Genialität liegt doch unerwartet nahe am Wahnsinn...
Kapitel 05 – Genialität liegt doch unerwartet nahe am Wahnsinn...
Du machtest dich so unsichtbar wie möglich, als du dich neben die Tür in Sesshomarus Pivatgemächern knietest. Ihr wart gerade von dem Unterricht bei Bokuseno zurückgekehrt, der, für keinen der beiden Prinzen, sonderlich erbaulich geendet hatte. Sesshomaru hatte zwar aufmerksam zugehört und auch jede Frage beantworten können, die Bokuseno ihm gestellt hatte, aber man hatte ihm doch angemerkt, dass er lieber an einem ganz anderen Ort wäre. An Hakai wolltest du gar nicht erst denken. Nicht nur, dass er einen weiteren halben Tag gebraucht hatte um Bokuseno überhaupt zu finden, nein, er hatte auch fast augenblicklich einen Streit mit Sesshomaru vom Zaun gebrochen, indem er behauptet hatte, Sesshomaru hätte geschummelt, da er dir die Aufgabe der 'Baumsuche' überlassen habe und dann einfach deiner Fährte gefolgt war. Sesshomaru, der das natürlich nicht hatte auf sich sitzen lassen können, hatte nur gemeint, dass die Inkompetenz eines heimatlosen Prinzen nicht seine Schuld sei – was Hakai natürlich sofort hatte angreifen lassen.
Nun, zumindest hattest du etwas gelernt. Während Hakai und Sesshomaru einander nach ihrer kleinen Auseinandersetzung nach Leibeskräften darum bemüht gewesen sind einander zu ignorieren, hattest du vollkommen an Bokusenos Lippen – an seiner Rinde? - gehangen und alles an Wissen in dich aufgesaugt, was du hattest kriegen können. Leider hatte genau das den Eindruck Bokusenos von den beiden Prinzen noch verschlechtert, denn keiner der beiden war auch nur mit halb so viel Enthusiasmus und ehrlichem Interesse bei der Sache wie du es gewesen warst.
Ich hätte weniger Fragen stellen sollen, dachtest du, als Sesshomaru auch nach einer halben Stunde noch keine Anstalten machte, sich zu dir herumzudrehen. Oder weniger Schlussfolgerungen ziehen sollen. Wahrscheinlich beides.Wegen mir sehen die beiden aus wie Idioten... nein. Das haben diese beiden Idiotenprinzen auch ganz allein geschafft. Aber ich habe sie noch dümmer aussehen lassen, als ohnehin schon. Kein Wunder, dass er wütend ist.
Nervös sahst du zu deinem Freund auf und zum ersten Mal seit du ihn kanntest wurde dir klar, was für eine riesige Verantwortung bereits jetzt auf seinen Schultern lastete. Sesshomaru würde einmal Fürst der westlichen Ländereien werden, Heerführer über alle Hundedämonen und Wölfe.
»Sesshomaru?« fragtest du zögernd. Du wusstest, dass du eigentlich nichts falsches getan hattest, aber irgendwie wolltest du dich entschuldigen.
»Nicht jetzt. Ich denke nach«, kam die reichlich unterkühlte Antwort Sesshomaru, der sich nicht einmal die Mühe machte, sich zu dir umzudrehen. Wieder herrschte Schweigen und du rutschtest unruhig auf deinem Platz herum. Als es dir dann nach wenigen Minuten doch zu viel wurde, durchbrachst du die Stille erneut: »Bist du wütend auf mich?«
»Was wäre, wenn ich 'ja' sage?«
Du kraustest die Stirn: »Ist dass ein 'ja'?«
»... du hörst auch nur das, was du hören willst, oder?«, fragte Sesshomaru gereizt. »Aber, nein, ich bin nicht wütend. Nicht auf dich.«
Also wohl auf Hakai, dachtest du, den Blick auf den Hinterkopf des Hundedämonen gerichtet. Hakai war nun einmal wie ein rotes Tuch für den Hundeprinzen und gerade wolltest du ein, zumindest halbwegs, ernsthaftes Gespräch mit Sesshomaru führen. Allerdings...
»Weißt du eigentlich wie ungemein nervend es ist, sich mit einem Hinterkopf zu unterhalten?« fragtest du ruhig. Sesshomau drehte sich verblüfft zu dir um: »Natürlich nicht – niemand würde sich mir gegenüber eine solche Unhöflichkeit erlauben.«
»Es ist also unhöflich, ja?«
»Natürlich.«
»Du würdest also jeden, der das macht, sofort bestrafen?«
»Töten.«
Dass das vielleicht ein bisschen zu drastisch wäre sprachst du nicht aus: »Warum musste ich mich dann bis gerade eben mit deinem Hinterkopf unterhalten, wenn das doch so unhöflich ist?«
»Das ist etwas anderes.« kam die prompte Antwort Sesshomarus.
Nun warst du verblüfft: »Wieso ist dass denn bei mir etwas anderes? Weil ich deine Dienerin bin?«
Sesshomaru nickte, vollkommen ernst. Nur mit all deiner Selbstbeherrschung konntest du verhindern, dass dir der Mund aufklappte. »Und du wunderst dich, warum ich meine Zeit lieber mit Hakai verbringe?« rutschte es dir heraus, bevor du dich zügeln konntest. Augenblicklich wurde Sesshomarus Miene düster und er wandte sich ruckartig wieder dem Fenster zu. »Jetzt bin ich wütend.«
Du brauchtest einen Moment, ehe du seinem Gedankensprung folgen konntest: »Vorher warst du also nicht wütend?« fragtest du provozierend, ein Grinsen mit aller Gewalt unterdrückend. Du konntest förmlich sehen, wie Sesshomaru mit seiner Selbstbeherrschung rang – und verlor.
»Was magst du eigentlich an diesem dämlichen Fuchs?!«, knurrte Sesshomaru, während er zu dir herumfuhr und mit einem Satz den Abstand zwischen euch überwand. Du blinzeltest erstaunt darüber, auf einmal Sesshomaru direkt gegenüber zu knien, ehe du einfach erwidertest: »Er ist nett.«
»Wie bitte?«
»Er ist nett,« wiederholtest du. »Er bringt mich zum Lachen. Er behandelt mich wie eine gleichgestellte, im Gegensatz zu einer anderen Person deren Namen ich nicht nennen werde. Er beschwert sich zwar immer über dich, weiß aber, dass ich nicht aufhören werde dich zu mögen, nur weil es ihm so besser gefallen würde.« letzteres schien Sesshomaru ein wenig zu beruhigen, weswegen du hinterher setztest: »Und wieso brauche ich einen Grund um jemanden zu mögen? Dich mag ich auch und viel Grund gibst du mir nun wirklich nicht.« den „Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig“-Teil verschlucktest du. Leider stimmte das nämlich nicht so ganz.
Schockiert – tatsächlich! - sah Sesshomaru dir in die Augen: »Was habe ich getan, was dich dazu bringt mich nicht zu mögen?« der einzige Grund warum du nicht genervt aufstöhntest war der, dass es Sesshomaru tatsächlich zu interessieren schien.
»Du hast mir verboten mit Hakai auch nur zu reden«, erinnertest du den Hundeprinzen. »Das war nicht sehr nett. Weder mir noch Hakai gegenüber. Und ich kann auch nur raten, warum.« und im raten warst du miserabel.
Sesshomaru sah nachdenklich die Bodenmatten an: »Du magst mich weniger, weil ich dir verboten habe mit Hakai zu reden.«
Irgendwie verwunderte es dich, dass ihm dieser Gedanke nie von allein gekommen war. »Ich mag dich nicht weniger weniger. Sondern nur... ich weiß nicht, ich bin deswegen auf jeden Fall nicht glücklich.«
Auch der Gedanke, dass dich sein Befehl unglücklich gemacht haben könnte, schien dem Hundedämon zum ersten Mal zu kommen. Er ist der Mittelpunkt seiner eigenen kleinen Welt und alles, was nicht so denkt oder handelt wie er oder sich nicht von ihm voraussagen lässt, ist ein Mysterium.
»Du bist«, er zögerte kurz, »unglücklich als meine persönliche Dienerin bei mir zu sein?«
»Was? Nein! Das habe ich nie gesagt!« protestiertest du sofort. »Ich bin nicht unglücklich, weil ich bei dir bin!«
»Das hast du aber gesagt!« hielt Sesshomaru ruhig dagegen. »Das du unglücklich bist.«
Ganz ruhig. Er ist ein Prinz. Und die sind bekanntlich dämlich.
»Ich sagte, dein Befehl hat mich unglücklich gemacht, nicht du. Und, ja, da ist ein Unterschied! Ein riesiger, riesiger Unterschied!«, erklärtest du, halb genervt und halb verzweifelt. Ja, du hattest erreichen wollen wieder mit Hakai reden zu dürfen. Aber wer hätte denn bitte ahnen können, dass Sesshomaru tatsächlich so wenig von dem Verstand was du von dir gabst? Tat er das mit Absicht? Oder war tatsächlich so dermaßen von sich selbst eingenommen?
Ah, ja. Das war er.
»Es würde dich also glücklich machen, wenn du wieder mit Hakai reden darfst«, und auf dein Nicken hin: »Bei Bokuseno hast du aber sehr glücklich ausgesehen.«
Du schlosst die Augen und zähltest langsam bis zehn, während du ruhig ein und aus atmetest. Nicht. Zuschlagen.
»Ja, da war ich glücklich. Aber das heißt doch nicht, dass ich Hakai nicht vermisst habe.«
»Er saß nur zwei Schritte neben dir.«
Okay, das reichte. »Machst du das mit Absicht?«
Verwirrung spiegelte sich auf Sesshomarus Gesicht wieder, als er dich fragte: »Was?«
»Alles,was ich sage, missverstehen.«
»Nein, mache ich nicht« erklärte Sesshomaru, beinahe patzig. »Und du?«
»Meistens, ja.«, gabst du ehrlich zu, was dir ein empörtes Schnauben seitens Sesshomaru einbrachte. »Aber darum geht es doch gar nicht. Ich finde es ungerecht, dass du darüber entscheidest, dass ich mit jemandem nicht befreundet sein darf – nur, weil dir sein Benehmen oder seine Rasse nicht passt!«
»Es würde dich glücklich machen wieder mit dem Rotschopf reden zu dürfen?« und da du nicktest: »Fein, mach, was du willst. Mir ist das egal.«
Sesshomaru würde Hakai eben eine Weile ertragen müssen. Er konnte ja einen... zwanzig Meter Abstand einhalten... oder so etwas in der Art.
