wenn es so unterschiedliche Zeitzonen an einem Ort gibt.

Oh super, dann sag ich mal, ich bin am Montag mit dem nächsten Kapitel wieder dabei. Ich bereite schon mal das Popcorn vor und bastle ein wenig an meiner "Marilyn x Alice"-Fahne^^


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