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Kyo Kara Maou Novel: Reise zum Beginn - Abenteuer in Dark Makoku

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Kapitel 15

KAPITEL 15
 


 

„Oh! Das Kleid steht dir fantastisch! Ich wusste doch, dass ich mit dem Rot richtigliege!“, ertönte es direkt euphorisch, als ich die Türe öffnete.

Hilde!

„Aber das Kopftuch solltest du nun weglassen!“, sie sprang direkt um mich herum und entfernte das Tuch mit gekonntem Handgriff zügig von meinem Haupt.

„Die Mädchen sagten mir, du wolltest dich nicht umkleiden lassen?“

„Na ja, das war mir dann doch etwas zu übertrieben. Das kann ich doch schon noch alleine!“, antwortete ich flüsternd.

„Ist wohl nicht so einfach, sich daran zu gewöhnen,hm?“, sie strahlte mich an, „Aber das hat es uns schwierig gemacht, dir etwas Passendes zusammenzustellen. Ich habe die Größe aber anscheinend richtig eingeschätzt!“ Erneut musterte sie mich von oben bis unten.

Hinter ihr stand ein recht junger Soldat mit felsenfester Mimik und so kerzengerade, dass er mich an die Bobbys des Britischen Empire erinnerte.

Hilde beugte sich zu mir und flüsterte hinter vorgehaltener Hand: „Er ist hier um euch abzuholen! Und er ist ganz schön nervös wegen Nanatsu! Wie ist er denn so?“

Ich setzte mein breitestes Grinsen auf: „Impulsiv, energisch, aufbrausend, stur, zärtlich, besitzergreifend, leidenschaftlich...“, Hildes Augen wurden mit jedem Wort größer, „...aber das Beste, was mir jemals passieren konnte!“

Es war klar, das ich mich ausschließlich auf Wolfram bezog, aber das konnte ja Hilde nicht wissen. Sie schien sich wirklich für mich zu freuen.

„Ich bin eigentlich nur da, um dir eine kleine Auswahl an Kleidungsstücken vorbeizubringen für die Reise. Und um deine Uniform abzuholen für die Wäscherei!“

Ups! Die Uniform!

„Haha! Da gibt es ein kleines Problem!“

„Welches denn?“, ihr Blick wirkte irritiert.

Ich wies ihr an, mir leise zu folgen und wir betraten das Schlafzimmer. Wolfram schlief immer noch tief und fest. Vor dem Bett blieb ich stehen und bückte mich. Als ich Wolfram auf das Bett gelegt hatte und ihn mit der Tagesdecke zudeckte waren die letzten Fetzen der ehemaligen Uniform zu Boden gerutscht. Beschämt hielt ich sie ihr unter die Nase: „Das ist alles, was davon noch übrig geblieben ist!“

Sie starrte auf den schlafenden Wolfram, dann wieder auf mich und dann wieder auf den schlafenden Wolfram. Schließlich kicherte sie leise: „Das ihr jungen Mädchen euch keine Zeit damit lasst!“

Hä?

Sie nahm die Fetzen entgegen und verließ mit mir kichernd das Schlafzimmer.

Wieso dachten hier alle so was? Ich hatte gerade erst gelernt, zu verstehen, wie ich fühlte!

Da würde ich doch nicht schon gleich...

„Mylady!“, sprach nun der Soldat, der immer noch wie angewurzelt in der Eingangstür stand. Er schien auch kaum seinen Lippen beim Sprechen zu bewegen. Konnte man wirklich so nervös sein? Er sah doch, dass ich den vermeidlichen Chefdrachen der Dienstmädchenkolonne herzlichst empfangen hatte!

„Ihre Heiligkeit Mittsu erwartet euch bereits!“

„Hm, ja! Können sie dann ihn“, ich wies auf Wolfram, „auch tragen? Ich glaube, den kriegt nichts wach!“

Erschrocken starrte er mich an: „Mir ist es nicht erlaubt ohne seine Einwilligung seine Göttlichkeit zu berühren!“

Oh! Das war wirklich dumm! Denn wenn er schlief konnte er schlecht seine Einwilligung erteilen!

„Hm. Was mach ich denn da? Er war doch so erschöpft!“, nuschelte ich in mich hinein.

„Wer so wild durch die Betten hüpfen kann“, Hilde hielt meine Uniformfetzen empor, „der kann auch aufstehen!“, und sie krempelte sich die Ärmel hoch und marschierte wieder zurück ins Zimmer. So schnell konnte ich gar nicht darauf reagieren, da hatte sie sich schon die Tagesdecke geschnappt und zog kräftig daran.

Ich kam relativ überrascht über diese Aktion neben ihr zum Stehen.

Wolfram regte sich erschrocken, blinzelte und noch ehe er richtig schauen konnte, hatte Hilde mir die Tagesdecke mit einem Grinsen in die Hand gedrückt.

Natürlich! Eine Bedienstete dürfte sich so sicherlich nicht verhalten, aber musste sie mir deshalb gleich den schwarzen Peter zuschieben?

„Yuuri, was ist denn?“, fragte Wolfram verschlafen.

„Yuuri?“, kam es augenblicklich nun von Hilde sehr erstaunt.

„Ähm... ja, dass ist mein Kosename! Yuuri von Yurika! Ist kürzer! Haha!“, ich musste echt dämlich ausgesehen haben, denn Hilde glaubte mir kein Wort.

Wolfram hingegen schien durch die fremde Stimme im Zimmer sehr schnell wieder in seine Rolle zurückzufinden: „Ja, Yuuri klingt so lieblich!“, gähnte er.

„Natürlich steht es ihrer Hoheit frei, sich die Kosenamen seiner Frauen selbst auszusuchen!“, Hilde verbeugte sich tief.

Frauen? Wie? Hatten Götter mehr als eine?

Na ja, so gesehen hatte Wolf ja auch gar keine. Er hatte einen Mann!

„Mittsu erwartet uns bereits! Wir sollten uns beeilen!“

Wolfram streckte sich und war mit einem Satz aus den Federn gesprungen. Er strich sich schwungvoll die langen blonden Strähnen aus dem Gesicht und schielte zu mir herüber.

Dieser Blick! Er raubte mir die Luft zum Atmen! Diese grünen Augen!

Moment! Grün?

Hilde schien es noch nicht bemerkt zu haben.

Schnell flog ich Wolfram um den Hals.

Dieser war so überrascht, dass er mit dem Gleichgewicht kämpfte und beinahe nach hinten über auf das Bett zurückgefallen wäre: „Yu...“

„Deine Augen sind grün!“, flüsterte ich ihm ins Ohr und da hörte er auf, sich darauf zu konzentrieren uns abzufangen. Wir fielen.

„Nein! Wie stürmisch!“, rief Hilde aus und drehte uns anstandshalber den Rücken zu.

Wolfram griff blitzschnell in seine Gürteltasche und zog ein klitzekleines Fläschchen heraus: „Kipp mir das in die Augen!“, murmelte er leise zurück.

„Ich?“

„Natürlich, Weichei! Oder siehst du hier gerade einen Spiegel?“

Da hatte er auch wieder recht!

Nun lagen wir also auf dem Bett, ich auf Wolfram drauf, mein Herz raste in Warp-Geschwindigkeit weil ich ihn so unter mir spüren konnte und ich versuchte, ihm eine unbekannte Flüssigkeit ins Auge zu träufeln, während Hilde wohl dachte wir fielen trotz ihrer Anwesenheit übereinander her. Das würde die Palastgerüchteküche zum Brodeln bringen!

Kaum benetzte diese Flüssigkeit Wolframs Augen verwandelte sich sein wunderschönes Smaragdgrün in Shinous strahlendes Blau. Innerlich tat mir diese Veränderung weh, aber so lange wir noch hier waren gab es wohl keinen anderen Weg, als unsere Rollen weiterhin zu spielen.

Ich seufzte und stand auf.

Der Soldat hatte sich mittlerweile auch herein getraut und lugte vorsichtig suchend durch die offene Zimmertüre. Wolfram, der nun optisch wieder ganz und gar Nanatsu war, erhob sich ebenfalls und straffte seine Kleidung.

„Wenn eure Göttlichkeit und Mylady mir dann bitte folgen würden!“, flüsterte der junge Mann schon etwas verzweifelt und wir folgten ihm.
 

Iossac Glie ritt alleine auf eine Waldlichtung. Seine strahlendblauen Augen beobachteten jede Regung im Unterholz. Doch alles war ruhig.

Dieser Weg wies keinen Hinterhalt auf, keine Fallen.

Sie hatten bewusst dieses Treffen nun sehr kurzfristig anberaumt um den Göttern so wenig wie möglich die Gelegenheit zu geben, sich darauf vorbereiten zu können.

Denn eine längere Vorbereitung hieße für alle eine gefahrvollere Reise.

Iossac gab seinem Pferd die Sporen und ritt ein längeres Stück zurück bis zum Waldrand. Dort warteten einige Reiter und zwei Kutschen auf ihn.

„Ich denke, wir können gefahrlos passieren!“, rief er Lord Gwendal von Voltaire entgegen, welcher sich neben die größte Kutsche positioniert hatte. Sein Augenmerk war auf einen der beiden Insassen der Kutsche gerichtet: „Und sie sagen, wir wären bald da?“

„Ja, Lord von Voltaire. Niemand rechnet mit unserer Ankunft heute. Die Götter können durch den verspäteten Versand frühstens morgen früh Schloss Ishiyosai erreichen.“

„Und das nimmt ihnen die Chance uns böse zu überraschen!“, ergänzte Conrad.

Sein Pferd hielt schnaubend neben dem seines älteren Bruders. Auch er war voraus geritten und hatte nach möglichen Hinterhalten Ausschau gehalten.

„Wo ist von Grantz?“

„Er ritt noch weiter und wird uns auf halbem Wege wieder entgegenkommen!“, Conrad tätschelte den Hals seines folgsamen Hengstes.

„Hey, Hauptmann! Redet er immer noch nicht?“, Iossac hatte sich nun zu seinem Kumpanen herüber gebeugt und versuchte sich im Flüsterton, was ihm jedoch nicht so recht gelingen wollte, denn schon strafte ihn ein böse herüber schielender Blick des grauschwarzen Befehlshabers.

„Er schweigt sich immer noch aus!“, gab eben dieser dann zur Antwort, „Vielleicht sollte Conrad es noch einmal versuchen. Vielleicht handhabt man das so auf der Erde, aber es wäre hilfreich, wenn die Beiden nun mit der Sprache herausrücken würden!“

Conrad nickte seinem Bruder zu und trieb sein Pferd zu der hintersten Kutsche.

Die Karawane, nun mit Gwendal und Iossac an der Spitze, setzte sich wieder in Bewegung und so wendete er sein Pferd und ließ es schweigend eine ganze Weile neben der Kutsche her traben.

„Er wird nichts sagen, Lord Weller!“

„Damit habe ich gerechnet, eure Eminenz.“

„Selbst mir antwortet er nicht.“

Nachdem sie vom Sitz der Familie Bielefeld gemeinschaftlich auf den Roten Seestern zurückgekehrt waren, hatten sie viele Fragen an Shinou gehabt. Am Meisten brannte allen die Frage auf der Seele, warum ihr erster Maou und Reichsbegründer nie etwas gesagt hatte.

Doch er hatte sich weiterhin in Schweigen gehüllt. Es war, als hätte er sie verlassen, doch die kleine, leuchtende Perle im Flakon um Muratas Hals zeigte ihnen, dass er immer noch bei ihnen war. Adalbert hatte dies alles als vorhersehbar betitelt. Man hätte ihm nicht trauen sollen.

Es stand außer Frage, dass es vom Vorteil gewesen wäre, wenn Shinou ihnen vor dieser Reise die genauen Umstände, auf die sie hier treffen würden, geschildert hätte.

Doch nun war es zu spät. Sie mussten sich mit der gegebenen Situation abfinden.

Und sie mussten Yuuri wiederfinden. Doch was erwartete sie nun?

Lord von Bielefeld hatte sie begleitet und war zunächst recht enttäuscht darüber, dass er Shinous Stimme nicht vernehmen konnte. Doch es half alles nichts.

Sie mussten mit den Informationen, welche sie von Lord von Bielefeld bereits erhalten hatten, auskommen und das Beste daraus machen.

Günter hatte sich einige der Unterlagen aus dem Geheimraum des Bielefeld'schen Hauptsitzes mitgenommen und studierte diese mit dem Lord zusammen in der ersten Kutsche. Vielleicht würde er noch Informationen über die Götter von Dark Makoku zu Tage bringen, die ihnen dabei halfen, zu erfahren, worauf sie sich gefasst machen mussten.

Als sie mit einem Schiff der Familie von Bielefeld übergesetzt waren auf das Festland hatten sie alle ihre Garderobe gewechselt. Sie trugen nun die Uniformen der Familie von Bielefeld von Dark Makoku und waren so nicht mehr als Außenstehende zu erkennen.

Lord von Bielefeld würde sie als seine persönliche Leibwache mit in das Schloss Ishiyosai nehmen können und so hatten sie die Möglichkeit, dieser Vollversammlung beizuwohnen.

Diese Uniformen erinnerten Conrad an seine Zeit in Groß Simaron. Sie war ähnlich geschnitten, nur waren diese weiß mit goldenem Saum und blauen Abzeichen.

Günter hatte mit Abstand die schillerndste Ausstrahlung in der Uniform, die ihn wesentlich jünger erscheinen ließ als seine bisherigen weiten Roben und Gwendal wirkte etwas gewöhnungsbedürftig in diesen Farben, doch schien er sich selbst gar nicht so sehr damit zu befassen. Nur Adalbert hatte darauf bestanden, seine Alltagskleidung weiterhin zu tragen. Sie sei weder einem Land noch irgendeinem Heer zu zu ordnen und er wolle sich nicht, und wenn es auch nur der Tarnung diene, in irgendeine Uniform zwängen lassen.

Conrad beobachtete die Reinkarnation des Großen Weisen. Dieser betrachtete bekümmert die vorbeiziehende Landschaft. Auch er schien nicht ganz glücklich mit dem plötzlichen Schweigegelübdes seines Freundes zu sein und ebenso nicht damit einverstanden, dass er zuvor nichts erwähnt hatte.

„Ob ihm seine Familie etwas bedeutet hat?“, fragte Conrad laut.

Ken Murata erhob den Kopf, blickte zunächst in die Wolken und dann direkt zu ihm:

„Ja. Er hat sie alle geliebt. Auch seine Brüder und Väter!“

„Es muss schwer gewesen sein, sie im Streit zu verlassen!“

„Hm. Ja. Aber er musste sich für eine Seite entscheiden.“

„Warum dann für die Dämonen und nicht für seinesgleichen?“

Weil meine Liebe für sie größer war!

Murata erschrak während Conrad verschmitzt lächelte. Es hatte funktioniert. Er war darauf eingegangen!

„Schweifst du immer noch in deinen Gedanken umher und willst uns nicht daran teilhaben lassen?“, murmelte der Doppelschwarze und betrachtete den Flakon in seinen Händen.

Ich wüsste nicht, was ich noch zu berichten hätte, was du nicht schon längst wüsstest! Zudem pflegte schon mein Vater zu sagen, dass jeder seines Gedankenguts eigener Herr ist!

„Nur sollte seine Eminenz nicht dazu gezwungen werden, aus einer Sicht zu berichten, die nicht seine Eigene war!“, fügte nun Conrad hinzu.

Shinou lachte leise: Er kannte damals wie heute jeden meiner Schritte!

„Nicht die Schritte, die du mit Rufus tatest!“, flüsterte Murata nachdenklich, „Und auch nicht dein Handeln vor meiner Zeit!“

Gab es denn je ein vor deiner Zeit? Du bist der Ältere!

Nun lachte Murata: „Gewiss, ich bin 18. Und du eine körperlose Seele!“

Versuchst du mich aus der Reserve zu locken, alter Freund?

„Wie käme ich dazu?“, Murata kicherte und Conrad war sich sicher ein leises Brummen von dessen Brust zu hören.

Die Beiden neckten sich wie kleine Kinder. Ein verspielter Streit. Nie würde ein böses Wort fallen. Es klang wie das Spiel unter...

Lord Weller! Conrad zuckte zusammen. Ich werde es euch sagen, wenn die Zeit dazu gekommen ist. Solange behaltet diesen Gedanken für euch!

Das zum eigenen Gedankengut!, dachte Conrad und trieb sein Pferd an zu einem schnelleren Galopp.
 

Es ruckelte kurz heftiger. Der Weg war versehen mit Schlaglöchern und unsere Kutsche eilte dennoch im zügigen Tempo weiter.

Yonno schien dies jedoch überhaupt nicht zu stören. Seit Beginn der Fahrt plapperte sie fröhlich vor sich hin, als habe sie gerade das Sprechen für sich entdeckt. Ihre Schwester Hachino neben ihr verdrehte ab und an schon einmal genervt die Augen, doch dass machte dieses Gesprächs irgendwie auch amüsanter. Die beiden Göttinnen über die Dämonen schienen so ganz anders als dieser Mittsu. Dieser fuhr mit den beiden anderen Brüdern in einer Kutsche vor uns und auf sein Geheiß hin wurden Wolfram und ich zu den beiden Damen gesteckt. Mich störte dies nicht. Ich fand diese Reisebegleitung wesentlich angenehmer als diese finster dreinschauenden Brüder, mit denen ich bisher noch nicht wirklich das Vergnügen hatte.

Wolfram, welcher Hachino gegenüber saß, wirkte angespannt. Ich spürte deutlich, dass er sich nicht ganz wohl fühlte und auch nicht sicher war, was uns nun erwarten würde.

Mittsu hatte uns nur über eine Vollversammlung der 25 Adelsfamilien in Kenntnis gesetzt und das dort die geeignete Möglichkeit wäre, unser Verlöbnis, also das von Nanatsu und Yurika, zu verkünden.

„So, nun habe ich aber genug über das Wetter geplaudert!“, Yonno betrachtete mich mit einem freundlichen Lächeln, „Nun erzählt doch etwas über euch!“

Ich schluckte. Was sollte ich denn erzählen?

Sie dachte wohl, dass ich nicht wüsste, wo ich genau anfangen solle und begann neugierig ihr Interview: „Na, dann fangen wir doch mal mit eurem Namen an!“

„Yurika. Yurika Shibuya, eure Göttlichkeit!“, kam ziemlich schüchtern aus meinem Mund.

Sie kicherte: „Ach, lassen wir das doch mit dieser Förmlichkeit! Schließlich sind wir ja bald Schwestern! Ich wollte schon immer mit jemandem vom gewöhnlichen Volk befreundet sein und nun bekomme ich gleich eine Schwester! Hach! Aber woher stammt denn dieser außergewöhnliche Name Shi...shi...“

„Shibuya“, half ich ihr, „Ach, der ist ganz herkömmlich bei uns in Saitama!“

Oh je. Manchmal frage ich mich, wo ich meinen Kopf gelassen habe!

„Saitama? Von dieser Provinz habe ich noch nie gehört! Wo genau befindet die sich denn in unserem Reich?“

„Ähm... ganz weit im Nordosten!“

„Oh, im Gebirge?“, fragte nun Hachino interessiert.

„Ja ja, genau! Ein Dorf ganz weit oben im Gebirge!“

Ich bemerkte ein unterdrücktes Grinsen auf Wolframs Lippen.

„Es ist wirklich erschreckend, dass ich in all den Jahrtausenden kaum etwas von unserem Land weiß und noch weniger gesehen habe!“, seufzte die größere Blondine betrübt.

„Vielleicht solltet ihr einmal eine Rundreise machen!“, schlug ich vor.

„Das erlaubt Mittsu nicht! Egal, wie sehr wir es uns wünschen!“, kam es trocken von der Kleineren, „Wir haben den Palast ausschließlich nur zu Versammlungen zu verlassen oder für Visiten bei den Hauptsitzen der Adelsfamilien!“

Oh! Gefangen im goldenen Käfig!

„Das hört sich aber traurig an!“, flüsterte ich mitfühlend.

„Es ist zu seinem eigenen Nutzen! Er will nur keine Vision verpassen wenn sie denn mal wieder kommen sollte!“

„Hachino!“, wisperte Yonno erschrocken, „ Er macht sich doch nur Sorgen um uns!“

Der Blick der kleineren Schwester blieb jedoch kühl: „Ach Unsinn, Yonno. Hier sitzt Nana. Er weiß Bescheid. Du brauchst hier doch nichts schön zu reden! Mittsu benutzt uns alle. Und solange wir ihm von Nutzen sind, duldet er uns neben sich!“

Betretenes Schweigen.

„Visionen?“, fragte ich vorsichtig nach.

„Nun ja“, Yonno wirkte verlegen und schaute vorsichtig auf Wolfram, „Ich hatte keine mehr seit dem Vorfall. Und das wird auch der Grund sein, warum er Nana so schnell verziehen hat! Er denkt, ich hätte ein Trauma erlitten, welches durch seine Anwesenheit“, wie nickte in Wolframs Richtung, „behoben werden könne.“

„Nana hat nichts falsch gemacht! Es gab nichts zu verzeihen!“, giftete nun Hachino. Sie erinnerte mich nicht nur rein äußerlich an Wolfram. Auch sie hatte wohl ein impulsives Gemüt: „Und natürlich standest du damals unter Schock! Niemand konnte ahnen wie Vater deine Vision deutet! Und niemand konnte ahnen, dass es solche verheerenden Ausmaße annimmt!“

Hachinos Blick wanderte von ihrer Schwester zu mir und schließlich zu Wolfram: „Nana, Bruder, ich flehe dich an. Auch wenn ich mich noch so sehr freue, dich wieder zu haben, bitte geh wieder schnell weg von hier! Der einzige Nutznießer des ganzen Elends war Mittsu. Er wurde so zum Oberhaupt und Regent! Und er wird sich das nicht nehmen lassen. Er weiß um deine Beliebtheit beim Volke. Sie werden aufschreien und dich zum Oberhaupt wollen und es wird wieder blutig enden. Das weiß er und er wird es daher nicht so weit kommen lassen!“

In ihren großen, grünen Augen erkannte ich ebenso große Sorge und Angst.

Wolfram rührte sich nicht. Er sah sie nur an. Irgendetwas störte mich, aber was?

Dann erhob er sich und trotz des Schaukelns der Kutsche hatte er einen festen Stand.

Zuerst blickte er zu mir herunter: „Verzeih mir!“, dann zu Hachino. Er nahm ihre zierliche, zerbrechlich wirkende Hand, zog sie daran hoch in den Stand und drückte sie fest an sich. Mein Herz blieb stehen. Warum musste er sie jetzt umarmen? Er hatte doch mich!

Moment! War ich etwa eifersüchtig? Ich benahm mich ja schon wie Wolfram!

„Ich werde nicht gehen, kleine Schwester! Ich lasse euch nicht zurück! Ich habe diesen Fehler damals getan, ich werde ihn nicht wiederholen. Denn ich liebe euch. Ich habe euch auch damals geliebt. Euch und das gesamte Volk. Und ich werde keinen Einzigen mehr in dieser Tyrannei zurücklassen. Auch wenn das wieder ein Kampf bedeutet! Ich möchte nur, dass ihr das wisst!“

Was bitte war das denn? Er wollte gegen Mittsu antreten? Hatte ich das nun richtig verstanden?

Wolfram setzte die nun schluchzende Hachino wieder behutsam auf ihren Platz und setzte sich dann selbst. Sein Blick war so eigenartig. So fremd. Aber dennoch kam er mir bekannt vor.

Erneut sah er wieder zu mir. Was war hier los? Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen!

SHINOU!, schoss es mir durch den Kopf, Shinou ist in Wolfram!

Er grinste. Das bestätigte meinen Verdacht.

Das würde bedeuten, dass Shinou und somit Murata in der Nähe waren! Und wo die Beiden waren, waren Conrad und meine anderen Freunde auch nicht weit!

Mein Herz machte einen Sprung.

Aber Moment!

War Shinou verrückt geworden? Er konnte sich doch nicht einfach Wolframs Körper schnappen und den Krieg gegen Mittsu erklären.

Yonno seufzte auf und legte tröstend einen Arm um ihre Schwester. Auch sie kämpfte mit den Tränen: „Wir werden dich unterstützen, Bruder!“

Er nickte ihnen zu, dann erkannte ich, dass dieser seltsame Glanz in Wolframs Augen verschwand.

Er griff sich irritiert an die Stirn.

Ich nahm seine andere Hand in meine und drückte sie leicht. Dadurch sah er wieder direkt zu mir.

Ich lächelte ihn an. Ich spürte, dass er wusste, was gerade geschehen war und was Shinou getan hatte. Aber auch, dass ihn das schockierte.

Ich bin bei dir! Ich lass dich nicht damit allein!, versuchte ich ihm mit einem Lächeln gedanklich mitzuteilen und ich sah, wie sich seine angespannten Schultern lockerten. Er hatte mich auch ohne Worte verstanden.

Ich war zwar absoluter Pazifist, doch wenn Wolframs Leben in irgendeiner Form bedroht wäre, würde ich auch nicht davor zurückschrecken mein Schwert zu ziehen...

Verdammt! Ich hoffe, die haben Morgif mitgebracht!
 

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht als er vorsichtig den kleinen Korken in die Flaschenöffnung des Flakons in seinen Händen zurückschob:

„Dein Ausflug war wohl vielsagend!“, flüsterte Ken Murata, der die Seele des Großen Weisen in sich trug.

Zunächst vernahm er nichts. Er teilte sich doch sonst immer mit!

Dieser von Bielefeld hatte Recht. Wir werden vor ihnen dort sein.

„Das war aber noch nicht alles, nicht wahr?“

Nein.

„Shibuya ist bei ihnen?“, es war mehr eine Feststellung als eine Frage, dass wusste auch die Seele des Shinou.

Ja. Die Beiden sind immer für eine Überraschung gut. Ihr werdet erstaunt sein!, hörte er da einen leicht vergnügten Unterton in der Stimme seines alten Freundes?

„Du hast doch wieder etwas getan!“, Muratas Augen verengten sich besorgt zu Schlitzen. Diese Sorge galt aber weniger dem ehemaligem Dämonenkönig als seinem Freund, dem Amtierenden sowie dessen Verlobten.

Wie kommst du nur darauf?, bekam er direkt zur Antwort. Shinous Gedanken waren für ihn immer ein offenes Buch gewesen. Sie waren immer einfach zu deuten. Allerdings spielte dabei immer auch dessen Anwesenheit eine Rolle. Shinous Pläne waren einfacher zu durchschauen, wenn er mehr von ihm sehen konnte als eine glänzende Seelenperle in einem Flakon.

„Du weißt, dass ich geschworen habe. Würde ich dich nicht hin und wieder bremsen, würdest du nur wieder völlig außer Kontrolle geraten!“, er seufzte.

Shinou lachte hell auf: Hast du Sorge, ich würde dich nicht genügend an meinem Leben teilhaben lassen?

Murata grinste: „Was für ein Leben, alter Freund? Du vergisst, dass du nur noch eine Seele in meinen Händen bist!“

Oh oh!, es war kein besorgtes, sondern eher ein amüsiertes Aufstöhnen, Mir scheint, da ist wirklich jemand gekränkt!

„Wenn ich dir nicht in Allem voll und ganz vertrauen würde, wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. Und damit meine ich nicht die jetzige Situation!“

Ich weiß, du warst bisher mein Stratege, das hörte sich nun etwas kleinlauter an und Murata erhob erstaunt eine Braue, und ich habe nie bereut, dich dazu ernannt zu haben. Durch dein unglaubliches Wissen und deine Weisheit warst du mehr als nur einmal eine große Stütze für mich! Vertraue mir nur noch dieses eine Mal. Ich muss hier etwas erledigen, wozu ich damals nicht in der Lage war!

„Du meinst sicherlich, du willst das Shibuya etwas für dich erledigt, wozu du nicht in der Lage warst!“, Muratas nun trauriger Blick wandte sich zum Fenster der Kutsche. Die Landschaft sauste an ihnen vorüber. Er hatte auch Erinnerungen an diesen Ort. Erinnerungen, die er versucht hatte zu verdrängen, da sie ihm nie als relevant erschienen bei ihren bisherigen Abenteuern. Er stöhnte leise auf: „Du hast nicht nur mir eine große Aufgabe zugedacht. Auch er ist in große Fußstapfen mit vielen Problemen darin getreten!“

Die Kutsche hielt und der junge Doppelschwarze hörte das Schnauben eines neben ihm zum stehen kommenden Pferdes. Ein Paar blauer Augen, welche in eine imposante Nase und ein darunter befindliches breites Grinsen übergingen, lugten plötzlich durch die Seitentüre der Kutsche: „Wir sind da, eure Eminenz!“

Adalbert öffnete die Kutschtür nun gänzlich und so wurde die Sicht frei auf ein riesiges braunes Gemäuer.

„Das Kloster Schloss Ishiyosai! Immer wieder ein Besuch wert!“

Hörte Adalbert da etwa etwas Ironie in der Stimme des jungen Mannes, der sich nun seine Brille zurecht rückte und mit einem Satz aus der Kutsche sprang.

„Ihr habt euch also auch in so eine Kluft gezwängt!“, murmelte der ehemalige General des Dämonenheeres. Seine Eminenz in ungewohnter weißer Robe, die ihn doch stark an die Gewänder des königlichen Beraters erinnerten, schien ihm dann doch etwas zu übertrieben. Doch Murata ging auf die Bemerkung nicht näher ein. Er zog sich stattdessen eine riesige Kapuze tief über das Gesicht.

„Den Büchern nach werden Doppelschwarze als Mischblut gefürchtet und von den Göttern gejagt. Seine Eminenz daher als einen ihrer Mönche zu tarnen erschien uns daher als äußerst logisch!“, Lord Günter Baron von Kleist war aus der vorderen Kutsche entstiegen und betrachtete eingehend das uralte Gemäuer vor ihnen.

„Es sieht noch genauso aus wie vor fast 4500 Jahren!“, hörte er den Doppelschwarzen leise murmeln.

„Ihr ward bereits hier?“, Günters Augen funkelten vor Freude und unbändiger Neugier auf.

„Das Kloster stand schon vor allem Anderen hier!“, erklärte nun Lord von Bielefeld, der sich nach der langen Kutschfahrt hinter Baron von Kleist der Länge nach streckte, „Man sagt sogar, es wurde von den Urgöttern errichtet!“

„Urgötter?“, Adalbert fuhr zu ihm herum, „Wie viele Götter hüpfen denn hier noch rum? Mir hat ehrlich gesagt schon einer an sich nicht gepasst!“ Und dabei blickte er ziemlich offensichtlich auf Muratas Brustkorb, wo ein hell aufleuchtender Flakon baumelte.

Er mochte Shinou nicht. Und das würde sich auch niemals ändern. Es war einfach zu viel in der Vergangenheit vorgefallen. Adalbert von Grantz hasste es schlichtweg als Spielfigur in irgendwelche Spielchen verwickelt zu werden. Und alles was er bisher durch Shinou erlebt und ihm widerfahren war, waren lang geplante Spielchen gewesen!

Lag es im Naturell dieser Götter, Dämonen und Menschen nach ihrem Vergnügen und Belieben zu benutzen? Dazu hatte niemand ein Anrecht! Nicht einmal diese sogenannten Götter!

„Schloss Ishiyosai ist daher auch für die Götter ein heiliger Ort und somit neutraler Boden. Es diente stets für Friedensverträge oder dergleichen! Nach uraltem Recht darf hier jeder in diesen heiligen Hallen seine Meinung verkünden ohne eine Strafe dafür erwarten zu müssen!“

„Aber Bielefeld! Es mag sein, dass man sich innerhalb dieser Hallen daran hält, aber was geschieht, sobald man diese Hallen verlässt?“, Adalbert legte eine Hand an die braune, kühle Wand der meterhohen Feste.

„Bisher hat es sich nur einer getraut, gegen die Götter zu protestieren innerhalb dieses Gemäuers. Er hat das Land dann verlassen!“, von Bielefelds Blick traf Adalberts genau an Muratas Brustkorb. Dieser umschloss nun das kleine Gefäß mit seinen Händen und ließ es behutsam unter der Robe verschwinden: „Dann gehen wir erst einmal hinein und schauen, ob die Atmosphäre dort nun gemütlicher ist als damals!“, und er schritt an den Herren vorbei zu Gwendal, Conrad und Iossac, welche am Haupttor den dort patrouillierenden Mönchen die Ankunft der Gardision von Bielefeld mitteilten.
 

Es war eine seltsame Ruhe eingekehrt seit Shinous Gastauftritt.

Hachino hatte noch eine Weile geschluchzt, sich aber dann gefangen und sah nun mit noch geröteten Augen in die vorbeiziehende Dunkelheit der Nacht, die wir durchritten.

Wolfram war wieder eingeschlafen. Ich hielt immer noch seine Hand und sein Kopf war auf meine Schulter gerutscht. Sein ganzer Oberkörper war an meine Seite gelehnt und strahlte eine wunderschöne, angenehme Wärme ab.

„Ihr seht so schön zusammen aus! Das letzte Mal sah er so zufrieden aus an Rufus Seite!“, seufzte Yonno und betrachtete ihn schon fast mütterlich. Sie schien mir so wieso die perfekte Mutter! Wieso hatte sie keine Kinder?

„Ihr meint bestimmt Rufus von Bielefeld, nicht wahr!“

Sie nickte: „Ja, seine Frau!“, doch dann weiteten sich ihre Augen und eine leichte, verschämte Röte stieg ihr in die Wangen, „Also seine erste Frau! Mache dir da bitte keine Gedanken! Das ist nun mal das schwere Los...“

„...der Unsterblichkeit!“, ergänzte Hachino den Satz ihrer größeren Schwester,

„Daher sprechen wir im Allgemeinen nicht über so etwas. Es ist wirklich hart, an alle Freunde oder Menschen die man liebte erinnert zu werden, die bereits lange tot sind!“

Murata hatte immer gesagt, dass er seine Erinnerungen wie einen alten Film sehen würde. Er hatte in der ganzen Zeit viele Leben gehabt und viele Erinnerungen hinzugewonnen. Aber was wäre, wenn sein Körper die ganze Zeit ein unsterblicher Großer Weiser geblieben wäre. Im Tempel des Shinous darauf wartend, dass ein Maou auftaucht, der seinen Freund und Gründer des Reiches von dem Fluch des Begründers erlöste? Alle um ihn herum wurden groß, heirateten, bekamen Kinder, wurden alt, starben. Immer und immer wieder. Freundschaften flogen mit der Zeit dahin. Liebe? War Liebe da überhaupt möglich?

Ich hatte mich schon immer gefragt, wie Dunheely Weller und Cecilie von Spitzweg dieses Problem bewältigt hatten. Oder Nicola und Hube! Wie würde es da ausschauen, wenn Nicola immer älter wurde und starb, aber Hube noch viele viele Jahrzehnte vor sich hatte. Was mochten das für Qualen sein?

„Ich sehe deinen Augen an, dass du das Problem erkannt hast!“, Yonno beugte sich herüber und legte eine Hand auf mein Knie, „Aber nur weil Hachino und ich es nicht können einem Erwählten unser Herz zu schenken heißt das nicht, das Nana dich weniger liebt weil du sterblich bist. Er war schon immer anders als wir. Er war stets erfüllt von Liebe und Güte, weit über seine bloße Existenz hinaus! Er tat für Jeden alles was er konnte, obwohl er wusste, dass jedes dieser Leben eh vergänglich ist!“

„Yonno, zudem vergisst du, das wir gar nicht die Möglichkeit haben, jemanden unser Herz zu schenken!“, murmelte Hachino.

„Nicht?“

Sie lachte traurig: „Wie denn? Uns ist es untersagt, sich mit Dämonen oder Menschen jedweder Art einzulassen. Uns fehlt dadurch schlicht die Auswahl!“

Stimmte auch wieder!

„Nur Nana wollte sich da nicht einschränken lassen! Und da ich dies aus der Vergangenheit wusste, habe ich Mittsu den Vorschlag zu eurer Eheschließung unterbreitet. Vielleicht ist dies auch eine Chance für uns, die festgefahrenen Regeln etwas zu lockern!“

„Yonno! Sei nicht so vermessen zu glauben, Mittsu würde irgendeine Regel ändern! Ich vertraue dem, was Nana uns eben zu sicherte mehr als Mittsus Stimmungsschwankungen!“

Wolf seufzte leise im Schlaf und ich spürte, wie er meine Hand fester drückte.

Hatten wir ein Glück! Wir mussten nicht sterben mit dem Gedanken den Anderen auf ewig zurücklassen zu müssen!

Yonnos Blick richtete sich auf: „Wir sind da!“

Ich folgte ihrem Blick und entdeckte in der Ferne auf einem Hügel eine riesige Burg, die mit vielen Fackeln so hell erleuchtet war, dass man ihr ganzes Ausmaß erkennen konnte.

Sie war eine riesige Festung. In früheren Jahren galt sie bestimmt durch ihre hohen Mauern als uneinnehmbar. Das war also Schloss Ishiyosai. Und nachdem ich schon Shinou begegnet war, konnte ich mir sicher sein, dass wir unsere Freunde bald wieder sehen würden.

In mir erwachte eine unglaubliche Vorfreude, sie alle vor mir zu sehen.

Und dann würde ich mir Shinou erst einmal vorknöpfen müssen!
 

Es war früher Mittag. Ich war enttäuscht.

Wir waren mit den Kutschen durch das riesige Tor eingefahren und ausgestiegen. Wolfram war durch den abrupten Halt wach geworden, sagte aber nichts. Nachdem wir ausgestiegen waren eilten einige Männer in weißen Kutten zu uns und hießen uns willkommen. Sie alle erinnerten mich an Günter. Er stammte bestimmt von ihnen ab!

Mittsu war dann an uns herangetreten und gab den Mönchen die Anweisung, mich auf ein Zimmer zu führen.

Es war ein durchweg schlichtes Zimmer, so wie man es sich in einem Kloster nun einmal vorstellt. Und dort hatte ich die ganze Nacht wach auf dem Bett gesessen und auf Wolfram gewartet. Aber er kam nicht. Mittsu wollte mit seinen Geschwistern etwas besprechen. Das dieses Gespräch die ganze Nacht andauerte, hatte mich sehr bekümmert. Ich machte mir Sorgen.

Dann war schließlich einer dieser Mönche wieder gekommen und brachte mir ein ausreichendes Frühstück. Dieser Mönch hatte derweil die ganze Zeit mich stumm beobachtend in einer Zimmerecke gestanden und gewartet, bis ich fertig war.

Dadurch, dass ich vor lauter Sorge kaum einen Bissen herunter bekam, war seine Wartezeit nicht so lange.

Er forderte mich dann auf ihm zu folgen und so erreichte ich nun einen riesigen Saal der mich an das Unterhaus im Britischen Parlament erinnerte oder an einen übergroßen Kinosaal.

Vor der Wand gegenüber des Eingangs stand der kompletten Länge nach eine lange Tafel mit einem Dutzend qualitativ hochwertiger Sessel. Und davor reihten sich wie in einem Vorlesungssaal größere Einzeltische mit jeweils unterschiedlicher Anzahl an Stühlen dahinter. Auf jedem Tisch stand eine kleine Steintafel, auf der etwas mit goldenen Buchstaben geschrieben stand. Ich hätte die Tafeln berühren müssen, um zu erfahren, was darauf stand, aber das wäre zu auffällig gewesen. Ich vermutete, es handelte sich um Namensschilder der 25 Familien und während ich dem Mönch die Treppenstufen hinunter folgte, versuchte ich die Plätze zu zählen.

Er führte mich zu dem größten Tisch vor eben dieser Wand und zog einen etwas schlichteren Sessel hinter einem Roten hervor.

Er wies mich an, mich zu setzen.

Da saß ich nun. Relativ gut versteckt durch die vor mir stehenden großen Sessel und beobachtete, wie sich der Raum füllte.

Das war schon etwas ganz anderes als bei uns, wenn sich die zehn Adelshäuser zusammensetzten und ich auf einem Folterstuhl in deren Mitte gesetzt wurde!

Ich wusste immer noch nicht, was mit Wolfram war und merkte bei jedem erneuten Öffnen der Eingangstür, wie mein Herz hoffnungsvoll einen aufgeregten Sprung machte.

Aber auch die anderen Götter waren noch nicht erschienen.

Vermutlich betraten diese geschlossen als Letzte den Raum. Also musste ich mich in Geduld üben. Und das wäre wenigstens einfacher gewesen wenn mich nicht die Sorgen so quälen würden.

Obwohl ich so versteckt saß hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden.

Ich blickte mich suchend um, doch niemand schien explizit in meine Richtung zu schauen.

Die Türe öffnete sich erneut und eine Gruppe in weiß gekleideter Herren in Uniform erschien im Eingang. Unter ihnen war ein Mönch mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze und somit für mich nicht genau zu erkennen. Neben ihm erschien ein großer blonder Mann, der mich unwahrscheinlich an Waltorana Herzog von Bielefeld erinnerte, nur das er wesentlich längere Haare hatte. Dahinter dann ein junger, braunhaariger Herr mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht.

Conrad!

Ich sprang auf. Hinter ihm konnte ich Gwendal, Günter und Iossac erkennen!

Sie waren wirklich da! Ich wäre am Liebsten zu ihnen gelaufen. Nun betrat der Letzte dieser Gruppe den Raum und hätte ich meine Freunde nicht schon zuvor erkannt, dann wäre spätestens jetzt der Groschen gefallen! Adalbert zwängte sich durch die Gruppe durch und sah sich um. Der andere blonde Schönling, den ich nicht kannte, zeigte ihm dann einen Tisch in der hintersten Ecke des Saals.

Ich ärgerte mich, dass ich nicht einfach zu ihnen gehen konnte. Ebenso, dass sie mich aufgrund der Verkleidung nicht erkennen konnten. Meine Finger krallten sich in die rote Polsterung des Sessels vor mir. Ich beobachtete jeden Schritt der Gruppe, bis sie sich alle an diesen Tisch gesetzt hatten. Ich bemerkte, das Conrad sich nun die Zeit nahm, den Saal genauer zu betrachten. Seine silbergesprenkelten braunen Augen überflogen die sich füllenden Sitzreihen und kamen schlussendlich zu der langen Tafel mit den riesigen Sesseln.
 

Die Sessel waren alle noch unbesetzt. Wie auf einer Bühne, ausgestellt und für alle Augen im Raume gut ersichtlich, schienen diese Plätze ausschließlich den Göttern vorbehalten zu sein. Hinter dem siebten Sessel, welcher rot ausgepolstert war, erkannte er den Schatten einer jungen Frau. War sie eine der Göttinnen? Sie trug die dunkelroten Haare hochgesteckt und im gleichen Farbton ein weit ausgestelltes Kleid aus Samt und Seide.

Dieses Mädchen hatte jedoch einen Platz hinter den Sesseln. Dies deutete eher darauf hin, dass sie keine der Göttinnen war, aber dennoch hatte sie eine faszinierende Ausstrahlung auf ihn. Conrad bemerkte, dass sich ihre Blicke trafen. Braune Augen trafen auf tiefschwarze Augen.

Ich habe doch gesagt, es geht ihnen gut!

Conrad erkannte ihn im gleichen Augenblick wie er Shinous Stimme von Muratas Brust her vernahm: „Majestät!“

„Wovon redet ihr, Conrad?“, Günter von Kleist hatte sich seinen Platz direkt neben dem des ehemaligen Hauptmanns und Löwen von Ruttenberg ausgesucht und folgte nun Conrads Blick zu dem jungen Mädchen in der vordersten Reihe, welches ebenso gebannt zu ihnen heraufschaute.

„Majestät!“, rief da der königliche Berater schon etwas lauter und sprang euphorisch auf, wurde aber dann gleich von Gwendal hinter ihm rüde an der Taille umfasst und wieder auf den Stuhl gesetzt: „Ich denke, es hat einen Grund, warum seine Majestät in einem Kleid da steht, Baron von Kleist!“, zischte der Grauschwarze und Günter verstand sofort.

Seine Majestät Yuuri war in Nöten! So sehr, dass er sich als Frau hier einschleichen musste!

Wie konnte er nur in eine solche Situation geraten?

Und das ist noch nicht alles!

Noch bevor man nachfragen konnte, was Shinou genau meinte, öffnete sich erneut die Tür und im Saal wurde es schlagartig still. Alle Blicke richteten sich auf ihn.

Ein Mann mit kräftiger Statur, zu strengen Schlitzen verengten, grün funkelnden Augen und langem, eisgrauen Haar schritt die Treppen hinunter und begab sich zum größten Sessel mittig der riesigen Tafel.

„Mittsu!“, flüsterte Ludwig von Bielefeld.

Nun folgte diesem eine große, atemberaubend schöne Blondine mit freundlichen Gesichtsausdruck, die jedem Anwesenden zur Begrüßung zunickte und setzte sich neben den Eisgrauen.

Gwendal und Conrad tauschten vielsagende Blicke aus: Mutter, doch Bielefeld korrigierte ihre Gedanken mit einem trockenen: „Yonno!“

Ein weiteres Mal öffnete sich die Tür und ein Schwarzhaariger in dunkelblauer Uniform, dicht gefolgt von einem Braunhaarigen in hellblauer Uniform, schritten kurz hintereinander die Treppen mit versteinerter Mimik nach unten. Bielefeld seufzte: „Itsutsu und Muttsuno. Sie sind mit Vorsicht zu genießen. Sie sind Mittsus Kriegsstrategen!“

Erst als diese sich gesetzt hatten erkannte Conrad ein unheimliches Grinsen auf den Lippen des Eisgrauen, dessen Blick auf die Türe gerichtet war. Auch Yuuri wirkte plötzlich sehr angespannt.

Erneut knachzte die Türe und alle Blicke der Anwesenden im Saal wandten sich um.

„Wie ist das möglich!“, stöhnte plötzlich von Bielefeld und sprang auf.

Aber damit schien er nicht alleine zu sein. In diesem Saal sprang jeder mit erstauntem Gesichtsausdruck auf und starrte ungläubig zur Tür.

Überraschung!

„Deine Scherze waren schon einmal besser!“, Murata schien genervt.

„Aber wenn das Nanatsu ist“, Bielefeld wies auf Murata, „Wer ist dann das?“

Das Aufstöhnen und Gemurmel im Saal wurde immer lauter.

Mittsu grinste breit und zufrieden.

Nanatsu schritt langsam die Treppen seinen Geschwistern entgegen hinunter. An seinem Arm hatte sich Hachino eingehängt und diese strahlte über das ganze Gesicht. Das ihr niemand die gebührende Achtung schenkte, sondern alle nur ihren großen Bruder anstarrten, störte sie offensichtlich nicht.

Nachdem Nanatsu seine Schwester zu ihrem Platz begleitet hatte setzte er sich in den rotgepolsterten Sessel vor seine Majestät Yuuri.

„Ist das...seine Exzellenz?“, sprach nun Iossac als Erster diesen Gedanken aus.

„Ja, es scheint tatsächlich Wolfram zu sein!“, antwortete im Conrad.

„Was treiben die Zwei denn schon wieder?“, stöhnte Gwendal auf.

„Warum macht Lord von Bielefeld so was?“, seufzte Günter.

„Das ist euer Lord von Bielefeld?“, Ludwig von Bielefeld schien sehr verwirrt.

Unverkennbar ist er das! Ich sehe doch um einiges besser aus!

Murata verdrehte die Augen: „Läuft es wenigstens so wie du es dir gewünscht hast?“

Nein, es läuft genauso wie ich es gesehen habe!

„Was für ein Spiel spielt er jetzt wieder mit uns?“, brummte Adalbert ungehalten.

Mittsu spielt das Spielchen. Ich wechsle nur den Spielmacher aus.

Adalbert knurrte unzufrieden über diese Antwort, konnte dem aber nichts entgegnen, da nun ein braunhaariger, etwas zu klein geratener Herr nur wenige Plätze von ihnen entfernt aufgestanden war und aller Blicke auf sich zog.

„Ihre Göttlichkeit Mittsu! Was hat das zu bedeuten?“

„Baron von Bastille de Rouge, es freut mich, sie heute hier begrüßen zu dürfen!“, säuselte der Angesprochene und sein Grinsen schien sich noch eine Spur mehr in die Länge zu ziehen, „Natürlich werden wir heute alle ihre Fragen zur vollsten Zufriedenheit beantworten. Aber sind wir nicht in erster Linie alle zusammengekommen auf Einladung unseres Lord von Bielefeld?“

Die Köpfe drehten sich nun alle herum zu Ludwig von Bielefeld. Dieser erhob sich langsam: „Gewiss. Ich sprach diese Einladung aus aufgrund von Gerüchten, welche mir zu Ohren kamen, hochangesehener Mittsu, aber diese sind nun schlagartig alle revidiert, nach dem was wir hier nun miterleben dürften!“

Mittsu lachte laut auf und Bielefeld setzte sich.

„Das habe ich mir schon gedacht, auch wenn ich mich wundere, woher sie diese ominösen Gerüchte erfahren haben! Sie haben doch nicht etwa Spione in unseren Palast entsendet!“

Ludwig von Bielefeld sprang erneut erschrocken auf: „Das würde ich mich nie wagen, eure Heiligkeit! Mein ganzes Vertrauen und meine Loyalität ruht auf euren Schultern!“

„Sicher“, Mittsu nickte ihm zu und er setzte sich wieder.

Man spürte förmlich eine angespannte Stimmung zwischen den beiden Parteien.

„Dann werde ich ihnen jetzt meinen Bruder vorstellen“, er erhob sich und sein Arm fuhr weit ausschweifend in Nanatsus Richtung, „Darf ich vorstellen. Seine Göttlichkeit, Nanatsu, siebter Spross Gaarus und Nanimos, Herrscher über die östlichen Territorien Dark Makokus.“

Nanatsu erhob sich mit steinerner Miene, ließ seine Blicke durch den Saal schweifen und setzte sich schweigend wieder.

Wie eine Marionette.

„Wie wir alle wissen, kehrte uns Nanatsu vor vielen Jahren den Rücken. Es sind doch einige unschöne Dinge geschehen!“

Kann ich nur bestätigen.

„Doch er ist wieder zur Vernunft gekommen und nach Hause zurück gekehrt. Der Wunsch seinem Volke als guter Gott und Führer zu dienen war wohl stärker.“

„Aber stand nicht die Todesstrafe für seine Vergehen uns und vor allem unserer werten Schöpfer gegenüber an?“

Mittsu senkte den Blick: „Gewiss, Herzog von Rochefort, gewiss. Ich hatte auch schwer mit diesem Urteil aus der Vergangenheit zu kämpfen. Doch“, er zögerte, „ich kann mich nicht entsinnen, dass einer von ihnen“, sein Blick schnellte wieder hoch, „bei dieser Urteilsfällung schon zugegen war! Es war ein Urteil, welches ihre Urgroßeltern in eben diesen Hallen fällten und ich weigere mich daher, dieses zu vollstrecken!“

Ein Raunen ging durch die Menge.

Oh, du würdest, wenn du könntest, mir den Kopf mit einem Lächeln im Gesicht abschlagen, liebster Bruder!, zischte Shinous Stimme.

„Ich habe meinem Bruder seine Gräueltaten verziehen!“

Sicher.

„Und ich befehle euch, euch meinem Urteil zu beugen!“

„Nichts täten wir lieber als das, Hoheit! Aber was versprecht ihr euch davon? Zeigt dies dem Volk nicht Schwäche, wenn ihr eure eigenen Urteile nicht fällt?“

Mittsu wandte sich an den ihn Ansprechenden in der rechten Saalhälfte: „Warum so besorgt, Graf Freyen zu Leyenhaus? Wir werden dem Volke gar keine Möglichkeit geben, sich solchen Gedanken hinzugeben!“

Wieder wurde das Gemurmel lauter.

Mittsu wandte sich um und blickte Yuuri streng an: „Erhebe dich!“, zischte er und Yuuri sprang sogleich auf.

„Das ist Yurika Shibuya. Ein einfaches, unscheinbares, herkömmliches Mädchen vom Lande!“

„Wie kann er nur so unverfroren über unsere Majestät reden!“, schluchzte Günter leise auf.

„Und dieses Mädchen ist die Verlobte Nanatsus!“

Schlagartig herrschte Stille, ehe alle diese Stimmen sekündlich lauter wurden bis man sein eigenes Wort nicht mehr verstand.

Doch als Mittsu sich kurz räusperte, wurde es augenblicklich wieder still: „Wir werden ein großes Fest feiern. Die Verehelichung einer herkömmlichen Dämonin mit einem Gott soll ein Volksfeiertag werden! Wir wollen an diesem Tage die dunkle Vergangenheit begraben und vergessen. Und wir wollen auch den bisher minderen Gesellschaftsschichten, wie den Nachkommen der Mischblütler, die Möglichkeit geben, ein ehrenhaftes Leben zu führen!

Alle Dämonen des Volkes sollen gleichberechtigt sein unter unserer zukünftigen Herrschaft!“

„Was soll das bedeuten?“, flüsterte Lord von Bielefeld, „Er akzeptiert doch schon nicht die Existenz eines Mischbluts, wieso will er ihnen plötzlich Rechte einräumen?“

Es ist eine Falle!

Alle starrten nun wieder auf Murata. Was hatte Shinou mit Falle gemeint?

„Ich weiß, ich habe nun viel verkündet, was nun alle etwas beschäftigt. Daher möchte ich sie bitten, alles erst einmal auf sich Wirken zu lassen und nach einem über alle Maßen hervorragendem Mittagsbüffet stelle ich mich gerne all ihren Fragen!“

Mittsu erhob sich nun und schritt zügig aus dem Saal. Es dauerte noch eine Weile, bis die Ersten sich ebenfalls erhoben und mit lautem Gemurmel folgten.

Bielefeld blieb sitzen: „Eine Falle? Für wen?“

Für die, die er nie gekriegt hat und auch nie kriegen würde! Er war schon immer besessen davon es unseren Vätern Recht zu machen. Auch über deren Tod hinaus! Er würde niemals eines ihrer Gesetze abändern!

„Willst du damit sagen, er versucht sich Vertrauen zu erschleichen, nur um dann zu zuschlagen?“, Murata zog den Flakon wieder hervor. Er leuchtete intensiv weiß auf, als Shinou antwortete: Es wäre der finale Endschlag. Er lockt mit diesen falschen Versprechen die letzten Nachfahren der verbliebenen Mischblütler aus ihren Verstecken und vernichtet sie dann! Und er wird es so drehen, dass man nicht ihm diese Tat zuschieben kann, sondern Nanatsu. Also mir! Zwei Fliegen mit einer Klappe. Sein Problem mit der Angst vor dem Doppelschwarzen und sein Problem, dass ich ihm seinen Rang streitig machen könnte wären mit einem Schlag verschwunden. Er würde sogar noch tröstende Worte erfahren weil er mir ja in seiner Güte zuvor eine neue Chance gegeben hätte. Und ich befürchte dann auch, dass er in diesem Tumult dann auch den Grund findet, wieder nach den Geflohenen von damals zu suchen. Es würde auf einen Krieg mit Shin Makoku hinauslaufen!

„Das heißt also, er benutzt seine Exzellenz und den jungen Herrn, um dem Volk das Gefühl zu geben, sich nicht länger fürchten zu müssen?“, hakte Iossac nach.

„Und wenn sich dann die Mischblütler aus ihren Verstecken trauen tötet er diese!“, Adalbert sah mit finsterem Blick auf den Sessel, wo wenige Augenblicke zuvor noch der oberste der Götterdämonen gesessen hatte, „Ob die Beiden davon etwas ahnen?“

„Sicherlich nicht. Shibuya würde sonst diese Rolle nicht spielen. Ihnen wurde etwas anderes erzählt!“, flüsterte Murata nachdenklich.

„Wir müssen irgendwie an sie herankommen!“, Conrad beobachtete den stetig leerer werdenden Saal.

„Ich denke, das Büffet bietet bestimmt eine Möglichkeit, wenigstens an seine Majestät Yuuri heranzukommen!“, Günter erhob sich, „Aber ich bin mir nicht so sicher, ob es jetzt eine gute Idee wäre, ihn von unserem Verdacht zu unterrichten!“

„Iossac!“, Gwendal wandte sich dem königlichen Spion zu, „Schafft ihr das?“

Der muskulöse Orangehaarige grinste: „Natürlich!“ und verschwand in der hinaus strömenden Menge.

„Wieso schnappen wir uns die Beiden nicht einfach und machen die Fliege?“, Adalbert legte eine Hand auf den Griff seines Schwertes, um zu signalisieren, dass er jederzeit bereit war.

Wir hätten keine Chance gegen Mittsu. Er würde sie nicht entkommen lassen. Zumindest nicht lebend!

„Das passt gar nicht zu dir! Du bist doch sonst immer so siegessicher!“, murmelte der Doppelschwarze und betrachtete die Seelenperle bekümmert.

Wenn es nur um mich gehen würde, wäre es mir einerlei. Ich würde mich Mittsu stellen. Aber hier geht es um das Leben sehr vieler Dämonen! Und auch wenn es in der Vergangenheit nicht den Anschein gemacht hat...

„Wolfram ist euch wichtig!“, flüsterte Conrad und alle konnten das deutliche Flackern erkennen, was darauf folgte.
 

Ich saß immer noch etwas irritiert da.

So sah also eine Versammlung der 25 Adelshäuser von Dark Makoku aus.

Eigentlich war es nichts weiter gewesen, als die Zurschaustellung von Wolfram als Nanatsu und der Verkündung, dass er mich ehelichen wolle, oder wohl eher vielmehr solle.

Es hatte einige fragende Gesichter in der Menge gegeben, welche sich nun durch die Türe nach draußen presste um zum Büffet zu kommen. Ich blieb sitzen. Ich richtete mich da nach Wolfram. Ich hatte mit ihm keinen Augenblick mehr alleine und unbeobachtet verbringen können, seitdem wir aus seinen Gemächern im Wolkenpalast in Kumo abgeholt worden waren.

Ob er auch unsere Freunde in der Menge erkannt und gesehen hatte? Ich konnte es ihm nicht anmerken. Er saß ganz still da, seine Augen blickten leer auf die Tischplatte vor ihm.

Ich erhob mich und beugte mich von hinten über seine Schulter: „Du hast mir letzte Nacht gefehlt!“

Schwungvoll drehte er seinen Kopf in meine Richtung. Seine Wangen leicht gerötet und mit aufleuchtenden Augen. Wie sehr wünschte ich doch, sie wären grün!

„Er hält uns bewusst voneinander getrennt. Er ist vorsichtig!“

Yonno und Hachino wurden von zwei Mönchen abgeholt und erhoben sich. Doch Wolfram blieb weiterhin sitzen. Ich versuchte, die Dämonen um ums herum auszublenden, um mir wenigstens einen Augenblick Zweisamkeit mit ihm vorzustellen.

Doch er schien dafür gar nicht so richtig aufnahmebereit: „Hast du sie auch gesehen?“

„Ja“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

„Ich fürchte, er auch!“

Ich zuckte zusammen. Konnte Mittsu ahnen, dass sich unsere Freunde auch hier befanden?

„Er hat eben so eine seltsame Bemerkung gemacht!“, flüsterte er.

„Wie?“

„Das ich noch nicht das Zepter hätte. Er hätte es aber mitgebracht. Und ich solle tun, was er sagt und auf keine dummen Gedanken kommen!“

„Wolf, bitte, lass uns verschwinden!“

„Es ist hier, Yuuri! Gib mir nur etwas Zeit und ich hole es uns!“

„Aber...“, ich konnte nicht weiter reden.

Einer der Mönche war nun zu uns getreten: „Ihre Hoheit Hachino wünscht ihren werten Bruder noch vor dem Essen alleine zu sprechen!“

Wolfram erhob sich. Ein müdes Lächeln umspielte seine Lippen: „Ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber es tut mir leid. Ich muss!“

Er trat an mir vorbei und ging dem Herrn in der weißen Kutte nach.

In mir regte sich ein ganz flaues Gefühl.

Irgendetwas an dieser ganzen Situation passte mir ganz und gar nicht.

Wolfram schien bedrückt. Natürlich waren wir nicht in einer Position, hier fröhlich bei einander zu sitzen, aber so vertieft in Gedanken hatte ich ihn lang nicht mehr gesehen. Das letzte Mal war es so extrem... ich dachte nach...

In der Bibliothek von Shin Makoku! Einen Tag bevor der vom Begründer übernommene Shinou ihm die Kraft seines Herzens aus dem Körper riss!

Da hatte er gesagt, er würde schlecht schlafen. Aber er hatte doch in der Kutsche eigentlich ganz ruhig geschlafen.

In mir kroch Angst hoch. Es war doch alles in Ordnung mit ihm, oder?

Wieso hatte ich dann plötzlich das Gefühl, dass ich ihm noch etwas sehr wichtiges hätte sagen müssen?

Verdammt!

„Kann ich sie zum Essen begleiten?“, hörte ich hinter mir eine süßlich aufgesetzte Stimme und drehte mich herum. Ich erschrak. Wie konnte so etwas passieren? Unter all diesen Schönlingen, die diese Welt mir bisher vorgesetzt hatte und ich mit meinem Selbstwertgefühl dadurch in den tiefsten Keller gesaust war, tauchte in eben diesem Keller wieder Licht auf! Das Lächeln der jungen Frau vor mir ließ absolut schiefe Zähne erstrahlen. Das Make up war viel zu grell, der auf dem Kopf befindliche Turban reich geschmückt mit irgendwelchen Federn und das Kleid wirkte eher wie eine alte Gardine aus Großmutters Fundus!

Doch eine Tatsache ließ mich dann doch wieder knallhart in die Realität zurücksausen:

Muskulöse, starke Oberarme blitzen aus eben dieser Gardine hervor.

„Iossac!“, stöhnte ich glücklich auf.

„Ha!“, diese entstellte Erscheinung vor mir legte den Kopf schräg, „Dem jungen Herrn mache ich auch schon nichts mehr vor!“



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