Zum Inhalt der Seite

Kyo Kara Maou Novel: Reise zum Beginn - Abenteuer in Dark Makoku

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 14

KAPITEL 14
 


 

Ich muss schon sagen, Hilde hatte einen wirklich festen Griff.

Und ein wirklich zügiges Tempo.

Sie hatte mein Handgelenk fest umschlossen und zog mich aus dem Thronsaal heraus auf die unendlich langen, weißen Gänge. Eigentlich war es schon kein hinter sich herziehen mehr, sondern eher ein schleifen.

Leise murmelte sie irgendwelche unverständlichen Bemerkungen über Zufälle und Götter, die für sie unbegreiflich handelten und taten.

Ich war noch gar nicht wirklich wieder bei klarem Verstand, da hielt sie abrupt an, fuhr sich nachdenklich über das Kinn und schielte dann zu mir hoch:

„Ach, Mädchen, du kannst einem eigentlich leid tun!“

Ich zögerte.

Mein Puls raste immer noch, meine Beine schafften gerade so den normalen Stand und mein Herz raste wie der Kokutetsu zwischen Tokyo und Osaka. Mir ging Wolfram einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Wieso sollte ich da jemanden leid tun?

„Die Götter spielen doch immer nur mit unsereins. Wer weiß, für welche Intrigen du nun missbraucht wirst!“

Diese Hilde schien gar nicht so ein Drachen zu sein, wie ich anfänglich vermutet hatte. Sie schien sogar richtig besorgt um jedes einzelne Mädchen, welches ihr unterstellt war. Vermutlich rührte daher ihre Strenge.

„Macht euch bitte keine Gedanken um mich!“, ich löste mein schmerzendes Handgelenk aus ihrer festen Umklammerung und sie lächelte.

Es war ein mütterliches Lächeln. So eins, welches eine Mutter ihrem Kind schenkt, welches auf eine lange Reise geht.

„Aber vielleicht hast du Glück! Der Legende nach war Nanatsu stets auf der Seite des Volkes!“

Ja, war er bestimmt. Und mein Wolfram war es an und für sich auch. Nun ja, Wolfram richtete sich immer nach mir. Er tat was ich mir direkt oder indirekt wünschte. Mittlerweile wusste ich auch, dass er dies nicht nur aus Pflichtbewusstsein seines Königs gegenüber tat. Er tat es, weil ich ihm wohl wichtig war. Weil ich sein Freund war.

Aber küssten Freunde sich und machten sich gegenseitig Heiratsanträge, welche sie auch noch bejahten?

Also, mein Heiratsantrag damals war eindeutig ein Missverständnis. Ein Unfall, der durch meine Unwissenheit über die Sitten und Gebräuche in dieser Welt herrührte!

Aber gerade eben... das war doch echt!

Obwohl, er hatte gesagt ich solle ein Spielchen mitspielen.

Hm.

Hatte ich deswegen genickt und den Antrag angenommen?

War es wirklich nur deswegen?

„Nun komm schon mit!“, riss mich Hilde aus meinen Gedanken und ich bemerkte, dass sie schon einige Schritte weitergegangen war. Ich sollte sie in diesem Labyrinth aus sterilen weißen Wänden nicht verlieren. Ich würde hier niemals wieder herausfinden!

Langsam setzte ich einen Fuß vor den Anderen. Noch immer hatte ich das Gefühl, der Boden unter meinen Füßen würde schwanken wie der Rote Seestern im Orkan.

Genau! Der Orkan! Wieso hatte ich so unüberlegt gehandelt? Wieso war ich direkt hinterher gesprungen? Es gab auch andere Möglichkeiten, Wolfram zu retten. Ich hätte mich doch nicht direkt, ohne nachzudenken, in die Fluten stürzen müssen!

Und wieso raste mein Herz immer noch? Oder gerade dann so heftig, wenn ich an Wolfram dachte?

Ob er noch lange da drinnen bei diesen Göttern im Saal speisen musste?

Wieso spielte er eigentlich Nanatsu? Diese blauen Augen standen ihm nicht! Aber er mochte es ja auch nicht so besonders, wenn ich Kontaktlinsen trug und meine Haare färbte, wenn wir unerkannt bleiben wollten während wir durch die Gebiete der Menschen reisten.

Seine grünen Augen hatten doch so etwas Besonderes! Aber anscheinend war diese Rolle, die er gerade spielte sehr wichtig und ernst!

Hilde vor mir bog wieder ab. Sie hatte ihr Tempo verlangsamt. Das kam mir sehr entgegen. Je weiter wir uns vom Saal entfernten desto mehr beruhigte ich mich. Dafür kam nun eine vollkommen neue Angst hinzu: Wohin brachte man mich? Ich hatte gerade Wolfram gefunden und nun entfernte ich mich wieder von ihm! Das dürfte ich nicht!

Diesmal war ich es, der stehen blieb. Hilde fiel dies sogleich auf und drehte sich zu mir herum:

„Warum gehst du nicht weiter?“

„Wohin gehen wir denn überhaupt?“

Sie lachte auf: „Du bist gut! Du bist doch nun kein Dienstmädchen mehr!“

„Nicht?“

„Du hast die größtmögliche Beförderung erhalten, die es in diesem Reich gibt!“, sie kam mir nun wieder näher und nahm behutsam meine Hand in ihre von der Arbeit rauen Hände, „Du bist nun eine Hoheit!“

Ehrlich gesagt, war ich das schon länger und ich hatte es nie so wirklich akzeptiert, dass man mich so nannte.

„Und daher bringe ich dich jetzt in die hoheitlichen Gemächer seiner Gottheit Nanatsu.“

JA!

Mein Gesicht musste wohl aufgestrahlt haben wie ein Flutlicht im Bostoner Fenway Park Stadion, denn Hilde kicherte: „Das ich das noch erleben darf! Liebe auf den ersten Blick!“

Hä? Wer? Ich?

„Aber anscheinend ergeht es seiner Hoheit Nanatsu ähnlich, sonst hätte er dich ja nicht gefragt!“,

Sie wandte sich wieder ab, „Wir sind gleich da!“

Ich würde Wolfram also nicht aus den Augen verlieren! Nein! Es kam noch besser! Ich wurde auf sein Zimmer gebracht!

Dann würde er irgendwann, ich hoffte sehr bald, kommen und wir würden uns Gedanken machen, wie wir hier am Besten verschwinden könnten!

Das meine Suche nach ihm so glücklich und schnell verlaufen war stimmte mich fröhlich und ich schaffte es nun, doch schneller zu laufen. Diesmal kam Hilde kaum noch nach.

„Stopp!“, rief sie und ich hielt an einer Gabelung.

„Dort ist es“, sie zeigte auf eine mit Messing beschlagene weiße Türe nur wenige Meter seitlich vor uns, „Du gehst hinein und wartest.“

Ich lächelte sie an: „Danke, Hilde! Wir werden uns doch bestimmt trotzdem noch sehen, nicht wahr?“

Sie lachte erneut hell auf: „Das denke ich doch! Solange du essen musst, werde ich diejenige sein, die dir das Essen serviert. Das ist seit 300 Jahren meine Aufgabe und das wird sie wohl auch noch eine Zeitlang bleiben!“

Ich verbeugte mich zum Abschied und ging zur Tür. Langsam drückte ich die schwere Klinke nach unten und blickte vorsichtig in den Raum.

Er war riesig. Es war mehr eine Wohnung, als ein Zimmer. Zuerst betrat ich den Eingangsbereich. Geradezu ging es zu einer gemütlichen, riesigen Sitzlandschaft vor einem Kamin. Über diesem Kamin hing ein riesiges Bild von Shinou. Obwohl... kann ich ihn jetzt noch Shinou nennen?

Links von mir entdeckte ich durch einen Türspalt, dass es da wohl zu den Waschräumen ging und rechts von mir fiel mein Blick auf ein riesiges Himmelbett. Und ich meine riesig, wenn ich riesig sage! Ich kannte hier schon einige große Betten. Das Bett in meinem Zimmer im Schloss des Blutigen Eides war schließlich nicht zu verachten, aber dieses Bett... das war ein Traum!

Wenn ich solch ein großes Bett hätte würde mich Wolfram nachts nicht mehr treten können, weil er einfach gar keine Möglichkeit dazu hätte an mich heranzukommen!

Die Verführung war einfach zu groß! Ich nahm Anlauf und sprang! Es federte herrlich!

Wieso benahm ich mich plötzlich so kindisch? Ich sprang auf einem riesigen Himmelbett Trampolin in einer Dienstmädchenuniform!

Shinou sei Dank konnte mich niemand aus Shin Makoku sehen. So benahm sich sicherlich kein König! Ich musste mir Günters Gesichtsausdruck vorstellen, wenn er mich jetzt so sehen würde und lachte laut auf! Verdammt! War ich gut gelaunt!

Ich ließ mich fallen und betrachtete seufzend die einzelnen Wellen die der gespannte Stoff des Betthimmels über meinem Kopf zog. Ich fühlte mich unglaublich leicht!

Ich hatte Wolfram gefunden! Ein riesiger Brocken war von meinen Schultern gefallen und hatte sich in Luft aufgelöst! Mit von mir gestreckten Armen und Beinen schloss ich meine Augen und atmete tief ein und aus.

Ich sah Wolfram vor mir.

Er hielt mein Gesicht am Kinn gestützt mit seiner Hand.

Langsam näherte sich sein Gesicht dem meinen an.

Seine Lippen berührten meine.

Zuerst ganz sachte, doch dann immer fordernder.

Und ich wollte es so. Ich wollte mehr!

Ich wollte von ihm berührt werden.

Ich wollte von ihm geküsst werden.

Ich wollte ihn spüren.

Ich wollte in seinen grünen Augen versinken.

Moment!

Schlagartig öffnete ich meine Augen und starrte wieder hoch an den Baldachin.

Ich bin nicht schwul!

Kerzengerade saß ich wieder im Bett.

Was war das?

Was waren das für Gedanken?

Und was um Himmels willen fühlte ich da?

Mein Herz klopfte wie wild! Wie konnte das sein? Er war doch mein bester Freund! Na ja, okay, ein bester Freund mit Zusatzpunkten. Und ja, wir waren nun in zweifacher Hinsicht verlobt!

Dabei hatte ich schon die einfache Verlobung als problematisch empfunden!

Meine Finger berührten vorsichtig meine Lippen.

Da hatte er mich geküsst. Das war so berauschend und schön zugleich gewesen!

Es war nicht das erste Mal das wir uns geküsst hatten.

Das erste Mal ging auf Shinous Kappe! Das zweite Mal hatte ich mir eingeredet, dass ich eine Frau küsste um den Fluch loszuwerden. Aber jetzt?

Moment!

Frau!

Ich ließ die Begegnung mit Wolfram noch einmal Stück für Stück Revue passieren.

Er saß am Tisch. Er stand vor mir. Er beugte sich zu mir herunter. Er küsste mich. Er ging wieder an seinen Platz.

Wo waren seine Brüste hin?

Wo seine wohlgeformten Hüften?

Er sah jetzt aus wie Shinou, ich meine Nanatsu, aber löste das gleich den ganzen Fluch?

Oder hatte ich mittlerweile so gut gelernt, es zu ignorieren, dass ich es nicht mehr sah?

Quatsch! Das ist Unsinn! Der Fluch war ja schon nicht real, wie konnte dann also eine Einbildung von der Einbildung real sein?

Ich warf mich wieder nach hinten in die Kissen. War der Fluch gebrochen? Und ich wieder geheilt? Wie ist mir das denn gelungen? Wir hatten doch noch gar nicht das Zepter!

Was hatte ich denn gemacht, dass der Fluch aufgehoben worden war?

Ich hatte einen Schlag an den Kopf bekommen durch Rebekahs Karren!

Nein! Das konnte es nicht sein! Da war das Unglück auf See weitaus schlimmer und da war Wolfram auch noch ganz Frau als wir hier strandeten.

Ich wurde rot als ich wieder an diese peinliche Situation vor dem Badezimmer dachte.

Ach, wie gerne hätte ich ihn da geküsst!

Oh! Schon wieder! Wieso denke ich so über Wolfram?

Er ist ein Mann. Ich bin ein Mann. Wir sind beide Männer. Unabänderbar. Ende.

Er schaut zwar schöner aus als alle Frauen beider Welten zusammen und hat auch einen tollen Körper und sein Lächeln ist umwerfend und... Verdammt!

Ich sollte kalt duschen!

Ich wollte gerade aufstehen, da hörte ich die Eingangstüre aufgehen. Ob das Wolfram war?

Schnell kletterte ich aus dem Bett und lief zur Türe.

Dort standen allerdings zwei Dienstmädchen, die, als sie mich entdeckt hatten, einen tiefen Hofknicks präsentierten und mit gesenkten Köpfen um Verzeihung baten. Dann erhob eine den Blick und lächelte freundlich: „Madame Hilde schickt uns, um Lady Yurika beim Wechsel der Garderobe behilflich zu sein!“

„In Ordnung!“, antwortete ich verlegen.

Doch dann dämmerte es mir: „Nein! Halt! Nicht nötig!“ , Wild gestikulierend wirbelte ich mit den Armen durch die Luft, „Ich kann mich schon ganz alleine umziehen! Sagt mir nur was ich anziehen soll!“

„Aber werte Lady! Es ist unsere Aufgabe, euch einzukleiden!“, die Größere der Beiden, ein Mädchen mit toupierten rosafarbenen Haaren, machte einen Schritt auf mich zu.

Dieser Schritt hatte für mich was wirklich bedrohliches! Sie dürften mich nicht umziehen!

Dann würde man sehen, dass ich ein Mann war! Rebekah hatte die Brustpolster in das Kleid hinein genäht! Und auch sonst war mein nackter Körper ganz sicher als absolut männlich zu erkennen!

Ich wich einen Schritt zurück. Doch das hielt die beiden Mädchen nicht davon ab, nun beide auf mich zu zu kommen!

„Bitte, lasst einfach etwas zum anziehen da! Ich brauche eure Hilfe wirklich nicht!“

Mir war bewusst, dass die Beiden nur ihre Arbeit verrichten wollten und die Aufträge erfüllen mussten, die man ihnen auftrug. Aber warum musste ausgerechnet ich so ein Auftrag sein?

Ich knallte mit dem Rücken an den Türrahmen zum Schlafzimmer.

Es gab kein Entrinnen!

Die Größere nahm meine Hand, die etwas Kleinere, mit perlmuttfarbenem Haar, umschloss meine Hüfte. So zogen und schoben sie mich auf die angelehnte Badezimmertüre zu.

„Ich brauche eure Hilfe nicht!“, mein Ton wurde unabsichtlich lauter. Das mag wohl an der aufsteigenden Panik gelegen haben, die sich nun in mir breit machte.

Wenn die Beiden heraus bekamen, dass Yurika ein Yuuri war, dann war ich die längste Zeit in Wolframs Nähe gewesen!

Sie schoben und zogen kräftiger.

„Wenn ihr es wünscht, könnt ihr nun auch zuerst ein Bad nehmen und wir cremen euch den Rücken!“

„Was?“

„Hier cremt nur einer diesen Rücken, und das bin ich!“

Oh Götter aller Welten! Ich danke euch!

„Lasst los!“, keifte es hinter mir und ich wusste, wer da gerade seinen Anfall bekam und ich muss sagen, gerade in diesem Moment war ich wirklich sehr glücklich darüber.

Augenblicklich ließen die beiden Mädchen von mir ab. Ein bisschen leid taten sie mir nun schon.

Denn Wolfram stand breitbeinig und mit geballten Fäusten in den Hüften in der Zimmertür. Mit rotem Kopf funkelte er die beiden Dienstmädchen an, welche sich sogleich ganz tief verbeugten und in dieser Körperhaltung langsam Richtung Zimmertür schlichen.

„Es tut uns so leid, eure Heiligkeit! Bitte vergebt uns!“, und schon waren sie verschwunden.

Ich seufzte laut und erleichtert auf. Das war wirklich knapp!

Die Zimmertür fiel leise ins Schloss.

„Da lasse ich dich auch nur einen klitzekleinen Augenblick unbeobachtet und du Schwerenöter bändelst gleich mit zwei Zimmermädchen an?“

Oh je! Wieso hatte Wolframs Eifersucht nicht auch gleich das Zimmer mit verlassen können?

Ich grinste verlegen und kratzte mich am Hinterkopf: „Wolf, ich glaube, du verstehst da was total falsch!“

„Was gibt es denn da falsch zu verstehen? Du wolltest mit den Beiden im Badezimmer verschwinden! Das war doch offensichtlich! Und sie sollten dich eincremen! Das ist doch wohl eindeutig die Aufgabe eines Verlobten! Wenn du eingecremt werden willst hast du dich an mich zu wenden und dir nicht jemand anderen zu suchen!“, er verschränkte die Arme vor der Brust und schmollte mit erhobenem Haupt und zugekniffenen Augen.

Ich musste lachen. Ich wollte eigentlich nicht lachen weil ich Wolfram nicht kränken wollte, aber ich konnte es beim besten Willen nicht mehr unterdrücken. Das war so typisch für ihn! Die Welt konnte untergehen, er konnte aussehen wie Shinou, aber Wolfram blieb nun mal Wolfram! Verwundert öffnete er ein Auge und schielte zu mir herüber.

„Oh, Wolf, was bin ich froh dich zu sehen!“, mit einem Satz war ich zu ihm herübergesprungen und schlang meine Arme um ihn, um ihn fest an mich zu drücken.

„Yuuri! Was soll denn das?“, rief er erschrocken auf, doch auch ich spürte, wie er nach kurzer Bedenkzeit die Arme um mich schloss.

„Ich hab mir wahnsinnige Sorgen gemacht! Was machst du hier? Und warum schaust du aus wie Shinou? Und...“, ich löste mich von ihm und blickte verwundert an ihm herunter, „wie hast du es geschafft so schnell zu wachsen?“

Tatsache! Er war größer. Und zwar nicht ein oder zwei Zentimeter, die ich mir durch einen Wachstumsschub hätte erklären können, sondern ein ganz gewaltiges Stück! Wir waren auf einer Augenhöhe! Vor vier Wochen kitzelten mich sein Haar noch an der Nase!

Wolframs Gesichtsausdruck bleib absolut nichtssagend!

Er schritt an mir vorbei auf die Sitzlandschaft zu und setzte sich direkt neben den Kamin, indem ein kleines Feuer brannte und eine angenehme Wärme schenkte.

Zunächst war ich stehen geblieben und hatte ihn mir genauer betrachtet. Er war nicht nur größer, sondern hatte auch breitere Schultern. Seine ganze Statur wirkte irgendwie erwachsener. Zunächst redete ich mir ein, dass dies mitunter an dem gewöhnungsbedürftigen Kleidungsstil liegen könnte. Dann an möglichen Schulterpolstern, welche in dieses Shinou-Cosplay eingearbeitet waren.

Aber das war es nicht. Nicht nur ich wurde erwachsen. Wolfram auch.

Und ich musste mir eingestehen, dass es ihm überhaupt nicht schlecht stand! Er hatte das Wiener Chorknabenimage abgelegt und hatte sich zu einem wahren Traum für Frauen, aber auch für Männer, entwickelt. Sein ganzes Erscheinungsbild konnte nun spielend das von Günter in den Schatten stellen! Wolfram sah nun zu mir herüber und die blauen Augen, welche für mich absolut gewöhnungsbedürftig waren, leuchteten unter seinen langen schwarzen Wimpern. Er lächelte auf. Anscheinend wurde ihm sowie mir selbst erst jetzt bewusst, wie sehr ich ihn die ganze Zeit anstarrte! Ich merkte wie mir eine Röte ins Gesicht stieg und setzte mich ihm gegenüber auf einen Fußhocker.

„Ich habe mir auch Sorgen um dich gemacht, Yuuri“, fing er leise an und seine Augen hielten den Blickkontakt zu mir. Ich merkte, wie mich das nervös machte, versuchte aber es nicht nach außen hin zu zeigen.

„Um es kurz zu machen“, begann er, „Ich bin Shinous Urenkel!“

Ich hab's geahnt! Wolf konnte nur göttlicher Abstammung sein!

„Somit bin ich ein Mischblut!“, er schluckte. Er war immer so stolz, ein reinblütiger Dämon zu sein und dies schien ihn irgendwie zu belasten.

„Ich finde das gar nicht schlimm! Ich bin doch auch einer! Und du hast dich doch auch an meinen menschlichen Anteil gewöhnt!“

Er grummelte: „Was mich daran stört, ist, dass Shinou es nicht für nötig befunden hatte, es mir zu sagen und ich die Wahrheit hier so vorgeworfen bekommen habe!“

„Da hast du allerdings Recht!“

„Hier denken alle ausnahmslos ich sei Shinou, also Nanatsu. Alle bis auf Mittsu!“, Wolframs Augen verengten sich zu Schlitzen, „Es ist sein Spiel, in dem wir beide nun die Figuren sind!“

„Was meinst du damit?“

„Ich weiß auch noch nicht, was er genau damit bezwecken will. Er bot mir Freiheit sowie das Zepter an, wenn ich mit spiele. Ansonsten die Strafe, die jedes Mischblut erfahren würde“, er brauchte nicht zu sagen, um was für eine Strafe es sich dabei handeln würde, denn man sah es deutlich an seinen Gesichtszügen, „Und natürlich ist mir klar, dass mich nach seinem Spiel die Strafe dennoch erwarten würde. Jedoch versteh ich den Sinn nicht. Er macht keinen Hehl daraus, das er für alle niederen Stände außer seinem eigenen nichts übrig hat. Dennoch lässt er von Hundshaupten verschwinden und alle Beweise vernichten, die belegen könnten, dass ich nicht Shinou bin. Und Shinou wird hier als Volksheld gefeiert. Also schlichtweg bin ich in meiner Rolle doch ein weitaus größeres Dorn in seinem Auge als als herkömmliches Mischblut! Aber er gibt alles, um die Täuschung, Nanatsu sei durch mich zurückgekehrt, zu erhalten. Sieh mich an, Yuuri! Er legt mir die Hand auf und ich bin so groß wie du! Er legt mir die Hand auf und all meine Verletzungen sind verschwunden! Mit Mittsu ist nicht zu spaßen! Er ist unglaublich mächtig und undurchschaubar! Er spielt ebenfalls eine Rolle! Selbst vor seinen Geschwistern! Er hält alle Fäden in der Hand! “

„Wolf, wir brauchen das Zepter nicht mehr! Lass uns hier verschwinden!“, und das war mir todernst! Ich wollte nicht, dass Wolfram länger hier einer Gefahr ausgesetzt war!

„Natürlich brauchst du es! Was ist mit dem Fluch?“

„Ich sehe dich wieder ganz normal. Na ja, nicht ganz normal, schließlich schaust du gerade aus wie Shinou. Aber du hast weder Brüste noch sonst irgendetwas...ähm...untypisches an dir!“

„Seit wann?“

„Seit dem Thronsaal! Also in der Pension warst du noch eine Frau!“

„Hm“, er legte sein Gesicht in die Hände, „Mittsu sagte, das Zepter reagiert ausschließlich nur auf Shinou. Du hast Shinous Nachfolge übernommen, also reagiert es auf dich!“, er blickte mir wieder direkt in die Augen, „das heißt, dass Zepter ist wirklich ganz in unserer Nähe! So nah, dass es den Fluch von dir genommen hat!“

War das die Erklärung, die ich eben gesucht hatte? Oder war die Erklärung eine ganz Andere, an die wir bisher überhaupt noch nicht dachten?

„Wir sollten wenigstens das Zepter noch irgendwie in die Finger kriegen, ehe wir hier verschwinden, Yuuri!“

„Warum, Wolfram? Warum weiterhin einer Gefahr aussetzen und uns für ominöse Zwecke von diesem Mittsu benutzen lassen?“

„Weil... weil...“, er sprang auf , „weil ich nie wieder Angst haben möchte, dass dich irgendein dämlicher Fluch erwischt! Denn davor kann ich dich nicht beschützen! Und wenn ich dich nicht davor schützen kann, aber dieses Ding kann es, dann will ich dieses Ding auch haben!“

Mit leicht rosa angehauchten Wangen setzte er sich wieder.

Er tat es schon wieder. Er setzte sein Leben für mein Wohl aufs Spiel: „Ob ich dir das jemals abgewöhnen kann?“, flüsterte ich.

„Wie?“

Ich lächelte bekümmert: „Warum machst du das für mich? Und bitte sag nun nicht, weil es deine Pflicht ist ob als Soldat oder als Verlobter!“

„Du weißt, warum!“, zischte er und neigte den Kopf wieder zur Seite, „Und warum springst du dann jedes mal hinterher wenn es dich stört, dass ich so handle?“

Ich lächelte müde: „Du weißt, warum!“

Sein Blick richtete sich augenblicklich auf mich und starrte mich ungläubig an. Ich wusste doch selbst noch nicht warum. Aber in mir drin war etwas, das mir sagte, dass es richtig war.

Egal was war, was ist oder noch kommt, ich wollte nicht von Wolfram getrennt sein.

Ich wusste noch nicht mit Sicherheit, wie ich die Schublade nennen sollte, wo ich diese Gefühle einordnen konnte, aber ich wusste mittlerweile definitiv schon, dass da was war. Und ich wusste auch, dass ich nicht länger davor wegrennen wollte und das ich mich dem Ganzen stellen wollte. Egal wie das Ergebnis aussehen mochte. Ich fand, dass war für mich schon eine große Einsicht!

Er erhob sich plötzlich und schritt langsam auf mich zu. Ich merkte ihm plötzlich eine Unsicherheit an, die er zuvor im Thronsaal nicht hatte. Dort war er sehr selbstbewusst aufgetreten, doch nun war er sich seines Handelns nicht mehr so sicher. Er blieb direkt vor mir stehen und kniete sich vor mich.

Er sagte nichts. Er sah mich nur an.

Ich sagte nichts und erwiderte seinen Blick.

Es lag etwas Unausgesprochenes zwischen uns in der Luft und keiner von uns beiden wagte es, es zu benennen.

Ich merkte wieder, wie mein Herz aussetzte und dann stolpernd in die Raserei überging.

Ich wollte ihn berühren. Für diesen einen kleinen Moment würde mir das schon reichen. Nur ganz kurz seine weiche Haut berühren, seine Wärme spüren. Nur ganz kurz.

Ich hob ganz langsam meine Hand. Er rührte sich nicht. Meine Finger glitten langsam auf seine Wange. Genau die Wange, die ich vor drei Jahren in absoluter Wut geschlagen hatte und somit einen Antrag gestellt hatte. Ich merkte, wie sich der Druck seines Gesichtes in meiner Hand verstärkte.

Seine Wange hinab zum Hals streichelnd näherte ich mein Gesicht dem seinen an.

Ich wollte ihn nur ganz kurz spüren. Ich spürte in mir ein Feuer, welches nach mehr verlangte. So sehr, als wäre es überlebenswichtig! Als könne ich ohne all dies keinen Augenblick länger atmen, fühlen, sein, leben.

Nur noch wenige Zentimeter trennten unsere Gesichter voneinander. Nur noch wenige Augenblicke trennten meinen Verstand vor dem totalen Aussetzen. Mein Atem ging hörbar schneller, nicht nur mein Atem. Seiner auch!

Wolfram! Wolfram, ich...

Es klopfte laut.

Wir beide zuckten erschrocken zusammen. Es hatte uns in die Realität zurück katapultiert!

Verdammt!

Es klopfte nochmals, diesmal ungehaltener.

„Nanatsu, öffne!“

Wolframs Augen weiteten sich.

„Yuuri! Vertrau mir! Versteck dich unter dem Bett und verhalte dich still!“

Natürlich vertraute ich ihm! Er würde schon wissen, was zu tun war. Er hatte da eindeutig mehr Erfahrung als ich. Er sprang auf, nahm mich an die Hand, die zuvor noch sein Gesicht berührt hatte und zog mich vom Hocker herunter durch den Eingangsbereich ins Schlafzimmer. Er hob die riesige Tagesdecke an und ich krabbelte unter das Bett. Die Tagesdecke fiel zurück in ihre Ursprungslage und Wolframs Schritte entfernten sich zügig.

Die Eingangstüre öffnete sich: „Tut mir leid, Mittsu. Ich hatte mich nach dem üppigen Mahl erst einmal hinlegen müssen!“ , hörte ich Wolfram lügen.

„Schon gut!“, ich hörte Schritte hereinkommen, „Ist diese Dienstmagd hier?“

„Nein. Sie wurde zur Kleideranprobe abgeholt!“, Wolframs Stimme hörte sich absolut glaubhaft an. Ich stellte es mir wahnsinnig schwierig vor, einen Gott anzulügen! Anscheinend waren Götter doch nicht allwissend oder allsehend! Unser Glück!

„Sehr gut! Wir haben da einiges zu besprechen!“, ich hörte, wie sich diese Stimme entfernte und wohl zum Kamin schritt. Sehr gut! Sie entfernten sich zwar vom Schlafzimmer, aber ich konnte noch alles hervorragend verstehen. Sollte Wolfram in Gefahr geraten, würde ich einschreiten können!

„Ihr habt euch wunderbar in eure Rolle eingefügt!“, fuhr Mittsu fort, „Niemand schöpft Verdacht, dass ihr nicht der Echte seid! Im Gegenteil! Meine Schwestern sind überaus glücklich! Ich denke sogar, dass sich Yonno bald wieder so weit gefangen hat, dass sie wieder aussagekräftige Visionen zu unser aller Zukunft erhalten wird!“

„Ist dies denn nicht auch mit einem Risiko behaftet?“, hörte ich Wolfram mit zweifelndem Unterton.

„Wie meint ihr das?“

„Wenn Yonno in diesen Visionen die Wahrheit erkennt, meine ich!“

„Yonno sieht nur euch. Solange ihr eure Rolle spielt bis zur Perfektion wird sie keine Zweifel hegen und so werden auch keine Zweifel an eurer Person in diesen Visionen auftauchen!“

„Ihr kennt sie da besser als ich!“

„Das ist wohl wahr! Weswegen ich hier bin“, er schien theatralisch tief Luft zu holen, „ist dieses neue Problem!“

„Neues Problem?“

„Ich fand die Idee zunächst ziemlich reizvoll. Und muss auch gestehen, dass ich sie auch weiterhin als äußerst interessant und dienlich erachte, da sie das Volk glücklich, nein, fast schon euphorisch stimmen wird. Meine Rede ist von diesem Dienstmädchen!“

„Was soll mit ihr sein?“

„Ihr wisst, dass diese Tatsache euren Einsatz gefährdet, nicht wahr? Wenn dieses Dienstmädchen auch nur den leisesten Verdacht hegt, dass ihr nicht der echte Nanatsu seit und dies kundtut, dann bedeutet das nicht nur für sie das Ende! Dann ist unsere Vereinbarung hinfällig. Ich hätte euch auch ein Mädchen besorgt, welches nach unseren Regeln spielt!“

Es herrschte Stille. Ich wünschte mir, die Gesichter der Beiden sehen zu können. Aber es wäre einfach zu gefährlich, jetzt aus meinem Versteck zu kommen!

Ein weiteres Klopfen an der Eingangstüre unterbrach diese Stille. Schritte gingen an der Schlafzimmertüre vorüber und öffneten die Tür.

„Ein Kleid für Lady Yurika!“

„Danke!“

Die Eingangstür wurde abrupt geschlossen, die angelehnte Schlafzimmertüre öffnete sich. Es landete etwas über mir auf dem Bett und die Türe wurde ganz verschlossen.

„Anscheinend scheint sie sich gerade nicht entscheiden zu können!“,hörte ich Wolfram wieder aus einiger Entfernung sagen.

„Nur verständlich, wenn man sein ganzes bisheriges Leben in Lumpen verbracht hat!“

Ich krabbelte zum anderen Bettende und lugte heraus. Langsam sah ich über die Bettkante und entdeckte mitten auf dem Bett das Kleid. Ich musste mich umkleiden! Vorsichtig und leise zog ich es zu mir herunter in die Deckung des Bettes. Aber wie sollte ich mich so im Sitzen umziehen?

Es war ein hochgeschlossenes Kleid in Bordeauxrot. Ohne Ausschnitt und mit langen Ärmeln. Aber reichlich verziert mit goldenen Schnüren und Zierrat.

„Ich denke, ihr müsst euch um das Mädchen keine Gedanken machen, Mittsu. Ich werde sie schon soweit im Griff haben, dass sie sich nie unüberlegten Handlungen hingibt!“

Ich zog leise meine Dienstmädchenuniform aus. Mist! Diese Brustpolster sind wirklich total festgenäht. Da hatte es Rebekah wohl aus Angst das etwas verrutschen könnte, zu gut gemeint. Da kam mir eine Idee! Ich riss den Puffärmel der Uniform ab!

RATSCH!

Oh, das war zu laut!

„Dürfte ich wissen, wie ihr gedenkt, dass zu machen?“

Ich atmete erleichtert auf. Sie hatten es wohl nicht gehört! Ich warf den abgetrennten Ärmel auf das Bett. Dann widmete ich mich dem zweiten Ärmel, wartete aber diesmal ab bis...

„Bezweifelt ihr meine Wirkung“, RATSCH , „auf das andere Geschlecht, Mittsu? Sollte ich mich nun gekränkt fühlen?“

Auch der Ärmel landete auf dem Bett. Nun noch den Rock! Ich band die daran befestigte Schürze ab, welche sich auch auf dem Bett zu den Ärmeln gesellte.

Wieder Stille. Hatten sie doch etwas gehört? Ich kroch vorsichtshalber wieder etwas in Deckung.

Doch dann hörte ich Mittsu laut auflachen. Dies nutzte ich für die erste Hälfte. RATSCH!

Was war ich doch über die mindere Qualität dieser Uniformen erfreut. Der Stoff ließ sich relativ einfach reißen.

„Natürlich nicht! Es ist wirklich erstaunlich! Nanatsu war in eurem Alter“, RATSCH , „auch ein rechter Frauenheld!“ Es gab Infos über Shinou, die wollte ich einfach nicht wissen! Aber ich hatte es geschafft! Ich hatte mir ein T-Shirt mit eingenähten Brüsten aus meiner Uniform herausgerissen! Dieses zog ich schnell an und begann dann das Kleid darüber zu ziehen.

„Aber sagt mir, was sind das eigentlich für seltsame Geräusche, die ich die ganze Zeit vernehme?“

WUMM!

Mist! Mist! Mist!

„Ich hörte nichts bis auf die Dienstmädchen auf den Gängen. Oder was meintet ihr?“

Ich hingegen hörte, wie Wolframs Stimme näher kam.

Verdammt!

Ich krabbelte wieder unter das Bett und dies war auch keine Sekunde zu spät, denn sogleich öffnete sich die Schlafzimmertür.

Schritte schallten von den Wänden. Ich hielt die Luft an. Jemand trat direkt an das Bett.

„Was ist denn hier passiert?“,ich hörte Mittsu genau über mir und schlagartig fiel mir das zerfetzte Kleid, welches ich auf das Bett geschmissen hatte, wieder ein!

Ich Idiot!

„Ich sagte doch bereits, dass ihr meine Wirkung auf das andere Geschlecht nicht unterschätzen solltet!“, hörte ich Wolfram von der Türschwelle her mit leicht amüsiertem Unterton sagen.

„Oh, das ging aber schnell!“

„Nimmt sich ein Gott denn nicht sofort das was er will?“

Wieder lachte das Oberhaupt der Götterdämonen laut auf: „Ihr scheint euch wohl richtig wohlzufühlen in dieser Rolle!“, dann wurde seine Stimme plötzlich sehr finster, „aber vergesst nicht, es ist nur eine Rolle, die ihr spielt und ich garantiere euch, ihr werdet sie nicht lange spielen!“

Es klopfte erneut. Wolframs Schritte entfernten sich. Mittsu blieb leider an Ort und Stelle stehen. Mir ging langsam die Luft aus.

„Ich habe eine wichtige Mitteilung an seine Heiligkeit Mittsu. Er soll sich in euren Gemächern befinden, werter Nanatsu!“

„Tretet ein!“

Mittsu entfernte sich. Shinou sei Dank! Jedoch hörte ich nun wieder Schritte in diesem Zimmer, welche wieder vor dem Bett verharrten. Dann wurde gegen das Bett getreten und ich erschrak fürchterlich: „Idiot!“

Ich schmunzelte.

Genau das magst du doch an mir!, dachte ich.

„Hör genau hin!“, wisperte er und seine Schritte entfernten sich wieder. Er schien zurück vor den Kamin zu gehen.

Was sollte ich denn genau hören?

„So, von Bielefeld also! Interessant!“ Oh, ich konnte Mittsu ganz leise auf dem Gang vor der Wohnung hören. Sie hatten wohl die Eingangstüre offen gelassen, ebenso die Schlafzimmertüre, aber Wolfram hatte dem Gespräch nicht beiwohnen dürfen!

„Das Schreiben erhielten wir vor wenigen Augenblicken. Es richtet sich an alle Oberhäupter der 25 Familien sowie an die gesamte göttliche Familie!“

Ich ordnete diese Stimme nun einem von Mittsus direkten Unterstellten zu.

„Wie lautet der Inhalt des Schreibens von diesem Bielefeld?“, Mittsus Stimmlage war kühl. Anscheinend war hier eindeutig nicht von unseren Bielefelds die Rede.

„Er beruft sich auf das Gesetz der Offenheit!“

„So, tut er das? Anscheinend haben wir ihm noch nicht genug genommen! Er besitzt eindeutig noch zu viel Dreistigkeit!“, das klang nun amüsiert.

„Von Bielefeld beruft sich auf unterschiedliche Gerüchte, die im Umlauf seien und auch die Adelshäuser betreffen würden und bittet in einer Vollversammlung um Aufklärung von Seiten seiner absoluten Göttlichkeit!“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass er bereits über Nanatsu Bescheid weiß! So schnell kann sich diese Kunde nicht bis in sein hinterwäldlerisches Inselreich durchgeschlagen haben! Gibt es in dem Schreiben irgendwelche Andeutungen?“

„Nein, eure Heiligkeit! Er hat allerdings den Termin recht kurzfristig angesetzt!“

Es war nichts mehr zu hören, dann fuhr der Bedienstete fort: „Und zwar schon morgen Mittag auf Schloss Ishiyosai!“

„Er wählt also neutralen Boden. Ein gut überlegter Schachzug. Glaubt er wirklich, ich müsse mich an den alten Schwur halten? Nun denn. Informiert die Anderen und bereitet alles vor. Wenn wir die Nacht durchreiten schaffen wir es vermutlich vor allen Anderen dort einzutreffen. Mich interessiert doch zu sehr, was dieser Bielefeld schon wieder ausheckt! Natürlich wird er dennoch nicht um eine Bestrafung für diese Unverfrorenheit herum kommen!“

„Jawohl!“

Die Schritte Mittsus gingen nun zügig an meiner Schlafzimmertüre vorüber.

„Uns spielt der Zufall in die Hände, mein werter Freund!“

Waren er und Wolfram Freunde? Hatte ich etwas verpasst?

„Wir brechen noch heute auf zu einer Vollversammlung aller Adelshäuser! Und wir werden dies für uns nutzen und eure Rückkehr und Begnadigung sowie eure Verehelichung mit diesem Bauernkind verkünden! Schafft also dieses Weibsbild her und bereitet euch vor! Ich lasse euch augenblicklich abholen!“

Er schien wieder kehrt zu machen, doch verstummten seine Schritte genau vor der Schlafzimmertüre. Ich konnte seinen Blick förmlich auf mir ruhend spüren!

„Und Bielefeld!“, sagte er nun etwas lauter. Es war das erste Mal, dass er Wolfram beim wahren Namen angesprochen hatte: „Wenn ihr euch schon amüsiert, dann achtet darauf, dass wir nicht noch mehr Wasser im Blut brauchen!“

Dann verschwanden seine Schritte gänzlich und die Tür fiel ins Schloss. Ich verharrte dennoch in meiner unbequemen Position unter dem Bett.

Leichtere Schritte näherten sich: „Du kannst rauskommen, Yuuri!“

Ich robbte nach vorne und nahm Wolframs Hand, die mir aufhalf, dankend entgegen:

„Was meinte der denn mit dem Wasser?“

„Na, dass wir verhüten sollen!“, antwortete er seufzend und setzte sich aufs Bett. Er wirkte angespannt.

„Du schaust gut aus. Das Kleid steht dir!“, flüsterte er schließlich und suchte mit müden Augen die meinen. Ich setzte mich neben ihn.

„Konntest du etwas in Erfahrung bringen?“, gähnte er und lehnte seinen Kopf an meine Schulter.

„Ein von Bielefeld hat diese Versammlung einberufen lassen aufgrund irgendwelcher Gerüchte, die er geklärt haben will. Dieser Bielefeld stammt von irgendeiner Insel und Mittsu mag ihn nicht besonders!“

„Mittsu mag niemanden besonders!“, Wolframs Stimme war nur noch ein leises Flüstern. Dieses ganze Theater hier schien ihn doch ziemlich zu zermürben. Er hatte die Augen geschlossen und sein Atem wurde regelmäßiger. Ich strich ihm eine Strähne hinter sein Ohr.

Er war tatsächlich eingeschlafen.

Wenn ich es richtig verstanden hatte erwartete uns nun eine lange Reise.

Und so wie ich Wolfram kannte würde er die ganze Reise über versuchen wachsam zu bleiben.

Ich ließ ihn langsam und vorsichtig nach hinten aufs Bett fallen und legte seine Beine hoch.

Auch wenn er jetzt größer und muskulöser war, so sah er immer noch aus wie ein Engel auf Erden wenn er schlief. Vorsichtig zog ich die Tagesdecke zusammen und deckte ihn ein wenig zu.

Dann setzte ich mich wieder auf die Bettkante und beobachtete jeden seiner Atemzüge.

Eben wäre es beinahe wieder passiert!

Ich musste schmunzeln bei dem Gedanken daran. Irgendwo schockierte mich das alles aber auch. Was sollte ich nur tun? Was war das für ein Gefühl in mir drin?

Ich legte mich neben ihn und wandte ihm mein Gesicht zu. Ich spürte meinen beschleunigten Herzschlag. Das war doch nicht normal!

„Idiot!“, nuschelte er plötzlich im Schlaf. Ich musste leise kichern.

Meine Güte, Shibuya! Du benimmst dich wie ein kleines verliebtes Mädchen!

WUMM!

Das war es!

„Oh Mann! Ich bin echt ein Idiot!“, wisperte ich mehr zu mir selbst.

Ich hatte es die ganze Zeit geahnt!

Ich hatte es die ganze Zeit gewusst!

Ich hatte es die ganze Zeit gespürt!

Nur habe ich mich immer dagegen gesträubt!

Mit der Aussage, in der Welt aus der ich komme, ist es ein Tabu.

Aber hatte ich nicht selbst beschlossen, nun fester Bestandteil dieser Welt zu sein?

Wieso sich dann nicht öffnen und es zu lassen?

Woher sollte ich denn wissen ob ich gut genug für Wolfram war wenn ich es nicht wenigstens mal versucht hatte?

Klar, liefen wir Gefahr, uns gegenseitig zu verletzten.

Aber so wie es gerade war, würde meine Hinhalterei und Ignoranz uns noch mehr verletzen!

Vorsichtig beugte ich mich zu ihm herüber. Ich wollte ihn nicht wecken. Ich wollte ihm nur nahe sein! Ich hatte so viel aufzuholen aus den letzten drei Jahren!

„Ich liebe dich“, flüsterte ich ganz leise gegen seine Lippen und hauchte einen zärtlichen Kuss hinterher.

Und wenn ich dass das nächste Mal sage, bist du wach!

Dann klopfte es schon wieder.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück