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Lebensdrehungen

Denn es gibt keine Definition
von

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| eins |

Daniel hasste Partys. Er hasste sie wie die Pest, vor allem wenn sein bester Freund Kevin sich so toll ohne ihn amüsierte. Aber im Moment hasste er am Meisten sich selbst, weil er die Beherrschung verloren hatte und beinahe auf das Mädchen losgegangen wäre, dem Kevin gerade die Zunge in den Hals gesteckt hatte, während Daniel mit dem selbst ernannten Barkeeper Jonas um eine Whiskey Cola gestritten hatte. Na ja, das Cola war eher nur der Farbe wegen drin, aber egal.

Arschlöcher.

Missmutig kickte er Steinchen vor sich her und lief durch die Nacht zur Bushaltestelle. Er wollte nur noch nach Hause.
 

Als er das Wartehäuschen gerade erreichte, hörte er Schritte hinter sich. Er drehte sich um.

„Valerie?“, fragte er erstaunt. Er wusste gar nicht, dass sie auch auf der Party gewesen war. Sie ist ja auch ziemlich unscheinbar. Er musterte sie, ihre schwarzen, schulterlangen Haare, die fast mit der Nacht verschmolzen und ihr ins Auge hingen. Ihre dunklen Augen funkelten hinter den Kontaktlinsen und als sie atemlos vor ihm zu stehen kam, stellte er fest, wie klein sie war. Fast einen Kopf kleiner als er, dabei war sie genauso alt wie er und ging in die Parallelklasse.
 

„Ich hab gesehen, wie du weggelaufen bist und dachte mir, ich schaue mal, ob alles mit dir in Ordnung ist.“, sagte sie und schob ihre Ponyfransen mit dem Handrücken beiseite.
 

Daniel wusste nicht recht, wie er darauf reagieren sollte, vor allem, weil sie bisher kaum miteinander gesprochen hatten – was größtenteils an ihrer Schüchternheit lag - und sie sich keinen schlechteren Zeitpunkt hatte aussuchen können. Er wollte allein sein, verdammt, und sich aufregen. Nur – über was eigentlich? Über Kevin? Er machte öfter mit Mädchen rum und bisher hatten seine unzähligen Freundinnen auch nicht gestört. Zumindest nicht so. Wie hieß seine jetzige? Desiree oder so. Ja, Desiree Kreuz. Sie war in Valeries Klasse.

Kevin und er waren zusammen hingegangen, aber es war doch ganz normal, dass sie nicht den ganzen Abend miteinander verbringen würden, auch wenn sie beste Freunde waren, und das seit dem Kindergarten. Oder noch länger. Eigentlich sollte alles mit ihm in Ordnung sein.

„Mir geht’s gut, danke der Nachfrage.“, antwortete er deshalb.
 

„Oh.“ Mehr fiel Valerie wohl nicht ein, sie wippte verunsichert auf ihren Füßen vor und zurück.

„Dann… dann geh ich mal besser wieder. Tut mir leid, wenn ich dich genervt habe.“
 

Äh… was? Irgendwie kam sich Daniel seltsam vor, als er sah, wie sie sich auf die Lippe biss und umdrehte. Sie tat ihm leid.

„Mit wem bist du eigentlich zur Party gegangen?“, fragte er, um einen lockeren Tonfall bemüht. Bis der nächste Bus kam, dauerte es eh noch eine viertel Stunde, da konnte er genauso gut auch Konversation betreiben.
 

„Jonas hat mich mitgenommen.“
 

Okay, Daniel, das war die falsche Frage. Wieder spürte er Wut. Er konnte diesen Typen nicht ausstehen, er war arrogant, hielt sich für etwas Besseres und steckte noch immer mitten im Stimmbruch, was seltsamerweise niemandem etwas ausmachte.
 

„Er ist mein Nachbar.“, fuhr Valerie fort.
 

„Ach so.“ Jetzt fiel ihm nichts mehr ein und er sah, dass Valerie angestrengt nach weiterem Gesprächsstoff suchte. Es war ihm selten so schwer gefallen, ein Gespräch aufrecht zu erhalten. Er überlegte, ob er sie fragen sollte, ob sie mitfuhr, verwarf den Gedanken aber gleich wieder.
 

„Hat’s dir denn gefallen?“, fragte sie nach einigen Minuten des Schweigens.
 

Hatte sie gerade ernsthaft gefragt, ob es ihm gefallen hätte? Er starrte sie an. Nein, zum Henker, es hatte ihm nicht gefallen! Er mochte Partys eh nicht und heute musste er auch noch die ganze Zeit allein herumlaufen und mit ein paar Leuten Smalltalk machen. Bah.
 

„Oh, tut mir leid. Wenn es dir nicht gefallen hätte, wärst du wohl nicht weggelaufen.“, beeilte sie sich zu sagen und ihre Wangen färben sich hauchzart rot.
 

Weggelaufen, das hörte sich an, als wäre er ein Feigling. Er wünschte, sie wäre ihm nicht gefolgt. Auch wenn sie es gut gemeint hatte, sie ging ihm auf die Nerven.

„Mein Bus kommt.“, sagte er, dankbar, dass das klapprige Teil ein paar Minuten zu früh kam.
 

„Oh.“ Schon wieder sagte sie Oh. Daniel schüttelte den Kopf.

„Tschüss.“
 

„Bis dann.“ Er hob die Hand zum Abschied und stieg ein.
 

Der Fahrer nickte ihm zu und Daniel suchte sich einen Platz ganz hinten. Der Bus war fast leer, nur ein altes Ehepaar saß drei Reihen vor ihm. Er glaubte, sie schliefen. Er wühlte in seiner Jackentasche und fand seinen iPod, den Geldbeutel und eine Packung Kaugummi. Er steckte sich einen Streifen in den Mund und die Kopfhörer in die Ohren. Die Geldbörse verstaute er wieder in der Tasche; der Nachtbus war kostenlos.
 

Er stellte Musik an und schaute zu, wie Häuser und Bäume am Fenster vorbeizogen. Er hatte seinen Schlüssel daheim gelassen, weil er eigentlich vorgehabt hatte, bei Kevin zu übernachten. Scheiße gelaufen, Daniel. Wütend drehte er die Lautstärke höher.
 

Es brannte kein Licht im Haus. Gereizt trat er gegen das Gartentor. Wenn er seine Eltern jetzt weckte, konnte er gleich sein Testament planen. Verdammter Mist!

Er fluchte.
 

„Alles in Ordnung, Daniel?“
 

Er wirbelte herum. Erik Saalberg grinste ihn an. Der zweite, der ihn in der letzten halben Stunde gefragt hatte, ob alles mit ihm in Ordnung war. Sind die denn alle blind, verdammt?

„Nein.“, sagte er, „Ich hab mich ausgesperrt.“ Er deutete unwirsch auf das verschlossene Tor.
 

„Oh.“, machte Erik und verkniff sich ein Lachen. Wehe, heute sagt noch jemand Oh! Ich drehe durch! „Tja, das ist wirklich Pech.“
 

„Darauf bin ich auch schon gekommen.“ Daniel verdrehte genervt die Augen.
 

„Ich dachte, die Party geht länger und du übernachtest dann bei Kevin?“
 

„Ich hab’s mir anders überlegt.“, murmelte er.
 

„Habt ihr euch gestritten?“
 

Himmel und Hölle, warum interessierten sich die Leute ausgerechnet immer dann für ihn, wenn er keine Lust auf sie hatte!?

„Nein.“
 

Erik schaute ihn immer noch neugierig an.

Murmelnd erzählte Daniel ihm von seinem Ärger, als Kevin mit Desiree herum gemacht hatte und wie Valerie ihn genervt hatte.
 

Erik zog die Augenbrauen zusammen. „Hört sich an, als wärst du eifersüchtig auf Desiree.“ Er grinste.
 

„Was?“ Verwirrt schaute Daniel ihn an.
 

„Na, du bist doch verliebt in ihn, oder?“ Eriks Grinsen wurde breiter.
 

Die Frage kam für Daniel wie ein Schlag ins Gesicht.

„Was?“, stieß er aus.
 

„Du hast mich schon verstanden.“ Jetzt war es an Erik, die Augen zu verdrehen.
 

„Red‘ keinen Mist.“, brummte Daniel, um Fassung bemüht.

„Was willst du überhaupt von mir, eh?“
 

„Ich wohne hier.“
 

„Nein, ich wohne hier. Du wohnst da.“ Daniel zeigte auf das Nachbarhaus.
 

„Okay, okay. Schon gut. Ich hab dich hier stehen sehen und mich gewundert, warum du so scharf darauf bist, die Nacht hier draußen zu verbringen. Und weil das jetzt geklärt ist, wäre meine nächste Frage, ob du bei mir pennen willst. Meine Eltern sind nicht da und haben demnach nichts dagegen.“
 

„Danke.“, murmelte Daniel.
 


 

Es lag nicht daran, dass die Couch in Eriks Wohnzimmer steinhart war. Es die Verwirrung, die Eriks Worten gefolgt war und Daniel nicht schlafen ließ.
 

Na, du bist doch verliebt in ihn, oder?
 

„So ein Quatsch.“, brummte er und zog sich ein Kissen über den Kopf.

Aber so sicher war er sich doch nicht, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte.
 

Langsam glitt er ins Land der Träume, wo Kevin und Desiree und Erik und Valerie ihn bis zum Morgengrauen verfolgten.
 

-tbc-

| zwei |

Daniel bereute es, nach Hause gekommen zu sein, als seine Mutter die Tür öffnete. Er sah ihr an, dass es wieder Streit gegeben hatte.

„Hallo, mein Schatz.“ Sie rang sich ein Lächeln ab, „Wie war’s?“
 

„Toll.“, log er murmelnd, rieb sich möglichst unauffällig die Augen. Er hatte verdammt schlecht geschlafen, was ihm überdeutlich anzusehen war.
 

Seine Mutter runzelte die Stirn.

„Wann bist du denn ins Bett?“
 

Gar nicht, ich hab auf einem steinharten, winzigen Sofa geschlafen. Aber er zuckte einfach mit den Schultern und wich der Frage aus.

„Wohin gehst du?“

Sie trug ihre Jacke und zog gerade ihre Schuhe an. Mit mindestens zehn Zentimeter Absatz.
 

„Ach, ich muss noch kurz ins Büro…“, murmelte sie.
 

Daniel hörte seinen Vater im Wohnzimmer verächtlich schnauben.

„Denk dran, den Schreibtisch sauber zu machen, wenn ihr fertig gefickt habt, Emily. Nicht, dass seine Frau noch den Verdacht bekommt, ihr hättet etwas miteinander.“

Arschloch!
 

Sie schloss kurz die Augen und atmete tief durch.

„Wenn ich nicht rechtzeitig zum Mittagessen zurück bin, am Kühlschrank hängt die Karte vom Chinesen.“ Sie drückte ihm einen Zwanzig-Euro-Schein in die Hand und küsste ihn rasch auf die Stirn.

„Bis dann.“
 

„Danke.“, sagte Daniel, „Bis nachher.“

Er steckte das Geld in die Hosentasche, ignorierte seinen Vater und ging nach oben in sein Zimmer, wo er die Schuhe in eine Ecke und die Jacke über den Schreibtischstuhl warf.

Dann legte er sich auf das Bett und starrte die Decke an.
 

War es Liebe? Hatte Erik Recht? War er wirklich in Kevin verliebt? Nun, dachte er, das würde zumindest mein idiotisches Verhalten in letzter Zeit erklären.

Aber schwul? Er? Er hatte noch nie eine Beziehung gehabt, ganz im Gegensatz zu Kevin. Obwohl ihm Kevins Anhängsel eher genervt hatten, statt ihm Lust auf eine eigene Freundin zu machen…

Oder war es Eifersucht? Warum warf ihm Eriks Kommentar so aus der Bahn? Der hatte das vielleicht nur aus Spaß gesagt und gar nicht gewusst, was er damit angerichtet hatte.

Aber wenn er wirklich schwul war, was sollte er dann machen?

Mit Kevin reden?

Kevin, der sich von einem Mädchen zum nächsten hangelte, begehrt wie ein beknackter Promi? Er war der unschwulste Typ, den er kannte.

Und seine Eltern?

Fast hätten ihn seine eigenen Gedanken zum Lachen gebracht. Sein erzkonservativer Vater, der Rassist, war der Meinung, alle homosexuellen Leute gehörten auf den Mars oder sonst wo hin verbannt. Ohne Chance auf Rückkehr. Und seine Mutter hatte genug mit ihrem eigenen Liebesleben zu tun. Ob sie nun eine Affäre mit ihrem Chef hatte oder nicht, zurzeit brachte sein Vater sie oft genug auf die Palme. Sollten sie erst mal ihre eigene Liebe wieder hinkriegen.

Er ging die Leute durch, die er sonst noch kannte. Viele waren es ja nicht und in Frage kam eigentlich keiner. Bis auf Kevin hatte er kaum Freunde.

Erik? Schließlich war der schwul und Schwule hatten angeblich einen Schwulenradar, oder?

Daniel zögerte und verwarf den Gedanken schließlich.

Letztendlich war er überhaupt nicht schwul und hatte sich vollkommen umsonst Gedanken gemacht.

Aber er kam nicht umhin, ein mulmiges Gefühl zu haben, dass sich langsam aber sicher in ihm ausbreitete und ihm die Luft abschnürte.
 

Um sich abzulenken, machte er seine Hausaufgaben. Alle. Er schaffte es sogar, was ihn verwunderte. Normalerweise blieb er zumindest bei Mathe stecken. Blöde Geometrie! Aber gut, er war fertig und ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass gerade mal eine Stunde vergangen war. Stöhnend packte er seine Bücher für Montag in die Tasche. EnglischGeschichteMatheBioKunstKunst.
 

„Daniel!“, brüllte sein Vater von unten.
 

Betont langsam schlurfte er die Treppe runter und hörte das Telefon klingeln.

„Hm?“
 

„Das Telefon klingelt, hörst du doch!“
 

Daniel verdrehte die Augen, war kurz davor, etwas Unfreundliches zu sagen, überlegte es sich aber anders. Er schnappte dich den Hörer und verließ den Raum.
 

„Daniel Jansen, hallo?“
 

„Ich bin’s, hi.“ Kevin.
 

„Was gibt’s?“
 

„Wo zum Henker warst du gestern? Ich hab dich überall gesucht, aber du warst wie vom Erdboden verschluckt. Dein Handy ist auch aus.“

Oh oh. Kevin war wütend, das hörte man ihm an.
 

„Mir ging’s nicht gut, darum bin ich früher gegangen.“, erwiderte Daniel. Das war nicht mal gelogen, er hatte sich schließlich wirklich nicht gut gefühlt.
 

„Es wäre nett gewesen, wenn du mir etwas gesagt hättest. Wir hatten eine Abmachung, schon vergessen?“
 

Leider nicht.

„Du warst da aber gerade sehr beschäftigt.“, sagte Daniel eisig. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein, verflixt?
 

Kevin sagte nichts.
 

Daniel seufzte. Besser kein Streit.

„Hör zu, tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt hab‘. Klar, dass du jetzt sauer auf mich bist. Aber mir geht’s immer noch nicht wirklich gut, okay?“
 

„Okay.“ Kevin räusperte sich, „Gute Besserung. Kommst du am Montag zur Schule?“
 

Was interessierte ihn die bescheuerte Schule? Er hatte gerade andere Probleme. Bin ich schwul oder nicht? Wenn er sich Kevins Stimme so anhörte, musste er zugeben, dass sie wirklich angenehm klang. Aber das fand jeder. Kevin hatte eine Sexstimme. Alle Mädchen schmolzen bei seiner Stimme dahin wie Vanilleeis in der Sonne. Ich bin aber weder ein Mädchen noch Vanilleeis…
 

„Daniel?“
 

Irgendwie mochte er es ja, wie Kevin seinen Namen aussprach, aber war das Liebe? War er noch nie mit einem Mädchen zusammen gewesen, weil er insgeheim und unterbewusst Gefühle für Kevin hegte? Suchte er deshalb auch ständig seine Nähe? Blödsinn, es ist ganz normal, bei Problemen mit seinem besten Freund zu reden! Und sie kannten sich ja auch schon seit einer Ewigkeit. Da war überhaupt keine Verliebtheit! … Oder?
 

„Daniel! Bist du noch da?“
 

Er zuckte zusammen.

„Hm, was? Ja. Ich bin hier. Was hast du gesagt?“
 

„Du scheinst wirklich durcheinander zu sein. Ich hab gefragt, ob du am Montag in die Schule kommst.“
 

„Ach so. Ja. Ja, ich komme. Holst du mich ab?“

Kevin holte ihn seit zehn Jahren zur Schule ab, weil er zwei Straßen weiter wohnte und Daniels Haus auf dem Weg lag. Trotzdem war sich Daniel kurz unsicher.
 

„Ja, klar.“
 

„Gut.“ Irgendwie war er erleichtert.
 

„Daniel?“, fragte Kevin nach kurzem Schweigen.
 

„Hm?“
 

„Ist sonst alles… in Ordnung mit dir?“
 

Meine Fresse!

Bevor er antworten konnte, rief sein Vater nach ihm.

„Wie lang dauert das denn noch, verdammt! Daniel, ich hab Hunger!“
 

Er grummelte eine Tonfolge Richtung Wohnzimmer.

„Ja, mit mir ist sonst alles in Ordnung. Ich muss unser Mittagessen bestellen. Bis Montag.“
 

„Tschüss.“

Kevin legte auf.
 

Daniel schnappte sich die Karte vom Kühlschrank und ging ins Wohnzimmer.

„Was willst du essen?“
 

„Hühnchen.“
 

Daniel bestellte.
 

„In einer halben Stunde kommt das Essen.“, informierte er seinen Vater.
 

Dieser grunzte.

„War ja klar, dass deine Mutter wieder ewig braucht.“, meinte er gehässig, „Im Bett war sie noch nie die Schnellste.“
 

Daniel seufzte entnervt. Besser nichts sagen. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Das würde ein sehr langes Wochenende werden.
 


 

-tbc-
 

xXx
 

Die Kapitel werden jetzt gebetat und ich habe vor, regelmäßig - jeden Freitag oder Samstag - etwas hochzuladen.

Kommentare? *sniff*
 

Danke für's Lesen!

-San

| drei |

Am Sonntagabend hatte Daniel eine Idee. Er würde einfach eine Beziehung mit einem Mädchen beginnen, dann würde er ja merken, ob er sie liebte oder… nicht. Er fand seine Idee genial und wunderte sich, dass er nicht schon früher darauf gekommen war.

Jetzt musste er nur noch seine Idee zu einem Plan entwickeln.
 

Es gab nicht viele Mädchen, die in Frage kamen. Eigentlich gar keine. Valerie spukte in seinem Kopf herum und er versuchte, den Erfolg mit positiven Gedanken herbeizuzwingen. Sie war eine Nervensäge, ja, aber wenn sie ihm schon nach einer Party hinterherlief, weil sie sich Sorgen machte, dann musste sie sich für ihn interessieren. Er würde sie einfach mal in ein Cafe einladen oder so.
 

Beim Gedanken daran drehte sich ihm der Magen um.
 

Ruhig, ganz ruhig.

Schließlich hing von dem Ergebnis ab, ob er schwul war oder nicht.

Seufzend ging er ins Bett, aber es dauerte noch lange, bis er endlich eingeschlafen war.
 


 

Verpennt und mit schlechter Laune wartete Daniel auf Kevin. 07:35. Sie hatten noch zehn Minuten bis Schulbeginn, in Daniels Tempo wären sie in fünfzehn da.

„Guten Morgen.“, rief Kevin, als er endlich angeradelt kam.
 

„Morgen.“, raunzte Daniel zurück, „Hast du heute schon auf die beknackte Uhr geschaut?“
 

Kevin ignorierte die Frage. „Wir sollten uns beeilen.“
 

Daniel zögerte, überlegte hin und her, wie er seine Frage stellen sollte, während sie schweigend zur Schule fuhren. Als sie die Fahrräder abschlossen, beugte er sich tiefer über den Ständer.

„Sag mal, Kevin…“
 

„Hm?“
 

„Warst du schon mal mit Valerie zusammen? Valerie Zaun?“
 

Kevin runzelte die Stirn und schaute ihn irritiert an.

„Ähm… Nein. Warum fragst du?“
 

„Ach. Nur so.“, murmelte Daniel und versuchte, eine unglückliche, verliebte Miene aufzusetzen.

Mehr als ein „Hmm“ entlockte sie Kevin aber nicht.
 

Sie kamen nicht zu spät. Herr Reinhard, der Englischlehrer, war krank und sie hatten Vertretung. Das kam Daniel aber ganz Recht, denn er wusste noch immer nicht, wie er die Sache angehen sollte.

Mehrmals überlegte er, Kevin zu fragen, aber der würde ihn wohl eher auslachen, als ihm eine Hilfe sein. Es kann doch nicht so schwer sein, ein Mädchen nach so einer dummen Beziehung zu fragen!
 

Direkt. Er würde es einfach ganz direkt machen. Hingehen, sich nicht lange mit einer Begrüßung aufhalten und sie in ein Cafe einladen. Das würde schon werden. Bestimmt.

Beschissenes positives Denken.

„Ich hab noch was vor.“, sagte er Kevin nach der Schule, „du kannst ruhig ohne mich fahren.“
 

Ehe er etwas erwidern konnte, kam Desiree angewackelt und hängte sich an Kevins Arm. „Wir fahren zu mir.“, erklärte sie hochtrabend, „Meine Eltern sind nicht da und wir haben Zeit für uns.“ Sie zog Kevin praktisch mit ihren Blicken aus.
 

Ich glaube, ich muss kotzen.
 

Kevin versuchte ein wenig unbeholfen, sie beiseite zu schieben, aber je mehr er schob, desto heftiger klammerte sie.

„Ich freu mich schon so, Schatz.“ Sie klimperte ihn mit falschen Wimpern an.
 

Daniel blieb die Flucht auf ein Klo erspart, als er Valerie erblickte.

„Also, ich muss dann mal los. Viel … Spaß.“

Er beeilte sich, um sie einzuholen, quetschte sich durch die Schülermasse und rempelte verschiedene Leute an. Wenige Schritte hinter ihr sagte er ihren Namen.

„Valerie!“
 

Sie drehte sich um, schaute ihn überrascht an.

„Oh. Daniel.“
 

„Eh, ja. Hi.“
 

„Was gibt’s?“ Sie lächelte ihn an.
 

Reden, reden, reden, reden. Nun mach schon, Daniel!

„Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, mit mir ins Callie’s zu kommen.“

Das Callie’s war das beliebteste Cafe unter den Schülern, zehn Minuten Fußmarsch von der Schule entfernt. Der perfekte Ort zum… reden.
 

„Oh. Ja, klar. Ich meine, warum nicht?“ Sie lachte nervös auf und strich sich das dunkle Haar aus der Stirn. „Wann?“
 

Wann? Daniel stockte. Ja, wann? Erde an Daniel!

Er zwang sich zum Lächeln.

„Jetzt?“
 

Sie strahlte ihn an.

„Okay.“
 

Und jetzt?

Sie saßen in einer Ecke am Tisch und schwiegen sich an. Offensichtlich wartete Valerie darauf, dass er etwas sagte. Nur: Was? Er hätte googeln sollen, verdammte Scheiße. Wie immer war viel los und er beobachtete die anderen Leute, versuchte, Gesprächsfetzen aufzufangen.

Eine junge, dicke Frau stopfte am Nebentisch Kuchen in sich hinein, während ihre Freundin ihr tröstend den Rücken tätschelte. „Er ist ein Arschloch, Lena, vergiss ihn…“

Vor der Toilette stolperte eine Kellnerin und ihr fiel fast ein Glas auf den Boden. Ein junger Kerl fing es auf und gab es ihm mit einem charmanten Lächeln zurück. Wahrscheinlich landen die beiden heute Abend zusammen im Bett.

Die Tür öffnete sich und ein frisch verliebtes Paar betrat den Raum. Sie schlang den Arm um ihn, er hatte seine Hand in ihre hintere Hosentasche geschoben.
 

Zum Teufel, überall nur Liebe oder Liebeskummer oder Sehnsucht, heute!

Die Bedienung kam an ihren Tisch und er schaute Valerie – hoffentlich – freundlich an.

„Was, ähm, was möchtest du trinken?“, fragte er. Jetzt bloß nicht unhöflich werden.
 

„Einen Kaffee, bitte.“
 

Er bestellte eine heiße Schokolade – mit viel Sahne.

Sie schwiegen wieder. Daniel atmete tief ein. Der Geruch in Callie’s war allein schon einen Besuch wert. Er kannte keinen anderen Ort, an dem sich die verschiedenen Düfte so miteinander vermischten, dass sie verschmolzen, aber auf ihre Weise erkennbar blieben. Frisch gebackene Muffins, salzige Tränen, Kaffeearoma, Romantik…

Ein würziger Geschmack legte sich auf seine Zunge.
 

„Alles klar bei dir?“ Er lächelte sie an.
 

„Ja. Wie war dein Schultag?“
 

Wird das jetzt ein beschissener Smalltalk oder was?!
 

Nervös fingerte Daniel an der hellblauen Tischdecke herum und sie schwiegen bis die Getränke kamen. Er löffelte die Sahne von seinem Kakao, nur, um etwas zu tun zu haben.

Valerie nippte an ihrem Kaffee, dann lächelte sie ihn an.

„Wie komme ich denn zu der Ehre, dass du mich einlädst?“
 

Ist das nicht eindeutig, verdammt?!

Ohne lange zu fackeln – oder gar zu denken – beugte sich Daniel über den Tisch hinweg zu ihr und küsste sie.
 

-tbc

| vier |

Ich glaube, ich bin im falschen Film!
 

Wäre jemand anders an seiner Stelle, dieser jemand hätte den Kuss gut gefunden. Na ja, zumindest soweit in Ordnung, dass man dabei etwas spüren sollte.

Was Valerie offensichtlich auch tat. Sie lösten sich und sie strahlte ihn aus glänzenden Augen an.
 

„Ich habe von dir geträumt, Daniel“, flüsterte sie.
 

Ja, in der Nacht von Freitag auf Samstag hast du mich gemeinsam mit Kevin, Desiree und Erik bis in den Schlaf genervt.

Wenn er sie so ansah, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken.

Bin ich jetzt total bescheuert!?

Sollte er nicht Erregung oder Wärme oder so etwas fühlen? Oder Liebe?

Oder überhaupt irgendetwas?! Ja, ein bisschen Abscheu war da. Warum Abscheu? Was hatte er falsch gemacht? Er starrte sie an, als wäre sie ein Alien.
 

„Daniel?“ Sie lächelte.
 

Er räusperte sich. Lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Valerie. Gott, wie glücklich sie ihn ansah. Und das nur wegen eines Kusses!

„Hm?“
 

„Danke.“
 

Warum bedankte sie sich denn jetzt? Weil er sie geküsst und sich dabei nicht wie der letzte Volltrottel angestellt hatte? Irgendwie hatte er sich seinen ersten Kuss anders vorgestellt… Wo zum Teufel blieben die gottverdammten Schmetterlinge? Er musterte sie, ihre schwarzen, seidigen Haare, die im Licht der Lampe über ihren Köpfen schimmerten, ihre dunklen Augen, die vollen Lippen.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Valerie nach seiner Hand griff und ihn küsste. Sie presste ihre Lippen auf seine und schloss die Augen. Daniel versuchte, so gut es ging zurück zu küssen, aber, - weiß der Geier warum -, er empfand nichts für sie.

Er schloss die Augen, eher aus Resignation als aus Genuss und wartete, bis sie fertig war.
 

Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er so etwas wie Dankbarkeit für seinen Vater, als dieser ihn anrief. Er lächelte Valerie entschuldigend zu und schob das Handy wieder in die Hosentasche.

„Das war mein Vater. Entschuldige, ich muss nach Hause.“
 

„Oh. Oh, okay.“ Sie sah ein wenig enttäuscht aus. „Hast du nachher noch etwas vor? Wir könnten vielleicht- “
 

Daniel unterbrach sie schnell.

„Meine Großmutter kommt heute zu Besuch. Das hab‘ ich ganz vergessen, tut mir leid.“

Er winkte die Bedienung heran.
 

„Dann sehen wir uns also morgen?“ Valerie biss sich auf die Unterlippe.
 

„Ja.“
 

Sie lächelte wieder.

Daniel drückte der Kellnerin einen Fünf-Euro-Schein in die Hand und zog seine Jacke an.

Gemeinsam verließen sie das Cafe.
 

„Daniel!“
 

Was macht der denn hier, verdammt noch mal?

Er drehte sich um und sah Kevin auf sich zulaufen.

„Hey, Kevin. Wolltest du nicht bei Desiree sein?“ Und sie flachlegen?
 

Er rollte mit den Augen. „Ach, wir haben uns gestritten. Ich hab Schluss gemacht.“
 

Daniel starrte ihn an. Seit wann glitzerten Kevins Augen eigentlich so? Eiskristalle…

„Du hast was?!“
 

„Mit ihr Schluss gemacht“, wiederholte Kevin.
 

Valerie kicherte und hängte sich an Daniels Arm.

„Zwei beste Freunde, von denen der eine seine Beziehung anfängt, während der andere sie beendet.“
 

Was fand sie denn daran lustig? Verwundert starrte Daniel auf Valeries Kopf, der sich an seine Schulter kuschelte. Moment mal. Beziehung anfängt? Sie hatten eine Beziehung? Klar, er hatte sie gerade geküsst, sie hatte ihn geküsst, eigentlich hatten sie ja wirklich eine Beziehung.

Krass.

Irgendwie fühlte sich Daniel gerade überfordert.
 

„Ihr seid zusammen?“ Verwirrt schaute Kevin von Daniel zu Valerie und zurück. Dann grinste er Daniel an. „Dass ich das noch erleben darf!“
 

„Hey! Was soll das denn heißen?“, raunzte Daniel beleidigt.
 

„Dass du noch nie eine Beziehung hattest, geschweige denn irgendwie Interesse an Mädchen gezeigt hast“, schmunzelte Kevin.
 

„Im Gegensatz zu dir“, brummte er. Was er aber auch verstehen konnte. Wenn man sich nur mal diese eisblauen Augen anschaute… Haaaalt, Stopp!
 

„Es kommt nur darauf an, ob es das richtige Mädchen ist.“ Valerie lächelte zuckersüß. „Nicht wahr, Schatz?“

Sie schaute ihn erwartungsvoll an.
 

Äh… Schatz? Ich bin tatsächlich im falschen Film. Vorsichtig machte er sich von ihr los.

„Also, ich … muss jetzt wirklich gehen. Mein Vater wartet.“
 

„Okay, Schatz. Bis morgen.“

Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Daniel riss sich zusammen.
 

„Tschüss“, murmelte er. Nenn' mich nicht Schatz!
 

„Fahren wir zusammen?“, fragte Kevin, „Dein Fahrrad steht doch noch an der Schule, oder?“
 

„Mh-hm.“
 

„Und warum genau hast du nochmal mit Desiree Schluss gemacht?“, fragte Daniel, als sie schon fast vor seinem Haus waren. Und warum kam sein dummes Herz jetzt aus dem Rhythmus? Bekam er gleich einen Herzinfarkt und fiel tot um?
 

Kevin runzelte die Stirn.

„Weil wir einfach nicht zueinander gepasst haben.“ Darauf kommst du aber früh…

„Aber seit wann interessiert dich das?“ Seit du vor vier Jahren mit was weiß ich wem zusammengekommen bist…
 

„Ach. Nur so“, nuschelte er.
 

Kevin sah ihn irritiert an. Starr mit deinen … deinen Augen wen anders an!

„Du, ich muss jetzt wirklich…“ Er machte eine schnelle Geste in die ungefähre Richtung der Haustür. „Bis morgen?“
 

„Ja… ich geb‘ mir Mühe, pünktlich zu sein. Ciao.“
 

Daniel winkte ihm kurz, bevor er schnell ins Haus flüchtete. Was zum Henker mache ich denn da?! Winke ihm nach wie ein Vollidiot!
 


 

Es war niemand außer ihm im Haus. Highlight des Tages. Dass seine Mutter noch arbeitete, wusste er, aber eigentlich wollte sein Vater diese Woche seine restliche Urlaubswoche genießen… Hm, na ja.
 

„Scheiße, Kevin!“, grummelte er vor sich hin. Ja, der Typ hatte Wahnsinnsaugen. Ja, er hatte eine Sexstimme. Und seinem Körperbau war auch nicht so leicht das Wasser zu reichen. Ganz zu schweigen von seinem Charakter. Aber er war, verdammt noch mal, männlich!
 

Fast hätte Daniel zu heulen angefangen. Sollte er nicht glücklich sein? Er war seit heute mit Valerie zusammen. Yippiejayey. Aber leider Gottes gehörte er nicht zu den Leuten, die glücklich waren, wenn sie andere glücklich gemacht hatten. Und, zum Teufel, er war nicht in sie verliebt.

Scheiße, scheiße, scheiße.
 

Kurzerhand schnappte er sich seine Jacke und den Schlüssel wieder, dann verließ er das Haus und klingelte bei Erik.

Hoffentlich war der Kerl mal da, wenn man ihn brauchte.
 

Aber Daniels Bedenken waren umsonst, denn Erik öffnete die Tür und ließ ihn herein.

„Was ist los mit dir? Du siehst richtig beschissen aus.“
 

„Vielen Dank“, erwiderte Daniel bitter und ließ sich auf das Sofa fallen. Steinhartes Scheißteil.

„Du hattest Recht und ich hab jetzt ein Problem. Oder zwei.“
 

„Aha?“ Erik zog interessiert eine Augenbraue hoch. „Ich habe oft Recht, aber was genau meinst du?“
 

Daniel schloss die Augen, als sei es so weniger schlimm, und fuhr sich mit der Hand durch seine kurzen blonden Haare.

„Ich bin in Kevin verliebt und seit heute mit dem absolut nervigsten Mädchen überhaupt zusammen.“
 

-tbc-

| fünf |

Gomen, ich weiß, dass ich letzte Woche nichts hochgeladen habe - aber ich habe momentan einfach zu wenig Zeit! Tut mir wirklich leid v_v

Ich hoffe, mir ist niemand böse... *duck*
 

xXx
 


 

Erik prustete los. Lachend warf er sich auf den Sessel und atmete hektisch ein und aus, um sich wieder zu beruhigen.

Missbilligend sah Daniel ihn an.

„He! Was ist daran so witzig?“, raunzte er.
 

„Tut mir leid.“ Erik fächelte sich mit der Hand auf sehr… tuntige Art und Weise Luft zu.
 

„Und?“, fragte Daniel genervt.
 

„Und?“
 

„Und wie lautet dein hoffentlich nützlicher Rat für mich?“

Ist der jetzt schwer von Begriff, oder was?!
 

„Hm.“ Erik schien zu überlegen und kratzte sich am Hinterkopf.

„Warum bist du mit dem Mädel zusammen, wenn sie dich so nervt?“
 

„Was soll die Frage?“

Er wusste es ja selbst nicht wirklich.

Erik legte den Kopf schief. Der Blonde seufzte.

„Ich hab mir so meine Gedanken gemacht, seit du letzten Freitag… na, du weißt schon, was, gesagt hast.“ Er machte eine unwirsche Handbewegung. „Und ich hatte noch nie eine Beziehung. Oder festere Freundschaften. Darum dachte ich, solche Gefühle sind ganz normal, wenn der beste auch so ziemlich der einzige Freund ist. Wir kennen uns ja auch schon ewig. Also wollte ich mal austesten, wie es sich anfühlt, ein Mädchen zu küssen.“ Er zuckte unbeholfen mit den Schultern.
 

Erik entgleisten die Gesichtszüge. „Warte mal, du hast dir einfach das erstbeste Mädchen geschnappt, nur, weil du wissen wolltest, ob du schwul bist, oder nicht? Hab ich das richtig verstanden?“
 

Daniel nickte.
 

Erik stöhnte auf und stützte den Ellbogen auf der Sessellehne ab. „Verdammt, Daniel. Das kannst du doch nicht machen. Ist sie – ist sie verliebt in dich?“
 

Er nickte wieder.
 

„Findest du das nicht ein bisschen hinterlistig und gemein? Du spielst mit ihren Gefühlen!“
 

Oh. Oh. „Daran hab‘ ich nicht gedacht“, gab er zerknirscht zu.

Erik hatte Recht. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, Valerie einfach zu küssen? So, als wäre es ihm ernst? Auf einmal kam er sich richtig schäbig vor.

„Scheiße.“
 

„Das kannst du laut sagen.“ Erik rollte mit den Augen. „Außerdem, wenn du nicht verliebt bist, bringt auch das Küssen nichts.“
 

„Mh-hm“, brummte Daniel. Was sollte er denn jetzt machen, verdammt?
 

„Und warum denkst du, dass du doch in Kevin verliebt bist?“
 

Mann. „Keine Ahnung!“, zischte er, „ich fühle mich einfach so… seltsam, wenn er da ist. Und ich kann seine Freundin nicht ausstehen. Seine Ex-Freundin“, korrigierte er und grinste hämisch. Tja, das hatte Desiree jetzt davon.
 

„Du bist richtig egoistisch und gemein, weißt du das?“
 

Er zuckte zusammen. War er egoistisch und gemein? Er dachte darüber nach. Natürlich konnte er Desiree und Frieda und Mareike und wie sie alle hießen nicht ausstehen. Sie waren einfach nicht nett. Zu Kevin waren sie bestimmt nett… Aber eigentlich hatte er gegen keine von ihnen etwas persönlich. Sie waren einfach nur zu oft am falschen Ort. Mit ihren Lippen. Und Fingern. Gedanken. Und allem anderen.

Scheiße, er war wirklich egoistisch und gemein.
 

„Und was mache ich jetzt?“, fragte er und schaute Erik flehend an.
 

„Gott, Daniel.“ Er warf die Hände in die Luft. „Bist du dir sicher, dass du in Kevin verliebt bist?“
 

„Ja. Nein!“ In Kevin verliebt, das klang wie Musik in seinen Ohren. Aber er war nicht schwul! „Ach, keine Ahnung. Heute bin ich fast an einem Herzinfarkt verreckt, weil er mit seinen Wahnsinnsaugen nicht woanders hinschauen konnte“, grummelte er.
 

Erik feixte. „Okay. Das klingt für mich nach verliebt.“
 

„Herzlichen Glückwunsch.“
 

„Danke.“
 

„Ich bin aber nicht schwul.“
 

Erik zog irritiert die Augenbrauen zusammen. „Daniel, wenn sich ein Junge – du – in einen anderen Jungen – Kevin – verliebt, dann nennt man diesen Jungen – also dich – schwul.“
 

„Danke für die Definition“, blaffte Daniel ihn an. Himmel, Herrgott nochmal!

„Ich will aber nicht schwul sein!“ Und damit Basta! Er wollte sich gar nicht ausmalen, was sein Vater dazu sagen würde. Ein Rausschmiss wäre die angenehmste Vorstellung.
 

Erik zuckte mit den Achseln. „Dein Problem.“
 

„Danke für die tolle Hilfe.“
 

Erik seufzte und fuhr sich durch das dichte braune Haar. Dann musterte er Daniel von Kopf bis Fuß.
 

Dem war es sichtlich unangenehm.

„Was ist denn jetzt los?“
 

„Kevin ist aber nicht in dich verliebt, oder?“
 

„Natürlich nicht! Sag mal, hast du eigentlich nicht mitbekommen, dass er seine Ex-Freundinnen kaum noch zählen kann?“, erwiderte der Blonde unbeabsichtigt aggressiv. Das merkte ja wohl jeder, dass Kevin genauso unschwul war wie… wie… Ach, weiß der Geier, wie. Er war eben nicht schwul. Punkt.
 

„Bleib' mal ruhig“, meinte Erik trocken, „Das kann schließlich auch daran liegen, dass er die Richtige noch nicht gefunden hat und sie wahrscheinlich auch nicht finden wird, weil er in Wahrheit nach dem Richtigen sucht. Unterbewusst. Sowas kommt vor.“
 

„Ja, kann sein. Aber doch nicht bei Kevin!“
 

„Warum willst du dir da so sicher sein?“
 

„Weil ich ihn kenne.“
 

Erik verdrehte die Augen.

„Und was hast du jetzt vor?“
 

„Witzig, Erik. Um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, sitze ich hier. Eigentlich solltest du mir helfen.“
 

„Ich kenne ihn aber nicht.“
 

„Dann lernst du ihn kennen.“ Daniel stöhnte genervt auf. Man konnte die Lage auch komplizierter machen, als sie es eh schon war, verflixt!
 

„Okay. Wann veranstaltest du die Party?“
 

„Party?“ Begriffsstutzig starrte er den Braunhaarigen an. Party? Momentchen mal, mein Freund!

„Ich kann Partys nicht ausstehen.“
 

„Wie soll ich ihn denn deiner Meinung nach kennenlernen?“
 

Daniel zuckte mit den Schultern.
 

„Okay, Daniel, anders. Du gehst einfach zu Kevin hin und erklärst es ihm.“
 

„Spinnst du!?“ Erschrocken riss er die Augen auf.

„Auf blödsinnige Gedanken komme ich auch alleine! Auf keinen Fall sage ich ihm, dass ich… in ihn…“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
 

„… verliebt bin“, beendete Erik den Satz. „Alles klar. Etwas anderes fällt mir aber gerade nicht ein und sterben würdest du dabei auch nicht. Oder hast du eine bessere Idee?“
 

Daniel zuckte mit den Schultern.

„Warten, bis es wieder weg ist?“
 

-tbc-

| sechs |

Eine wichtige Ankündigung: Manche haben es vielleicht schon mitbekommen. Ich habe heute die Nachricht bekommen, dass meine Uroma im Sterben liegt. Weil mir deswegen der Kopf sonst wo steht, habe ich beschlossen, eine Schreibpause zu machen. Ich kann[(i] gerade einfach nichts tippen. Tut mir leid, ich hoffe, ihr versteht das. Ich habe noch Kapitel in Reserve, die gewohnt hochgeladen werden - nur, wann es dann weitergeht, das kann ich noch nicht sagen. Tut mir leid. Diesmal kommt es übrigens nur heute, weil wir gleich los zu meiner Oma fahren und wohl länger bleiben.

Liebe Grüße

San
 

xXx
 

Keine gute Idee. Überhaupt keine gute Idee. Nach drei Tagen war Daniel verzweifelt und wünschte sowohl Valerie als auch Kevin die Pest an den Hals.

Seine neue Freundin hing wie eine Klette an ihm und gerade mal zwei Stunden nach ihrem Treffen im Cafe wusste anscheinend die ganze Schule davon – drei Mal wurde er angerufen und beglückwünscht. Zwei der Anrufer kannte er nicht einmal.

In der Pause, während einer Freistunde, vor und nach der Schule, immer - immer - war Valerie da, quasselte ohne Punkt und Komma. Und wenn sie ihn nicht zutextete, küsste sie ihn. So, wie es aussah, machte es ihr überhaupt nichts aus, dass er nicht das geringste Interesse an ihr zeigte.

Und Kevin? Der holte ihn morgens immer noch ab und grinste ihn jedes Mal an, was seine Wahnsinnsaugen noch mehr zum Strahlen brachte, als sie es eh schon taten. Warum freute er sich eigentlich so darüber, dass Daniel seine erste Freundin hatte? Wenn er zurückdachte, war er von Kevins erster Beziehung alles andere als begeistert gewesen. Er sollte gefälligst eifersüchtig sein! Nicht gerade wegen Daniels seltsamer Gefühle für ihn, sondern eher, weil sie schließlich seit einer halben Ewigkeit die besten Freunde waren und bis auf die Fahrten kaum noch Zeit miteinander verbrachten.

Zurzeit war wirklich alles einfach scheiße, von seinen Eltern ganz zu schweigen!
 

Daniel hämmerte wütend auf die Tastatur, spielte irgendein Ballerspiel, das seine Mutter ihm einmal gekauft hatte, und war gerade zum vierten Mal in Folge Game Over gegangen.

Frustriert lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren, war rastlos und diesmal konnte auch sein Computer, sein größtes Hobby, ihn nicht ablenken. Kurzerhand schaltete er das Gerät aus und schnappte sich seine Jacke und seine Schuhe.

Er würde Kevin einfach mal besuchen gehen.
 

Daniel malträtierte die Klingeltaste. Seit mindestens fünf Minuten stand er vor der Tür und wartete, aber niemand machte ihm auf. Er wusste, dass jemand da war, denn in der Küche brannte Licht und er hatte Kevins Mutter, Stella, schon zwei Mal am Fenster vorbeilaufen sehen. Rausgeschaut hatte sie allerdings nicht. Frustriert hämmerte er noch einmal auf die Klingel und wollte sich gerade zum Gehen wenden, als Stella öffnete.
 

„Hallo, Daniel. Tut mir leid, ich hab einen Kuchen gebacken und Marvin hatte die Musik wieder so laut, ich hab' dich nicht gehört. Stehst du schon lange hier?“ Sie musterte ihn lächelnd. „Du siehst richtig erfroren aus. Komm doch rein.“ Sie trat beiseite und schloss die Tür hinter ihm.
 

„Ich bin eben erst gekommen“, log Daniel als Antwort auf ihre Frage, wie lange er schon da stehe. „Danke.“
 

Aber Stella hörte ihn gar nicht mehr, sie war wieder in der Küche. „Möchtest du ein Stück Nusskuchen?“, rief sie.
 

„Ja, danke.“ Er zog seine Schuhe und die Jacke aus. „Ist Kevin da?“
 

„Der ist oben.“ Sie tauchte mit einem Teller, auf dem ein großes Stück Kuchen lag, wieder auf. „Guten Appetit.“
 

„Danke.“ Er nahm ihr den Teller ab und hastete dann nach oben.
 

„Mit dir hab‘ ich nicht gerechnet“, war das Erste, was Kevin sagte.
 

Daniel zuckte mit den Schultern. „Mir war langweilig und ich find' es irgendwie schade, dass wir nicht mehr so viel Kontakt haben in letzter Zeit.“
 

Er zog eine Augenbraue hoch. „Du hast mich vermisst?“
 

Irritiert sah Daniel ihn an. „Ja“, sagte er vorsichtig. Was zum Teufel war denn jetzt mit Kevin los?
 

„Hm…“
 

„Kevin?“
 

„Hm?“
 

„Ist… alles in Ordnung?“ Himmel und Hölle, jetzt fange ich schon genauso an!
 

Kevin fixierte ihn mit seinen blauen Augen und Daniel hatte Mühe, dem Blick standzuhalten. „Mir geht’s gut.“
 

„Gut.“ Was sollte er denn sagen? Kevin verunsicherte ihn gerade und Daniel ahnte, dass er es absichtlich tat. Aus welchem Grund auch immer.
 

„Bist du noch mit Valerie zusammen?“, fragte Kevin plötzlich.
 

Verwirrt blinzelte Daniel. „Bin ich … Oh. Ja. Ja, bin ich.“ Auch wenn sich mir jedes Mal der Magen umdreht… „Warum fragst du?“
 

Kevin legte den Kopf schief. „Weil es mir nicht so vorkommt, als seist du in sie verliebt.“
 

Mit offenem Mund starrte Daniel ihn an und versuchte verzweifelt, sich daran zu erinnern, wie man ihn wieder zuklappte. „Wie … “ Er räusperte sich. „Wie kommst du denn darauf?“ Er hatte ja recht. Und wie er recht hatte! Aber war das so offensichtlich?
 

Kevin strich sich die dunklen Haare aus der Stirn und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. „Weil du jedes Mal ziemlich gequält guckst, wenn sie auf dich zukommt und man den Eindruck hat, du würdest sie am liebsten zum Mond schießen.“ Seine Mundwinkel zuckten verdächtig. „Für mich sieht Liebe anders aus. Als o… Willst du mir endlich sagen, was da los ist? Schließlich bezeichnest du mich selbst als deinen besten Freund.“
 

Worte, wo seid ihr? Fassungslos stand Daniel da und brachte keinen Ton heraus. Was hätte er auch sagen können? Bisher war Kevin der Einzige, dem das aufgefallen war, alle anderen hatten die beiden für ein süßes Pärchen gehalten. Vielleicht hätte seine Mutter auch etwas geahnt, aber, nun ja, sie wusste es genauso wenig wie sein Vater. Aber dass ausgerechnet Kevin solche Vermutungen äußerte! Er ist dein bester Freund.
 

„Daniel?“
 

„Ja. Ich lebe noch.“ Ich lebe noch!? Bin ich eigentlich bescheuert?“
 

Kevin sah amüsiert aus. „Ganz toll. Redest du jetzt mit mir oder nicht?“
 

Mehrmals öffnete Daniel den Mund, suchte nach Worten, - den richtigen Worten -, und schloss ihn dann wieder. Er seufzte.

Plötzlich stand Kevin neben ihm, sah ihn besorgt an. Daniel wandte sich ab. Er wollte ihm nicht in die Augen schauen.
 

„Hey“, sagte Kevin sanft, „Du kannst mit mir sprechen, okay?“
 

Daniel starrte den Boden an. Irgendwann musste etwas Brennendes heruntergefallen sein, denn auf dem hellen Laminat zeichneten sich drei dunkle Brandflecken ab.
 

„So schlimm?“ Der Dunkelhaarige verzog das Gesicht. „Machst du dir Sorgen wegen deiner Eltern?“
 

„Ja.“ Es war leicht, ja zu sagen. Schließlich machte er sich wirklich Sorgen um seine Eltern. Seine Mutter arbeitete seit zwei Tagen von sechs Uhr morgens bis achtzehn Uhr abends, statt von sieben bis siebzehn Uhr, was sein Vater natürlich höhnisch kommentiert hatte. Warum lassen sie sich nicht einfach scheiden und dann ist's gut? Es war nicht so, dass Daniel seine Eltern nicht mochte – auch wenn er seinen Vater nicht wirklich ausstehen konnte und ihm die ständigen Affären seiner Mutter auf den Geist gingen, irgendetwas würde fehlen ohne die beiden. Trotzdem waren sie zurzeit eher Nebensache.
 

„Aber das ist nicht alles“, stellte Kevin fest.
 

Daniel grunzte. „Ja, verdammt. Du hast ja recht.“ Irgendwie war er plötzlich genervt und wollte nur noch nach Hause.
 

„Gut.“
 

Gut? Nein, überhaupt nicht gut! „Was soll daran denn gut sein?“, fragte er schlecht gelaunt.
 

„Na ja … Ich mag es nicht, wenn du mich anlügst. Ich glaube, die Zeit haben wir seit dem Kindergarten hinter uns. Wir haben ausgemacht, miteinander zu reden, weißt du noch?“, erinnerte Kevin ihn.
 

„Ich hab dir doch gesagt, dass du recht hast. Eigentlich solltest du jetzt zufrieden sein“, raunzte Daniel ihn an.
 

„Sag mir doch einfach, was los ist.“
 

Ich hab mich in dich verliebt, kann nicht geradeaus denken, wenn du mich so anschaust, ich kann Valerie nicht ausstehen und würde am liebsten im Erdboden versinken. Er verschränkte die Arme. „Nein.“
 

„Okay.“ Kevin trat einen Schritt zurück. „Wie du willst. Geht mich ja nichts an.“ Er wirkte gekränkt.
 

„Verdammt“, knurrte Daniel. Dieser verletzte Blick war nicht auszuhalten!
 

Er griff nach Kevins Arm, überhörte dessen überraschtes Keuchen, als er ihn zu sich zog, und küsste ihn.
 

-tbc-

| sieben |

Das Kapitel ist erschreckend kurz... die nächsten werden hoffentlich wieder länger! Ich wünsche allen Lesern frohe Weihnachten! Vor Silvester lesen wir uns nochmal ((:
 

xXx
 

Was zum Teufel mache ich hier gerade!?

Kevin zu küssen! Einfach so! Daniel ärgerte sich über sich selbst. Ärger war gut. Ärger war besser als Scham oder Angst. Das Gefühl, einfach nicht mehr weiter zu wissen, kannte er von daheim wohl gut genug. Nein, Ärger war nicht nur gut, Ärger war das beste Gefühl, das er jetzt haben konnte.

Ärger, zusammen mit Wut.
 

Er hatte sich von Kevin losgerissen, sich umgedreht, noch bevor er den sicherlich erschrockenen und angeekelten Gesichtsausdruck seines besten Freundes hätte sehen können, und war aus dem Zimmer gestürmt. Kurze Zeit später hatte er es bereut, seine Schuhe und die Jacke ausgezogen zu haben. Fluchend und in aller Eile knotete er seine Schnürsenkel wenigstens so zu, dass sie hielten, und ignorierte Kevins Mutter, die aus der Küche nach ihm rief.

Er hatte gerade die Tür öffnen wollen, als Kevin oben auf der Treppe erschien.

„Daniel?“

Daniel war für einen Moment wie erstarrt. Dann nahm er seine Jacke und rannte aus dem Haus.
 

Erst, als er völlig außer Atem war und keinen Schritt mehr gehen konnte, hielt er inne, setzte er sich auf eine Bank und sah sich um. In seiner Panik hatte er gar nicht darauf geachtet, wohin er lief, und die Gegend kam ihm völlig fremd vor. Scheiße. Verlaufen. Ganz toll. Das hatte ihm ja gerade noch gefehlt.

Entnervt fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und versuchte, nicht nachzudenken. Das war allerdings leichter gesagt als getan. Er war so ein Idiot! Was hatte er sich nur dabei gedacht? Am liebsten hätte er losgeheult wie ein Mädchen. Aber er versuchte, sich zusammenzureißen.

Ja, okay, er hatte Kevin geküsst. Das war ein Fehler gewesen, ein riesiger Fehler, der ihn bloßgestellt und blamiert hatte – schließlich war Kevin alles andere als schwul. Was ebenfalls nicht in Ordnung für ihn war, obwohl er mehr oder weniger eingesehen hatte, dass er sich damit abfinden musste. Und wenn Kevin das herumerzählte, würde er es seinen Eltern beichten müssen, damit sie ihm erlaubten, umzuziehen. Nach Kanada oder so. Irgendwohin, wo ihn niemand kannte. Dann müsste er sich auch keine Ausrede ausdenken, die er Valerie – die auch noch so ein Problem war – auftischen wollte.

Und wäre dieser Plan sogar realisierbar gewesen, hätte sich das ja noch besser getroffen.

Aber schlimmer konnte es jetzt sowieso nicht mehr kommen. Oder?
 

Daniel seufzte und schloss die Augen. Vielleicht würde sich das alles ja nur als ein böser Alptraum herausstellen …
 

„Daniel?“
 

Er schrak zusammen. Es war bereits dunkel; er musste eingeschlafen sein. Verdammt! Wie zum Teufel hatte er auf einer harten, unbequemen Holzbank im Freien einschlafen können?!

Er rieb sich die Augen und blinzelte, bis ihm wieder einfiel, dass jemand seinen Namen gesagt hatte. Seufzend sah er sich um und merkte, dass Valerie direkt neben ihm auf der Bank saß und ihn besorgt musterte.
 

„Oh, ich hab dich' erschreckt, oder? Tut mir leid. Aber was machst du denn hier?“
 

Das hatte ihm ja gerade noch gefehlt! Als wäre er nicht zur Genüge genervt gewesen ...

„Ich schlafe hier“, sagte er zähneknirschend.
 

Valerie runzelte die Stirn.

„Auf der Bank? Daniel, ist alles okay mit dir?“
 

Derart dumme Fragen konnten aber auch wirklich nur von ihr kommen!

Plötzlich war Daniel zu müde, zu kaputt, um sich irgendeine Lügengeschichte auszudenken. Er seufzte und lehnte sich zurück. Die Bank war wirklich hart.
 

„Daniel?“
 

Ich weiß, wie ich heiße! Sei doch bitte einfach still!
 

Plötzlich wich ihre Besorgnis einer ernsten Miene. „Wenn du nicht mit mir zusammen sein willst, musst du das einfach sagen. Es zwingt dich schließlich niemand, oder?“
 

Daniel starrte sie. Er verstand ihre Worte zwar, aber sein Gehirn wusste nichts damit anzufangen.
 

„Warum quälst du dich eigentlich?“ Ihre Stimme nahm einen bitteren Tonfall an.
 

Hilfe, was jetzt?

„Wie kommst du denn darauf?“, fragte er verwirrt. Hatte Kevin ihr etwa von seinen Gefühlen erzählt? Gleich, nachdem er gegangen war, weil ... – Nein, warum sollte er? Weil er ihn geküsst hatte? War Kevin neuerdings homophob? Ach was. Oder wütend? Das konnte schon eher zutreffen. Nichtsdestotrotz waren sie noch immer beste Freunde – oder? Sah Kevin das jetzt etwa auf einmalanders?
 

Valerie riss Daniel unsanft aus seinen Gedanken.

„Was habe ich falsch gemacht?“
 

Er zögerte. Was um Himmels willen sollte er denn jetzt antworten? Er hatte doch keine Erfahrung mit Mädchen, verflucht!

Sie senkte den Kopf.

„Nichts“, sagte Daniel und hoffte, sie würde nicht weiter nachfragen. Aber genauso gut hätte er sich auch wünschen können, sie würde sich in Luft auflösen.
 

„Verdammt, Daniel!“ Sie funkelte ihn verletzt an. „Halte mich nicht für ein kleines Kind! Ich bin nicht blöd, weißt du?!“
 

Daniel war überrascht. Wo zum Geier kamen denn diese Stimmungsschwankungen her? Eben war sie doch noch den Tränen nahe gewesen!

„Du hast nichts falsch gemacht. Du bist wirklich ein … tolles Mädchen, Valerie.“ Bis auf die Tatsache, dass sie nervig war und dass er sie nicht liebte.
 

„Aber?“
 

Er schaute sie an, suchte nach Worten.

„Aber … es fällt mir schwer, mit dir zusammen zu sein“, gab er kleinlaut zu.
 

Sie seufzte. „Wenigstens bist du ehrlich. Weißt, du ich wusste eigentlich, dass das mit uns nicht klappen kann.“ Sie lächelte schmerzlich. „Aber ich wollte es wohl einfach nicht wahrhaben.“
 

„Es tut mir leid.“ Es tat ihm wirklich leid. Und es tat ihm weh, sie leiden zu sehen. Aber würde sie nicht noch mehr leiden, hätte er diese … diese Beziehung, oder was auch immer das war, weiterhin aufrecht erhalten?
 

Valerie schüttelte den Kopf. „Du liebst mich nicht.“
 

Sie hatte nicht gefragt; sie hatte festgestellt. Dennoch nickte Daniel.
 

„Warum hast du dann überhaupt eine Beziehung mit mir angefangen?“ Sie versuchte, ihrer Stimme einen neutralen, fast tonlosen Klang zu geben, aber der gekränkte Unterton war deutlich herauszuhören.
 

Daniel verkrampfte sich. Erik hatte Recht. Er war wirklich ein herzloser Idiot.

„Valerie …“
 

„Hm?“
 

„Ich bin schwul.“
 

-tbc-

| acht |

Huhu, ihr Lieben! Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch und ein tolles Jahr 2012! (:
 

xXx
 

Valerie starrte ihn an, als wäre er ein Außerirdischer. Sie taumelte zwei Schritte rückwärts und stammelte: „Nein … bist du nicht.“
 

Daniel schloss die Augen. Es wäre ihm ja selbst lieber gewesen, wenn er nicht schwul gewesen wäre. Aber es half auch nichts, die Tatsachen immer zu verleugnen.

„Doch, bin ich“, antwortete er deshalb.
 

Sie kniff die Augen zusammen. „Oh. Seit wann?“
 

Daniel zuckte die Schultern. Wahrscheinlich von Geburt an, oder? Aber vermutlich meinte sie, seit wann er das wusste. „Ich war mir nicht sicher …“ Er zögerte.
 

„Und den Verdacht hattest du bevor oder nachdem du mit mir zusammengekommen bist?“
 

Sollte das eine Fangfrage sein? Wenn er mit bevor antwortete, würde sie sich ausgenutzt fühlen – genau, wie Erik es prophezeit hatte -, aber es hätte der Wahrheit entsprochen. Würde er danach sagen, würde sie sich aufregen, weil er ihr vorher nichts gesagt hatte und nicht Schluss gemacht hatte.
 

„Daniel?“ Sie klang nun genervt.
 

Er entschied sich der Einfachheit halber für die Wahrheit. „Ich glaube, davor … aber ich bin mir nicht sicher! Verdammt, Valerie, ich will das doch auch nicht!“
 

„Das heißt, du hast keine Gefühle für mich und wolltest nur mit mir zusammen sein, damit du dir einreden konntest, nicht schwul zu sein“, schloss sie und schaute ihn wütend an.
 

Wow. Für einen Moment war Daniel sprachlos: Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber als er merkte, dass sie auf eine Antwort wartete, hob er hilflos die Schultern. Was sollte er denn sagen? Dass sie recht hatte und er sie eiskalt ausgenutzt hatte, obwohl er das eigentlich nicht im Sinn gehabt hatte?
 

Sein Schweigen war ihr offenbar Antwort genug.

„Du bist so ein verdammtes Arschloch, Daniel!“, fauchte sie, drehte sich um – und stolzierte davon.
 

Daniel starrte ihr lange nach, bevor er nach Hause ging.
 


 

Der nächste Schultag war der absolute Horror. Nicht, weil Valerie oder Kevin irgendetwas ausgeplaudert hätten, sondern weil Daniel sich elend und hundemüde fühlte. Er hatte höchstens drei Stunden geschlafen. Außerdem wusste er nicht, wie er Kevin noch unter die Augen treten sollte. Er grübelte schon den ganzen Weg darüber, als ihm plötzlich Desiree entgegen gerannt kam. Sie hatte verquollene Augen und weinte offensichtlich. Ihr Fahrrad stand neben Daniels und sie kämpfte ungeschickt mit dem Schloss.
 

„Ähm, Desiree?“ Er wusste nicht, was er zu ihr sagen sollte.
 

Sie zuckte zusammen und schien ihn erst jetzt zu bemerken. Verlegen wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen und verschmierte dadurch ihre Schminke, bis sie einem Waschbär ähnelte.

„Oh, Daniel. Ich hab dich gar nicht bemerkt.“
 

„Brauchst du ein Taschentuch?“ Halleluja, das war sogar eine einigermaßen akzeptable Reaktion! Herzlichen Glückwunsch, Daniel. Du bist doch kein Hornochse.
 

„Das wäre nett.“

Sie lächelte ihn zaghaft und ein wenig verlegen an.
 

Er wühlte in seiner Tasche nach der Tempopackung, fischte eins heraus und hielt es ihr hin.

„Danke“, murmelte sie und putzte sich die Nase.
 

„Was ist denn los mit dir?“, traute er sich zu fragen, als er die restlichen Taschentücher wieder verstaute.
 

Desirees Blick verlor sich in weiter Ferne.

„Kevin hat eine neue Freundin.“
 

Was?! Fassungslos starrte Daniel sie an. Er hatte Kevin gestern geküsst und nun hatte er schon wieder eine neue Freundin? Er ballte vor Wut die Hände zu Fäusten.

„Was?“, entfuhr es ihm. Er schüttelte den Kopf. „Ich meine, wer?“

Wer immer es war, er verspürte einen großen Zorn auf sie!
 

„Vivien Reißer.“
 

Daniel erstarrte entgeistert. Vivien? Vivien Reißer? Die Schlampe der Schule? Die war doch auf jeden Fall unter Kevins Niveau! Egal, dass sie ihn seit Jahren anbaggerte!

„Nicht dein Ernst!“, sagte er.
 

Desiree schnaubte. „Das hab ich auch gedacht.“ Sie schob dich an ihm vorbei. „Lässt du mich mal kurz …?“
 

Er machte ihr Platz. „Wohin willst du?“
 

„Nach Hause, wohin sonst? Oder denkst du, ich tue mir das denn ganzen Tag an?“

Sie zog ihr Fahrrad hervor, schwang sich auf den Sattel und fuhr mit einem knappen „Tschüss“ an ihm vorbei. Wenige Sekunden später hatte sie das Schulgelände verlassen.
 

Daniel wäre ihr so gern gefolgt. Für einen Moment dachte er darüber nach, auch einfach abzuhauen und zu schwänzen. Andererseits würden sowohl Valerie als auch Kevin ihn dann für einen Feigling halten. Und wer wusste, was sie erzählen würden! Er musste jegliche Andeutung auf seine Homosexualität verhindern, wenn er die letzten Jahre bis zum Abitur überleben wollte!
 

Also betrat er das Gebäude, verschlief einen Großteil des Unterrichts und hielt einen gewissen Sicherheitsabstand zu Kevin und Valerie – aber nur soweit, dass er sie trotzdem beobachten konnte. Das gab er bei Kevin allerdings nach der ersten Pause auf. Bei seinem Anblick zusammen mit Vivien drehte sich ihm der Magen um.
 


 

Nach der Schule ging er nicht nach Hause, sondern zu Erik. Er erschrak, als er bemerkte, wie oft er seinen Nachbarn momentan besuchte, dabei waren sie nicht wirklich befreundet, sondern einfach nur gewöhnliche Nachbarn. Zum Glück war sein Vater nicht daheim und seine Mutter arbeitete eh rund um die Uhr – obwohl er bezweifelte, dass sie die ganze Zeit über arbeitete - und so entging er nervigen Fragen.
 

Wie immer schien Erik nichts zu tun zu haben, sondern lümmelte sich auf dem Sofa im Wohnzimmer.

„Hey, hey“, begrüßte er Daniel fröhlich, „welche Probleme führen dich heute zu mir?“
 

Stumpf sah Daniel ihn an. Er wusste, dass er nur mit Problemen zu Erik kam und hoffte, dass dieser sich deswegen nicht ausgenutzt fühlte. „Tut mir leid, dass ich dich nerve“, sagte er deshalb zerknirscht.
 

Aber Erik lachte. „Besser deine Probleme, als meine“, meinte er. „Also, was gibt’s?“
 

Aufmerksam hörte er zu, wie Daniel den Kuss mit Kevin und die Gespräche mit Valerie und Desiree schilderte.

Als er geendet hatte, lehnte er sich nach hinten und betrachtete den Blonden neugierig.

„Das ist ein ganz schönes Schlamassel“, bemerkte er.
 

„Das weiß ich auch“, brummte Daniel. „Wie lautet also dein Rat?“
 

„Wer bis zum Hals in der Scheiße steckt, sollte den Kopf nicht hängen lassen.“ Erik grinste ihn an. „Nein, im Ernst. Mach dir das Leben nicht schwerer als es ist. Okay, du bist definitiv schwul, schön und gut. Und Kevin wohl eher nicht. Aber es gibt genug andere Schwule auf der Welt. Am besten, du vergisst ihn.“
 

Daniel schnaubte. „Bist du betrunken? Ich kann doch nicht einfach vergessen! Außerdem gibt es in dieser verdammten Stadt nicht gerade viele…“ Er zögerte und machte eine wegwerfende Handbewegung.
 

„Schwule“, beendete Erik, „Das weiß ich. Aber hey – es gibt notfalls immer noch mich.“ Er ließ seine Augenbrauen tanzen.
 

Daniel runzelte die Stirn. Was meinte er denn damit? Wenn er sich Hoffnungen auf ihn machte, hatte er sich aber gewaltig getäuscht!

„Kein Bedarf“, sagte er deshalb knapp.
 

Erik lachte auf. „Kein Sorge, ich bin nicht an dir interessiert“, versicherte er.
 

Daniel musterte ihn unsicher aus zusammengekniffenen Augen.

„Sicher?“
 

„Ja doch. Wenn ich es sage.“ Erik verdrehte die Augen. „Aber es gibt auch andere Menschen, weißt du? Du solltest dich ablenken.“

Plötzlich sprang er auf. „Los, komm.“
 

„Äh, was?“ Daniel war verwirrt. „Wohin willst du?“
 

„In die Disco“, verkündigte Erik, „und du kommst mit, ob du willst oder nicht!“

| neun |

Daniel verfluchte sich und Erik und die ganze Welt dafür, dass er zugestimmt hatte. Wenn auch widerwillig. Aber Erik war ein verdammt guter Überredungskünstler und so standen sie jetzt vor einer kleinen Diskothek namens Arilla.

Sich sträubend ging Daniel die letzten Schritte auf den Eingang zu. Er hatte schon jetzt keine Lust mehr.
 

„Na los, komm schon!“ Erik zog ihn am Ellbogen und gemeinsam betraten sie das Gebäude.

Es war selbst um die frühe Zeit schon ziemlich voll und vor allem laut. Sie drängten sich durch die Menge und Daniel folgte Erik, der etwas von Getränken gebrüllt hatte.

Wegen des dichten Gedränges bemerkte er erst, als er gegen ihn prallte, dass Erik stehen geblieben war.
 

„Zum Teufel, warum bleibst du einfach stehen?“, brummte er genervt.
 

Erik antwortete nicht, sondern starrte ihn die Menge.
 

„Was ist denn da?“ Daniel reckte den Kopf, bis er schließlich sah, was Erik so interessierte.

Verdammter Mist!
 

Kevin. Und Vivien. Zusammen auf der Tanzfläche. Eng umschlungen.
 

„Das … war wohl doch keine so gute Idee“, sagte Erik lahm.
 

Daniel überhörte ihn und starrte das tanzende Paar an. Bis Kevins Kopf plötzlich in die Höhe schoss und er Daniel erschrocken anstarrte.

Der Blonde drehte sich wortlos um und verließ die Disko ohne die Beschwerden und Beschimpfungen zu berücksichtigen, die ihm die Leute, die er dabei angerempelt hatte, hinterherriefen.
 

Das konnte doch nicht wahr sein! Er lehnte sich an eine Straßenlaterne und schloss die Augen. Warum ging momentan alles schief? Warum, warum, warum? Was zur Hölle hatte er denn verbrochen?

Er öffnete träge die Augen. Erik war ihm nicht nachgekommen.

Dafür verließ Kevin gerade die Disco und hielt offenbar nach ihm Ausschau.
 

Als er ihn entdeckte, kam er zögernd auf ihn zu.

„Daniel?“
 

Er seufzte. „Was ist? Solltest du nicht da drin sein und Vivien die Zunge in den Hals stecken?“
 

Kevin sah ihn an, als hätte er ihm eine Ohrfeige verpasst.
 

„Tut mir leid“, sagte Daniel und stöhnte auf. Momentan verletzte er irgendwie jeden.
 

Kevin brummte irgendetwas, was Daniel nicht verstand, und fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Haare.

Wenn du wüsstest, wie sexy das aussieht …
 

Als Daniel bemerkte, dass er ihn angaffte, schloss er lieber wieder die Augen.
 

„Schon gut.“ Kevin trat von einem Bein auf das andere. Anscheinend wusste er genauso wenig zu sagen wie Daniel.
 

Schweigend standen sie da und vermieden es peinlichst, sich anzusehen.
 

„Ich, ähm…“, begann Kevin zögernd. Daniel ruckte mit dem Kopf in seine Richtung. „Ich habe gehört, du bist nicht mehr mit Valerie zusammen.“

„Ja.“ Er klang gepresst. Es tat ihm leid, Valerie so verletzt zu haben.
 

„Sie sah heute in der Schule ganz schön fertig aus“, meinte Kevin.

Eh? Hatte er Valerie nicht beobachtet? Sie hatte für ihn ziemlich gefasst ausgesehen. Aber wahrscheinlich hatte er nur gesehen, was er sehen wollte.

„Gestern ging es ihr schlechter“, nuschelte er.
 

„Hm.“ Kevin runzelte die Stirn. „Und … wie geht es dir?“

Wenn ich dich sehe? Undefinierbar.

Er zuckte mit den Schultern.

„Ich bin … okay.“

"Okay" war übertrieben. Es ging ihm überhaupt nicht gut, und als sich Besorgnis in Kevins Blick schlich, hüpfte sein Herz unruhig auf und ab.
 

„Daniel, ich …“ Kevin brach ab und verzog unschlüssig das Gesicht.
 

„Schon gut. Tut mir leid wegen … gestern.“ Es tat ihm überhaupt nicht leid. Der Kuss gehörte zu den wenigen Dingen, die er gerade nicht bereute. Aber Kevin anscheinend schon.
 

„Ich habe lange darüber nachgedacht“, murmelte er.

Verwirrt zog Daniel die Augenbrauen zusammen.

„Aha?“
 

Kevin suchte sichtlich nach Worten.

„Und ich … Ach, verdammt.“
 

„Hm?“
 

Grummelnd kam Kevin auf ihn zu und Daniel drückte sich an die Laterne.
 

„Ich hab' es mir anders überlegt“, raunte Kevin und presste seine Lippen auf Daniels.

| zehn |

Überrascht keuchte Daniel auf. Ein wenig überfordert erwiderte er Kevins Kuss und schlang die Arme um ihn. Sein Herz bollerte wie verrückt in seiner Brust. Es war ein inniger Kuss, der sich zunehmend in die Länge zu ziehen schien, bis Kevin plötzlich nach hinten wegsprang.
 

„Verdammt“, murrte er.
 

Daniel war verwirrt – und zugegebenermaßen auch verletzt. Was sollte das? Warum küsste Kevin ihn, nur um ihn gleich darauf wegzustoßen?

Er fixierte ihn und wartete auf eine hoffentlich gute Erklärung.
 

Kevin seufzte und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Nicht du. Diese ganze bescheuerte Situation.“
 

„Muss ich alles einzeln hinterfragen, oder erklärst du mir mal von dir aus was?“, fragte Daniel knurrend.
 

Kevin schaute ihn ein wenig perplex an.

„Ich bin schwul“, sagte er schließlich.
 

Daniel zog eine Augenbraue hoch.

„Toll. Ich auch.“
 

„Krieg das jetzt bitte nicht wieder in den falschen Hals, aber ich will nicht schwul sein! Wenn das rauskäme! Das würde sich wie ein Lauffeuer verbreiten und - “
 

Der Blonde seufzte. Kevin sah wirklich mitleiderregend aus, wie er so verzweifelt da stand.

„Vielleicht bist du ja auch nicht schwul.“

Kevin entfuhr ein ungläubiges Schnauben.

„Wirklich. Du kömmtest auch bi sein.“

Der Dunkelhaarige verdrehte die Augen. „Sag mal, was soll das jetzt?“

Das frage ich mich auch. Endlich hat er es kapiert und ich Idiot bin gerade dabei, es ihm wieder auszureden … Manchmal verstand Daniel sich selbst nicht mehr und hätte sich gern geohrfeigt für seine Dummheit.
 

„Ich versuche, dich aufzumuntern“, blaffte er gereizt. Sollte er sich jetzt darüber ärgern, dass es nicht funktionierte, oder doch lieber freuen?
 

„Oh.“ Kevin entfuhr tatsächlich ein kleines Grinsen. „Das ging aber gründlich schief.“
 

„Das hättest du mir jetzt nicht extra sagen müssen“, brummte Daniel.
 

Kevin zuckte lässig mit den Schultern. Im Gegensatz zu der Situation vor ein paar Minuten wirkte er fast unheimlich heiter.

„Du kannst besser küssen als aufheitern.“
 

„Soll das eine Aufforderung sein?“ Daniel grinste frivol.
 

Kevin lächelte. „Nur, wenn du es als solche verstehst.“
 


 

Durch das Zuknallen der Tür wurden die beiden in die Realität zurückgerissen.

„Verdammt!“, fluchte Kevin erneut.
 

Daniel legte den Kopf schief.

„Ich hoffe, das sagst du jetzt nicht immer, wenn ich dich küsse.“
 

Kevin murmelte irgendetwas Unverständliches, packte Daniel am Arm und zog ihn mit sich zur hinteren Seite der Disco. Dort war eine verlassene Baustelle, auf der außer einem verrosteten Bagger nichts und niemand zu sehen war.

Überrumpelt stolperte Daniel hinter seinem Freund her.

„Was soll das?“, fragte er, als Kevin hinter einer Mauer zu Stehen kam.
 

„Es muss ja nicht jeder alles mitbekommen“, nuschelte er und zog Daniel wieder zu sich heran.

Aber dies er sträubte sich. „Warte. Wer muss was nicht mitbekommen?“
 

„Das alles hier. Dich und mich. Uns.“ Kevin machte eine allumfassende Handbewegung. „Ich will keinen Druck haben.“
 

Druck war untertrieben. In dieser Stadt wurde Homosexualität ungefähr genauso gern wie die Pest gesehen. Es war vollkommen verständlich, dass Kevin lieber vorsichtig war.

Aber dennoch …

„Früher oder später wird es eh allen klar werden“, murmelte Daniel. Lieber früher als später.
 

„Ja … Bald“, murmelte Kevin. Er küsste Daniel. „Nächsten Monat vielleicht.“ Noch einmal. „Irgendwann.“
 

„Mhh …“

Bisher hatte Daniel – abgesehen von Valerie – noch keinerlei Kusserfahrungen, aber auch so war ihm klar, dass Kevin ein außerordentlich guter Küsser war. Im Handumdrehen brachte er ihn dazu, alles um sich herum zu vergessen. Unglaublich, wie er es schaffte, ihn zu überzeugen … Aber wovon eigentlich?
 

Die Ruhe wurde erneut gestört - durch Daniels Handy. Es klingelte immer lauter und ließ sich bald nicht mehr ignorieren.

„Dein Handy klingelt“, sagte Kevin an seinem Ohr.
 

„Ich weiß.“ Kevins heißer Atem auf seiner Haut machte ihn wahnsinnig. „Ich nehm' gleich ab …“ Er umschlang ihn mit seinen Armen und zog ihn näher an sich.
 

Kevin lachte leise. „Daniel!“
 

Grummelnd ließ er ihn los und griff nach dem Störenfried. Es war Eriks Name, der ihm vom Display entgegenblinkte. Verflucht, den habe ich ja total vergessen! Verlegen nahm er ab.

„Hey, Erik.“
 

„Wo bist du?“, verlangte Erik zu wissen. Er klang wütend.
 

Daniel zögerte.

„Wo bist du denn?“
 

„Vor dem Arilla. Hast du mal auf die Uhr geschaut? Es ist kurz nach Mitternacht!“
 

Der Schreck durchfuhr Daniel und beinahe hätte er das Telefon fallen gelassen. Wie zum Teufel hatte die Zeit so schnell vergehen können!?

Sein Vater war längst zu Hause – wahrscheinlich sogar seine Mutter! Den Stress, der ihn erwartete, wollte er sich lieber gar nicht vorstellen.
 

„Beweg dich mal lieber hierher. Und zwar schnell!“
 

„Bin schon unterwegs.“
 

Daniel legte auf und sah Kevin mit vor Schreck geweiteten Augen an.

„Ich muss nach Hause! Mein Vater bringt mich um!“
 

Kevin runzelte die Stirn und verstand den Sinn dieser Aussage offenbar nicht, kam aber dernnoch mit, als Daniel gehetzt zum Eingang der Disco lief, wo Erik schon auf ihn wartete.

„Na endlich“, raunzte dieser und scheuchte ihn zu seinem Auto.
 

„Warte“, sagte Daniel und schaute Kevin an. „Wie kommst du heim?“

„Vivien fährt.“ Er zuckte mit den Schultern.
 

Die Worte versetzten Daniel einen Stich. Das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um eifersüchtig zu sein, aber er wollte sich Vivien und Kevin nicht zusammen in einem Auto vorstellen …

„Fahr doch bei uns mit“, schlug es deshalb vor.
 

Erik warf ihm einen bitterbösen Blick zu, doch Kevin winkte dankend ab. „Ich muss ja sowieso mit ihr reden. Wir, ähm, sehen uns morgen. Ich hole dich ab.“

Er sah ihm noch einmal kurz in die Augen und verschwand dann wieder in der Disco.
 

Daniel starrte ihm nach, bis Erik ihn entschieden zu seinem Wagen bugsierte.

„Du kannst bei mir übernachten, und deinen Eltern sagen wir dann, wir haben für die Schule gelernt, weil du Mathe nicht verstehst. Wenn du das richtig formulierst, lügst du nicht einmal, schließlich ist allgemein bekannt, dass du in Mathe eine Niete bist.“
 

„Mhm.“ Irgendwie war ihm das gerade ziemlich egal. Er verspürte einen dumpfen Schmerz in der Magengegend, der sich überhaupt nicht mit seinem hämmernden Herzen verstand.

Und seine Fantasie ließ ihrer gesamten Kreativität freien Lauf, indem sie ihm erbarmungslos intime Bilder von Kevin und Vivien zeigte.
 

xXx
 

Hi, ihr Lieben. Sorry, dass es mit den Antworten auf Kommis und Mails nicht so klappt, aber ich stehe unter ungeplantem Dauerstress und bin eigentlich schon froh darüber, dass ich noch wöchentlich hochladen kann.

Trotzdem lese ich natürlich jeden Kommentar, also hört ja nicht auf zu schreiben! Und ich muss sagen, ich war überrascht, dass sich so viele darüber beschwert haben, dass ich "so fies zu meinen Leuten" bin. Das richtige Leiden fängt erst an! xD

Joa... ich dachte mir, nach den ganzen Mädels müssen die Jungs auch mal ran, ehehe >;D
 

Liebe Grüße

San

| elf |

Am nächsten Morgen war Daniel bei Sonnenaufgang in sein Zimmer geschlichen und hatte seine Schulsachen geholt, bevor er wieder zu Erik gegangen war, bei dem er die letzte Nacht verbracht hatte. So hatte er noch ein bisschen mehr Zeit, sich eine detailreiche Geschichte für seine Eltern zu überlegen, und Erik konnte derweil mathematische Aufgabenblätter entwerfen.

Eigentlich ein perfekter Plan.
 

Kevin stand um die gewohnte Uhrzeit vor seiner Tür, die Daniel durch Eriks Fenster beobachtet hatte. Er klopfte gegen die Scheibe, um Kevins Aufmerksamkeit zu erregen und winkte ihn hinüber.
 

„Was machst du denn bei Erik?“, wollte der Schwarzhaarige stirnrunzelnd wissen.
 

„Ich konnte gestern ja schlecht nach Hause gehen. Also hatte Erik die Idee, dass ich bei ihm übernachte, was wir dann auch so gemacht haben. Ich sage meinen Eltern, dass wir Mathe gelernt haben, und passend dazu schreibt Erik ein paar Übungsaufgaben. Sie werden mich also mehr oder weniger in Ruhe lassen.“ Er strahlte sein Gegenüber an. „Genial, oder?“
 

Dass Kevin diese Idee alles andere als genial fand und einige Haken des Plan erkannte, zeigte sein Gesichtsausdruck deutlich.

„Und du hast die ganze Nacht bei Erik verbracht?“, hakte er nach.
 

„Ja, hab‘ ich doch gesagt.“ Er gähnte. Viel geschlafen hatten die beiden nicht, und entsprechend müde war er.
 

Das bemerkte auch Kevin.

„Zur Ruhe scheint ihr ja nicht wirklich gekommen zu sein“, stellte er fest und die Falte zwischen seinen Augen vertiefte sich.
 

Was will der denn jetzt von mir?

„Nein, sind wir nicht …“, antwortete Daniel zögernd und musterte seinen Freund. „Warum?“
 

Kevin ignorierte die Frage.

„Seid ihr jetzt zusammen?“
 

Äh … was?! Fassungslos starrte Daniel ihn an. Wie kam er denn darauf? Schließlich hatte er ihn gestern noch geküsst! Anschließend würde er doch wohl kaum … Nein, würde er nicht, und Kevin sollte das verdammt nochmal auch wissen! Außerdem – hatte er ihm gestern nicht angeboten, mitzukommen? Aber nein, Kevin war derjenige gewesen, der lieber Vivien hinterhergerannt war!

Und das sagte Daniel ihm jetzt auch.
 

Kevin ruderte zurück.

„Tut mir leid, ich bin verpennt, habe mich heute Morgen schon von meinem Bruder anschreien lassen und musste mir einen Vortrag von meiner Mutter anhören. Ich weiß natürlich, dass ihr nur befreundet seid“, entgegnete er zähneknirschend.
 

„Schon okay“, brummte Daniel. Er wollte ja keinen Streit anfangen.

Nun war es allerdings Kevin, der herzhaft gähnte.

„Wann bist du denn gestern nach Hause gekommen?“
 

Er zuckte mit den Schultern.

„Kurz vor drei, glaube ich.“
 

Kurz vor drei?! Was um Himmels Willen hatte er so lange gemacht … mit Vivien?

Daniel brauchte all seine Selbstbeherrschung, um sich zusammenzureißen und nicht denselben Fehler wie Kevin zu machen und seinen Freund sofort anzuschnauzen.

„Warum so spät?“, fragte er und versuchte, seiner Stimme dabei einen neutralen Klang zu geben.
 

„Vivien und ich haben lange geredet …“
 

Bei dieser Antwort riss ihm allerdings der Geduldsfaden.

„Ach? Geredet habt ihr, soso. In einer Disco, mitten in der Nacht, zwei Stunden lang.“ Er starrte ihn wütend an. „Lass dir doch wenigstens etwas Kreativeres einfallen! Verdammt, Kevin!“
 

„Ich habe mit ihr Schluss gemacht! Sie hat es nicht verstanden, weil wir ja noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden zusammen waren, und es hat eine Weile gedauert, bis ich das hinbekommen habe!“, raunzte Kevin verdrossen, „Erzähl‘ mir nicht, dein Gespräch mit Valerie hätte keine fünf Minuten gedauert!“

Daniel schwieg und wusste nicht so recht, was er davon halten sollte.
 

Kevin seufzte. „Was hältst du davon, wenn wir schwänzen?“
 

Damit hatte er nun überhaupt nicht gerechnet.

„Äh … was?“
 

„Du hast mich schon richtig verstanden.“ Ein schalkhaftes Grinsen schlich sich in Kevins Blick. „Frühstücken, zu mir gehen, zocken, oder irgendwas anderes machen, statt uns in der Schule zu langweilen.“
 

Daniel sah ihn einen Moment lang ungläubig an, dann zuckte er mit den Achseln. Warum auch nicht? Ein freier Tag würde kaum schaden.

„Meinetwegen“, stimmte er also zu. Vor allem das irgendetwas andere gefiel ihm.
 


 

Es gab Kakao mit Sahne und Nutellatoast. Sie saßen auf Kevins Bett, aßen und unterhielten sich, vor allem über den vergangenen Abend, und unterbrachen das Gespräch immer wieder, indem sie sich küssten.

Zu mehr als Küssen kam es allerdings nicht, doch diese Nähe reichte Daniel vorerst vollkommen aus. Es gefiel ihm, zu wissen, dass dieser Vormittag, gemeinsam mit Kevin im Bett, das Produkt seiner Fehler der letzten Zeit war. Seine Endorphine tanzten Salsa in seinen Blutbahnen und sein Herz hatte Schwierigkeiten, diesen schnellen Rhythmus zu halten, ohne ihm einen Herzinfarkt zu bescheren.
 

Irgendwann wurde Kevins Miene jedoch ernst.

„Daniel … Wir müssen das hier nicht an die große Glocke hängen, oder?“
 

Er runzelte die Stirn, verstimmt wegen der Unterbrechung.

„Wie meinst du das?“
 

„Na ja, wir könnten erst einmal gar nichts sagen … über uns. Und so weitermachen wie, hm, wie bisher“, sagte er vorsichtig.
 

Daniel zog die Augenbrauen zusammen.

„Kevin, ich weiß, du hörst das genauso ungern wie ich, aber du bist schwul. Und das wird garantiert rauskommen.“
 

„Weiß ich. Aber das kann ja ein Weilchen warten. Bis ich mich selbst daran gewöhnt habe, nicht wahr?“

Er küsste Daniels Kinn.
 

„Von mir aus …“, gab dieser also nach. Obwohl er ein seltsames, flaues Gefühl dabei hatte.
 


 

Es war das Telefon, das die nächste Unterbrechung zu verschulden hatte. Grummelnd und fluchend schälte sich Kevin aus der Decke, um in die Küche zu laufen und abzunehmen.

Wenige Sekunden später kam er wieder zurück, den Hörer in der Hand und reichlich blass im Gesicht.

„Für dich“, sagte er und hielt Daniel den Hörer hin.
 

„Wer?“, fragte er verwirrt und nahm das Gerät entgegen.
 

„Dein Vater“, formte Kevin tonlos mit den Lippen.
 

Wie erstarrt fixierte Daniel das Telefon in seiner Hand. Er schluckte und führte es todesmutig an sein Ohr.

„Papa?“
 

„Was zum Teufel machst du bei diesem Burschen?“, raunzte die unverkennbare Stimme seines Vaters.
 

Daniel warf Kevin einen hilfesuchenden Blick zu. Was sollte er denn sagen? Er wusste, dass sein Vater es früher sehr ungenau mit schulischen Pflichten genommen hatte, aber wenn er dieses Argument jetzt brachte, hätte er den Ärger seines Lebens.

„Wir hatten früher aus“, erwiderte er lahm.
 

„Soso, früher aus. Gleich vor der ersten Stunde, ja? Lüg mich nicht an und komm lieber sofort nach Hause!“

Er war stinkwütend und legte auf.
 

Bestürzt schaute Daniel seinen Freund an.

„Ich muss gehen.“
 

Kevin umarmte ihn kurz.

„Viel Glück.“
 

„Danke“, murmelte Daniel. Dann verließ er das Zimmer und wenige Sekunden später auch das Haus.
 


 

Dieter Jansen tobte, wie Daniel es schon lange nicht mehr erlebt hatte.

„Na endlich!“, blaffte er seinen Sohn an.
 

Schweigend stellte Daniel seine Tasche ab und zog seine Jacke und die Schuhe aus. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Woher wusste sein Vater überhaupt, dass er nicht in der Schule gewesen war? Und warum war er eigentlich zu Hause und nicht bei der Arbeit?
 

„Nicht genug, dass du einfach die Schule schwänzt, nein, ich muss mir auch noch am verfluchten Telefon sagen lassen, dass mein einziger Sohn eine verdammte Schwuchtel ist!“, schrie er.
 

Die Welt blieb stehen und Daniels Herz rutschte immer tiefer.

Woher um alles in der Welt ...? Woher wusste dieser Mann, dass er schwul war?!

Er starrte ihn an, unfähig, sich zu bewegen oder zu denken.

„Ich bin keine Schwuchtel“, sagte er langsam, „ich bin schwul.“

Und ich habe gerade mein Todesurteil unterschrieben.
 

Sein Vater sah ihn entsetzte an.

„Sag das noch einmal“, verlangte er und setzte sich.
 

Daniel zögerte. „Ich bin schwul“, wiederholte er leise.
 

Und Dieter sprang wieder auf. „Nicht in meinem Hause!“, bellte er.
 

Wo denn sonst? Ich wohne hier!

„Ich kann doch nichts dafür!“, versuchte Daniel, sich zu verteidigen. Er kam sich vor wie ein kleines Kind mit dieser lahmen Rechtfertigung, aber es stimmte nun einmal.
 

„Oh doch, Freundchen. Und du wirst auf der Stelle damit aufhören!“
 

Daniel verstand kein Wort.

Er brachte nur ein ersticktes „Was?“ hervor.
 

„Du hast schon richtig gehört. Du unterdrückst das so lange, bis es weg ist, gehst diesem Kevin aus dem Weg und suchst dir eine Freundin. Es gibt schließlich genug Mädels auf der Welt.“
 

Was eine Ironie – das hab ich schon versucht, Papa.
 

„Sonst“, - er senkte drohend die Stimme -, „kannst du dieses Haus unverzüglich verlassen und sehen, wo du bleibst. Hast du mich verstanden?“
 

Daniel schluckte mühsam.

„Ja.“
 

xXx
 

Ich hab ja bereits angekündigt, dass das Leiden jetzt anfängt... die Hälfte haben wir übrigens geschafft ^^.
 

San

| zwölf |

Die Mathestunde zog sich in die Länge. Herr Breißel, der Lehrer, wütete, weil niemand seine Erklärungsversuche verstand und die Schüler bemühten sich, um nicht in Lachen auszubrechen.

Daniel schrieb Kevin währenddessen die Ereignisse des vergangenen Tages. Dass er zugegeben hatte, schwul zu sein und die Drohungen seines Vaters.
 

„Der spinnt doch total!“, stellte Kevin in der Pause kopfschüttelnd fest, „Wie soll man denn einfach so damit aufhören…“ Er machte eine bedeutende Handbewegung, „Das haben wir schließlich beide schon versucht.“
 

„Keine Ahnung“, sagte Daniel finster, „aber ich soll mich auch von dir fernhalten und ich will verdammt nochmal wissen, wer ihn angerufen hat!“
 

Kevin zuckte mit den Schultern. „Valerie? Grund genug, dir eins auszuwischen, hat sie ja.“
 

„Ich weiß nicht… irgendwie trau‘ ich ihr das nicht zu.“
 

„Sonst fällt mir aber niemand ein.“
 

„Hm… mir auch nicht.“
 


 

Den Rest des Schultages beobachteten sie ihre Mitschüler, konnten aber bei keinem einen ertappten Gesichtsausdruck oder ein schlechtes Gewissen feststellen.
 

Als sie ihre Fahrräder aufschlossen, um nach Hause zu fahren, wehrte Kevin Daniels Kuss ab.

„Mensch, Daniel! Ich hab dir doch gesagt, dass ich das nicht will!“
 

„Sorry“, sagte er beleidigt, „Hast du wenigstens mit deinen Eltern gesprochen?“
 

Er sah ihn entsetzt an. „Nein! Natürlich nicht, die würden mich umbringen!“
 

„Und du hast es auch nicht vor, oder?“
 

„Nachdem ich weiß, wie dein Vater darauf reagiert hat? Das kann meinetwegen noch eine kleine Ewigkeit dauern.“
 

„Mein Vater ist aber auch nicht normal“, brummte Daniel und konnte nicht verhindern, dass ein Hauch von Enttäuschung in seiner Stimme mitschwang.
 

Kevin überhörte sie.

„Wie auch immer… Ich muss gehen.“
 

Daniel nickte. „Bis morgen“
 

„Ja… tschüss.“

Damit fuhr er davon.
 

Und Daniel wurde das Gefühl nicht los, dass hier irgendetwas verdammt falsch lief.
 

Natürlich, sein bescheuerter Vater hatte überreagiert, aber das hieß doch nicht, dass alle Eltern gleich waren! Vor allem Kevins Mutter nahm das garantiert recht gelassen hin – sie hatte mit ihrem jüngsten Sohn Marvin schon ganz anderes erlebt.

Frustriert beschloss er, erst einmal zu Erik zu fahren. Daniel hatte sich gestern nicht bei ihm gemeldet und er hatte sich bestimmt gewundert.
 

Wie immer war nicht abgeschlossen. Er lehnte das Fahrrad gut sichtbar an die Hauswand, damit sein Vater wusste, wo er war und trat ein.

„Erik?“
 

„In der Küche“, kam es zurück.
 

Daniel folgte dem ungewohnten Geruch in die Küche und fand Erik am Herd stehend vor. In einem Topf köchelte Reis vor sich hin, in einer Pfanne briet Erik etwas an.

„Riecht gut“, kommentierte Daniel und warf ihm einen Blick über die Schulter, „Was gibt das denn?“
 

„Reis und Geschnetzeltes. Willst du mitessen?“
 

„Gern. Danke.“
 

Erik erwiderte nichts, sondern werkelte weiter herum. Daniel wurde das Schweigen unangenehm.

„Kann ich irgendwas helfen?“
 

Erik zuckte mit den Schultern. „Klar. Du kannst Teller und Gläser aus dem Hängeschrank holen. Besteck ist in der obersten Schublade des Schrankes.“
 

„Okay.“
 


 

Das Essen war überraschend lecker. Daniel hatte nicht gewusst, dass Erik kochen konnte – und noch dazu so gut.
 

„Nun sag schon“, forderte Erik ihn auf, „was hast du jetzt wieder für ein Problem?“
 

Daniel schluckte. „Das klingt so, als käme ich nur, wenn ich deine Hilfe brauche.“
 

Erik lachte kurz auf. „Ist doch auch so.“
 

„Tut mir leid“, murmelte Daniel.
 

Erik machte eine wegwerfende Handbewegung. „Schon gut. Wenigstens kommst du überhaupt hierher, hm.“
 

Daniel runzelte die Stirn. Was sollte das jetzt heißen?
 

„Also. Was gibt’s?“
 

Plötzlich kam es Daniel seltsam vor, ihm von seinen Sorgen zu erzählen. Trotzdem versuchte er es.

„Es geht um Kevin.“
 

„Hab‘ ich mir schon gedacht“, warf Erik ein.
 

„Und meinen Vater.“
 

Schnell erzählte er ihm alles, was passiert war.

Erik war ein aufmerksamer Zuhörer und schnitt eine Grimasse, als Daniel geendet hatte.

„Du sitzt ganz schön in der Scheiße“, bemerkte er.
 

„Ich weiß.“
 

„Ich denke…“ Erik zögerte. „Verzeih mir, aber ich denke nicht, dass Kevin es ernst meint.“

Das mulmige Gefühl kehrte in Daniels Magen zurück. Das war es, was er unterbewusst auch gedacht hatte, aber nicht in seinem Kopf erlaubt hatte.

„Daniel? Ich glaube, es ist besser, du lässt das mit ihm.“
 

Missmutig sah Daniel ihn an.

„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?“
 

„Dich ablenken. Vorerst.“
 

„Weißt du noch, als du das das letzte Mal vorgeschlagen hast?“
 

„Ja.“ Erik überlegte kurz und schürzte die Lippen. „Aber ich hab‘ eine andere Idee.“

Damit kam er auf Daniel zu und bevor der richtig erfasste, was geschah, presste Erik seine Lippen auf Daniels.
 

xXx
 

Okay... ^///^

Es ist soweit, ich kann mich nicht entscheiden... Einerseits habe ich eigentlich KevinXDaniel geplant und auch die Kapitel so geschrieben (hab das sechszehnte übrigens endlich geschafft - nachdem ich vier Wochen lang jeden Tag eigentlich nur den Bildschirm angestarrt habe. Aber zufrieden bin ich immer noch nicht... So lange hab ich noch nie für ein Kappi gebraucht oO), aber weil Erik so gut aufgenommen wurde, habe ich ein paar Kappis in ErikXDaniel geschrieben... Und war überrascht, dass die mir genauso leicht von der Hand gingen, wie die mit Kevin. Beschissene Situation xD

Also. Bitte mal kurz ins Kommi schreiben, ob euch Kevin oder Erik lieber wäre.

Das wäre nett ^^"

LG San

| dreizehn |

„Was machst du da?“, flüsterte Daniel gegen Eriks Lippen.

Er versuchte, sich von ihm zu lösen, ihn wegzuschieben, aber seine Finger gehorchten ihm nicht mehr und wanderten stattdessen in Eriks dichtes, dunkles Haar. Es fühlte sich an wie samtiger Draht.
 

„Ich küsse dich“, hauchte Erik und vertiefte den Kuss.
 

Daniel zitterte und konnte sich nicht erklären, woher dieses seltsame Gefühl kam, das ihn in diesem Moment ergriff. Er schloss die Augen, ließ sich fallen und seine Gedanken schweifen, als plötzlich Kevin vor sein inneres Auge trat.

Kevin…

Kevin, wie er und Daniel an ihrem allerersten Schultag gemeinsam zur Schule gingen, wie er ein Mädchen nach dem anderen an der Angel hatte. Kevin, wie ihm immer Zuflucht gewährte, wenn Daniel es zu Hause nicht mehr aushielt, wie er mit Desiree zusammen war. Wie Kevin und Daniel sich am vorigen Tag hinter der Disco geküsst hatten, wie er Vivien in die Disco nachgelaufen war. Wie er ihn vorhin auf dem Schulhof abgewehrt hatte.

Daniel spürte, wie es hinter seinen Augen zu brennen begann und löste sich von Erik.

Ich fang‘ jetzt nicht an, wie ein Baby zu flennen, verdammter Mist!

„Hör auf“, bat er ihn leise.
 

Erik zog sich rücksichtsvoll zurück.

„Ich werde mich nicht entschuldigen“, warnte er.
 

Daniel schüttelte den Kopf. Er bereut vieles, was in letzter Zeit geschehen war, aber er war sich nicht sicher, ob dieser Kuss dazugehörte. Seine Gedanken fuhren Karussell.

„Du hast doch gesagt, du seist an mir nicht interessiert“, fiel ihm ein und er runzelte die Stirn.
 

Erik schnitt eine Grimasse.

„Ich hab‘ gelogen.“
 

Verwundert schaute Daniel ihn an. Wie zum Teufel hatte Erik es geschafft, so gut zu lügen? Er war misstrauisch. Und wusste nicht, wo ihm der Kopf stand. Was, was um alles in der Welt passierte hier gerade?

„Bist du dir sicher?“

Er musste einfach nachhaken, konnte ihm nicht glauben. Es war zu unglaublich.
 

Erik sah ihn ernst an.

„Natürlich bin ich mir sicher. Ich bin schließlich schon ein paar Jahre länger als du schwul und ich weiß, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein.“
 

„Warum hast du mir dann Tipps gegeben, um mit Kevin zusammen zu kommen? Du hättest ihn mir doch einfach ausreden können, das wäre doch… sinnvoller gewesen“, unterbrach Daniel.
 

„Wie ich gerade schon sagte: Ich weiß, wie es sich anfühlt, verliebt zu sein. Und du hättest deinen Blick sehen sollen, wenn du über Kevin gesprochen hast.“ Erik schüttelte den Kopf. „Es hat dich total erwischt.“
 

Daniel überlegte kurz.

„Und was willst du jetzt von mir?“
 

Ein kleines Lächeln stahl sich auf Eriks Lippen.

„Nichts. Ich wollte dich nur küssen. Du sollst wissen, dass du noch mehr Möglichkeiten als Kevin hast. Möglichkeiten, die weniger kompliziert sind und weniger… weh tun. Ich will nur, dass du weißt, dass ich auch noch da bin.“
 

Daniel nickte.
 

Erik schwieg einen Moment lang und schenkte Wasser in zwei Gläser ein. Eines reichte er Daniel und beobachtete ihn, während er trank.

„Und ich will wissen, wie du es fandest.“
 

„Was?“ Daniel nahm noch einen Schluck.
 

„Den Kuss. Meinen Kuss.“
 

Daniel verschluckte sich und um ein Haar wäre ein feiner Sprühregen auf Erik niedergegangen. Er schnappte nach Luft. Was für eine Antwort sollte er jetzt geben?

„Ich weiß es nicht“, gab er röchelnd zu.
 

Erik schürzte die Lippen.

„Gut oder schlecht?“
 

„Ich weiß es nicht“, wiederholte er, „Ich weiß gerade gar nichts.“ Er zögerte kurz.

„Tut mir leid“, fügte er dann hinzu und merkte, wie ihm die verdammte Röte ins Gesicht schoss.
 

Erik seufzte.

„Vielleicht verlange ich ja zu viel von dir. Wie wäre es, wenn du nach Hause gehen und in aller Ruhe nachdenken würdest? Ich bezweifle, dass dein Vater schlimmer ist, als Kevin oder ich. Zumindest jetzt.“
 

„Du hast recht“, stimmte Daniel ihm widerwillig zu.
 


 

Seit seiner Drohung hatte Dieter Jansen kein Wort mehr mit seinem Sohn gesprochen. Er warf ihm nur hin und wieder warnende, fast wütende Blicke zu, wenn sie sich begegneten, behandelte ihn sonst aber wie Luft. Und das war Daniel ganz recht, es war sogar einfacher geworden, sich zu Hause aufzuhalten, weil er quasi nicht anwesend war.
 

Er lag auf seinem Bett und starrte die Decke an. Seine Lippen brannten, genau wie sein schlechtes Gewissen. Hatte er Kevin wirklich betrogen? Und es auch noch gut gefunden? Wir sind doch gar nicht richtig zusammen… Oder doch? Nur, weil ihre Beziehung erst zwei Tage alt und geheim war, war sie dennoch vorhanden. Auch wenn Kevin sie verleugnen wollte. Seine Eltern würden bestimmt besser darauf reagieren als mein Vater, dachte Daniel missmutig.

Und dann waren da bloß noch die anderen, der Rest der Welt, diese erzkonservativen, intoleranten Leute, die einem das Leben zur Hölle machten, wenn man nicht so tickte wie sie. Gewissermaßen war Kevins Vorsicht ja zu verstehen, dennoch versetzte sie Daniel einen Stich im Herzen. Schon wieder.

Das arme Ding musste ganz schön viel in ganz schön kurzer Zeit erleiden…

Und Eriks Kuss hatte wie Balsam gewirkt. Weniger Herzschmerz, dafür mehr Gewissensbisse.

Ich komme mir vor wie in einer dieser grässlichen Soaps…
 

Daniel bemerkte, wie die Haustür unten aufging und seine Mutter nach Hause kam. Nur wenige Sekunden später hörte er seinen Vater die Treppe herauftrampeln und die Tür des kleinen Gästezimmers, das er seit neuestem bewohnte, zuknallen.

Seit Emily immer später heim kam und an den Wochenenden immer öfter ins Büro verschwand, weigerte sich Dieter, das Bett mit ihr zu teilen. Zu Recht, wie Daniel fand. Seine Mutter machte keinen großen Hehl aus ihrer Affäre mit ihrem Chef. Der im Übrigen fast zehn Jahre älter, dafür aber auch um einiges reicher war als sein Vater. Dennoch, bei aller Liebe, es überraschte Daniel, dass sein Vater das so lange mitmachte.

Wenn ihn jemand betrügen würde, würde er dieser Person mehr als die kalte Schulter zeigen – ach, verdammt!

Warum hatte seine Mutter ihm nicht ihre Intelligenz, ihre Unbefangenheit oder wenigstens Schönheit vererbt? Wütend ballte er die Hände zu Fäusten.
 

Er würde mit Kevin reden müssen. Zum Teufel, er liebte ihn schließlich. Kevin. Und nicht Erik.

Aber warum um alles in der Welt träumte er dann von Erik und nicht von Kevin?
 

xXx
 

Danke für alle Stimmen (:

Es geht eine Weile hin und her... und wie ich mich entschieden habe, seht ihr in Kapitel Sechszehn / Siebzehn.
 

San

| vierzehn |

Danke für alle Kommis - ich glaube, ich wiederhole mich xD" Hm, egal. Trotzdem danke ^.^

Ich hoffe, die Fragen zu Daniels Mutter werden in diesem Kapitel zumindest ein bisschen geklärt... vorher ist sie ja ein bisschen zu kurz gekommen, aber in den letzten sieben Kapiteln wird sie noch des Öfteren gebracht werden. Oh, ja, und: Ich hab mich entschieden (:
 

San
 

xXx
 

„Daniel? Darf ich reinkommen?“
 

Die Tür war einen Spalt breit offen und Daniel schrak aus dem Schlaf, als das Licht in sein Zimmer fiel. Verschlafen drehte er sich zur Seite und schaute auf seinen Radiowecker. Halb vier, sagten die blinkenden roten Ziffern. Mit einem Stöhnen ließ er sich zurück in die Kissen sinken.

„Zu früh“, grummelte er und schloss wieder die Augen.
 

Sie kam an sein Bett und nahm seine Hand in ihre. Daniel zuckte zusammen, als er die Kälte ihrer Haut spürte.

„Mama?“, fragte er entgeistert und nunmehr hellwach.
 

Emily knipste die Nachttischlampe ihres Sohnes an.

„Ich wollte mit dir reden“, murmelte sie.
 

Daniel zog die Augenbrauen zusammen.

„Um halb vier morgens? Verdammt, Mama. Was ist denn los? Bist du betrunken?“

Das war normalerweise eher sein Vater, aber man konnte ja nie wissen…
 

Sie lächelte schwach.

„Nein, bin ich nicht. Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe, aber momentan geht alles drunter und drüber…“
 

Wem sagst du das?

„Nicht nur bei dir.“
 

„Ich weiß.“ Sie räusperte sich und warf kurz einen Blick auf die Wand, hinter der das Gästezimmer – Dieters Zimmer – lag, aus dem man friedliches Schnarchen hörte.

„In letzter Zeit haben wir kaum noch Gelegenheiten, uns zu unterhalten.“
 

„Das liegt nicht an mir“, warf Daniel ein.

Sie war es schließlich, die ihre Zeit lieber mit ihrem Chef verbrachte.
 

„Nein, es ist meine Schuld, da hast du schon recht.“ Sie zögerte kurz.

„Aber ich will nicht, dass du denkst, ich hätte dich vergessen. Oder Dieter. Ich bin nur sehr beschäftigt zurzeit.“
 

„Mama.“ Daniel verdrehte die Augen. „Deine Affäre ist kein Geheimnis.“ Sie zuckte zusammen.

„Ich mache dir keine Vorwürfe“, versicherte er ihr schnell, „obwohl ich es vermutlich sollte. Aber es ist schließlich deine Sache und geht mich eigentlich auch nichts an.“

Sie wollte etwas sagen, doch er schnitt ihr das Wort ab.

„Außerdem hab‘ ich momentan genug eigene Probleme.“

Hatte er wirklich von Erik geträumt? Verflucht! Und dann war das auch noch ein Traum der nicht ganz jugendfreien Art gewesen…
 

Sie verstärkte den Druck ihrer Hand.

„Erzähl‘ mir davon.“
 

Nun war es an Daniel zu zögern. Er wollte nicht mit ihr reden, nicht die gleichen Probleme wie mit seinem Vater erleben. Aber seine Mutter war so anders als er… Und er würde unendlich gern mit jemandem reden, der nichts mit allem zu tun hatte…

Ohne Vorwarnung legte er los.

„Ich bin schwul…“
 

Emily Jansen war eine aufmerksame Zuhörerin. Daniel konnte ihr nicht ansehen, was sie dachte und weil sie ihn nicht unterbrach, erzählte er alles, vom Anfang mit seinen widersprüchlichen Gefühlen bis hin zu Eriks Kuss und seinem Traum.

Als er geendet hatte, war er längst nicht mehr rot im Gesicht und sah sie abwartend an.

Aber Emily ließ sich Zeit.

„Und du hast wirklich keine Ahnung, wer Dieter angerufen haben könnte?“, fragte sie schließlich.
 

„Mama!“ Daniel starrte sie an. „Hast du mir zugehört?“

Wer seinen Vater angerufen hatte, war doch gerade total egal! Sollte sie sich darüber aufregen, dass er ihr gerade eröffnet hatte, schwul zu sein und furchtbare Gewissensbisse hatte!?
 

„Stell dir mal vor, das habe ich.“ Sie seufzte. „Das ist ganz schön scheiße. Trotzdem. Wer auch immer Dieter angerufen hat, war wütend und verletzt und hat es wahrscheinlich aus Rache gemacht. Du solltest also aufpassen, dass nichts Schlimmeres passiert.“
 

Er nickte.

„Kevin tippt auf Valerie.“
 

„Ich auch. Schließlich hast du dich – verzeih mir – sehr egoistisch und verletzend ihr gegenüber verhalten. Sie hat allen Grund, es dir heimzahlen zu wollen.“
 

„Aber es passt nicht zu ihr“, brummte er.
 

Emily lacht leise auf.

„Du würdest dich wundern, was Menschen alles machen würden, wenn sie verzweifelt sind“, sagte sie sanft.
 

„Hm.“
 

„Rede einfach mal mit ihr. Ruf‘ sie an, oder, noch besser, besuche sie.“
 

„Bist du verrückt? Sie würde mich eiskalt abservieren!“, widersprach Daniel überrascht.

Die Vorstellung einer keifenden Valerie schreckte ihn ab. Das Gespräch mit ihr hatte er noch nicht vergessen und auf eine Wiederholung könnte er dankend verzichten.
 

Emily zuckte mit den Schultern.

„Du hast es verdient, mein Schatz. Außerdem, viel Schlimmeres kann dir nicht passieren, oder?“
 

Doch. Sie könnte es allen erzählen. Mich gesellschaftlich ermorden.

Aber das sagte er nicht.
 

„Und mit Kevin solltest du auf jeden Fall auch reden. Aber ich denke, das weißt du auch.“

Sie sah ihn bohrend an.
 

„Ich weiß.“

Er seufzte.
 

„Und zwar in naher Zukunft“, fuhr sie fort, „am besten heute noch. Holt er dich nachher wieder ab?“
 

Er nickte.

Scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße.

Sein Herz machte einen Sprung und fing dann an, unregelmäßig vor sich hin zu poltern.
 

Tröstend tätschelte sie seine Hand.

„Das wird schon wieder. Und was du für wen empfindest, findest du bestimmt auch noch heraus.“ Sie runzelte die Stirn. „Obwohl ich ehrlich zugeben muss, dass mir Kevin lieber als Schwiegersohn“ – Sie kicherte – „wäre als dieser Erik. Er ist zwar bestimmt nett und so, aber er hat so etwas… Seltsames an sich.“

Sie machte eine unbedeutende Handbewegung.

„Aber lass dir da von mir nichts reinreden.“
 

„Ich hab‘ dich auch lieb.“ Er atmete tief ein. „Und was soll ich deiner geschätzten Meinung nach mit Papa machen?“
 

Sie überlegte. Lange. Zu lange.
 

Daniel ergriff wieder das Wort.

„Ich meine, er hat ja gesagt, er würde mich… rauswerfen. Und das traue ich ihm auch zu.“

Hilflos zuckte er mit den Schultern.
 

Sie seufzte.

„Da habe ich immer noch ein Wörtchen mitzureden. Mach dir mal keine Sorgen um ihn.“
 

„Sag‘ mal“, wechselte Daniel das Thema, „was machst du jetzt eigentlich mit ihm?“
 

Sie zögerte.

„Ich sollte wohl mit ihm reden.“
 

„Bei nächster Gelegenheit“, bekräftigte Daniel.
 

„Bei nächster Gelegenheit“, versprach sie.
 

„Heute.“
 

„Heute… nein. Heute ist ganz schlecht.“
 

„Mama!“ Er warf ihr einen verärgerten Blick zu.

„Du kannst mir nichts raten, was du nicht auch machen würdest!“
 

„Dann schlage ich vor, du verschiebst das Gespräch mit Kevin…“, sagte sie kleinlaut.
 

„Verdammt.“

Stöhnend richtete er sich auf.

„Wir machen es so. Ich rede nachher mit Kevin. Ehrlich. Und ich bin dir nicht böse. Dafür kommst du heute mal pünktlich nach Hause und sprichst dich mit Papa aus.“
 

Sie sah ihn an.

„Und du bist mir wirklich nicht böse?“
 

„Wenn du das machst, dann nicht.“

Er atmete tief durch. Wer von ihnen war hier eigentlich erwachsen?
 

Sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

„Okay. Stellen wir uns also beide heute unsren Fehlern“, sagte sie todesmutig, als müsste sie die Höhle des Löwen betreten.

„Aber erst nachher. Schlaf gut.“
 

Haha. Als würde er jetzt noch schlafen können. Aber er drehte sich brav zur Seite wie ein kleines Kind und sagte: „Du auch.“
 


 

Aber als drei Stunden später der Wecker klingelte, musste er überrascht feststellen, dass er wohl doch noch einmal eingeschlafen war.

Auch gut…

Er ließ sich Zeit und vermied es, an Kevin zu denken. Oder Erik. Die letzten Stunden hatte er nämlich richtig gut geschlagen und entgegen seiner Befürchtung musste er zugeben, dass er ihm gut getan hatte, mit seiner Mutter zu reden. Ein Elternteil, dass ihn respektierte, wie er war.

Fast schon gut gelaunt betrat er die Küche und warf aus Gewohnheit einen Blick aus dem Fenster.

„Wo ist Mama?“, erkundigte er sich irritiert bei seinem Vater. Es waren die ersten Worte, die er nach seiner Drohung an ihn richtete, aber normalerweise war seine Mutter um diese Zeit längst weg. Und heute stand ihr Auto noch draußen.
 

„Liegt krank im Bett“, brummte er, ohne von seiner Zeitung aufzuschauen. „Würde mich nicht wundern, wenn sie Aids hätte.“

Er zog an seiner Zigarette und drückte sie im Aschenbecher aus.
 

„Aha“, machte Daniel, entschied sich dagegen, in der Küche zu frühstücken und räumte sein Zimmer auf, um beschäftigt zu sein.

Was war los, mit seiner Mutter?

Doch bevor er länger darüber nachdenken konnte, sah er Kevin ankommen. Der Schwarzhaarige warf einen Blick zur Haustür, zögerte, und beschloss, lieber zu warten, als zu klingeln.

Gott sei Dank.
 

Daniel schnappte sich seine Schulsachen, verabschiedete sich mit einem „Ich geh‘ dann mal“ von seinem Vater und verließ das Haus.
 

„Hi“, begrüßte ihn Kevin und lächelte ihn an.
 

„Hallo“, murmelte Daniel zurück, vermied es, ihn anzusehen, als er in die Garage ging – die sein Vater für seinen Wagen in Anspruch nahm – und sein Fahrrad holte.
 

Kevin folgte ihm.

„Was ist los?“, wollte er stirnrunzelnd wissen und umarmte ihn.
 

Daniel machte sich los.

„Nichts.“

Wie zum Teufel sollte er anfangen?
 

Kevin gab ihm im Schutz des kleinen Raumes einen Kuss, den Daniel nicht erwidern konnte. Er konnte einfach nicht.

„Daniel?“
 

Es war Kevin anzusehen, dass er verletzt war.

Tja. Jetzt sind wir schon mal zu zweit.

„War ich gestern verletzend?“, erkundigte sich Kevin nach einigem Schweigen.
 

Daniel nickte und kämpfte mit seinem Schloss.
 

Kevin seufzte.

„Tut mir leid. Du weißt doch, wie ich bin“, sagte er zerknirscht.

Und als Daniel noch immer nichts sagte, bemühte er sich um einen versöhnlichen Tonfall.

„Du darfst mich auch mal verletzen.“
 

Daniel zuckte zusammen. Jetzt oder nie…

„Kevin… das habe ich schon.“
 

„Äh… was?“ Er war verwirrt.
 

Daniel sah ihn an.

„Ich habe einen anderen … geküsst.“
 

xXx
 

Doofer Cut, ich weiß xD Meinungen? :3

| fünfzehn |

Meine Beta ist von Erdboden verschluckt worden~

Ich wünsche euch allen noch eine schöne Faschingszeit... ich kann damit nicht viel anfangen ^^"
 

San
 

xXx
 

Kevin sah ihn an, als wäre er kurzfristig von der Welt gegangen, als hätte er gar nicht mitbekommen, was Daniel da gerade gesagt hatte und dem Blonden wurde beim Ausbleiben einer, irgendeiner Reaktion immer schlechter. Als würde ihn ein tonnenschweres Gewicht auf die Schultern drücken, bis er in der Erde versunken war. Lebendig begraben.

„Kevin?“, fragte er zaghaft.
 

Er war erstarrt. Wie eine Statue fixierte er einen Punkt ein wenig links von Daniel Kopf und nur sehr langsam schlich sich das Begreifen in seinen Blick, gefolgt von stummem Entsetzen und etwas anderem, etwas, das Daniel allein schon vom Sehen im Herzen weh tat.

Mach was! Verdammt, jetzt sag‘ doch was! Irgendwas! Bitte!
 

Als könnte er Gedanken lesen, sah Kevin ihm in die Augen und im selben Moment nahm Daniel seinen Wunsch zurück. Er fühlte sich nicht im Mindesten besser, im Gegenteil, er fühlte sich so elend wie noch nie. Elendig, erbärmlich. Egoistisch.

„Was?“, stieß er hervor.
 

Daniel zuckte beim verletzten Klang, der Verzweiflung, die aus diesem Wort herauszuhören war, zusammen. Warum zum Teufel wollte Kevin es noch einmal hören? War er neuerdings Masochist? Daniel ballte die Hände zu Fäusten und schluckte mühsam. Er schwieg und es war an Kevin, erneut das Wort zu ergreifen.

„Wer?“
 

Wer wohl? Ist das nicht offensichtlich?

Aber er schüttelte nur den Kopf. Wenn Kevin nicht selbst darauf kam, wollte, konnte er es ihm auch nicht sagen.

„Das ist doch egal“, murmelte er stattdessen.
 

Kevins Blick nach zu urteilen war es das jedoch nicht. Zumindest nicht für ihn, schließlich war er es, der betrogen wurde – nach nicht einmal drei Tagen Beziehung. Wahrscheinlich würde das jedem zu denken geben. Aber, verdammt nochmal, es war auch seine beknackte Schuld! Hätte er nicht einen solchen Aufstand gemacht und Daniel weniger zweifeln lassen…

Vielleicht wäre es dann nicht passiert.

„Wann?“

Seine Stimme klang immer noch kraftlos.
 

„Gestern. Gestern Abend.“

Irgendwo schlugen die Glocken einer Kirche acht Uhr, aber an Schule war nicht zu denken.
 

Dann wurde es still zwischen ihnen und bis in die Garage drang nicht einmal Vögelgezwitscher. Daniel würde zu gern noch etwas sagen, aber sein Kopf war wie leergefegt. Wieder war es Kevin, der das Schweigen brach und seine Stimme hatte an Energie gewonnen.

„Scheiße, Daniel! Warum?
 

Weil du mich zuerst verletzt hast. Weil ich es gebraucht habe. Weil ich mir bei ihm sicher sein könnte. Weil er offen ist.

Aber nichts davon kam ihm über die Lippen und er senkte betreten den Kopf, um mit seinem Fahrradschloss herum zu spielen.
 

Erkenntnis machte sich auf Kevins Gesicht breit.

„Du hast Gefühle für ihn“, stellte er geschockt fest.
 

Warum erschrickt es ihn so? Warum hätte ich Erik sonst küssen sollen? Denn ich habe definitiv Gefühle für ihn. Nur weiß ich noch nicht, ob sie stärker als die für Kevin sind.

Er zuckte mit den Schultern und brachte es noch immer nicht über sich, ihn anzuschauen.

Das schien das Fass zum Überlaufen zu bringen. Kevin stöhnte gequält auf und man Daniel meinte fast zu hören, wie er damit das ohnehin schon gebrochene Herz in Fetzen riss.

Es tat verdammt weh, ihm weh zu tun.

„Kevin…“ Verzweifelt suchte er nach Worten, wissend, dass es die falschen sein würden, „Er ist… einfach total anders als du. Er ist nicht so… so kleinkariert und überbesorgt, verstehst du?“

Eine einsame Träne bahnte sich ihren Weg über seine Wange.
 

Kevin verstand nicht. Natürlich nicht.

„Du gibst mir die Schuld daran!?“, fragte er fassungslos, „du gibst mir die Schuld daran, dass du es einfach nicht auf die Reihe bekommst, eine Beziehung zu führen? Erst machst du Valerie eiskalt fertig und jetzt ich, oder was? Du Miststück!“
 

Autsch. Das hatte gesessen. Daniel war so geschockt, dass er wie mechanisch antwortete: „Dazu braucht es trotz allem immer zwei.“
 

„Ach ja?“, raunzte Kevin, nun ganz und gar nicht mehr kaputt, sondern voller Elan, „dich und diesen… diesen Kerl!“ Er wusste nicht, was er mit seinen Händen machen sollte, gestikulierte erst wild, fuhr sich dann durch das dunkle Haar und ließ sie anschließend in den Hosentaschen verschwinden.
 

„Nein!“, widersprach Daniel im gleichen Tonfall, „dich und mich!“
 

Er war fuchsteufelswild.

„Und wo war dieses dich und mich gestern Abend? Verflucht, wir sind seit nicht einmal drei Tagen zusammen!“
 

„Nein“, fiel der Blonde ihm ins Wort, mindestens genauso aufgebracht. Hatte Kevin es denn nicht bemerkt? „Und wenn es nach dir ginge, wären es wohl keine drei Minuten gewesen!“
 

„Ich fasse es nicht. Wirklich nicht.“ Er schüttelte den Kopf und eine innere Anspannung fiel von ihm ab. „Worauf habe ich mich da nur eingelassen?“

Er hob seine Tasche auf.
 

„Was machst du?“, fragte Daniel tonlos.
 

Kevin sah ihn nicht einmal mehr an.

„Zur Schule gehen.“

Und damit lief er davon. Er lief einfach weg und ließ Daniel stehen, der ihm fassungslos nachsah und das behämmerte Fahrradschloss mit voller Kraft gegen die Wand pfefferte.
 


 

„Ich glaube, Mama hat mich angesteckt“, verkündete Daniel, als er eine gute halbe Stunde wieder in die Küche kam.
 

Sein Vater blickte kurz von der Zeitung auf. Wie lange braucht ein normaler Mensch, um eine Zeitung zu lesen!?

„Du siehst auch beschissen aus“, bemerkte er.
 

„Ich hab‘ Kopfschmerzen.“ Das war noch nicht einmal gelogen. Sein Kopf drohte zu zerbarsten wie Kevins Herz.

„Ich bleib‘ heute daheim.“
 

Dieter schnalzte missbilligend mit der Zunge.

„Nichts da. In Wahrheit willst du doch nur darauf warten, dass ich zu diesem bescheuerten Firmenfestessen fahre, um dich dann mit diesem Kevin zu treffen. Das kannst du schön vergessen. Außerdem hilft gegen Kopfschmerzen eh nur Arbeit.“
 

Das war nichts Neues, der Meinung seines Vaters nach half gegen alles nur Arbeit. Doch es tat weh, ihn über Kevin reden zu hören, als sei… alles normal. Alles gut. Wie es sein sollte.

Dennoch riss er sich zusammen.

„Ich will nicht zur Schule“, beteuerte er, „Erstens sehe ich Kevin da doch eh“ - und das war das Letzte, was er jetzt wollte – „und zweitens könnte ich mich überhaupt nicht konzentrieren. Ich … ich räume die Garage auf.“
 

Überrascht legte Dieter die Zeitung weg. Seit Monaten beschwerte er sich schon über die Unordnung in der Garage – die wohlgemerkt er angerichtet hatte -, tat aber auch nichts dagegen.

„Na schön“, gab er nach, „aber wehe!“

Er ließ den Satz unvollendet, doch Daniel fiel es nicht schwer, ihm bedingungslos zuzustimmen.
 


 

Die Garage sah aus wie eine Rümpelkammer, wenn man hinter das Auto schaute und es dauerte einen Großteil des Vormittags. Vor allem Dieters Auto stand ihm im Weg, doch er beschwerte sich nicht bei seinem Vater und gegen Mittag fuhr er tatsächlich weg, sodass es Daniel wesentlich leichter fiel, alle Sachen raus zu räumen. Manche stellte er auch einfach im vorderen Teil ab. Kaum zu glauben, was er dabei alles entdeckte – von alten Videospielen bis einem leeren Aquarium war alles dabei.

Nachdem der Raum komplett leer war – bis auf die Regale im hinteren Teil –, holte er einen nassen Lappen und eine Spachtel, um die Wände vom gröbsten Schmutz zu beseitigen. Zum Glück hatte er noch die alte Leiter gefunden, mit der sein Vater früher gemeinsam mit ihm Kirschen gepflückt hatte. Aber nachdem der Baum abgeholzt wurde, war ihr Verhältnis nie wieder dasselbe.

Daniel stellte die Leiter auf und kletterte grummelnd hinauf. Er wollte nicht denken, verdammt. Deshalb machte er das hier ja, diese bescheuerte Arbeit, nur um beschäftigt zu sein.

Aber seine Gedanken schweiften immer wieder zurück zu Kevin, zu dessen Gefühlsausbruch. Nein, nein, nein!

Wütend schlug er gegen die Wand.
 

Und die Leiter fiel um.

| sechszehn |

Uhh. Irgendwas stimmt mit meiner Hand nicht, ich kann sie kaum noch bewegen... hatte einen kleinen Unfall D: Sorry, dass ich keine Kommis beantwortet habe, aber meine liebe Schwester war mit der Zeit ziemlich genervt davon, dass ich sie dauernd zum Tippen gerufen habe~

Ich glaube, mit diesem Kapitel habt ihr so nicht gerechnet... ich hoffe trotzdem auf positive Rückmeldung ^^"
 

San
 

xXx
 

Er lag zwei Tage ohne Bewusstsein im Krankenhaus. Als Daniel wieder zu sich kam, saß seine Mutter neben ihm und las in einem Buch. Sie lächelte ihn an, als sie bemerkte, dass er wach war.
 

„Wie geht es dir?“
 

Er brummte. Es ging ihm schon mal besser. Was war noch gleich passiert? Er hatte sich mit Kevin gestritten… nein, nicht gestritten… Er war wütend gewesen… und die Leiter ist umgefallen… Kevin… Etwas in ihm zog sich zusammen. Kevin war weggegangen…
 

„Daniel?“

Emily musterte ihn besorgt.

„Soll ich eine Schwester rufen? Momentan laufen sie wie aufgescheuchte Hühner herum, weil so viel zu tun ist, aber ich denke, so bald wie möglich wird jemand nach dir sehen. Du warst zwei Tage weg… Wir haben uns Sorgen gemacht!“
 

Wir? Wer was wir? Kevin? Nein… Sein Vater bestimmt auch nicht. Vielleicht Erik? Emily zog die Augenbrauen zusammen und ihm fiel ein, dass sie noch auf seine Antwort wartete.

„Es geht“, krächzte er und räusperte sich, „Was hab‘ ich denn?“
 

„Keine Ahnung.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Du bist ziemlich ungünstig gefallen und der Arzt meinte, wir können froh sein, wenn du keine Amnesie hast.“ Sie zögerte kurz. „Du weißt doch, wer ich bin, oder? Du kannst dich erinnern?“
 

„Ja.“ Natürlich. Amnesie… Uh, nein. So etwas konnte er sich gar nicht vorstellen… Er hieß Daniel Jansen, war sechszehn Jahre alt, aus Sandhausen, blonde Haare, graue Augen, ein paar Kilo zu viel und er war ein Vollidiot. Ja, er wusste auch noch, wer er war.
 

„Gut.“

Sie stieß Luft aus und er merkte, dass ihr der Gedanke Sorgen bereitet hatte.
 

Er versuchte sich an einem Lächeln, aber seine Lippen waren, genau wie sein Mund, staubtrocken. Auf einem kleinen Schrank neben dem Bett stand eine Wasserflasche, gierig trank er die Hälfte.

„Wie war das Gespräch mit Papa?“, fiel ihm ein.
 

Emily wurde rot und zögerte.

„Das erzähle ich dir ein anderes Mal… Ich muss gehen. Seit drei Tagen fehle ich unentschuldigt bei der Arbeit.“ Sie warf einen Blick auf die Uhr, wurde noch eine Spur roter und biss sich auf die Unterlippe.
 

„Oh.“ Er würde also allein sein. Ganz toll. Und er wollte wirklich wissen, was seine Eltern da geredet hatten. Immerhin ging es ihn auch etwas an!
 

Seine Begeisterung musste ihm wohl anzusehen gewesen sein, denn Emily griff nach seiner Hand und drückte sie sacht.

„Ich denke, du wirst nicht lang allein sein. Und in der Zeit kannst du noch einmal über deine … hm, Probleme nachdenken, okay?“
 

Daniels Miene verdüsterte sich, aber er nickte. Kevin. Er hatte ihn verletzt. Wegen Erik… Verdammt! Er wünschte, er könnte es rückgängig machen. Ob Kevin ihn noch besuchen kam? Wahrscheinlich nicht… er hatte so verletzt geschaut. Daniel unterdrückte ein Seufzen.

„Okay. Danke, dass du da warst“
 

Sie lächelte und erhob sich.

„Ich komme morgen wieder.“
 

Kaum war Emily schloss sich die Tür hinter Emily, öffnete sie sich wieder und Erik trat ein. Daniels Herz machte einen Sprung, als er seinen Nachbarn erkannte und am liebsten würde er sich schlafend stellen. Aber dafür war es zu spät. Nervös fummelte er an seiner Bettdecke herum.

„Hallo“, sagte Erik, setzte sich an das Bett und musterte ihn besorgt, „wie geht es dir?“
 

„Es ging mir schon besser.“
 

Erik seufzte, fuhr sich durch die dunklen Haare und Daniel fiel auf, wie ähnlich sie Kevins waren. Auch die Augenfarbe… Obwohl Eriks mal grün, mal blau waren und Kevins kobaltblau und dauerhaft strahlend… nein, eigentlich waren sie sich nicht ähnlich. Aber ihre Lippen. Der sanfte Knick in der Mitte… wie bei einem Herz.

„Daniel?“
 

Mühsam riss der Blonde seinen Blick von Eriks Lippen los und schaute zu ihm hoch. Ihm war eine Idee gekommen…

„Küss mich!“, verlangte er.
 

Erik erstarrte.

„Was?“, fragte er verunsichert.
 

„Küss mich“, wiederholte Daniel.

Er musste es wissen. Musste, musste, musste… Er würde verrückt werden, wenn er sich nicht sicher sein konnte…
 

Er legte den Kopf schief.

„Okay“, sagte er langsam schaute den Blonden misstrauisch an.
 

Es war ein keuscher Kuss. Erik legte seine Lippen so federleicht auf Daniels, dass er sie kaum spürte. Grummelnd hob Daniel seinen Kopf an, ignorierte die Schmerzen, die bei dieser Bewegung plötzlich aufkamen, und vertiefte den Kuss. Aber er behielt die Augen offen. Genau wie Erik. Sie blickten sich an, als wären sie Fremde, neutrale Beobachter. Und auch der Kuss… vor einigen Jahren, kurz vor einer mehrtägigen Klassenfahrt, hatte Daniel Küssen mit einem Kissen geübt, weil er sicher war, dass sie Flaschendrehen spielen würden und er wollte auf keinen Fall schlecht da stehen. Viel gebracht hatte es nicht und im Nachhinein hatte er über diesen Verzweiflungsakt gelacht. Jetzt kam diese Erinnerung wieder hoch, denn genauso fühlte es sich an, Erik zu küssen.

Er genoss es nicht. Eriks Lippen waren zu schmal und außerdem schmeckte er nach… hm, nach einer eigenartigen Mischung aus verschiedenen Geschmacksrichtungen.

Nein, es ging so nicht. Unmöglich.
 

Daniel löste sich und seufzte. Eigentlich sollte er zufrieden sein, schließlich hatte er das, was er mit diesem Kuss beabsichtigt hatte, erreicht. Er war sich sicher. Trotzdem war ihm nicht wohl.
 

„Daniel?“, fragte Erik leise.

Der Ausdruck in seinen Augen war nicht mehr misstrauisch, sondern verängstigt. Scheu. Wie ein kleines Kind, das Angst hatte, jemanden, den es über alles liebt und bewunderte, zu enttäuschen. Daniels Kehle war wie zugeschnürt, er brachte keinen Ton heraus und die unterschiedlichsten Gedanken schwirrten in seinem Kopf umher.

„Ich habe Kevin getroffen“, sagte Erik, als das Schweigen anhielt. Daniels Kopf, den er zwischenzeitlich zur Decke gedreht hatte, ruckte herum und er sah seinen Nachbarn aus großen Augen an. „Er kam vorgestern Abend zu mir und wirkte … traurig. Nicht nur traurig, auch verzweifelt. Und wütend. Zuerst hat er sich zusammengerissen. Er hat gefragt, ob wir etwas miteinander hätten. Ich habe… ich habe bejaht. Dann ist er wütend geworden.“, Erik erschauerte, „Er hat mir die Schuld gegeben.“
 

Ein leiser Vorwurf schwang in Eriks Stimme mit und Daniel murmelte: „Das war nicht meine Absicht. Ich habe ihm nur gesagt, dass ich dich geküsst habe… Dass ich Gefühle für dich hätte… Wir haben gestritten. Aber ich wollte nicht, dass er das an dir auslässt.“ Er zog die Augenbrauen zusammen und blinzelte. Dass ich Gefühle für dich hätte… Hätte, nicht habe. „Es tut mir leid.“ Er versuchte, so viel ehrliches Bedauern wie möglich in diese vier Worte zu legen, denn sie waren wichtig. Bedeutsam. Er entschuldigte sich für so vieles…
 

Erik schien es zu merken, aber er nickte nur knapp, schloss die Augen und erzählte weiter. „Ich habe ihm klar gemacht, dass das alles reine Gefühlssache ist. Schließlich hat er selbst gemerkt, dass man auf seine Gefühle keinen Einfluss hat. Seine Wut ist unwillkürlich in Trauer umgeschlagen, als ich ihm gesagt habe, dass es uns ernst ist. Mir zumindest.“ Langsam öffnete er die Augen wieder und sah Daniel gequält an. „Aber das stimmt nicht, oder?“
 

Daniel räusperte sich. Was sollte er sagen? Was nur? Was konnte seinen Gefühlen und Gedanken Ausdruck verleihen, ohne schon wieder zu verletzen?

Er wusste es nicht.
 

Aber Erik anscheinend. Er gab einen seltsamen, zischenden Ton von sich.

„Du liebst Kevin“, stellte er kratzig fest.
 

Daniel nickte.
 

„Du willst mit ihm zusammen sein.“
 

Er nickte wieder.
 

„Auch wenn er sich wie ein Arschloch benimmt.“
 

Er zuckte zusammen, nickte aber zum dritten Mal. Was konnte er denn bitte dagegen machen? Wahrscheinlich gar nichts. Vor allem, weil es nicht so aussah, als würde Kevin in absehbarer Zeit seine Meinung ändern… Aber man konnte ja nie wissen. Und ein Versuch kostete schließlich nichts außer Nerven und Herzblut… Haha.
 

„Dann kann ich dir auch nicht mehr helfen“, murmelte Erik und schüttelte den Kopf. „Du machst einen riesigen Fehler. Der Typ ist nicht gut für dich.“
 

Daniel atmete tief aus und drehte ihm den Rücken zu.

„Geh weg, Erik.“
 

xXx
 

Warum es so ist, obwohl ich weiß, dass einige enttäuscht sind? Weil ich lange, wirklich sehr lange darüber nachgedacht habe, mehrere Varianten geschrieben und oft mit einigen darüber gesprochen habe und zu dem Schluss gekommen bin, dass es für mich so richtig ist... und letztendlich schreibt man ja für sich...

Dennoch: Sorry, falls ich jetzt jemanden wütend gemacht habe, war nicht meine Absicht (:

| siebzehn |

Irgendwie bekommt es das geliebte Heim momentan nicht so mit dem Internet hin... Tut mir leid wegen der Wartezeit und dass ich nicht auf Kommis geantwortet habe (ich habe aber alle gelesen... nur ist das Antworten mit dem Mini-Display vom Handy so furchtbar kompliziert), verzeiht mir v_v

Ich hoffe, bis Freitag funktioniert wieder alles...
 

xXx
 


 

Die Krankenhauscafeteria war scheußlich. Das Essen war nicht viel besser als jenes, das Daniel täglich auf sein Zimmer bekam und alle Getränke schmeckten wie Wasser. Grässlich.

Seit zwei Tagen ging Daniel in die Cafeteria, einfach, weil es ihm zu langweilig wurde, nichts zu tun und er musste zugeben, dass er sich schon darauf freute, entlassen zu werden – auch wenn zuhause sein Vater auf ihn wartete und ihm beim Gedanken an die bescheuerte familiäre Situation schlecht wurde. Dennoch, alles war besser als diese gottverdammte Langeweile. Emily kam für nicht mehr als zehn Minuten zu Besuch und wirkte jedes Mal gehetzter, Dieter ließ sich gar nicht blicken und Erik war auch nicht wieder aufgetaucht, was aber mehr als verständlich war. Von Kevin hörte er nichts und es verwunderte Daniel auch nicht – bis er ihn plötzlich vor sich stehen sah.
 

Ich träume. Ich träume, träume, träume. Das ist nicht wahr, das kann nicht wahr sein.

Aber es war kein Traum, auch wenn Kevin ihn durch schlaflose Nächte verfolgt hatte. Der Junge vor ihm war pure Realität und löste sich auch nicht auf, nachdem sie sich für endlose Minuten angestarrt hatten.
 

Schließlich fand Kevin seine Sprache wieder.

„Hi“, sagte er und fummelte nervös am Reisverschluss seiner Jacke herum.
 

„Was… was machst du denn hier?“, fragte Daniel fassungslos. Wie kam er nur dazu, sich hier blicken zu lassen? War er nicht verletzt gewesen und abgehauen, nachdem Daniel ihm den Mist mit Erik erzählt hatte? Was zum Teufel hatte er im Krankenhaus zu suchen, nachdem er erst mit Daniel gespielt und ihn dann fallen gelassen hatte? Und warum, verdammt, schlug Daniels Herz augenblicklich schneller, obwohl er Kevin ans andere Ende der Welt oder alternativ in seine Arme wünschte? Scheiße!
 

„Ich wollte nur mal nach dir sehen.“
 

„Mir geht’s gut.“

Es klang ein bisschen schnippisch. Unbeabsichtigt, aber der Tonfall entging Kevin nicht.
 

„Toll“, sagte er und wandte sich um.
 

Du bist so ein Idiot, Daniel!

„Hey, warte.“ Er packte Kevin am Arm, ließ ihn aber wieder los, als der Schwarzhaarige zurück zuckte.

„Tut mir leid. Mir geht es doch nicht so gut… Um ehrlich zu sein, richtig beschissen.“

Er biss sich auf die Unterlippe.
 

Kevin nickte.

„Eigentlich wollte ich mit dir reden“, sagte er.
 

„Komm mit auf mein Zimmer.“

Daniel versuchte sich an einem Lächeln. Erfolglos.
 

Es war schwer, die Zeit nicht mit Schweigen zu vergeuden. Daniel saß auf seinem Bett, Kevin auf einem Stuhl und sie musterten sich gegenseitig.

„Was hast du eigentlich?“, fragte Kevin irgendwann, „Deine Mutter meinte nur, du hättest einen Unfall gehabt und ich soll eine Meldung vom Arzt zur Schule bringen.“
 

„Ich bin idiotisch von einer Leiter gefallen, hab mir den Kopf so bescheuert angeschlagen, dass die Ärzte erst meinten, ich könnte eine Amnesie haben und irgendwie weiß ich nicht, warum ich überhaupt noch hier bin. Langweilen kann ich mich schließlich auch daheim und wenn jetzt noch keine bleibenden Schäden aufgetreten sind, werden wohl auch keine mehr kommen“, erklärte er genervt. Kevin verzog das Gesicht. Fast sah es wie ein Grinsen aus.

„Und warum bist du eigentlich hier?“
 

Die Andeutung eines Grinsens verschwand und er wurde wieder ernst. Zu ernst.

„Ich hatte ein Gespräch mit Erik“, begann er vorsichtig.
 

„Weiß ich schon“, unterbrach Daniel, „Ich will dir keine Vorwürfe machen, aber du hättest ihn wirklich nicht so anschnauzen müssen.“

Okay. Es klang doch sehr nach einem Vorwurf…
 

Kevins Augen wurden dunkel.

„Was hast du denn erwartet? Dass ich den Mist einfach so hinnehme und mir euer verdammter Kuss egal ist?“
 

„Zwei Küsse“, warf Daniel ein.
 

Kevin zuckte zusammen.

„Zwei…?“, wiederholte er langsam.

Arschloch. Idiot. Mistkerl. Verdammt, Daniel!

„Wann?“
 

Daniel hob abwehrend die Rechte. „Nicht so, wie du denkst. Ich wollte nur… sichergehen, verstehst du?“
 

„Nein.“

Er sah wütend aus. Aber wenigstens sprang er nicht gleich auf und verschwand.
 

Daniel atmete tief durch. Wie sollte er das jetzt erklären? Er spürte, wie er rot wurde.

„Hör mir zu“, verlangte er, „das ist peinlich.“
 

Kevin hob erwartungsvoll die Augenbrauen.

„Ich höre.“
 

Der Blonde wurde noch eine Spur röter. Mist. Er hätte sich eine Erklärung zurechtlegen sollen… Aber es half ja nichts. Und wenn er Kevin wieder haben wollte… verdammter Stolz!

Er fixierte die Wand und brauchte eine Weile, bevor er sprechen konnte.

„Ich habe Erik noch einmal geküsst, weil ihr so unterschiedlich seid.“ Heilige Scheiße. Verwirrung spiegelte sich in Kevins Gesicht und Daniel verzog gequält das Gesicht. Worte, wo seid ihr?

„Ich habe wirklich geglaubt, dass ich mich in ihn verliebt habe… Ich hatte nie vor, dich zu verletzen und Erik auch nicht. Ehrlich nicht. Ich bin ein verfluchter Mistkerl gewesen… Aber du hast mich verletzt und ich war verwirrt und wusste einfach… Ich wusste gar nichts mehr. Und dann war da plötzlich Erik, der schon die ganze Zeit für mich da war und irgendwie war es in dem Moment einfach richtig. Verstehst du? Ich konnte nicht anders. Und ja, Erik ging mir danach nicht aus dem Kopf. Ich habe den Kuss mit ihm genossen… Aber das waren nicht mehr als ein paar Stunden. Ich weiß auch nicht. Irgendwie kommt mir das jetzt so seltsam vor. Irreal. Ich meine, er ist mein Nachbar und ich habe ihn wirklich gern, aber mehr… ist da nicht.“ Er wedelte hilflos mit den Händen umher, um seine Worte in eine halbwegs verständliche Reihenfolge zu bringen. „Ich habe keine Ahnung, was mich da geritten hat. Es kommt mir so vor, als hätte ich geträumt… Eigentlich war dieser vermaledeite Sturz gar nicht so übel. Er hat mich mehr oder weniger aufgeweckt. Ich… ich musste an dich denken, die ganze Zeit. Und als Erik dann kam, vorgestern, da habe ich mich selbst nicht verstanden. Wie ich ihn dir vorziehen konnte. Ich habe ihn noch einmal geküsst. Weil ich einfach erfahren musste, warum.“

Er fuhr sich durch die Haare und schnitt eine Grimasse. „Aber viel schlauer bin ich jetzt auch nicht. Es war zu vergleichen mit dem Kuss mit Valerie. Irgendwie Ekelhaft. Unnatürlich. Und ich bereue es. Ich bereue es so sehr, dass es weh tut.“ Irgendwie artet das aus…

„Du… du passt einfach zu mir. Auf diese bescheuerte, seltsame Art. Du hast mich wirklich verletzt. Ich meine, ich konnte dich verstehen, kann es immer noch, aber das ändert nichts. Trotzdem habe ich gemerkt, dass meine Gefühle für dich so viel stärker sind als für Erik… oder jemand anders.“

Er brach ab und hielt die Luft an. Jetzt fiel ihm endgültig nichts mehr ein… Er kniff die Augen zusammen und öffnete sie dann wieder, nur ein kleines Stück. Gerade weit genug, um unter den Wimpern hindurch zu Kevin zu schielen.
 

Er war sprachlos. Leise räusperte er sich.

„Das… habe ich nicht erwartet“, sagte er schließlich.

Daniel schnaubte. Er auch nicht. Er zog die Knie hoch und schlang die Arme darum.

Langsam stand Kevin auf und setzte sich neben ihn.

„Daniel?“, sagte er leise, „ich wollte dich nie verletzen.“
 

„Ich weiß.“
 

„Und eigentlich bin ich gekommen, um mich zu entschuldigen.“

Daniel sah ihn verwundert an. Wieso sollte Kevin sich entschuldigen?

„Außerdem habe ich mit meiner Mutter gesprochen.“ Er kniff die Lippen zusammen.
 

Daniel wartete darauf, dass er weitersprach, aber Kevin starrte knapp an seinem Kopf vorbei ins Nichts.

„Worüber?“, fragte er deshalb. Er hatte ein leichtes Kribbeln in der Magengegend und sein Atem ging hektischer, als Kevin einen Arm um ihn legte.
 

„Über mich. Und dich. Darüber, was war und dass ich wohl… schwul bin.“ Er stockte leicht.

„Sie hat es überraschend gut aufgenommen. Mein Vater auch. Sie meinten, es sei ihnen egal. Außerdem habe ich mich komplett von Vivien getrennt.“ Er verzog das Gesicht.

„Das gab ein ziemliches Chaos in der Schule.“
 

Daniel wusste, dass das eine stark gekürzte Zusammenfassung war, aber eigentlich interessierten ihn die Einzelheiten auch gar nicht sonderlich. Sein Herz war nahe am Explodieren und das Blut tanzte Salsa in seinen Adern. Er war sprachlos. Vorsichtig lehnte er sich an Kevin.

„Und du?“, fragte er leise.
 

Kevin zögerte.

„Ich würde es gern noch einmal mit uns beiden versuchen. Aber ich bin mir nicht sicher…“
 

„Wobei?“
 

Er seufzte.

„Ich kann es nicht genau sagen. Es ist einfach diese Sache mit Erik, weißt du… Das geht mir nicht aus dem Kopf. Ich kann nicht klar denken.“
 

Das gab Daniel einen Stich.

„Ich hab doch eben gesagt, dass das nicht so… so war.“
 

„Ich weiß. Und ich habe gesagt, dass ich es noch einmal versuchen will. Richtig. Aber ich weiß auch, dass Vertrauen zu einer Beziehung dazu gehört.“
 

Daniel begriff.

„Und du denkst, du kannst mir nicht mehr vertrauen.“
 

Kevin hob hilflos die Arme.

„Tut mir leid.“
 

„Ich habe es wohl nicht anders verdient“, murmelte Daniel.
 

„Hm.“
 

Sie schwiegen wieder. Lange war nichts außer dem Ticken der Uhr, die Daniel oft, wie er sich einredete, vom Schlafen abhielt und ihren Atemzügen zu hören. Und wie vorhin war es Kevin, der die Stille brach.

„Aber wenn du bereit bist, es mit mir und meiner Eifersucht auszuhalten, können wir es wirklich noch einmal versuchen. Wenn du willst“, fügte er schnell hinzu.
 

Daniel grinste unwillkürlich.

„Danke für die Warnung. Aber so schlimm wird es schon nicht sein.“
 

Er küsste Kevin. Und genoss es.

| achtzehn |

Internet klappt immer noch nicht. Ich versuch es gerade über den iPod...
 

xXx
 

„So froh, wieder daheim zu sein?“, fragte Dieter brummend und musterte Daniel skeptisch.
 

Nein, eigentlich nicht.

Aber Daniel nickte trotzdem und lächelte ihn gezwungen an.

„Klar.“
 

„Jaja“, grunzte sein Vater, „Aber erinnere dich an meine Warnung!“
 

Daniel zuckte zusammen. Verdammt. Er war keine zehn Minuten daheim und schon fing der Kerl wieder mit Kevin und Homosexualität und Rauswurf an! Konnte er vielleicht hellsehen? Seit sie sich wieder vertragen hatten, war Daniel in Gedanken nur bei Kevin gewesen… Kevin. Er hatte von sich aus vorgeschlagen, eine öffentliche Beziehung zu führen, egal, was die anderen sagten. Er hatte ihm sogar versichert, dass ihre Mitschüler erstaunlich ruhig darauf reagiert hätten, dass er sich schon um alles gekümmert hätte…

Er merkte erst, dass er die Hände zu Fäusten geballt hatte, als Dieters Miene sich verfinsterte.

„Was?“, raunzte Daniel unfreundlich.
 

„Hast du dich entschlossen, wieder normal zu sein?“
 

Normal?

„Normal?“, wiederholte Daniel fassungslos, „Normal? Ich bin vollkommen normal! Aber wenn du auf meine Homosexualität anspielst – da muss ich dich enttäuschen. Ich stehe dazu. Und ich will mit Kevin zusammen sein. Wenn du mich, deinen eigenen Sohn, nicht so akzeptierst, wie ich bin, dann bist du wohl nicht ganz normal!“

Er merkte gar nicht, dass er immer lauter und schriller wurde.
 

Im Gegensatz zu seinem Vater, dessen Tonlage gefährlich ruhig war.

„Dann“, sagte er, „hast du in diesem Haus nichts mehr zu suchen.“
 

„Was!?“

Entgeistert starrte Daniel ihn an. Er warf ihn raus? Tatsächlich? Er traute seinem Vater viel zu, sehr viel sogar, aber das?

„Ich bin dein Sohn!“, erinnerte er ihn.
 

„Ich habe keinen Sohn!“, fauchte Dieter, der nun doch langsam an Fassung verlor.
 

„Du verleugnest mich? Wegen etwas, das ich nicht kontrollieren kann? Du Arschloch!“

Heiße Tränen brannten in Daniels Augen und er kämpfte mit sich, um bloß nicht wie ein Baby zu weinen und ihn womöglich noch anzuflehen.
 

„Wie hast du mich gerade genannt?“

Jetzt war er wütend, richtig wütend. Mit hochrotem Kopf sprang Dieter auf, kam auf seinen Sohn zu. Daniel schnellte herum, rannte auf die Tür zu, und als er hinausrennen wollte, stieß er mit seiner Mutter zusammen.
 

„Was ist denn hier los?“, fragte Emil verwirrt.
 

„Dein undankbares Ekel von Sohn hat keinen Funken Respekt, keinen einzigen!“, schrie Dieter, „er war gerade dabei zu verschwinden und nie wieder zu kommen, aber wenn du schon dabei bist, kannst du auch gleich gehen! Ich habe es satt! Ich habe es satt, deine beschissene Affäre mitansehen zu müssen, angeblicher Zeuger einer verdammten Schwuchtel zu sein, wobei er auch von sonst wem sein könnte und mich dann auch noch beleidigen zu lassen! So nicht, nicht mit mir! Verschwindet, alle beide, raus aus meinem Haus!“
 

Emily erblasste, aber sie bliebt überraschend gefasst.

„Darüber wollte ich gerade mit euch reden“, sagte sie, „Ich ziehe aus. Mit Daniel natürlich“, fügte sie hinzu, mit kurzem Seitenblick auf ihren Sohn.
 

Das brachte Dieter kurz aus dem Ruder.

„Ach ja? Wohin denn?“
 

„Zu meinem zukünftigen neuen Mann“, verkündete sie, „Daniel, packe deine Sachen. Erstmal nur die wichtigsten. Christopher holt uns in einer halben Stunde ab.“
 

Bestürzt starrte Daniel seine Mutter an. Was sollte das jetzt? Zukünftiger neuer Mann? Sie war nicht einmal geschieden! Wie konnte sie da von heiraten sprechen? Verdammt! Wen überhaupt? Ihren Chef? Von einem Christopher hatte Daniel noch nie gehört. Das geht schief. Das kann nur schief gehen!

Trotzdem beschloss er, sich nicht einzumischen und machte lieber, was Emily gesagt hatte, während unten weiter die Fetzen flogen – bei offener Haustür, mit gaffenden Nachbarn hinter den Fenstern.
 


 

Er hatte Kleidungsstücke, seine Schulsachen und einige Kleinigkeiten in seine große Sporttasche geworfen und lief die Treppe hinunter, wo seine Mutter auf ihn wartete.

„Das ist Christopher, Daniel“, sagte sie und zupfte nervös am Griff ihrer Tasche herum.

Christopher war ein großer, schlanker Mann, der ein paar Jahre älter als Emily war. Er hatte helle Haare, straßenköterblond, und grünliche Augen. Vielleicht waren sie auch blau. Jedenfalls sahen sie freundlich aus, auch wenn er einen strengen Zug um den Mund hatte. Das Lächeln auf seinen Lippen wirkte aber nett.

„Hallo“, murmelte Daniel und warf einen raschen Blick von seiner Mutter zur Küchentür, hinter der zweifelsohne Dieter mit einer Flasche Bier saß. Was er wohl machen würde? Wahrscheinlich feiern…
 

„Es freut mich, dass wir uns endlich kennenlernen, Daniel“, sagte Christopher und nahm Emily die Tasche ab. „Können wir?“
 

Ihm gehörte ein tolles Auto. Es war dunkel, groß und bequem. Das einzig Negative war der berauschende Zigarettengestank. Daniel hasste Zigaretten. Aber sonst … hatte er bisher nichts zu meckern und Christopher zwinkerte ihm zu, als er im Spiegel seinen Blick auffing.

Vielleicht war er gar nicht so übel. Jedenfalls besser als Dieter.

| neunzehn |

Diesmal einen Tag früher, weil morgen mittag gleich wegfahre und erst montagmorgens wiederkomme (v_v). Und weil das hier das vorletzte Kapitel ist, dachte ich mir, ich lade es einfach heute hoch! ^-^

Danke an Shizana, die das Betalesen für die letzten beiden Kapitel kurzfristig übernommen hat! (:
 

xXx
 

„Meine Mutter scheint ihn wirklich zu lieben“, sagte Daniel erstaunt.

Er saß auf Kevins Sofa und schaute seinem Freund dabei zu, wie er seine Schulsachen zusammensuchte. Es war der erste Tag, an dem Daniel wieder in die Schule ging und er war eine halbe Stunde früher losgefahren, um noch Zeit bei Kevin verbringen zu können.
 

Kevin grinste.

„Hast du sie für beziehungsunfähig gehalten?“
 

„Nein… Aber ich muss sagen, momentan verändern sich die Leute beziehungstechnisch so schnell, dass ich nicht mehr mitkomme“, schnaubte Daniel.

Kevin lachte und küsste ihn kurz. Nur kurz. Aber Daniel liebte es. Er liebte jeden einzelnen Kuss und vor allem, dass er Kevin küssen konnte, wann und wo er wollte. Sogar vor seiner Mutter, auch wenn das nicht beabsichtigt war. Aber sie nahm es gelassen. Eigentlich nahm es jeder gelassen, außer Dieter und Erik.

Gestern hatten Emily und Daniel ihr ganzes Zeug abgeholt, sie würden endgültig zu Christopher ziehen. Eigentlich ging Daniel momentan alles zu schnell, aber er hoffte, dass das alles einfach nur Gewohnheitssache und in zwei, drei Monaten normal wäre.
 

„Kommst du?“
 


 

Als sie den Schulhof überquerten, hatte Daniel das Gefühl, mehr denn je von den anderen Schülern beachtet zu werden.

Wahrscheinlich werde ich jetzt komplett verrückt…

Er hielt weder Kevins Hand, noch gab es irgendwelche Anzeichen, dass mehr zwischen ihnen war als pure Freundschaft. Trotzdem sah Daniel aus dem Augenwinkel eine Gruppe von Leuten tuscheln, die ihn offensichtlich anstarrten. Als er zurückstarrte, wandten sie sich kichernd ab und irgendjemand rief „Schwuchteln“, was sowohl ihn als auch Kevin zusammenzucken ließ.

„Geht das schon die ganze Zeit über so?“, wollte Daniel wissen.
 

„Mhm.“
 

„Oh.“

Es tat ihm leid, dass er Kevin diesem Mist allein ausgesetzt hatte, das hatte er nicht verdient. Warum zum Teufel hatte er nicht gewartet, bis zwischen ihnen beiden alles wieder in Ordnung war, bevor er sich geoutet hat?! Aber vielleicht wäre es dann auch nicht viel leichter geworden…

Trotzdem, im Vergleich zu seinen Problemen mit seinem Vater, kam es ihm hier noch schrecklicher vor. Wie konnte die Welt nur so beschissen sein?
 

Daniel war danach, seinen Freund zu berühren. Nicht mal küssen, ihn einfach nur zu umarmen würde ihm schon reichen. Vielleicht würden sie sich dann beide besser fühlen, so angespannt wie sie über den Schulhof liefen – als er das letzte Mal hier war, war der garantiert noch nicht so groß und voller Schüler gewesen! Seine Hand zuckte kurz in Kevins Richtung, aber er traute sich nicht und die Reaktion auf diese kleine Geste kam prompt.

Irgendwelche Vollidioten begannen ein Buh-Konzert, gefolgt von irgendwelchen idiotischen Wörtern und abgeschlossen mit beschissenem Gelächter. Am liebsten würde Daniel sich umdrehen und gleich wieder gehen. Ihm fielen so viele schönere Alternativen ein, als den Tag in der Schule zu verbringen… Aber diesen Mistkerlen den Schädel einzuschlagen, wäre auch eine gute Möglichkeit. Gleich, nachdem sein Gesicht wieder eine halbwegs normale Farbe angenommen hatte.

So biss er nur die Zähne zusammen, senkte den Kopf ein wenig und verkrampfte die eine Hand am Gurt seiner Tasche und ballte die andere in der Hosentasche zur Faust.

Kevin sah auch nicht viel glücklicher aus. Er versuchte offenbar angestrengt, eine gleichgültige Miene beizubehalten, aber seine Anspannung stand im krassen Gegensatz dazu.
 

„Wollen wir schwänzen?“, fragte Daniel.

Er hatte wirklich keine Lust mehr.
 

„Was?“, fragte Kevin überrascht. „Wir sind doch gerade erst gekommen!“
 

„Na und?“ Daniel schnaubte genervt, als ein Hohlkopf, den er nicht einmal kannte, versuchte, ihm ein Bein zu stellen. Obwohl er ihm aus dem Weg ging, johlte der Kerl triumphierend.

„Es weiß eh jeder, oder?“
 

„Genau“, entgegnete Kevin und warf dem Typen einen tödlichen Blick zu. „Darum wäre es ziemlich dumm, jetzt zu gehen.“
 

Hm. Wenigstens musste er sich diese Scheiße jetzt nicht mehr allein antun. Aber ehe Daniel Gelegenheit bekam, etwas zu erwidern, näherten sich ihnen ein paar Leute aus ihrer Stufe. Darunter auch Valerie und Nico, ein guter Freund von Kevin.

Plötzlich hörte das Gegacker auf und man konnte die erwartungsvolle Unruhe, die in der Luft lag, beinahe greifen.
 

„Hallo“, sagte Nico und versuchte sich an einem Lächeln, was ihm gar nicht so misslang. Im Gegensatz zu den anderen. Die schienen nicht so recht zu wissen, was sie sagen oder wohin sie schauen sollten. Im Übrigen blickte sie keiner länger als ein paar Sekunden an, als hätten sie eine ansteckende Krankheit. Arschlöcher.

Nico räusperte sich. „Ihr seid jetzt also wirklich… zusammen, ja?“ Er wedelte mit den Händen zwischen ihnen hin und her.

Wenn man sich mal an die anderen Bezeichnungen erinnerte, drückte Nico es ja richtig nett aus… Daniels merkte, wie er sich ein wenig auflockerte.
 

„Ja.“

Kevins Stimme klang unbewegt und der normale, etwas raue Klang seiner Stimme half Daniel zusätzlich, ruhiger zu werden.
 

Die anderen tauschten verwirrte, teils auch ziemlich beknackte Blicke.

„Oh, hm…“ Nico schien nach Worten zu suchen, fand sie aber nicht und begnügte sich schließlich mit einem Schulterzucken und grinste sie an.

„Hey, vorgestern ist ein neues PC-Spiel rausgekommen. Ich dachte mir, das würde dir bestimmt gefallen, Daniel. Ich komm nicht so recht weiter, willst du es dir mal anschauen? Vielleicht bin ich einfach zu dumm dazu.“
 

Daniel fiel aus allen Wolken. Was sollte denn das jetzt? Hatte er etwas an den Ohren? Oder am Hirn? Oder war das ein etwas seltsamer Versuch, zu zeigen, dass es ihm schlichtweg egal war? Dass es einfach, okay war, akzeptiert? Verdammt, wenn das so ist, hätte er es aber auch deutlicher rüberbringen können!

„Ähm… klar. Wann soll ich es denn abholen?“
 

Nico verdrehte die Augen.

„Du sollst es nicht abholen, sondern vorbeikommen und mitspielen. Okay?“
 

Okay! Auf jeden Fall total okay!

Er merkte, wie sich ein Grinsen auf sein Gesicht schlich. Als er und Kevin noch nur befreundet waren, hatte er sich eigentlich kaum für Nico interessiert. Er war eben jemand, der einfach ab und zu da war. Aber er schien wirklich in Ordnung zu sein.

Auch Kevin entspannte sich merklich.

„Okay.“
 

Nico lächelte und sie rückten näher zusammen. Wie eine Gruppe, eine Einheit. Die fassungslosen Blicke der anderen brannten Daniel im Nacken, aber sie waren zu ertragen. Ihr könnt mich alle mal.

Na gut, das stimmte so nicht ganz. Aber es war… okay. Nicht toll, nicht angenehm. Aber er wollte nicht mehr weglaufen und als sogar Valerie ihn zaghaft anlächelte, grinste er zurück, als sei das Grinsen auf sein Gesicht gemeißelt, obwohl er ein schlechtes Gefühl im Magen hatte, was sie betraf. Schließlich wusste er immer noch nicht, ob sie es gewesen war, die seinen Vater angerufen und so viel Ärger produziert hatte. Aber in diesem Moment interessierte es ihn nicht und er zerbrach sich auch nicht mehr den Kopf darüber.

Ohne es richtig zu bemerken, griff er nun doch nach Kevins Hand. Es wurde ihm erst richtig bewusst, als das Gespräch kurz ins Stocken geriet und die anderen ziemlich bescheuert dreinblickten. Er wurde ein wenig rot, zog die Hand aber nicht zurück, weil Kevin kurz zudrückte.

Und kurz darauf ging es weiter, als habe es keine Unterbrechung gegeben. Daniel beschloss, seinen Freunden diese kleinen Unsicherheiten zu verzeihen, schließlich gaben sie sich große Mühe.

Es war nun alles so viel einfacher, als er gedacht hatte. Und diesen Schultag und alle weiteren würde er auch überleben – schließlich konnte es nicht mehr schlimmer, sondern nur noch besser kommen.

| zwanzig |

Guten Abend, ihr Lieben!

Hier ist es also... das letzte Kapitel. Eigentlich hätte ich es heute Morgen schon hochgeladen, aber ich kam nicht auf Animexx wegen irgendwelcher Wartungsarbeiten... ^^
 

San
 

xXx
 

Daniel ließ sich keine Zeit zum Überlegen, sondern klingelte gleich. Er wollte sich gar nicht die Chance geben, umzukehren und wegzulaufen, sonst würde er sich wieder ewig Vorwürfe machen.

Er musste mit Erik reden… Auch wenn sich beim Gedanken daran alles in ihm zusammenzog und er ins Schwitzen kam. Warum eigentlich? Es war doch nur natürlich, dass er diese… diese Sache zwischen ihnen nicht einfach so stehen lassen konnte. Erik hatte ihm so viel geholfen… Und er mochte ihn wirklich. Als Freund, als guten Freund. Nur nicht mehr…

Er seufzte und gleichzeitig öffnete Erik die Tür.
 

Der Schwarzhaarige schien überrascht, Daniel zu sehen und diesen Überraschungsmoment nutzte Daniel, um sich schnell an ihm vorbeizuschieben, bevor er ihm die Tür vor der Nase zuschlagen konnte.

„Ich muss mit dir reden!“, raunzte er unfreundlicher als geplant.
 

Erik zog eine Augenbraue hoch.

„Ich denke mal, du hast dich deutlich genug ausgedrückt“, sagte er kühl.
 

Er hatte ja recht. Daniel hatte ihn im Krankenhaus einfach weggeschickt, weil er nicht gewusst hatte, was er mit ihm machen sollte… Er wusste zu dem Zeitpunkt ja nicht einmal, was er mit sich selbst machen sollte.

„Tut mir leid.“ Er fuchtelte mit den Händen umher, wusste nicht, was genau er sagen sollte. Dabei hatte er sich so schöne Sätze zurechtgelegt… Wo um alles in der Welt waren die jetzt?!

„So war das nicht gemeint. Ich… Ich wollte dich nicht einfach so wegschicken. Das war blöd von mir, ich weiß. Aber… ich konnte nicht anders.“

Er zuckte verzweifelt mit den Schultern.
 

„Oh Mann.“ Erik stöhnte auf und ließ die Haustür ins Schloss fallen. Bei dem lauten Knall zuckte er zusammen.

„Du machst mich wirklich fertig, weißt du das?“
 

Was hieß das jetzt? Daniel versuchte sich an einem schiefen Grinsen und bete innerlich.

„Weiß ich. Aber nicht mit Absicht.“
 

Erik warf ihm einen kurzen Blick zu.

„Weißt du, das glaube ich dir sogar.“ Er schüttelte verwundert den Kopf.

„Du hast die einmalige Begabung, alles und jeden um dich herum zu verletzen und machst nicht einmal vor dir selbst Halt.“

Daniel schwieg und hielt die Luft an.

Erik zögerte, schien mit sich zu hadern und sprach dann langsam weiter, wählte seine Worte sorgsam.

„Ich weiß, dass du Kevin liebst. Und es war schlichtweg dumm von mir, zu glauben, es könnte, hm, anders sein. Aber wenn man verzweifelt ist, macht man dumme Sache, stimmt’s?“ Er lachte kurz und hart auf. „Aber ich dachte für eine ganz kurze Zeit wirklich, ich hätte eine Chance.“

Er schaute ihn herausfordernd an.
 

„Hattest du auch… glaube ich. Verdammt, Erik, ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, okay? Ich habe einen riesigen Fehler gemacht, als ich zugelassen habe, dass du mich küsst… und auch noch zurückgeküsst habe. Ich weiß ja selbst nicht, was mich da geritten hat. Was zum Teufel willst du von mir hören?“

Daniels Stimmung schlug innerhalb weniger Sekunden um. Was sollte das? Eigentlich wollte er sich ja nur entschuldigen, hoffen, dass alles wieder gut werden würde!
 

„Nichts. Vor allem nicht die Frage, ob wir Freunde bleiben können. Oder ähnlichen Mist. Ein normales Tschüss tut’s auch.“
 

Mein Gott, bin ich naiv…

„Und… was jetzt?“

Noch immer standen sie da, hinter der Tür im Flur und dachten nicht daran, sich vielleicht hinzusetzen. Vielleicht, weil es so nach einem kurzen Gespräch aussah. So, dass es sich nicht lohnte, Platz zu nehmen…
 

Erik seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

„Ich weiß es auch nicht. Was erwartest du? Du kommst ohne Vorwarnung hierher und überfällst mich sozusagen. Scheiße, ich mag dich wirklich.“

Wie ein kleines Kind, das gerne zu seiner Mutter rennen würde, sah Erik ihn an. Dieser Blick tat Daniel in der Seele weh.
 

„Wir können ja Freunde bleiben?“, versuchte er es trotz Eriks ausdrücklicher Abneigung. Er wusste, er würde es später bereuen, wenn er es nicht versucht hatte.
 

Erik verdrehte die Augen.

„Daniel!“
 

„Nein, hör‘ zu! Du hast mir so geholfen und du warst für mich da. Und ich weiß jetzt, wie das für dich gewesen sein muss und ich habe ein verdammt schlechtes Gewissen. Aber ich mag dich auch und ich bin nun mal so egoistisch und will weiterhin mit dir befreundet sein, weil du ein richtig guter Freund bist“, fuhr er auf.

„Also“, er zögerte, „überlege es dir wenigstens, okay?“
 

„Okay. Etwas anderes bleibt mir ja eh nicht übrig“, gab Erik nach.
 

„Gut.“

Daniel wusste nicht so recht, was er jetzt sagen oder machen sollte und das Schweigen wurde ihm unangenehm.

„Also meldest du dich?“
 

Erik hob die Mundwinkel zu einem Hauch eines Lächelns.

„Ja. Aber rechne nicht zu bald damit.“
 

Der Blonde nickte.

„Dann… gehe ich jetzt besser.“
 


 

Die Überraschung darüber, dass dieses Gespräch besser als gedacht verlaufen war, wurde draußen von einer anderen Überraschung ersetzt. Christopher stand am Straßenrand, lehnte sich an sein Auto und winkte ihm lächelnd zu.

„Hallo“, sagte er freundlich, als Daniel auf ihn zugelaufen kam, „soll ich dich mitnehmen?“
 

„Gern“, antwortete Daniel etwas verwundert. Was hatte der denn hier zu suchen?

Er schielte zu seinem alten Haus hinüber. Kaum zu glauben, dass es kaum eine Woche her war, seit seine Mutter und er dort ausgezogen waren… In dieser Zeit hatten sie Dieter nicht mehr zu Gesicht bekommen. Was er wohl machte? Es erstaunte Daniel, wie egal ihm das war.

„Warum warst du hier?“, fragte er dennoch.
 

„Ich arbeite ja hier in der Nähe und vorhin habe ich mit deiner Mutter telefoniert und sie meinte, du seist hier, um mit Erik etwas zu klären. Da dachte ich mir, je nachdem wie das Gespräch gelaufen ist, bringe ich dich lieber sicher nach Hause.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

„So deprimiert, dass wir uns Sorgen machen müssten, siehst du aber nicht aus“, fügte er hinzu und musterte Daniel.
 

„Danke“, murmelte er. Ob er Christopher etwas erzählen sollte? Wahrscheinlich wusste er nicht einmal, dass er schwul war…
 

„Kein Problem.“

Er lächelte ihn verschmitzt an und Daniel lächelte zurück. Er war wirklich nett. Emily hatte es also wirklich geschafft, sich in einen tollen Mann zu verlieben… Wow.
 

„Willst du mir erzählen, worum es ging? Emily war ganz schön beunruhigt“, fragte er vorsichtig. „Du musst aber nicht, wenn du nicht willst. Ich kann das schon verstehen.“
 

Ach, was soll’s.

„Also, erst einmal: Ich bin schwul“, fing er an und erzählte Christopher dann die ganze Geschichte.

Zu seiner Überraschung begann dieser zu lachen, als er fertig war.
 

„Warum lachst du?“, wollte Daniel wütend wissen. Hatte er ihn womöglich doch falsch eingeschätzt?
 

„Tut mir leid. Ich lache, weil du dir offenkundig mehr Sorgen über meine Reaktion machst als um deine Probleme.“ Er lächelte wieder. „Mein Bruder ist schwul. Ich hab‘ überhaupt kein Problem damit, wirklich. Und ich hoffe für dich, dass Erik und du wieder Freunde werdet.“
 

„Oh. Danke.“
 

Christopher schmunzelte.

„Wird schon gut werden.“
 

„Ja, das hoffe ich auch.“
 

Hoffen. Hoffen und Warten.

Es gab keine andere Möglichkeit, aber mittlerweile war er darin ja geübt.
 

_ENDE_
 

xXx
 

So, das ist das Ende. Für mich nicht sonderlich überraschend, aber ich saß eine ganze Weile daran und wollte mir eigentlich etwas anderes überlegen… Bevor ich aber ganz verzweifelt bin, hab ich es lieber so gelassen. Ich habe genau genommen alles so geschrieben, wie ich es anfangs geplant hatte… obwohl ich zwischendurch schon auch Zweifel bekommen habe - vor allem, als es plötzlich so viele Erik-Fans gab, damit hab ich nicht gerechnet! Darum wollte ich erst Daniel/Erik schreiben, danach Erik einen tollen Freund geben und ab und zu hab ich darüber nachgedacht, ihn wieder hetero zu machen, damit er mit Valerie zusammenkommen kann xD. Ich muss zugeben, so im Nachhinein fällt mir auf, dass die Mädels der Story allesamt nacheinander abserviert werden oO. So fies wollte ich eigentlich nicht sein… Na ja…

Aber ich wollte auch kein totales Happy End. Daniel und sein Vater werden sich wohl eher nicht mehr vertragen und auch mit Valerie und Erik wird es noch eine Weile dauern. Dafür haben sich Kevin und Daniel aber geoutet und sind mehr oder weniger glücklich. Emily und ihren Chef find ich auch ganz niedlich ^o^. Ich hab lange darüber nachgedacht, wie er werden soll… hab mir heimlich den meiner Mutter angeschaut (soll jetzt nicht heißen, dass meine Mutter das Vorbild für Emily wäre… die ist leider Gottes verdammt treu -.-") und fand ihn ganz cool. Öhm, ja.

Oh je, jetzt fange ich an, die ganze Story durchzuquatschen, sorry xD.

Eigentlich wollte ich mich ja nur bedanken…

Eh, ja.
 

Vor allem natürlich bei meinen tollen Lesern - meinen Motivatoren - und insbesondere bei denen, die mir ihre Meinung hinterlassen haben!

Ich bedanke mich bei Nora, die die Erste war, die die Anfänge dieser Geschichte zu lesen bekommen hat und mir des Öfteren in den in den Hintern getreten hat, wenn ich mir wieder so viel Zeit beim Schreiben gelassen habe… ihr ist es zu verdanken, dass ich (bis auf zwei Ausnahmen) immer wöchentlich ein Kapitel hochgeladen habe. (Und wehe, es hat ihr nicht gefallen xD). Dennoch, danke an eine ganz besondere - wie sadistische - Freundin.

Und natürlich bedanke ich mich auch bei meinen tollen Betalesern, die großartige Arbeit geleistet und dafür gesorgt hat, dass ihr die Story in besserem Zustand lesen konntet als sie. Antiheldin für die ersten zehn, Shizana für die letzten beiden und Lena für die dazwischen.

Danke, danke, danke an alle, vielleicht sehen wir uns ja nochmal ^.^ *winke-winke*
 

Bevor ich es vergesse (leider muss das erwähnt werden... schade.), ich will nicht, dass die Story oder Teile davon kopiert und als eigenes Werk ausgegeben werden. Es ist schon passiert und es ging mir persönlich richtig schlecht... also, bitte. Links sind aber gern gesehen! ^-^
 

~ San ~



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Von:  Onlyknow3
2014-08-18T07:36:18+00:00 18.08.2014 09:36
Also ich habe mir die ganze FF durch gelesen und finde sie hat das Potential für eine Fortsetzung. Wie die aus sehen könnte sage ich dir auch noch. Aber zunächst zum Inhalt. Der sehr an der realität spielt, und auch die reagtion des Vater stimmt wie vieles andere das du geschrieben hast und das macht diese FF besonders. Mach weiter so, und ich würde wirklich gerne eine Fortsetzung lesen. Denn was hindert Erik daran an Daniel fest zu halten, weiter zu versuchen ihn zu bekommen, oder sein Vater der der seine Frau zurück haben will weil er mit der Einsamkeit nicht klar kommt. Überleg es dir mir würde es gefallen und deinen anderen Lesern sicher auch.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-08-17T20:07:07+00:00 17.08.2014 22:07
Was jetzt ist er doch in Daniel verknallt? Sieht gerade so aus das wäre für Daniel wohl das schönste.
Weiter so.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-08-17T19:59:14+00:00 17.08.2014 21:59
Erik ist wohl der einzige den Daniel hat um seine Probleme zu reden. Weiter so.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-08-17T19:38:19+00:00 17.08.2014 21:38
Na da bin ich doch mal gespannt wie sie jetzt reagiert und was sie sagt.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-08-17T19:20:22+00:00 17.08.2014 21:20
Das ist auch eine Möglichkeit zu sagen ich Liebe dich so ala Enyoyi aus Kizuna. Super bin gespannt wie Kevin reagiert darauf.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-08-17T19:07:12+00:00 17.08.2014 21:07
So kann man es auch machen, in dem man das Problem einfach aussitzt. Bin gespannt was kommt in den nächsten Kapiteln. Mir gefällt die Geschichte.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-08-17T18:51:51+00:00 17.08.2014 20:51
So kanns gehen wenn sich in was hinein stürzt ohne richtig Nach zu denken so wie Daniel es hier gemacht hat.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-08-17T17:56:45+00:00 17.08.2014 19:56
Auch ein schönes Kapitel, komme endlich dazu die ganze FF zu lesen.Weiter so.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-05-02T20:40:14+00:00 02.05.2014 22:40
Was kann Daniel für die Probleme seiner Eltern er hat selber genug mit sich zu tun.
Sehr gut, hat mir gefallen, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-05-02T20:28:45+00:00 02.05.2014 22:28
Armer Daniel, was muss er da Erkennen, das kann er wohl nicht so leicht verdauen da wird er sicher, etwas nach denken müssen die nächsten Tage ohne seinen Kumpel Kevin.
Weiter so, bin gespannt was noch kommt.

LG
Onlyknow3


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