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Schattenfresser

von

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Hausbesuch

X. Hausbesuch
 

Bitte… flehte Kai innerlich. Tu das nicht!

Seit drei Tagen unterrichtete er wieder, zwei Wochen war er krank geschrieben gewesen, aber irgendwann war ihm daheim die Decke auf den Kopf gefallen, und er hatte sich vorzeitig wieder zum Dienst zurück gemeldet. Seine körperlichen Beschwerden hatten sich rasch verflüchtigt, der Schrecken und die Angst, irre zu werden, saßen hingegen schwer. Immer wieder war er versucht gewesen, bei Gudrun vorbei zu fahren, um mit ihr über das zu reden, was er gesehen oder erlebt zu haben meinte – aber im letzten Moment hatte er dieses Vorhaben jedes Mal wieder zur Seite geschoben. Zu Gudrun zu gehen… darüber zu sprechen… das würde bedeuten, dass er in Betracht zog, dass es wahr sein könnte. Dass er eben nicht nur irgendeine bedenkliche Macke entwickelte, die sich über sein normales Logikempfinden lustig machen wollte, sondern dass hier Dinge vor sich gingen, die es in einer modernen Welt nicht mehr in den Bereich des Realen schafften. Das hieße darüber nachzudenken, ob die Welt irre geworden sei, und nicht bloß er – und diese Schlussfolgerung war definitiv ein Kriterium für beginnenden Irrsinn! Er hatte sich schlau gemacht… Wahnvorstellungen… Halluzinationen ohne Drogenmissbrauch…das waren Kennzeichen für einen Psychotiker! Aber daheim war alles normal geblieben, Floffi hatte nicht plötzlich drei Köpfe gehabt, seine Bücher waren nicht alle mit geheimen Botschaften und CIA-Peilsendern voll gewesen. Vielleicht ein Infekt, der ihm kurzzeitig aufs Hirn geschlagen hatte? Der Schock über seinen Beinahe-Tod hatte seine Erinnerungen durchmixt? Oder diese komische Sache mit seinem Rücken… vielleicht ging das doch tiefer… Dr. Taube war inzwischen bei Tropen- und Erbkrankheiten angekommen, fand aber ums Verrecken nichts. Vielleicht sollte er da Mal eine zweite Meinung bemühen.
 

Ein wenig Panik geschoben hatte er schon, als er wieder in seine Klasse getreten war, aber auch dort war alles beim Alten gewesen. Sie hatten sich gefreut, dass es ihm wieder gut ging – weniger darüber, dass jetzt der Unterricht nicht weiter ausfiel. Sie hatten ordentlich Stoff nachzuholen, da kannte er nun kein Erbarmen. Konnte er auch nicht, sonst würden sie in der zentral gestellten Abiturprüfung auf Grundeis gehen, das zumindest sahen sie ein. Auch Skia hatte brav da gesessen und ihn freundlich angelächelt, eine skurrile Erscheinung – aber eben doch keine Fabelgestalt mit Superkräften, sondern bloß ein Schüler wie jeder andere auch. Einer, an den er sich garantiert erinnern würde, wenn er sich dereinst mit dem Krückstock in die Klasse würde quälen müssen, aber da gab es auch andere.
 

Neu hingegen war Skias Verhalten. Er vergaß die Hausaufgaben. Skia vergaß die Hausaufgaben! Okay, das passierte jedem Mal. Aber er tat es wieder! Kam zu spät! Sein Punktekonto ratterte nach oben, bis er bei fünfundneunzig war. Er entschuldigte sich jedes Mal lieb und artig – aber Regeln waren Regeln! Verdammte Elends-Regeln! Er wollte nicht zu Skia nach Hause! Das war Blödsinn sicher… aber um seine geistige Stabilität war es nun einmal nicht so sonderlich gut bestellt zurzeit. Und Skia wohnte am Arsch der Heide! Und was, wenn er den nächsten Nicht-Allergie-Schock bekam! Aber ein Zusammenhang mit Skia ließ sich nicht beweisen, die Tests hatten nichts erbracht, konnte wirklich nur ein dummer Zufall sein, obwohl die Unlogik da anderer Meinung war. Von so etwas durfte er sich doch nicht klein kriegen lassen! Aber er wollte nicht…
 

Und jetzt saß Skia da, den Mund weit offen und schob sich ein knallgrünes Hubba Bubba in den Schlund! In seinem Unterricht! Hubba Bubba! Lass es, Skia, bitte, ich flehe dich an, du bist doch ansonsten so ein wohlerzogener junger Mann, du kennst doch die Regeln, was ist denn los mit dir in den letzten Tagen, zwing mich nicht dazu! Zu spät! Sein Mund schnappte zu und er begann laut zu schmatzen. Tu so, als hättest du es nicht bemerkt, als seist du blind und taub und noch etwas belämmert von deiner Krankheit…
 

Max meldete sich. „Ja, Max?“ nahm er ihn dran. Er meldete sich als Einziger auf seine Frage nach der Potsdamer Konferenz hin… nun gut…
 

„Skia hat ein Kaugummi!“ petzte Max. Verdammter Scheißer! Manchmal weiß jemand anderes eben mehr, das kann man auch mit Fassung tragen und das Maul halten! Max sauste in Kais Beliebtheitsskala postwendend diverse Ränge nach unten. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig… Und statt es schnell und diskret runterzuschlucken, mampfte Skia einfach gedankenverloren weiter, starrte in sein Buch und schien nichts mitbekommen zu haben. Der Teil der Klasse, der nicht zu tief schlief, drehte sich zu Skia um. Kein Entkommen. Er war im Zugzwang.
 

„Skia!“ fuhr er ihn an.
 

Skia hob den Blick, sah ein wenig verträumt aus, wenn das bei einer so fiesen Augenfarbe ging, und fragte etwas begriffsstutzig: „Ja? Oh, Entschuldigung, ich war etwas unachtsam…“
 

„Skia, du hast ein Kaugummi im Mund!“ knallte Kai ihm vor.
 

„Huch, ach ja, stimmt ja! Oh weia! Tut mir wirklich leid!“ entschuldigte sich Skia hektisch und schluckte es runter. Sollte er zwar auch nicht… aber na ja.
 

„Gut das gibt…“, hob Kai an. Er wusste es. Ging nicht auch viereinhalb? Das reichte doch völlig?
 

„Fünf Punkte!“ half Max aus.
 

„Für dich auch fünf fürs ungefragt Reinreden!“ verpasste ihm Kai, und Max schmollte. Sollte er ruhig, er war auch nicht über alles erhaben.
 

„Scheiße, jetzt hast du hundert…“, flüsterte Mary Sue betroffen Skia zu.
 

„Ja. Scheiße“, murmelte Skia zurück. Er sah bedröbbelt aus, aber auch nicht so hysterisch, wie Kai eigentlich vermutet hatte. Wollte Skia etwa diesen Heimbesuch?
 

Kai hatte überhaupt kein gutes Gefühl bei der Sache… aber aus der Nummer kam er nicht raus, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren oder beginnende Verkalkung einzugestehen.
 

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„Okay, Floffi, da wären wir. Wenn dieses Haarmonster mich anfällt, dann… stehst du schwanzwedelnd daneben und lässt dich anschließend von ihm kraulen, während er mich im Garten verscharrt“, erklärte Kai den Schlachtplan. Hier kriegte ja keiner mit, wie paranoid er inzwischen schon war, und Floffi würde schon nicht petzen. Floffi quietschte zustimmend und ließ sich von Kai aus dem Auto heben. Zu springen wäre ja auch eine Zumutung gewesen.
 

Das hier war wirklich das Ende der Welt – und das so nahe Hamburg. Er war mitten im Wald, ohne Skias Wegskizze hätte er das niemals gefunden. Das Haus am Ende der notdürftig asphaltierten einspurigen Straße war hingegen todschick. Eine riesige, elegant verschachtelte Villa im Bauhausstil, Skias Tante musste steinreich sein und wirklich Geschmack haben. Vielleicht war es wirklich sie gewesen, die ihren Neffen eingekleidet hatte. Durch die Fensterfronten drang warmes Licht, im Erdgeschoss konnte er das Flackern eines offenen Kamins ausmachen. Der Wald darum war hingegen stockfinster und nicht wirklich einladend. Irgendwie musste er an Hänsel und Gretel denken.
 

Er schüttelte den Kopf über sich selbst und schleppte Floffi die Einfahrt hinauf – nicht dass er sich noch dreckig machte, und er ihn schon wieder baden müsste. Der Hund legte es echt darauf an vermutete Kai, so gerne, wie er sich im warmen Wasser betüdeln ließ. Er drückte den Klingelknopf und wartete mit leicht klopfendem Herzen. Sah doch alles super aus hier… Rein da, Skia wegen seiner Integrationsfortschritte loben, um ihn ein wenig aufzubauen, dann die Gründe und Besserungswege für sein Fehlverhalten durchdiskutieren, Skia schwören lassen, dass er sich ran halten werde – und fertig. Wenn das auf Dauer nichts brachte, mussten dann eben die richtigen Disziplinarstrafen ran, die auch in der Akte dokumentiert werden würden, aber so weit würde es hoffentlich nicht kommen. Er bevorzugte da die pädagogische Lösung, bei leichten Fällen half die viel mehr.
 

Die Tür wurde geöffnet, eine Frau stand im Licht der Diele und lächelte ihn herzlich an. Sie war ziemlich klein, vielleicht einsfünfzig und hatte langes schwarzes Haar, das sie offen trug. Dennoch war eine gewisse Familienähnlichkeit zu Skia nicht zu übersehen: dieselbe Nase, derselbe breite Mund und die eher feine Gesichtsstruktur. Sie trug ein modisches Sommerkleid in knallrot, das sehr teuer aussah, Prada oder Armani oder so etwas. „Herr Wiesenblum?“ begrüßte sie ihn. „Kommen Sie doch herein. Ich bin Skias Tante, Marion Müller-Mayer, schön, dass Sie sich die Mühe machen, meinem Neffen ins Gewissen zu reden!“
 

„Kai Wiesenblum“, stellte er sich vor und schüttelte ihr die Hand, Floffi unter anderen Arm geklemmt, der sich etwas wirre umsah. „Wir hatten schon einmal telefoniert wegen meiner Allergie, nicht wahr? Vielen Dank noch mal dafür!“
 

„Konnten Ihnen die Informationen helfen?“ fragte sie und winkte ihn hinein.
 

„Leider nicht. Moment, ich habe meinen Hund mitgebracht… Soll ich ihn draußen anleinen?“ fragte er.
 

Sie fixierte Floffi, aber kreischte nicht herum, wie süß er sei. Welch Wohltat. „Nein, schon gut“, meinte sie. „Ich mag Tiere und der da ist ja nicht gerade eine dreckige Dogge. Nehmen sie ihn ruhig mit hinein.“
 

Kai bedankte sich. Seine Handfläche brannte… Scheiße, lag das bei denen in der Familie… Abstand halten, schnell wieder raus hier…
 

„Skia wartet im Wohnzimmer auf Sie. Möchten Sie vielleicht einen Kaffee oder einen Tee?“ erkundigte sie sich bei ihm, während er ablegte.
 

„Tee wäre nett“, erwiderte er höflichkeitshalber. Er musste ihn ja nicht austrinken…
 

Sie begleitete ihn zum Wohnzimmer, dann bog sie ab, wohl in Richtung Küche. Anerkennend schaute Kai sich um. Perfekte durchkonzipierte Einrichtung, 1a-Designerstücke, so etwas sah man nicht alle Tage. So etwas wie Skia allerdings auch nicht unbedingt.
 

Skia stand von einem der eleganten schwarzen Sessel auf, der definitiv ein paar Nummern zu klein für ihn war, und trat ihm mit schuldbewusstem Blick entgegen. Das Händeschütteln ersparte er ihm, das wusste er ja. „Guten Abend, Herr Wiesenblum. Es tut mir so leid…“ setzte er an.
 

„Ich weiß, Skia. Ich will dir ja auch nicht den Kopf abreißen, wir sollten uns nur ein wenig unterhalten, damit wir rauskriegen, woran es liegt und wie du es wieder besser hinbekommen kannst“, beruhigte Kai ihn.
 

Skia nickte dankbar und lud ihn ein, sich zu setzen. Neugierig lugte er Floffi an, der natürlich, einmal abgesetzt, sofort auf ihn zugeschossen kam und Skias Hände und Zöpfe ausgiebig beschnupperte. Kai blinzelte… irgendetwas passte hier doch nicht… Floffis Schatten ging nicht mit dem Licht… sondern in die andere Richtung… von Skia weg… ganz ruhig… lass es dir nicht anmerken… gib dem Wahnsinn bloß nicht nach! Und such dir schleunigst einen Neurologen und einen Psychater! Wie nicht anders zu erwarten war, liebte Floffi Skia auf Anhieb und mochte sich gar nicht wieder einkriegen. Da hatten sich zwei gefunden… Nachsichtig ließ Skia zu, dass Floffi, die alte Knuddelschlampe, ihm auf den Schoß sprang und sich dort mit verliebtem Blick ausgiebig kraulen ließ. Die beiden sahen aus, wie von einem Kitschposter für kleine Mädchen gekippt. Aber dafür konnte keiner der beiden etwas.
 

Kai wollte gerade ansetzen, als die Tür wieder aufging, und Skias Tante mit einem Tablett mit Tassen und Keksen in den Händen eintrat. Hinter ihr flatterte irgendetwas.
 

Skia hob den Blick – und erbleichte. Floffis Ohren spitzen sich, dann zuckte er zusammen, als sei sonst etwas, und verkroch sich panisch wimmernd unter den fein arrangierten Kissen neben Skia. Peinlich… Floffi türmte vor einem grünen Wellensittich und brachte das ganze Sofa in Unordnung.
 

Auch Frau Müller-Mayer wurde jetzt des Vogels ansichtig. Ihre dunklen, schön geschwungenen Augenbrauen fuhren zusammen. „Skia!“ fuhr sie ihren Neffen leise an. „Hast du etwa vergessen, Leviathan einzusperren?“
 

Ach so, das war also Leviathan! Ein Wellensittich! Aber warum fraß der Brekkies? Und was sollte dann der andere Kram auf dem Zettel… nur zufälliges Gemisch?
 

„Öh…“, erwiderte Skia nur, den Vogel entsetzt anstarrend.
 

„Ist doch schon gut“, beruhigte Kai. „Ich mag Vögel. Hatte als Kind auch Wellensittiche…“
 

Sie schienen ihn gar nicht recht zu hören, sondern verfolgten nur paralysiert die Flugbahn des Vogels. Er hatte Kai entdeckt und landete punktgenau auf seiner Schulter.
 

„Leviathan!“ zischte Skia so wild entschlossen, wie Kai ihn noch nie gehört hatte. Floffi hinter ihm wimmerte feige vor sich hin. Man konnte ihn unter den Kissen nicht mal mehr sehen. Skia stand auf, mit zwei langen Schritten war er bei Kai.

Kai hörte noch, wie Frau Müller-Mayer ein protestierendes: „Nein! Lass das bloß bleiben! Ich mach…“ hervorstieß, doch da war es schon zu spät.

Kai musste sich endgültig eingestehen, irrsinnig geworden zu sein.

Skia griff nach dem Vogel auf seiner Schulter, der plötzlich ein ganz Wellensittich-untypisches Röhren verlauten ließ, zischte – und Feuer spuckte.

Völlig überrascht schrie Kai auf, als seine Wange plötzlich elendig schmerzte. Ein feuerspuckender Wellensittich hatte ihm das Gesicht verkokelt! Das war einfach zu viel.

Er sprang auf und keuchte: „Was ist hier los?! Ich bin verrückt? Ich bin verrückt geworden?! Oh mein Gott! Ich muss hier raus! Floffi!“
 

„Ganz ruhig, Herr Wiesenblum!“ beschwor ihn Skias Tante. „Leviathan ist eine Spezialzüchtung… äh… trinken Sie erstmal Ihren Tee… das beruhigt… ich verarzte Sie…“
 

„Nein! Nein, nein, nein! Das reicht! Entweder bin ich irre – oder hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht! Ich werde jetzt garantiert keinen Tee trinken oder mich beruhigen, ich werde gehen – und zwar sofort“, explodierte er. War ihm egal, ob er jetzt endgültig wirkte wie von Sinnen, was zu viel war, war zu viel. „Floffi!“ brüllte er, doch der Schissarsch war immer noch in Deckung und kam nicht raus. In diesem Falle schien er recht gehabt zu haben. Der Mutanten-Sittich in Skias Hand röhrte und brüllte und fauchte wie etwas, das definitiv kein Vogel war.
 

„Herr Wiesenblum, beruhigen Sie sich doch!“ redete Müller-Mayer beschwichtigend auf ihn ein. Keine Chance. Nichts wie weg hier – und in die Notfallambulanz für Geistesgestörte einliefern lassen. Ade Beförderung, mit dem Manko käme er nicht mehr weit, aber egal, Hauptsache es ging weg! Die konnten sich dann auch gleich seine Wange, seine Hand und seinen Rücken mit anschauen!
 

Er flitzte um Skia herum und stürzte sich aufs Sofa, um Floffi auszugraben, doch plötzlich wurde er gepackt und in die Kissen gedrückt. Skias Tante, diese halbe Portion, drückte ihn lässig mit einer Hand in die Kissen als sei sie ein Profi-Boxer. „Tut mir echt leid, ich dachte, das ginge auch zivilisiert – aber keine Angst, es wird Ihnen nichts geschehen, wir bringen Sie nur wieder in Ordnung“, sagte sie zu ihm.
 

„Was wollen Sie von mir!“ keuchte er entsetzt und strampelte verzweifelt. Ihre Hand auf seinem Rücken tat scheußlich weh… das war wirklich in der Familie… das konnte doch nicht wahr sein… wo war er hier gelandet…
 

„Sie wissen zu viel“, antwortete sie ruhig.
 

„Ich bin doch nicht vom KGB!“ protestierte er.
 

„Da sind wir nicht so kleinlich… keine Panik, bald sind Sie wieder auf dem Rückmarsch und erinnern sich an nichts und alles ist wieder Friede, Freude, Eierkuchen!“ beruhigte sie ihn.
 

„Halten Sie sich für die Man in Black?!“ keuchte er.
 

„So ähnlich…“, erwiderte sie vergnügt.
 

„Tante…, du tust ihm weh!“ mischte sich Skia ein.
 

„Mmm, reagiert der auch auf mich? Werden wir gleich herausfinden. Halte du ihn bitte fest, ich hol den Trank“, wies sie ihren Neffen an. „Und setz ihn aufrecht hin, sonst wird das schwierig mit dem Schlucken.“
 

„Okay… Es tut mir so leid, Herr Wiesenblum, es ist echt schief gegangen!“ beteuerte Skia, während er ihn packte, als sei er eine Porzellanpuppe, die er nicht kaputt machen wollte. Skia beförderte ihn mit einem Handgriff in eine sitzende Position und drückte einfach mit der Hand gegen seine Brust, dass es kein Entkommen gab. Kein Mensch war so stark… „Ich fasse Sie so wenig an, wie möglich, okay?“ erklärte Skia und sah ihn unglücklich an. Kai trat und schlug nach ihm, aber das beeindruckte Skia nicht die Spur. „Bitte, tun Sie sich nicht weh!“ kommentierte er nur.
 

„Wer bist du? Was bist du?“, japste Kai. „Ich habe mir das alles nicht eingebildet! Hast du Gudruns Schatten gefressen? Du bist kein Mensch! Aber… was?!“
 

„Kann ich nicht sagen“, druckste Skia herum. „Sie wissen sowieso schon zuviel.“
 

Das Brennen in Kais Körper wurde immer schlimmer und begann die Panik zu überdecken. „Scheiße! Hilfe!“ schrie er auf. „Skia, bitte, mein Rücken…“
 

„Kümmere ich mich gleich drum“, kommentierte Müller-Mayer. „Erst der Trank!“ Sie kam mit einer dampfenden Tasse hinüber getreten.
 

„Trank?! Sind wir hier bei Harry Potter? Halten Sie sich etwa für eine Hexe!“ schrie Kai sie an, den Kopf so weit wie möglich wegdrehend.
 

„Nein“, sagte sie. „Das tut ihr. Und nun Schluss mit der Anstellerei, das wird Ihnen bloß helfen, also rein damit!“
 

Kai strampelte und wehrte sich, so gut es ging, Floffi half ihm kein Stück, Skia jammerte, dass es ihm leid tue und dass es ihm gleich besser gehen werde – und seine Tante schnappte sich seinen Kiefer, stemmte ihn mit geübtem Griff von den Seiten her auf und goss ihm die Brühe in den Rachen. Er versuchte, es auszuspucken, aber sie hielt ihm einfach den Mund zu und kraulte ihm an der Kehle, bis der Schluckreflex ausgelöst wurde – als sei er Floffi bei der Wurmkur.
 

Was immer es war – die brachten ihn um! Die waren völlig irre! Die hatten ihn vergiftet! Einfach so, aus irgendwelchen kranken Gründen! Die waren irgendwelche Mutanten oder so! Das Zeug brannte durch ihn hindurch, durch seine Eingeweide, sein Hirn… In einem letzten unkoordinierten Aufwallen trat er um sich.
 

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„Ahh! Meine original Picasso-Zeichnung!“ schrie Morgana auf.
 

„Picasso hat sowieso viel zu viel fabriziert!“ röchelte Skiaphagos von jenseits des frischen Loches in der Wohnzimmerwand, dass sein Körper im Flug gerissen hatte. „Schön, dass du dich um mich so sehr sorgst!“
 

„Warum sollte ich!“ brüllte sie. „Du gehst nicht kaputt – der Picasso schon! Und den Picasso habe ich für teuer Geld zur Dekoration erstanden – dich nicht! Und jetzt komm gefälligst her, mit deinem Lehrer stimmt was nicht!“
 

Er kam wieder auf die Füße und flitzte wieder heran. Er war es gewohnt, durch die Gegend geschmissen zu werden, da reichten schon die Herzlichkeits-Anfälle seines Vaters – aber durch eine Wand war er dann doch noch nicht so häufig geflogen. Gewöhnte man sich wahrscheinlich dran über die Jahre…
 

Gemeinsam traten sie zum Wohnzimmertisch und starrten herab. Wiesenblum lag, alle Viere von sich gestreckt, durch die Glasplatte gedonnert auf dem Boden und gab Laute von sich, die denen seines Hundes recht nahe kamen.
 

„Scheiße, Tante Morgana“, meinte Skiaphagos zitterig. „Das mit dem Trank war gar keine gute Idee…“
 

„Quatsch! Für einen Menschen ist der völlig unbedenklich!“ widersprach sie ihm.
 

„Aber er hat doch Allergien…“, protestierte er.
 

„Er hat dich durch die Wand gepfeffert! Das ist kaum eine allergische Reaktion“, entgegnete sie kritisch.
 

„Aber… was ist denn mit ihm… brauch er einen Arzt oder so…?“ fragte Skia planlos über Kai Wiesenblums Gejaule hinweg.
 

„Ich bin besser als alle Ärzte… aber das hier…?“ murmelte sie und starrte auf den niedergestreckten Studienrat hinweg.
 

„Wa… was… ist denn das…?“ stotterte Skia atemlos.
 

Morgana folgte seinem Blick. Auf Wiesenblums Rücken zeichneten sich zwei Beulen ab, die stetig weiter wuchsen. „Ach du Scheiße“, meinte sie.



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