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Bullum Solare

von

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Ein Tag im Leben der Luna

Luna beobachtete von Usagis Zimmer aus die Straße. Während diese summend ihren Koffer packte, fragte sich Luna bei jedem Auto, das sie sah, ob es sich um Akane Tayo handelte.

„Sag mal“, begann Luna und wandte ihre Augen nicht von der Straße ab, „hast du keine Angst dich alleine mit ihr in den Wald zu begeben? Sie hat dich schließlich sehr unter Druck gesetzt.“

„Sie war gestresst und wütend“, antworte Usagi. „Vielleicht ist ja eine freundlichere Lehrerin, wenn wir Ruhe haben. Und selbst wenn nicht, mit gemeinen Lehrern kenne ich mich aus. Erinnerst du dich an Herrn Kikuchi, den Englischlehrer? Den hat es echt Spaß gemacht, süße Schülerinnen zu quälen.“

„Herr Kikuchi hatte aber keine tödliche Geißel.“

„Das muss noch bewiesen werden“, protestierte Usagi, als sie damit kämpfte, den Koffer zu schließen. Luna fragte sich, warum sie so riesiges Gepäck mitnahm, da sie doch nur ein Wochenende weg sein sollte. „Außerdem wird Mamoru morgen aus dem Krankenhaus entlassen und kommt nach“, sagte sie nach dem Kampf mit dem Reißverschluss. „Und bis dahin, habe ich dich.“

„Mich?“

Unter ihrem Bett holte Usagi ein Körbchen aus geflochtener Weide für Katzentransporte hervor. Es hatte keine Fenster und die kleinen Schlitze zwischen den Zweigen waren wohl die einzige Lichtquelle in dem Ding. Luna hörte jetzt zum ersten Mal, dass sie auf den Ausflug mitkommen sollte, und dieses Transportmittel verminderte die Erleichterung, Usagi nicht allein zu lassen, massiv.

„Da geh ich nicht rein.“

„Du weißt genau, wie du beim Autofahren bist.“ Usagi holte tief Luft. „Du hast Shingo gebissen, Mama die Frisur versaut, mich hast du fast angepinkelt und Papa bist du sogar ins Gesicht gesprungen, sodass er fast einen Unfall gebaut hat.“

Unter ihrem Fell wurde Luna rot. „Na gut,“ fauchte sie

Usagi öffnete das Türchen und gleichzeitg hörte man unmittelbar vor dem Fenster das Quietschen von Reifen. „USAGI! Hurry!“, brüllte eine bekannte Stimme.

„Sie ist da!“ Mit dem Koffer und dem Katzenkorb in den Händen rannte Usagi nach draußen. Da Usagi das Transportmittel viel zu sehr schaukelte, wurde Luna ein wenig schlecht. Zum Glück war das Ding geräumiger, als es von außen ausgesehen hatte. Und durch die kleinen Schlitze bekam Luna mehr mit als vermutet.

Kenji und Shingo betrachteten nahezu sabbernd Akane Tayos Auto.

„Usagi, schau!“, murmelte Kenji. „Das ist ein Ferrari 365 GTC von 1970!“

„Jaaa, Papa... und was heißt das?“

Kenji wandte sich daraufhin bleleidigt von seiner Tochter ab. „Woher haben Sie dieses Prachtstück?“

Tayo sah genervt aus dem Fenster auf der Fahrerseite zu Kenji. „Der hat meiner Mum gehört.“

„Wirklich? Und Sie dürfen damit einfach so in den dreckigen Wald fahren? Haben Sie keine Angst, dass er einen Schaden abbekommen könnte?“

„Autos sind da, um gefahren zu werden. Außerdem haben wir noch einen Oldtimer.“

„NOCH EINEN?!“, platzten Kenji und Shingo gleichzeitig heraus.

„Wir hatten mal sechs, aber die meisten mussten wir verkaufen.“ Als Shingo und Kenji den Mund nicht mehr zu bekamen und ihnen der Speichel aus dem Mundwinkel rann, fühlte sich Tayo zur folgenden Aussage genötigt: „Meine Schwester und ich machen uns nicht viel draus... wenn Sie wollen, können Sie sich gerne mal einen ausleihen.“

Kenji und Shingo fielen daraufhin um.

„So, jetzt habt ihr die Arme aber genug belästigt.“ Usagi tat den Koffer in den überraschend geräumigen Kofferraum. Den Leguan darin bemerkte sie gar nicht. Luna konnte nur einen kurzen Blick auf ihn erhaschen. Es schien, als ob das Tier ein Buch über Quantenphysik las.

Usagi hockte sich auf den Beifahrersitzt, das Katzenkörbchen auf dem Schoß. „Tschüß Leute! Fahr los!“

Tayo ließ sich das nicht zweimal sagen. Mit zu viel Gas raste der Ferrari los.
 

Selbst ohne besonders gut aus Katzenkorb hinaussehen zu können, wusste Luna, dass Tayo keine sonderlich gute Fahrerin war und zusätzlich nicht viel von Verkehrsregel hielt. Die Katze krallte sich gegen die Weide und war froh, dass Usagi sie in den Korb gesperrt hatte, wer wusste schon, wie sie sich benahm ohne diesen. Tayos Fahrstil wurde erst gebändigt, als sie von der Polizei angehalten wurde. Obwohl sie den Alkoholtest bestand, verpasste ihr der Polizist einige Strafzettel. Dass sie sich nun zusammenriss, bewirkte auch, dass Usagi sich wieder traute zu reden: „Wohin fahren wir?“

„Kleines Grundstück in den Niho-Alpen. Keine Nachbarn, denke ich, war schon ewig nimmer dort. Selbst wenn, sind wir sicher noch isoliert genug, um unsere Spielchen zu treiben.“

„Wow“, flüsterte Usagi. „Ein schönes Haus, teure Autos, ein Grundstück, ihr habt sicherlich eine Menge Geld.“

„Meine Mum hatte ’ne Menge. Rika hat aber schon den Großteil verprasst.“

Usagi wagte erst nach einer Weile zu fragen: „Deine Mutter ist tot, oder?“

Tayo nickte. „Autounfall“

Auch wenn es unpassend erschien, fragte sich Luna, warum Tayo in Anbetracht der Hintergrundgeschichte so einen suizidalen Fahrstil pflegte.

„Was hat deine Mutter gemacht?“

„Biochemikerin.“

„Damit kann man Geld verdienen?“

Tayo holte aus dem Handschufach eine Dose heraus. „Kennst du das Zeug?“

Usagi las den Markennamen. „Ja. Mamoru trinkt davon ziemlich viel, mir schmeckt es gar nicht.“

Tayo öffnete die Dose. „Meine Mum hat’s erfunden. Sie hat es zunächst über ihre eigene Firma an den Mann gebracht, dann das Patent an einen amerikanischen Konzern verkauft. Ich weiß gar nicht, um wie viel. Aber sie hat es gut investiert.“

„Wow. Kluge Frau.“

„Mizuno ist ’n Dreck gegen sie.“ Luna hoffte, dass Tayo nur anfing über Ami zu lästern, da sie vom Thema ablenken wollte. „Sie hat ja viel in der Birne, aber ist mit keinem Funken Kreativität gesegnet. Ich mein, unser Projekt... wir haben die Bestnote bekommen, aber eigentlich haben wir ein nur schon vorhandenes Programm so modifiziert, dass man nicht mehr Plagiat sprechen kann. Und sie war zufrieden damit. Mit der Einstellung wird sie es nie weit bringen.“

Usagi verzog das Gesicht. „Das ist unfair. Wozu soll sie auch Kreativität brauchen, sie will ja keine Schriftstellerin sein!?“

Tayo schlug Usagi mit der Faust auf den Kopf. Selbst Luna hatte erkannt, dass sie nicht über ihre Familie sprechen wollte. Usagi hatte es nicht verstanden: „Und wo ist dein Vater?“

Tayo knurrte: „Für mich gestorben. Hey, wie oft hattest du schon Sex mit dem Maskenheini?“

Usagis Gesicht färbte sich rot: „Das geht dich gar nichts an!“

„Dann hör auf mir Löcher in den Bauch zu fragen!“

Usagi verschränkte beleidigt die Arme.
 

„Können wir kurz anhalten? Ich muss mal.“

„Ich darf auf dieser Straße nicht anhalten.“

„Als ob du auf Verkehrsregeln achten würdest.“

Guter Konter, dachte Luna, die schon mehrmals unterdrückt hat, sich zu übergeben. Tayo hielt tatsächlich etwas in einem unverständlichen Kauderwelsch murmeld am Straßenrand an.

Tayo strecke sich, nachdem sie ausgestiegen war. Usagi stellte den Katzenkorb auf den Boden und öffente das Türchen. Luna sprang heraus, froh darüber sich endlich die Beine vertreten zu können. Als Tayo plötzlich schrie und sich hinter dem Auto versteckte.

„WAS ZUM TEUFEL HAT DAS DA HIER ZU SUCHEN!“ Mit glasigen Augen zeigte Tayo mit zitternden Händen auf die Katze. Luna blickte sie irritiert an. Usagi schaute genau so verdutzt.

„Ich hab sie als meine Beschützerin mitgenommen.“ Pause. „Was hast du geglaubt, ist in dem Katzenkorb drinnen?“

„Woher soll ich das wissen?“ Tayos Stimme wurde immer hysterischer. „Bei all dem Zeug, das du angeschleppt hast. Pack sie wieder weg!“

Usagi hob Luna hoch. Ein hämisches Grinsen bildete sich auf ihrem Gesicht. „Nicht zu fassen. Hat die coole Akane Tayo etwa Angst vor Katzen?“ Luna auf dem Arm näherte sich Usagi Tayo, die jedoch immer einen Schritt zurück wich.

„Ach komm schon, schau wie süß sie ist. Am Hikawa-Tempel bist du auch nicht vor ihr zurückgeschreckt.“

„Da war sie auch weit genug von mir entfernt.“

Luna fühlte sich lächerlich. Es war das erste Mal, dass jemand so auf sie reagierte, und sie hatte das Gefühl, dass dieses Verhalten vollkommen falsch war. Sie räusperte sich: „Ich kann dir versichern, von mir geht keine Gefahr aus. Ich habe noch nie einen Menschen gekratzt, der mich nicht bedroht hat. Wenn du dich ruhig verhältst, werde ich nie eine Kralle an dir rühren.“

Mit einem Schrei verschwand Tayo plötzlich auf dem Fahrersitz. „Die letzten Kilometer könnt ihr wandern!“ Und mit einem quietschenden Geräusch fruhr der Ferrari los.

Entsetzt starrten Usagi und Luna auf die Reifenstpuren.

„Luna, ich glaube deine Wortwahl war nicht sehr aufbauend“, stöhnte Usagi.
 

Zwei Stunden später fanden Luna und Usagi ein kleines Haus mit geöffneter Einfahrt, die von Tayos Auto verparkt wurde. Hätte das nicht als Anhaltspunkt gereicht, hätte das Namensschild auf die Eigentümer hingewiesen.

Das Haus war groß und in einem hübschen, traditionellen Stil gehalten. Wildwuchs und Unkraut wiesen allerdings darauf hin, dass schon lange niemand es betreten oder gepflegt hatte. Der Steinboden war schmutzig und das Holz wirkte ein wenig morsch. Luna fragte sich, ob das Haus überhaupt funktionierenden Strom und Wasserleitungen hatte.

Die vollkommen erschöpfte Usagi betrat das Grundstück und schlenderte in das Gebäude hinein, die Tür war geöffnet, als ob man sich hier nicht vor Einbrechern zu fürchten brauchte. Luna entschied sich draußen zu warten. Nach Tayos Reaktion war es wohl angebrachter auf Distanz zu gehen. Außerdem könnten die beiden etwas zu besprechen haben, was man besser unter vier Augen klärte.

„Ich erkunde die Gegend“, verkündete Luna.

„Ist gut“, keuchte Usagi.
 

Es war einer der schönsten Orte Japans, die Luna je gesehen hatte. Die Gegend strahlte eine unheimliche Ruhe und meditative Aura aus. Grün leuchtendes Gras und verschiedene, farbenfrohe Blumen bedeckten den Boden, die Blätter unzähliger Bäume raschelten im Wind, es zwitscherten fröhliche Vögel, irgendwo floss ein rauschender Bach. Es war ein Ort des Friedens. Dennoch umgab den Ort auch eine traurige Atmosphäre, denn es gab kleine, grob mit Steinen gepflastere Wege, die plötzlich endeten, als hätte jemand den Bau plötzlich abgebrochen. An mehreren Stellen fand Luna kleine Gärten mit ausländischen Pflanzen, um die sich gemäß ihres Zustands schon lange niemand gekümmert hat. Als Luna den Bach fand, entdeckte sie am Ufer auch einen kleinen Hafen mit Spielzeugschiffen, alles von der Natur inzwischen zerstört. Im Endeffekt wirkte dder Ort wie ein nicht abgeschlossenes Projekt.

Luna wagte es nicht irgendwleche Schlussfolgerungen über Tayos Mutter zu ziehen. Bloß, dass das Vermögen beträchtlich sein musste, wenn man ein Grundstück besaß, auf dem Katzen sich verlaufen konnten.

Beinahe packte sie die Panik. Allein die Sorge um Usagi, dass sie ihren langjährigen Protegé länger mit Tayo alleine ließ, als sie wünschte, war erdrückend.

Akane Tayo... dachte Luna. Während der vier Stunden im Auto hat sie keinen Moment lang bedenklich gewirkt, lässt man ihren Fahrstil außer Acht, doch es entsteht ein ambivalentes Bild. Sie ist ehrlich, aber etwas zu direkt und unverschämt, sie ist klug, aber arrogant, sie ist sicherlich mutig und stark, aber auch agressiv und streng, sie ist ehrgeizig, fast schon auf eine selbstzerstörerische Art. Sie sieht extrentrisch aus und verhält sich gewöhnungsbedürftig, hat aber mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. Alles in einem eine seltsame Gestalt, die aber keinen Anlass gibt, ihr zu misstrauen. Wahrscheinlich der Grund, warum Usagi ihrgegenüber so offenherzig auftritt.

Usagi sieht offensichtlich nur Akane Tayo. Diese mag zwar ihre guten Seiten haben, jedoch ist auch das Alter Ego zu beachten, in welchem alle negativen Eigenschaften zu Tage kommen. Sailor Sun beleidigt die Prinzessin und die Kriegerinnen, als wären sie Dreck. Sailor Sun ist so arrogant, dass noch immer Unterstützung ablehnte, als die Hilfe der Mädchen überlebensnotwenig wurde. Sailor Sun kämpft aggressiv und hat keine Angst vor Opfern. Sailor Sun kämpft ohne Rücksicht auf ihr eigens Leben. Sailor sun tötet die Gegner erbarmungslos. Sailor Sun spricht von dem Kampf gegen die Gegner als „ihren Krieg“ – welche Wut muss existieren, damit man von einem persönlichen Krieg spricht? Nur eine gefährliche.

Und sie behauptet, nicht einmal die genauen Hintergründe zu kennen.

Sie gibt vor, die Identität der Feinde nicht genau zu wissen, sie umreißt deren Ziele bloß. Akane Tayo scheint selbst nicht genau zu wissen, wer Sailor Sun eigentlich ist.

Trotzdem hat sie volle Kontrolle über ihre Kraft.

Und sie bezieht ihre Macht aus derselben Quelle wie ihre Gegner.

Sie beherrscht einen fremden Starseed. Sie ist keine Reinkarnation, keine originäre Kriegerin.

Beachtet man ihr Verhalten, ist fraglich, ob nicht eine böse Kraft auf sie übergegangen ist. Oder ob sie nicht auch Teil des Planes dieser Feinde ist.

Es war schon dunkel. Daher war es seltsam als plötzlich ein kurzes Aufhellen mitten im Wald aufleuchtete.

Das konnte nur ein Lichteffekt von Sailor Moons neuer Waffe oder der Geißel sein. Luna hat soeben einen Anhaltpunkt erhalten, um zurückzufinden.

Luna lief los, ehe sie vergaß, woher das Licht gekommen war.

Wenn wir wenigstens die Sicherheit hätten, wer diese neuen Gegner, wer dieser Hyperion eigentlich ist. Wer ist diese Sunna, deren Starseed Akane Tayo zu beschützen scheint.

Dieses Gefühl der Ahnungslosigkeit in Verbindung mit dem Mondkönigreich ist etwas vollkommen Neues für mich. Ich kannte Metallia bestens, Nehelenia war mir kein unbekannter Name und Galaxia war ein lebendig gewordener Mythos. Doch nun sollen Gegner von der Sonne kommen, die seit der Geschichtscheibung des Mondkönigreichs als verdammter Ort gilt. Keiner hat dies hinterfragt, es schien in der Natur der Sache zu liegen. Kein Anzeichen von Leben, nur Tod, sodass Kreaturen wie Metallia entstehen können. Von einem Kaiserpaar namens Hyperion und Sunna war nie die Rede.

Und nun wird diese Tatsache erschüttert durch eine naiv in einen Krampf verwickelte junge Frau.

Ein zweites Mal erschien der Lichtstrahl, ehe Luna wieder die Orientierung verlor.

Und was ist dieser Leguan?

Als ich ihm nahe kam, spürte ich keine extraterrestische Energie von ihm auszugehen. Er schien als ein ganz normales Reptil. Daher ist es kaum zu glauben, dass dieses Wesen diesen Starseed gestohlen und an Tayo weitergegeben haben soll.

Langsam kam sie außer Atem, doch sie schien dem Haus immer näher zu kommen.

Ich nehme Tayo ihre Ahnungslosigkeit nicht ab. Dazu handelt sie in Konfrontation zu kalkuliert, zu aggressiv, mehr, als durch bloße Routine sich ergeben kann. Ihre Erzählungen wirken zu eingeübt. Wie könnte sie eine Kraft kontrollieren, die Sailor Moon zu viel ist, ohne zu wissen, um was es sich handelt? Wie könnte sie sonst Usagi den Umgang damit erklären. Sie muss mehr wissen, als sie vorgibt. Und ich will wissen, was sie weiß.

Luna blieb ruckartig stehen. Wenn man gerade vom Teufel denkt... vor ihr hockte der Leguan. Extraterrestisch oder nicht, das Tier war gruselig.

Sie hatte ganz vergessen, dass er auch auf der Reise mit war, der kurze Blick in den Kofferraum, wo er gefangen war, war wohl zu wenig einprägend.

„Züngle einmal, wenn du mich verstehst.“ Er tat es. „Geh mir aus dem Weg.“

Luna verstand Tiere allgemein, nicht nur Katzen. Jedes Vogelgezwitscher am Morgen war für sie ein Graus, weil sie mithören musste, wie sich die Tiere stritten. Dieses Tier verstand sie jedoch nicht, als es wieder die Zunge heraustreckte und dabei leise zischte.

Keine abnormale Aura, aber er konnte seine Sprache vor ihr verheimlichen.

Ohne die Augen von ihm zu lassen, schlich Luna um den Leguan herum, er folgte ihr mit starrem Blick. Zum Glück war sie schneller, er konnte ihr nicht folgen. Sie war eher am Haus angekommen, als er.

Luna entdeckte Usagi und Tayo in ihren Uniformen. Auf dem ganzen Boden lagen zerfetzte Melonen, Kissen, Krüge und andere Dinge, die man in Haushalten so findet. Sailor Sun saß auf einen Stein und blickte genervt auf die Prinzessin. Sailor Moon sah erschöpft, aber unbeschadet aus.

„Aber es ist schon besser geworden...“, murmelte Sailor Moon.

Sailor Sun schnaufte: „Aber immer noch zu wenig. Noch mal.“

In diesem Moment entdeckte Sailor Moon die Katze: „Luna! Wo warst du denn so lange?“

„Ich hab mich umgesehen. Ganz schön riesig, dieses Grundstück.“ Sie sah zu Sailor Sun. Diese hielt auf einmal mit beiden Händen ihre Geißel umklammert. Es war wohl besser, wenn die Katze ihr nicht zu Nahe kam.

„Ich geh mal hinein“, murmelte Luna.

„Ja, du warst ja noch gar nicht drinnen!“, lachte Sailor Moon. „Das Haus ist echt schön. Recht schmutzig, aber tolle Möbel und überall hängen Fotos von der kleinen, süßen Ak...“

„NOCH MAL!“, brüllte Sailor Sun. „Verschwende deine Zeit nicht mit hirnlosem Gelaber.“

Sailor Moon zog eine Schnute. „Ja, ja.“

Da Luna die Gefahr kannte, die von Sailor Moons neuer Macht ausging, verschwand sie sicherheitshalber im Haus.

Vielleicht ergab sich an diesem Wochenende ein Moment, wo Luna Tayo zu Rede stellen konnte.
 

Es war schon Morgengrauen als Tayo Usagi endlich vom Training erlöste. Luna erwachte von dem Getrampel, das die beiden verursachten.

„Aber nur drei Stunden, wir haben noch viel zu tun.“

„Jaja“, motzte Usagi und ließ sich auf den Futon fallen, wo Luna eigentlich Platz genommen hatte. Damit sie nicht zum Kopfkissen wurde, hüpfte die Katze schnell weg.

Usagi schlief unverzüglich ein.

Tayo übernachtete in einem anderen Zimmer. Luna wartete kurz vor der Tür. Obwohl sie es verschleiert hatte, war sie genau so müde wie Usagi, denn es dauerte ebenfalls nur wenige Sekunden, bis Tayo eingeschlafen war. Mit der Pfote öffente Luna die Tür, als sie leises Schnarchen hörte.

Luna wusste nicht genau, was sie dazu bewegte, Tayo beim Schlafen zu beobachten. Es war jedenfalls ein relativ verstörender Anblick, dass, wie sie beim Anschleichen erkannte, das vermeintlichte Stofftier in Tayos Armen in Wahrheit der Leguan war. Er schlief ebenfalls.

Ziemlich verrückt, dachte Luna.

Ihr Interesse an dem Leguan wuchs. Vielleicht war er im Schlaf weniger geschützt, als wenn er wach war. Sie berührte das Tier mit der Pfote am Kopf.

Tayo wachte im selben Moment auf.

„VERPISS DICH, SATAN!“, brüllte sie, nachdem sie Luna am Hals gepackt hatte und gegen die Wand schmiss. Luna rannte aus dem Zimmer.

Es würde wohl um einiges schwieriger werden an Tayo heranzukommen, als sie vermutet hatte. Die Katzenphobie war viel zu mächtig.

Hyperion. Ich habe aber diesen Namen schon einmal gehört...

König Serenity war noch nicht lange im Amt, als sie sich mit der Geschichte ihrer Vorgängerinnen auseinandersetze. Sie analysierte deren Wohltaten und Fehler, um sich am besten orientieren können. Ihr unangetastetes Vorbild war keine geringere als die erste Mondkönigin, Selene.

Eigentlich waren nur Legenden um diese Königin überliefert, welche Selene zum Ideal stilisierte. Eine gerechte, gnädige, perfekte Herrscherin, die ein mächtiges Reich aufbaute. Sie regierte mit Weisheit, Vorraussicht und Zuvorkommenheit, trotzdem nicht zerbrechlich. Sie bezwang eine Macht, die bedrohlicher war, als das Chaos, deren Namen man nicht aussprechen durfte. Und nach schlimmen Kriegen mit von dieser Macht vergifteten Nachbarvölkern gelang es ihr aus dem Nichts das Königreich wieder aufzubauen und zu neuer Blüte zu führen. In ihrer positiven Einstellung schloss sie Friede, und ihre Vorsicht ermöglichte, dass es nie wieder zu einem Krieg mit diesen Völkern kam. Nichts konnte ihren Idealismus trüben.

Jeden Tag stand sie junge Königin Serenity vor dem Portrait der Selene, das niemals ihre überlieferte Schönheit einfangen konnte. Serenity war hoffnungsvoll und betrübt zugleich.

Ich stelle mich neben sie und betrachtete das imposante Bild, das sich der Realität wahrscheinlich nur annähern konnte. Ich verstand die Fanszination, die von dieser Herrscherin ausging.

Die Königin seufzte: „Jede Mondkönigin muss sich einmal die Frage stellen, was passiert, wenn sie zurückkommt. Daher müssen wir alle Selene als unser Vorbild nehmen.“ Sie wandte sich zu mir. „Luna, ich habe Angst. Es heißt, dass von Generation zu Generation die Macht des Silberkristalls abnimmt. Was ist, wenn sie wartet und uns angreift, wenn wir schon längst zu schwach geworden sind.“

„Selene hat sie vernichtet“, versuchte ich zu beruhigen. „Es gibt keine Anzeichen ihrer Existenz mehr.“

„Hyperion lebt noch“, antwortete Königin Serenity.

Ich verstehe erst jetzt, dass die Königin nicht von der Macht sprach, deren Namen man nicht aussprechen durfte. Sie sprach von einem vergifteten Nachbarvolk. „Sie“ war nicht die Macht. „Sie“ war die, mit dem Bezug zu Hyperion. „Sie“ war Sunna.

Akane Tayo trägt den Starseed einer ehemaligen Gegnerin des Mondkönigreichs.

Luna wollte gerade in Usagis Zimmer verschwinden, als plötzlich der Leguan erschien. Und diesmal war er nicht nur auf die Art unheimlich, wie es ein Reptil eben war. Sein Blick nahm sie geradzu gefangen.

„Was willst du?“, fragte Luna.

Der Leguan zischte.

„Ich weiß jetzt, wer diese Sunna ist. Sie ist genau so eine Gefahr für meine Prinzessin, wie es Hyperion und seine Schergen sind. Ich kann daher nicht unterstützen, was du und Tayo auch vorhaben mögen. Denn was es auch sein wird, es wird Usagi nur Schaden bringen.“

Der Leguan züngelte und ging langsamen Schrittes zu der Katze. Luna konnte sich nicht bewegen.

Das Reptil schüttelte den Kopf. Es züngelte, seine Zunge berührte Lunas Halbmond auf der Stirn. Und plötzlich wurde es dunkel.
 

Als Luna wieder sehen konnte, erkannte sie als erstes, dass sie in ihrer menschlichen Gestalt war. Irritiert fasste sie an ihre Handgelenke, ihre Hüften, ihre Wangen. Es war ein ungewöhnliches Gefühl.

Erst nach einer Weile erkannte Sunna, dass sie sich nicht in dem Haus den den Niho-Alpen befand. Sie schwebte über einen riesigen, mit Gold ummantelten Palast, unter dem sich ein unendlich tiefer Abrund auftat. Auf der großen Tarasse befand sich nur eine Person, eine Frau – Luna sah sie nur von hinten, und sie hatte auch kein Bedürfnis das Gesicht dieser Frau zu sehen.

Dafür fiel ihr die Schrift auf, welche sich vor ihren Augen in die Luft zeichnete.

„Traue keinen Legenden“, las sie.

Auf einmal ertönte das hysterische Weinen eines Kindes – unter dem Geschrei konnte man schemenhaft das Wort „Mama“ hören. Luna sah sich nach der Quelle um, doch sie konnte kein weinendes Kind finden.

Und auch der Palast war plötzlich verschwunden.

An seine Stelle war ein im Scheinweiferlicht befindlicher Scheiterhaufen getreten. An ihn war dieselbe Frau gefesselt, welche zuvor auf dem Balkon gestanden war. Luna sah sie zwar von vorne, doch ihr Gesicht war von einem Schatten bedeckt, sodass Luna nur ihren Mund erkennen konnte. Das Kind brüllte noch immer.

Ist das Sunna, fragte sie sich.

Ehe sie den Gedanken weiterführen konnte, wurde das Geschrei des Kindes von mehreren Stimmen, die keinen Urheber zu haben schienen, übertönt. „Sprecht eure letzten Worte.“

Die Frau sprach leise, Luna verstand nicht, das unaufhörliche Weinen des Kindes übertönte jede Silbe.

Und dann ging der Scheiterhaufen in Flammen auf.

Gleichzeitig wurde es dunkel.
 

Luna riss die Augen auf. Sie war zurück in ihre Katzenform und in das Haus gekehrt. Der Leguan stand ihr direkt gegenüber.

„Was willst du mir damit sagen?“ Als ob sie nicht geaht hätte, dass das Reptil ihr keine Antwort geben würde.

In Tayos Zimmer brannte Licht – offensichtlich hatte sie nach dem Überfall nicht mehr einschlafen können. Luna wog alle Risiken ab und betrat erneut das Zimmer. Tayo las. Als sie Luna sah, zuckte sie zusammen.

„Keine Angst ich komm dir nicht zu nah. Wir haben zu sprechen.“

Tayo atmete dreimal tief durch. „Aber mach schnell.“

„Dein Leguan hat mir gerade Dinge gezeigt.“ Sie musste es nicht genauer ausführen, Tayo schien zu wissen, wovon die Katze sprach. „Sunna wurde hingerichtet.“

Tayo schnaufte. „Ja.“

„Vom Mondkönigreich?“

Tayo rieb sich die Schläfen und murmelte Beschimpfungen über den Leguan in sich hinein, ehe sie antwortete: „Es ist nicht schwer, eins und eins zusammen zu zählen.“

„Für Usagi schon.“

„Ich weiß. Deswegen... sag ihr nichts. Ich mag ihr nichts erzählen, was ihr Weltbild zerstören würde.“

Luna schnaufte über Akanes ausweichende Antwort. „Du weißt mehr, als du gerade zugeben möchtest?“, fragte sie. Diese Frage schien ihr am diplomatischsten.

Tayo nickte. „Mehr als mir lieb ist. Und ich werde es euch nicht sagen.“

„Dann ist dir bewusst, dass wir dir weiterhin nicht vertrauen werden.“

„So ist es mir eh lieber.“ Tayo gähnte. „Und wenn ich bitten dürfte, es ist spät, ich würde gerne wenigstens noch eine Stunde schlafen.“ Sie legte sich hin und zog die Bettdecke über den Kopf. Sie imitierte ein lautes Schnarchen.
 

Wenn sie das Vertrauen so intesiv ablehnt, heißt das nicht eigentlich, dass wir ihr vertrauen können, dachte Luna. Sie beobachtete seit einigen Stunden Sailor Moons Trainingstunden. Es sah nicht mehr ansatzweise so gefährlich aus, wie am Anfang, Usagi schien ihre neue Macht tatsächlich unter Kontrolle zu bekommen. Und Tayo erwies sich als eine strenge, aber geduldige Lehrerin, ein Typus, den Usagi immer gebraucht hatte.

Was an ihr ist Tarnung, was ist echt?, fragte sich Luna.

Usagis Handy läutete plötzlich. Noch bevor sie auf den Bildschirm gesehen hatte, rief sie: „MAMORU!“ Trotz Tayos Proteste, rannte sie zum Mobiltelefon. „Ich hab deinen Anruf schon sooo sehnsüchtig erwartet. Ob du es glaubst oder nicht, ich kann’s. Ein wenig Feigefühl fehlt noch, aber...“ Sie stockte. Und den Rest des Telefonats brachte Usagi nur mehr ein verstörtes „Ja“ und eine kurze Verabschiedung heraus.

Sie ließ sich neben Luna auf den Boden fallen. Sanft setzte sie Katze auf ihren Schoß und streichelte sie. Luna sah, wie Usagis Augen feucht wurden.

„Oh Mann, kommt der Maskenheini nicht?“, fauchte Tayo. „Meine Güte, deswegen brauchst du doch nicht zu flennen. Siehst ihn halt erst zwei Tage später, so what, er wird schon nicht fremdgehen.“ Usagi reagierte nicht.

Luna sah ihrem Protegé in die Augen. „Was ist passiert?“

Usagi schnaufte: „Er will in nächster Zeit keinen Kontakt mehr zu mir. Und er hat mir nicht gesagt, warum.“ Darauf fing sie an zu weinen.

Luna wusste nicht, was sie sagen sollte.

Tayo setzte sich neben Usagi. Sie legte ihre Hand auf ihre Schulter. Usagi sah zu ihr hoch. Tayo lächelte. „Wenn du Bock hast, kannst du mich Akane nennen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Fiamma
2015-09-10T11:24:01+00:00 10.09.2015 13:24
Huhu,
erstmal tolle FF:)

Die arme Usagi:( Mamoru muss ja irgendeinen Grund dafür haben :/
Bin gespannt wie es weiter geht.

lg
Fiamma^^


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