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Custodis Somnia

Die Wächter der Träume
von

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Kapitel I - Unwissend

Nora lag auf etwas hartem. Sie fühlte sich benommen. Ganz vorsichtig stützte sie sich auf die Hände und richtete sich etwas auf. Wo war sie?

Über ihr hing eine einzelne, leicht flackernde Glühbirne, die den Raum mit einem elektrischen Summen erfüllte. Noras Augen mussten sich erst an das schummrige Licht gewöhnen.

Sie richtete sich auf und streckte sich. Ihr Nacken war total verspannt und sie fragte sich, wie lange sie hier wohl schon lag.

Als sie sich umsah stellte sie erschrocken fest, das jemand mit ihr im Raum war. In einer Ecke saß jemand auf einem einfachen Holzstuhl.

Nach Luft schnappend fiel Nora nach hinten um. Da sie keinen Ausweg erkannte krabbelte sie rückwärts bis an die steinerne Betonwand, die ihr zu allen Seiten den Fluchtweg abschnitt.

Die Person in der Ecke saß im Schatten. Sie beobachtete Nora. Langsam war die Person aufgestanden und einen Schritt nach vorne getreten. Nun konnte Nora erkennen, dass es sich um einen Mann handelte. Er hatte schulterlange, braune Haare, einen Bart und dunkle Augen. Die Arme hatte er verschränkt und sein Blick war grimmig.

Nora hielt unwillkürlich die Luft an. Einen kurzen Moment lang war es ganz still. Nur das Summen der Lampe war leise zu hören. Dann machte der Mann endlich den Mund auf:

“Hallo Nora“, sagte er leise jedoch mit einem breitem Lächeln im Gesicht.

Nora sagte nichts. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

Der Mann kam noch ein Stückchen näher und kniete sich vor Nora hin, sodass beide auf Augenhöhe waren. „Ich bin Tom.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen, doch Nora sah ihn nur weiter mit aufgerissenen Augen an.

“Wo bin ich?“, fragte sie mit leiser und zitternder Stimme.

Der Fremde, der sich Tom nannte zog seine Hand wieder zurück und richtete sich auf.

“Das kann ich dir leider nicht sagen. Noch nicht zumindest.“ Er verschränkte die Arme und sah auf Nora herab, die es nicht wagte, sich zu bewegen.

“Du brauchst wirklich keine Angst zu haben.“ Tom lächelte sie an.

Nora schluckte und sah sich erneut um, diesmal etwas genauer. Sie befanden sich in einem kleinen, quadratischen Raum mit grauen Betonwänden. Außer dem Stuhl, auf dem Tom gesessen hatte gab es keine Möbel. Nur die flackernde Glühbirne und eine einfache, braune Holztür. Nicht einmal Fenster waren hier eingebaut worden. Vielleicht war es ein Kellerraum?

Sie zog die Knie an die Brust und sah Tom nun das erste Mal in die Augen.

“Wie bin ich hier her gekommen?“, fragte sie.

Toms Gesichtsausdruck wurde ernst.

“Kannst du dich nicht erinnern? Tut mir Leid, es war sicherlich nicht angenehm, aber wir mussten dafür sorgen, dass du nichts mitbekommst.“

“Wir?“

“Ja. Wir nennen uns die Custodis Somnia und wir sind eine geheime Organisation. Wir sind zu fünft. Die anderen wirst du noch kennen lernen. Nun ja. Je nach dem, wie du dich entscheidest.“

Toms Stimme war während er redete immer leiser geworden. Nora öffnete den Mund, wusste jedoch im ersten Moment nicht wirklich, was sie sagen sollte.

“Wie bin ich hier her gekommen?“, wiederholte sie nach kurzer Zeit, als Tom keine Anstalten machte, erneut etwas zu sagen.

Er seufzte.

“Nunja, man könnte es ja schon als Entführung bezeichnen…“, murmelte er.

Von seiner anfänglichen Sicherheit war nun nur noch wenig übrig. Und Nora spürte das, wodurch sie sich etwas mutiger fühlte.

“Ihnen ist bewusst, dass eine Entführung strafbar ist?“ Ihre Unterlippe bebte.

Tom sah sie mit schief gelegtem Kopf an. Dann fing er lauthals an zu lachen.

“Nora“, brachte er mühsam hervor. „Du wirst mich nicht anzeigen.“ Er wischte sich über die Augen.

Noras kurz aufflammender Mut war augenblicklich wie erloschen.

“Woher wollen sie das wissen?“, fragte sie kleinlaut.

Tom lächelte sie nun wieder an, wenn auch nicht mit dem gleichen Selbstbewusstsein wie zuvor.

“Wir, also die Custodis Somnia, wollen dich für unsere Sache gewinnen. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder du stimmst zu und wirst eine von uns, oder du lehnst ab und wirst wieder in deinem Bett im Waisenhaus aufwachen, als wäre das alles hier nur ein böser Traum gewesen. Natürlich wird man dich vermisst haben, doch selbst wenn du ihnen von hier erzählst werden sie es nicht ernst nehmen, nicht wahr?“

Toms Grinsen war ein Stück breiter geworden.

Nora schluckte. Sie wusste genau, dass er Recht hatte mit dem was er sagte. Wie würde sie jemandem davon erzählen können, ohne dass er sie auslachte? Nora war niemals wirklich ernst genommen worden. Kein Kind aus dem Waisenhaus war das. Alle Geschichten, die nicht zu hundert Prozent glaubwürdig waren, wurden als Fantasien der Kinder abgetan, um Aufmerksamkeit zu bekommen.

“Also kann ich wieder nach Hause?“, hakte sie schließlich nach.

“Natürlich meine Liebe. Aber erst wenn du dich entschieden hast. Und übereilige Entscheidungen werden hier nicht gewertet. Du musst dir alles anhören, was wir dir zu sagen haben und ich meine wirklich alles. Außerdem wirst du erst einmal ein paar Tage hier bleiben, womit wir verhindern wollen, dass du zu überstürzt nach Hause möchtest.“, erklärte Tom, dessen Stimme nun wieder etwas kräftiger war.

Nora zog die Augenbrauen hoch und sah sich in dem kahlen Raum um.

Tom schien ihren blick zu bemerken.

“Nicht hier in diesem Zimmer. In einem schöneren. Mit Bett und allem. Das würde dann auch dein Zimmer werden, würdest du dich für uns entscheiden.“

“Ich würde ein eigenes Zimmer bekommen?“, fragte Nora sofort nach.

Zwar war sie immer noch misstrauisch, doch die Neugierde siegte. Im Waisenhaus hatte sie sich das Zimmer mit zwei viel jüngeren Mädchen teilen müssen, seit sie denken konnte. Und seit sie denken konnte war ein eigenes Zimmer einer ihrer größten Wünsche gewesen.

„Und diese Organisation, von der du geredet hast… Die macht was genau?“, fragte Nora.

Tom lächelte. „Wie gesagt nennen wir uns Custodis Somnia. Die Wächter der Träume. Und genau das ist was wir tun.“

Nora wartete darauf, dass er weiter sprach. „Was tun?“, musste sie schließlich nachharken.

Diesmal zögerte Tom. „Wir beschützen die Träume der Menschen und reinigen sie vom bösen.“

Nora klappte der Mund auf. Sie schüttelte den Kopf.

„Was?“

“Du hast schon richtig gehört. Wir sind so was wie Traumwächter.“

Noras Neugierde wich erst etwas wie Belustigung, dann bekam sie Angst. Vielleicht war dieser Tom ja verrückt? Und er meinte, er sei nicht alleine. Vielleicht hatte er einen ganzen Trupp verrückter draußen warten, die wer weiß was mit Nora anstellen würden. Obwohl sie bereits ganz an der harten Betonwand saß, rückte sie noch mal unwillkürlich ein Stück zurück.

Tom seufzte. „Du glaubst mir nicht.“ Es war eher eine Feststellung als eine Frage.

“Bitte, ich mach alles was du oder ihr wollt, aber lasst mich gehen“, flehten Nora mit einem Mal. In ihren Augen glänzten Tränen.

Tom sah sie mit etwas wie Mitleid im Blick an.

“Ein Vorschlag“, sagte er. „Lass uns etwas ausprobieren. Wenn du mir danach glaubst, bleibst du sowieso. Wenn nicht, bringen wir dich sofort nach Hause.“

Nora schüttelte ohne zu überlegen den Kopf. „Ich möchte bitte sofort nach Hause.“ Sie zog ihre Beine etwas enger an ihren Körper und vergrub den Kopf zwischen den Knien.

“Du lässt mir leider keine andere Wahl“, murmelte Tom mehr zu sich selbst, als zu Nora und ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum.

Nora sah ihm mit angstgeweiteten Augen nach. Was nun?

Von draußen konnte sie Stimmen hören, dann öffnete sich die Türe wieder.

“Hallo Nora, ich bin Kendra.“ Eine Frau mit langen, dunkelbraunen Locken war ins Zimmer gekommen. Nora musterte sie ängstlich.

Die Frau kam näher und kniete sich nun, wie zuvor Tom, vor Nora auf den Boden.

Nora erschrak, als sie sah, dass die Frau blind war. Die Milchig weißen Augen schienen direkt auf Noras Stirn gerichtet zu sein. In einer Hand hielt Kendra einen durchsichtigen Plastikbecher, der mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt war.

“Trink das“, forderte Kendra Nora mit einem freundlichen Lächeln auf und reichte ihr den Becher. Dabei trafen sich ihre Blicke und Nora entspannte sich etwas. Ob Kendra sie sehen konnte? Nein. Kendras Blick war wieder zu dem Punkt zwischen Noras Augen gewandert, wo er bereits davor geruht hatte. Der Blickkontakt musste ein Versehen gewesen sein. Schüchtern nahm Nora den Becher in die Hand und Kendra nickte ihr lächelnd zu.

Nora musterte die Flüssigkeit. Sie roch nach Honig und auf einmal verspürte Nora fürchterlichen Durst. Warum sie das Tat war ihr selbst nicht wirklich klar, aber ohne weiter darüber nachzudenken setzte sie sich den Becher schließlich an die Lippen und trank ihn in wenigen Zügen leer. Kendra richtete sich auf.

“Bis gleich“, sagte sie nur und verließ den Raum wieder.

Nora blickte ihr verwundert hinterher. Gleichzeitig merkte sie, wie Glieder und Augenlider ihr schwer wurden. Ihr Kopf war mit einem Mal von einem nicht unangenehmen, sanften Brummen erfüllt. Eine ihr bisher unbekannte Wärme breitete sich in ihr aus und kurz darauf spürte sie nur noch, wie ihr der leere Becher aus der Hand fiel und sie auf den Boden sackte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Moonshine-
2012-09-05T16:07:04+00:00 05.09.2012 18:07
Hallo,

bin gerade ganz zufällig über die Geschichte gestolpert, weil ich die Leseprobe ganz interessant fand.
Zum ersten möchte ich sagen, dass die Idee, die du da hattest, mich neugierig gemacht hat, zum zweiten hast du einen ganz odentlichen Schreibstil. Das 1. Kapitel ist zwar kurz, lässt sich aber bis jetzt angenehm lesen.
Was das Ganze so ein bisschen verdirbt, ist allerdings die Formatierung deines Textes. Wenn du dir mal ein Buch zur Hand nimmst, wirst du merken, dass Autoren Zeilenumbrüche machen. Faustregel gilt: Beim Dialog Sprecherwechsel = Umbruch, neuer Gedanke = Umbruch.
Das erleichtert dem Leser das Lesen, es verleiht deiner Geschichte Struktur, und ist EXTREM angenehm für das Auge (ich muss ehrlich sagen, als ich das 1. Kap. angeklickt hab, dachte ich mir: Och nö, hat sich so nett angehört in der Kurzbeschreibung, und dann das... Wollte ehrlich gesagt wieder wegklicken, hab mich dann aber doch noch durchgerungen, es zu lesen - für mich einer DER Gründe schlechthin, etwas nicht zu lesen). Du kannst dir hierbei vllt merken: Immer, wenn eine neu Person anfängt zu sprechen, machst du einfach einen Umbruch. Und damit meine ich
sowas hier, und keinen Absatz

wie zB den hier. ;) Wenn du verstehst?

Zudem hast du ein paar Kommafehler drin, die den Lesefluss auch ein wenig beeinflussen.
Zum Inhalt kann ich ehrlich gesagt noch gar nicht so viel sagen, obwohl ich gerne würde. Ich fühlte mich in die Geschichte recht schnell hineinkatapultiert, und dann tauchen auf einmal gleich so viele neue Personen ein, die nur kurz beschrieben und vorgestellt werden. Das ist sicherlich auch ein Weg für eine Einführung, jedoch nicht mein Favorit, wobei das ja wieder von persönlichen Inetressen bestimmt wird. Ich zB hab es lieber langsamer und intensiver, ich kann mir gut vorstellen, dass auch andere sich da etwas überfahren fühlen und mit den Infos erstmal nichts anzufangen wissen.
Nora's Verwunderung bzw Verwirrung hättest du vielleicht klarer herausarbeiten sollen. Es sind Ansätze vorhanden, aber irgendwie nimmt sie es doch relativ locker, wundert sich eher über die bekannten Gesichter, als evtl sogar Angst zu haben, weil sie doch recht spontan und unerwartet überfallen und entführt wurde. Da muss man mal überlegen, was psychisch damit einhergeht - Eindringen in die Privatsphäre (Beraubung von Sicherheit), unbekannter Ort, Verlust der persönlichen Kontrolle (durch die Ohnmacht/Betäubung)...also das ist nicht ganz ohne. Ein bisschen Atmosphäre bringt immer gleich sehr,s ehr viel Leben in eine Geschichte, und die kann man zB erzeugen, in dem man Gefühle darstellt, Gesichtsausdrücke (!), Beschreibung der Umgebung (war ja hier zB gar nicht). Je enger man sich da fasst, desto klarer wird das Bild, das sich im Kopf des Lesers ergibt, bis es irgendwann beim Lesen wie ein Film abläuft und DAS sollte das Ziel jedes Autors sein, weil das einfach wunderbar ist. ^^
Ach ja, und noch was kleines... Waisenhäuser gibt es nicht, das nennt sich heutzutage Kinder- und Jugendheim. ;)

Nochwas zur Struktur bzw Form:
„Wir wollen dir nichts böses.“, fügte ein junger Mann mit rotem Haar hinzu. - hier hast du Zeichenfehler drin.
Wörtliche Rede wird nur dann mit einem Punkt beendet, wenn kein Begleitsatz im Sinne von "sagte, frage, bla" dahinter steht.
Hier müsste es heißen: "Wir wollen dir nichts Böses", fügte ein junger...
Frage- und Ausrufezeichen sind hiervon natürlich ausgeschlossen.

So, das wär's von mir. Ich weiß, das hört sich jetzt viel an, aber ich hoffe, du siehst es als ein paar Tips, wie du es noch besser machen kannst. Vom Schreibstil her bist du ja schon sehr gut, wenn du noch etwas Struktur und Atmosphäre einbaust, dann bin ich sicher, findest du auch bald schnell begeisterte Leser (die dich dann nicht so kritisieren).
Ich bin gespannt, wie es mit der Geschichte weitergeht. Viel Erfolg.

LG
Eli


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