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Digimon Dimensions

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Eine merkwürdige Digitation

Dies ist die leicht überarbeitete Version des zweiten Kapitels. Ich hoffe sehr, dass es euch gefällt, und, dass die Logikfehler nun beseitigt wurden.

Nachdem der Prolog gut eine Woche vor dem eigentlichen Handlungsbeginn spielte, schilderte Kapitel I die Ereignisse am Freitag und Kapitel II die am darauf folgenden Samstag.

Lasst mich - wie immer - eure Meinung lautstark hören!
 

Kapitel II: Eine merkwürdige Digitation
 

Am Samstag lag ganz Japan unter einer dicken Schneedecke begraben. Was lediglich einer der Gründe dafür war, dass er auch am Wochenende arbeiten musste.

Zwar hatte es seit über zwei Tagen nicht geschneit, aber die Temperaturen lagen weiterhin nur knapp über dem Gefrierpunkt.

Wenn überhaupt darüber.

Doch damit nicht genug, trafen nach und nach immer mehr Meldungen aus aller Welt im Institut ein. Das schneebringende Tiefdruckgebiet war nach Süden abgezogen und hatte in Thailand und auf den Philippinen für starke Überschwemmungen gesorgt.

Takehitos Aufmerksamkeit galt jedoch mehr dem Nordamerikanischen Kontinent.

Dessen Ostküste mit den Metropolregionen der Vereinigten Staaten und Kanadas litt unter einer immensen Dürre, die vor allen Dingen Toronto, New York und Washington schwer zu schaffen machte. Temperaturen von 35 Grad Celsius waren im Gegensatz zu einem erfrischenden Luftzug keine Seltenheit. Jegliche Luftbewegung schien gestorben zu sein.

Es gab keinen Wind.

Der Meteorologe wusste, dass dies einem Hochdruckgebiet immensen Ausmaßes zu verdanken war. Im Westen reichte es bis zu den Rocky Mountains und im Osten bis weit über die Atlantikküste heraus. Tendenzielle Bewegungsrichtung: das zur Zeit noch von Wetterkapriolen verschonte Europa.

Ganz anders die Lage an der nordamerikanischen Westküste.

Ähnlich den Geschehnissen in Japan hatte es hier seit Wochen fast ununterbrochene Niederschläge gegeben. Diese waren anders als in Fernost allerdings in Form von Regen gefallen.
 

Vermutlich, weil sich die verantwortlichen Luftmassen über dem Pazifik erwärmt hatten. Dieser war aufgrund der heißen Frühjahresmonate nämlich bereits im Juni ähnlich warm wie zu Sommerende temperiert. Ein Phänomen das den geschulten Beobachter erschaudern ließ. Takehito hatte sich in den letzten Tagen bereits mehrmals gefragt, ob den pazifischen Inseln eine besonders frühe und starke Hurrikan Saison bevorstand.

Er rieb sich müde die Augen und beförderte den Stapel Papiere, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag, zurück in den dafür vorgesehenen Schnellhefter.

In den letzten Stunden waren seine Gedanken immer wieder rund um den Globus gejagt. Im Kreis, letztlich also wieder bei seinem Ausgangspunkt landend.

Es war zum aus der Haut fahren und Haare raufen. Entmutigt ließ Takehito sich zurück in seinen Lehnstuhl sinken, wollte nur kurz die Augen vor all dem Elend verschließen, als das Klingeln eines Telefons ihn aufschreckte.

Der Kollege am Tisch gegenüber war am Wochenende nicht zur Arbeit erschienen, es war sein Apparat, der das Geräusch von sich gab. Ein Seufzen unterdrückend griff er über die Tischplatte hinweg und angelte nach dem Hörer. Erwischte ihn erst beim zweiten Versuch.

Und die Stimme am anderen Ende der Leitung ließ ihn nicht einmal zu Wort kommen.

„Du wirst nicht glauben, was ich grade in den Händen halte!“ Der Anrufer überschlug sich fast, so schnell redete er. „Vor zwei Stunden hat mich ein alter Professor aus meiner Studienzeit angerufen. Er lebt seit er im Ruhestand ist auf den Ryukyu-Inseln und hat ein Foto in die Hände bekommen, das eine sehr sehr ungewöhnliche Versammlung zeigt.“ Stille. Zehn, elf, zwölf Sekunden lang ehe sich die Stimme am anderen Ende danach erkundigte, ob der Gesprächspartner denn noch da wäre.

Schlagartig war es dem Meteorologen unangenehm, dass er einfach so an den Apparat des Kollegen gegangen war. Vielleicht handelte es sich hierbei um private Dinge in die er sich besser nicht einmischen sollte.

„Bitte entschuldigen Sie, hier spricht Takehito Akiyama. Daisuke ist heute leider nicht im Büro. Ich ging lediglich an sein Telefon um die eingehenden Anrufe entgegen zu nehmen.“, antwortete er schuldbewusst. Zu seinem großen Erstaunen gestand der Mann am anderen Ende der Leitung ein, ihn wohl mit seinen Neuigkeiten überrannt zu haben und erkundigte sich dann nach dem genauen Verbleib des Kollegen.

Dazu konnte ihm Takehito allerdings auch nichts sagen, sodass er sich schließlich mit einem „kann ich irgend etwas ausrichten“, was der Anrufer ausschlug und einem „auf Wiederhören“ verabschiedete.
 

Als seine Neugier ihn packte.

„Sagen Sie, das mag jetzt sicher indiskret sein, aber was für eine ungewöhnliche Versammlung zeigte das Foto denn?“ Die eigene Dreistigkeit überraschte den Schwarzhaarigen und er musste die schon auf den Lippen liegende Entschuldigung herunter schlucken.

Irgendetwas in ihm wollte unbedingt wissen was für ein Foto so wichtig sein konnte, dass es diesen Mann so in Aufruhr versetzt hatte.

Der Angesprochene lachte kurz und versicherte ihm dann, dass es keineswegs indiskret war. „Es stammt von einem Hobbyvogelkundler, der einmal in der Woche zum Strand pilgert um Bilder von den Möwen und anderen Meeresvögeln zu machen.“, begann er ohne zu zögern.

„Sogar letzte Woche war er, Wind und Wetter zum trotz in den Dünen unterwegs und ist dabei auf etwas sehr Interessantes gestoßen.“

Sein Herz schien mittlerweile doppelt so schnell zu schlagen. Dieser Typ schien es zu genießen die Spannung in die Höhe zu treiben. Vermutlich war seine Aufregung auch am anderen Ende der Leitung deutlich spürbar, aber das war ihm egal. Er konnte unmöglich sagen wieso, aber alles was er wollte war zu wissen was auf Ryukyu geschehen war.

„Vögel, hunderte von ihnen. Alles Zugvögel!“, fuhr der Unbekannte fort. „Sie haben sich auf den Inseln versammelt und sind dann nach Süden geflogen.“

Wieder breitete sich Stille zwischen ihnen aus. Und wieder war es der Anrufer, der diese durchbrach. „Verstehen Sie das? Die Vögel sind in ihre Winterquartiere geflogen.“

Natürlich verstand Takehito. Vermutlich sogar viel mehr als der Mann selbst verstand. Schnell versicherte er ihm, wie dankbar er für diese Informationen war und bat den Fremden darum ihm seine Telefonnummer und seinen Namen zu nennen.

Der Meteorologe notierte beides und versprach sich umgehend wieder zu melden und alles zu erklären. Dann verabschiedete er sich ein zweites Mal.

„Ich muss etwas sehr wichtiges überprüfen. Ich danke Ihnen und verspreche, dass Sie bald von mir hören werden.“

Dann legte er auf.
 

Die Tiere waren ihrem Instinkt gefolgt und nach Süden geflogen. Von diesem Gedanken getrieben hatte Takehito in der letzten Stunde sämtliche seit Beginn des Jahres gesichteten Daten ein weiteres Mal durchgesehen. Versucht seinen auf bestimmte Muster festgelegten Verstand außen vor zu lassen.

Wenn er sich nur an die Fakten und nackten Zahlen hielt, bot sich ihm ein unglaubliches Bild.

Während rund um den Atlantik größtenteils sommer- oder hochsommerliche Temperaturen herrschten, versanken die am Pazifik gelegenen Landmassen nach und nach im eisigen Griff des Winters.

Es war fast so, als hätte sich zu dem üblichen Wechselspiel zwischen Sommer und Winter auf der süd- und nördlichen Halbkugel eines zwischen neu entstandenen westlichen und östlichen Hemisphären dazu gesellt.

Die Vögel hatten diesen Wintereinbruch auf dem östlichen Teil der nördlichen Halbkugel gespürt. Und waren ihrem Instinkt gefolgt.

Das Wetter gebar sich nicht nur winterlich, es war ein echter Wintereinbruch.
 

Aber auch diese Theorie – von ihrer Absurdität einmal ganz abgesehen – konnte nicht zur Gänze stimmen.

Denn bis jetzt hatte ausschließlich die Nordhalbkugel unter diesen Klimaanomalien zu leiden. Je näher man dem Äquator kam, desto normaler wurde das Wetter.

Südamerika, Australien und große Teile Afrikas waren gar nicht betroffen.

Takehito schlug die Hände vor die Stirn. Eine Sackgasse.

Hatte er vielleicht etwas übersehen? Nein, die meisten der Diagramme und Tabellen hatte er zwei oder dreimal durchgesehen. Ganz davon zu schweigen, dass sie vor ihrer Aufnahme in die nationalen Datenbanken auf Leber und Nieren geprüft worden waren.

Fehler waren äußerst unwahrscheinlich.

Es gab also nur eine Erklärung für die noch offenen Lücken. Er hatte die passenden Puzzleteile noch nicht gefunden. Erst, wenn er die meisten von ihnen entdeckt und passend zusammen setzen würde, wäre er in der Lage dazu, das Bild als Ganzes zu betrachten.

Und irgendetwas sagte ihm, dass die Teile die sich bereits in seinem Besitz befanden, lediglich zwei von vier möglichen Eckstücken waren.
 


 

Das Telefon lag zwischen ihnen auf dem hölzernen Boden. Gestern Abend hatten beide eine Nachricht von Ruki erhalten. Darum war der Blauhaarige an diesem Samstag schon in aller Frühe bei Takato eingetroffen.

Der Hörer war auf Lautsprecher geschaltet, weshalb die Stimme des Mädchens sehr blechern an ihre Ohren drang. „Willst du mich auf den Arm nehmen?“ Und äußerst gereizt. „Wenn ich dir sage, dass es ein Digimon war, dann war es auch ein Digimon.“, fügte sie hinzu.

Jenryas tröstlicher Blick half ihm jetzt auch nicht mehr. Er hatte den Zorn der Rothaarigen auf sich geladen und würde früher oder später dafür büßen müssen. Der Braunhaarige seufzte schwer. Ein Digimon in der realen Welt. Sein größter Wunsch und das schlimmste was ihnen passieren konnte. Waren die Grenzen zwischen den Welten wieder verschwommen? Der Vater seines Freundes hatte ihnen seiner Zeit erklärt, dass die digitalen Wesen und Programme sich lediglich in der realen Welt materialisieren konnten, weil eben diese Grenzen nicht mehr intakt gewesen waren.

Er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass dies ein für beide Welten fataler Status gewesen war, der sie früher oder später schwer schädigen, oder gar vernichten würde.

Jetzt war es also wieder geschehen.

Der fliegerbebrillte Junge verstand nicht viel von dem, was damals gesagt wurde. Trotzdem schämte er sich dafür keine all zu große Sorge zu verspüren. Immerhin mochte all dies dazu führen, dass er seinen Partner wiedersehen könnte. Er musste schlucken als er an Guilmon dachte.

„Das war noch nicht alles.“, drang die Stimme des Mädchens erneut an ihre Ohren. Die beiden Jungen horchten auf. Und dann erzählte Ruki ihnen von dem merkwürdigen Digitama, das sich nach der halsbrecherischen Verfolgungsjagd auf ihrem Digivice breit gemacht hatte.

Nicht einmal Jenrya gelang es bei dieser Nachricht, seine Fassung zu behalten. Mit offenem Mund saß er, eine Hand an vor die Stirn gelegt, da und brachte keinen Ton heraus.

Takato dagegen schon. In Form eines lauten Knalls, als sein Hinterkopf auf den harten Holzdielen aufschlug. Er war vor Schock einfach nach hinten umgefallen.

Es dauerte drei oder vier Sekunden, bis die beiden sich wieder einigermaßen im Griff hatten. Noch immer um Fassung ringend war es der Blauhaarige, der zuerst sprach. „Du musst dringend herkommen. Am besten treffen wir uns noch heute Abend bei mir.“, begann er mit zittriger Stimme. Die Gedanken in seinem Kopf schienen sich förmlich überschlagen zu wollen. „Wir müssen meinem Papa davon erzählen!“

Der Braunhaarige pflichtete ihm, die Tatsache, dass Ruki ihn gar nicht sehen konnte ignorierend, mit vor der Brust verschränkten Armen nickend bei. Erst einen Augenblick später erkannte er seinen Denkfehler und setzte an, etwas zu sagen. „Das ist dringend! Wir dürfen keine Zeit -“

Die Rothaarige ließ ihn nicht einmal aussprechen, sondern fiel ihm ins Wort.

„Glaubt ihr vielleicht ich wüsste das nicht?“, fragte sie aufgebracht und musste tief ausatmen, um ihre Fassung zu wahren. „Wenn ich in Tokio wäre, hätte ich euch doch nicht angerufen.“

Jenrya und Takato tauschten einen verwunderten Blick. Sie hatte gar nicht erzählt, dass sie übers Wochenende verreisen würde. Aber in dieser Hinsicht war ihre Freundin ja schon immer ein Fall für sich gewesen. Das oft genannte Buch mit sieben Siegeln eben.

Und obwohl der Junge mit der Fliegerbrille es besser hätte wissen sollen, konnte er seine Neugier einfach nicht zügeln.

„Wo genau bist du denn?“, fragte er zögerlich. Fast, als fürchtete er ihre Kopfnuss schon durch das Telefon. Sie schwieg. Kein aufgebrachtes „geht euch nichts an“, kein Gezeter und keine Kraftausdrücke. Mussten sie sich Sorgen machen?

Dann, einige Augenblicke später begann sie, ähnlich zögernd wie zuvor der Braunhaarige zu sprechen. „In Fukuoka.“ Kleinlaut. „Ich bin bei -“, wollte sie sagen, doch dieses Mal war es an Takato ihr ins Wort zu fallen.

Er konnte das nicht glauben.
 

„Du bist bei Ryo?“, fragte er aufgebracht. „Aber wieso das denn?“

Ihm fiel im Gegensatz zu Jenrya nicht schon durch das Telefon auf wie peinlich ihr das alles war. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Auch der Braunhaarige schien erkannt zu haben, dass er nicht so forsch hätte sein dürfen.

Doch grade als er den Mut sich zu entschuldigen gefunden hatte, drang Rukis gedämpfte Stimme an ihr Ohr. Sie schien mit jemand anderem zu sprechen. Um was es ging konnte jedoch keiner der beiden Jungen verstehen.

„Ihr müsst herausfinden, ob es noch offen ist.“, flüsterte das Mädchen, als sie an den Hörer zurückgekehrt war. „Das Tor im -“

Tot. Die Leitung war tot.

Ohne Vorwarnung und von jetzt auf gleich hatten sie nichts mehr gehört. Takato hob das Telefon an und hielt es an sein Ohr. Weder das Frei-, noch das Besetztzeichen. Fragend suchte er im Gesicht seines Freundes nach Antworten, doch auch dieser zuckte nur ahnungslos mit den Schultern.

Doch noch bevor sie sich weiter Gedanken über die möglichen Ursachen machen konnten, klopfte es und Takatos Mutter trat ein.

Sie trug ein entschuldigendes Lächeln auf den Lippen. „Das Wetter wird schlimmer.“, sagte sie und ihr Blick wurde ernst. Die beiden Jungen sahen zum Fenster hinaus. Tatsächlich hatte es wieder angefangen zu schneien. Dicke weiße Flocken rieselten hundertfach an der dicken Glasscheibe vorbei zu Boden. Sie erklärte, dass in den Nachrichten von immer schlimmeren Meldungen aus dem Norden die Rede war. Hokkaido habe den Notstand ausgerufen und auch in Tokio lief das Wettrüsten gegen die Schneemassen wieder auf Hochtouren. Etwaige Besserung in Form von milderen Temperaturen war nicht zu erwarten.

Ganz im Gegenteil waren mittlerweile sogar große Teile der öffentlichen Verkehrsmittel ausgefallen. Untergrundbahnen und Busse schienen kaum noch zu fahren.

„Darum wollte ich euch auch kurz stören. Vielleicht wäre es besser, wenn wir dich nach Hause fahren.“, ergänzte sie an Jenrya gewandt.

Der angesprochene nahm das Angebot dankend an. Er blickte entschuldigend zu seinem braunhaarigen Freund und musste feststellen, dass dieser auf einmal alles andere als besorgt aussah.

Erst, als er die kleinen Funken in dessen Augen glimmen sah, wurde ihm bewusst worauf dieser zu hoffen wagte.

Würden womöglich ab Montag auch die weiterführenden Schulen geschlossen bleiben?

Der Blauhaarige musste schmunzeln.

Takato war manchmal ganz schön eigen. Um es einmal nett zu formulieren.
 


 

Weder Mutter, noch Vater hatten etwas gemerkt. Nicht einmal ihre Geschwister waren hinter ihr Geheimnis gekommen. Schon seit Tagen hatte sie Lebensmittel, vor allem Süßigkeiten, aus der Küche stibitzt, um den kleinen Vielfraß zufrieden zu stellen. Das grüne Kugelwesen schien jedoch von Tag zu Tag hungriger zu werden.

Während es in den ersten Tagen noch gereicht hatte, wenn sie die Reste vom Abendessen in ihr Zimmer brachte, musste sie heute fast den ganzen Kühlschrank plündern. Und noch immer verlangte der kleine grüne Knirps nach mehr.

Shiuchon hatte bereits alle Taschen und Schubladen durchsucht, verzweifelt wie sie war sogar ihr Versteck für die Notrationen zur Gänze geleert.

Konnte sie es riskieren, nochmal in die Küche zu gehen? Mama und Papa saßen für gewöhnlich jetzt auf der Couch und sahen fern. Aber der Durchgang zwischen Wohnzimmer und Küche war offen und die Gefahr entdeckt zu werden entsprechend groß.

Vielleicht hatte ihr Bruder noch etwas Essbares in seinem Zimmer.

Behutsam scheuchte sie ihren kleinen Freund zurück in den Kleiderschrank. Ein Vorhaben das sich weitaus komplizierter ausnahm als gedacht. Es sprang unter den Schreibtisch und flüchtete sich sogar unter das Bett. Erst nach über einer Viertelstunde gelang es ihr die Schranktür zu schließen.

Shiuchon besah sich das angerichtete Chaos und seufzte schwer. Aufräumen konnte sie auch später noch.
 

Sie wand sich um und verließ den Raum. Jenryas Zimmer lag genau am anderen Ende des Flures. Erst als sie sich sicher war, dass weder Mama noch Papa die Treppe hinaufkamen, schlich sie los.

Nur wenige Augenblicke später stand sie im Zimmer ihres Bruders. Der war bereits am frühen Nachmittag aufgebrochen, um sich mit Takato zu treffen. Vermutlich würde er erst nach Einbruch der Dunkelheit zurückkehren.

Der Raum war – wie immer – um einiges ordentlicher als ihr Zimmer. Vor allem nachdem ein Digimon in diesem gewütet hatte.

Selten genug, dass Jenrya Süßigkeiten aß. Noch seltener, dass er sie in seinem Zimmer aufbewahrte!

Doch wenn, fand man sie mit ziemlicher Sicherheit in der mittleren der drei Schreibtischschubladen. Shiuchon hatte Glück. Zwischen Taschenrechner, Collegeblock und Geodreieck lag eine fast unangetastete Tafel Schokolade. Für das kleine Monster nicht mehr als ein Snack, aber immerhin besser als gar nichts.

Mit geübtem Griff zog sie das Beutestück aus deinem Versteck und bemerkte eher beiläufig, dass es Bitterschokolade war. Sie schob die Tafel nur zur Sicherheit unter ihren Pullover.

Ihr selbst schmeckte nur Vollmilch, aber dem grünen Knirps war sicher jegliche Nahrung recht.

Mit sich und ihrem Raubzug zufrieden wand das Mädchen sich um und trat auf den Flur hinaus.

Wo sie Jenrya direkt in die Arme lief. Dieser, bis unmittelbar vor dem Zusammenstoß tief in Gedanken versunken, schaute nun ziemlich perplex drein. Und so brauchte es einige Sekunden bis sein Hirn und Mund zusammenfanden.

„Was machst du denn in meinem Zimmer?“, fragte er verdattert. Shiuchons Verstand hatte schneller reagiert. Schuldbewusst ließ sie den Blick gen Boden sinken, bevor sie zu sprechen begann. „Ich suche doch meine roten Handschuhe.“

Die geschicktesten Notlügen enthielten immer ein Körnchen Wahrheit. Ihre Handschuhe hatte sie wirklich bei dem gestrigen Ausflug in den Park verloren.

Absichtlich verloren!

„Die mit den kleinen Bärchen. Mama hat gesagt, dass ich sie vielleicht mit in dein Zimmer genommen hab, aber da waren sie auch nicht.“, sprudelte es aus ihr heraus. Auf dem Gesicht ihrer Bruders bildete sich ein Lächeln.

„Keine Sorge. Wir finden deine Handschuhe bestimmt. Die hat Oma dir doch geschenkt, oder?“, sagte der blauhaarige und tätschelte seiner Schwester den Kopf.

Tatsächlich hatte Oma ihr statt dem Computerspiel, dass sie sich gewünscht hatte diese schrecklich kindlichen Handschuhe geschickt.

Die zehnjährige durfte sich die Erleichterung darüber, dass sie die Dinger endlich losgeworden war nicht anmerken lassen. Aber auch nicht zu traurig wirken. Das wäre nur verdächtig.

Jenrya wuschelte ihr noch ein letztes Mal durch die Haare und wand sich dann zum gehen.

„Warte aber nächstes Mal bis ich daheim bin, oder frag mich bevor du in mein Zimmer gehst.“
 

Wieder in ihrem Zimmer angekommen atmete Shiuchon laut hörbar aus. Die Erleichterung war ihr deutlich anzumerken. Es hatte nicht viel gefehlt und ihr Bruder wäre ihr auf die Schliche gekommen. Glücklicherweise war sie in den letzten drei Jahren zu einer wahren Meisterin der kleinen Schwindeleien geworden.

Mama und Papa sagten stets, dass auch kleine Lügen nicht gut waren, aber die zehnjährige hatte – ein leises Wimmern ließ sie aus ihren Gedanken aufschrecken.

Schnell ging sie zum noch immer verschlossenen Kleiderschrank hinüber und öffnete eilig die Tür.

Der kleine grüne Ball der augenblicklich hinaussprang hätte genauso gut ein Flummi sein können. Wie vom Affen gebissen schoss das hungrige Wesen aus einer Zimmerecke in die nächste und kam letztlich auf ihrem schon total zerwühlten Bett zur Ruhe.

Das kleine Mädchen nahm neben ihm Platz und griff unter ihren Pullover. Noch ehe sie die Schokoladentafel hervorholen konnte, hatte ihr Gegenüber bereits Witterung aufgenommen. Das Monsterchen warf sich mit voller Kraft gegen ihren Oberkörper, sodass sie rücklings in die Kissen flog und der grüne Knirps auf ihrer Brust thronend zu Speisen begann. Hieß: die Schokolade mitsamt Plastikverpackung und Stanniolpapier zu fressen.

Laut schmatzend kaute es auf der nur noch breiigen Masse herum. Dicke Schokoladenfäden klebten zwischen seinen Zähnen. Doch dann hielt das Wesen plötzlich inne und warf Shiuchon einen Blick aus großen Augen zu.

Ein oder zwei Sekunden vergingen ehe es denn Mund verzog und einen würgenden Laut von sich gab. Der erste Schwall flog über den Bauch des Mädchens und landetet nur wenige Zentimeter neben ihr. Auf der frisch gewaschenen, mit Prinzessinenmotiven verzierten Bettdecke.

Sie reagierte noch bevor es sich ein zweites Mal übergeben konnte. Mit beherztem Einsatz war das Mädchen vom Bett aufgesprungen, hatte den grünen Klops gepackt und stand nun mitten in ihrem Zimmer. Quasi eine tickende Zeitbombe in den Händen haltend. Sie wusste weder ein noch aus und die bedrohlichen Geräusche des Monsterchens wurden immer lauter.

Da sah sie den fast leeren Mülleimer direkt neben dem Schreibtisch.

Mit zwei großen Schritten durchquerte Shiuchon ihr Zimmer, holte aus und pfefferte das kleine grüne Digimon in die Tonne. Ein lautes Scheppern erklang, gefolgt von einem sogar noch lauteren Aufstoßen. Sie betete, dass niemand im Haus den Krach gehört haben mochte. Vergebens.
 

Nur wenige Meter entfernt hatte ihr großer Bruder sich grade an seinem Schreibtisch niedergelassen. Nachdem er sich eben von Takatos Vater bedankt und verabschiedet hatte, musste er zu Hause angekommen und feststellen, dass sein eigener Vater bereits auf der Couch eingeschlafen war.

Dies war in letzter Zeit immer häufiger vorgekommen und der Blauhaarige schob es auf den Stress und die viel zu große Anstrengungen an dessen Arbeitsplatz.

Zwar brannten ihm die heutigen Ereignisse auf der Zunge aber ihn nur deswegen zu wecken, wäre zu viel gewesen. So hatte er beschlossen am morgigen Vormittag mit seinem Papa zu sprechen und den restlichen Abend für seine eigenen Recherchen zu nutzen.

Zumindest bis er den Krach aus Shiuchons Zimmer hörte. Wie vom Affen gebissen sprang er auf und hastete über den Flur.
 

Die Tür flog auf und Jenrya stürmte hinein. Sah seine Schwester über dem Mülleimer beim Schreibtisch stehen. „Was zum -“, konnte er grade noch hervorbringen, während sein Blick den Raum abzusuchen begann und besagter Eimer plötzlich in gleißendem Licht erstrahlte.

Geblendet wandten sich die beiden Kinder ab, hoben die Hände um die Augen abzuschirmen. Doch nichts half. Was da aus der kleinen Metalltonne schoss kam einem ausgewachsenen Blitzlichgewitter gleich.

Und dann, von jetzt auf gleich war alles vorbei. Das Erste, was dem Blauhaarigen Jungen auffiel, war, dass der Strom ausgefallen sein musste. Die Deckenlampe leuchtete jedenfalls nicht mehr. Zögernd schritt er auf den Ort des ungewöhnlichen Geschehens zu. Blickte blinzelnd in die tiefen des Mülleimers hinab.

Was er sah ließ sein Herz für einen Augenblick aussetzen. Und danach mit mindestens doppeltem Tempo schlagen.

Die kleine, grüne, sich bei seinem Anblick in ihren Panzer zurückziehende Schildkröte war eindeutig ein Digimon!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Astre
2013-12-06T10:32:01+00:00 06.12.2013 11:32
Du hast mich mit dem Kapitel zum Lachen gebracht! Zwei Mal, um genau zu sein. Aber ich fang einfach mal von vorne an. Mir ist Ryos Vater sympathisch, obwohl man noch nicht ganz so viel von ihm gelesen hat. Sein Teil gefällt mir gut, weil es genau zum Ausdruck bringt, wie falsch alles läuft. Nicht nur in Japan, sondern auch in anderen Ländern. Man merkt, deine Geschichte bezieht sich nicht nur auf einen Teil der Welt, sondern schließt alles mit ein. Was der Story eine gewisse Ernsthaftigkeit verleiht.

Weiter geht’s mit Takato. Ja, die Stelle am Schluss hat mich zum Lachen gebracht, auch wenn es für andere nicht wirklich lustig scheint. Aber einfach die Aura: Die Welt kann untergehen, Hauptsache die Schule fällt aus! Ich fand es einfach irrsinnig komisch.

Rika ist bei Ryo. Eine Szene, die mir natürlich mit am besten gefallen hat. Das Telefonat hast du gut beschrieben und ich fand, die Gefühle und die Situation kommen treffend beim Leser an.

Ja und jetzt der Schluss. Meine Lieblingsstelle. Die kleine Shiuchon ist ja ein zuckersüßes Stück. Versteckt ein Digimon, füttert es und schmeißt es anschließend wie ein Football in die Mülltone. 100 Punkte für das kleine Mädchen, das seine Handschuhe mit voller Absicht verliert. Einfach genial!

Wie immer brenne ich darauf, wie es weiter geht.

Lg
Astre
Von:  Nushifalushi
2013-11-24T18:19:22+00:00 24.11.2013 19:19
Ein klasse Kpaitel! Am besten gefällt mir, dass Suzie das Digimon in den Mülleimer schmeißt da konnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen. Was sich Takato wohl gedacht hat als er erfahren hat das Rika und Ryo zusammen sind.
Ich kann es kaum erwarten das nächste Kapitel zu lesen also schreib schnell weiter


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