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Mit allen Sinnen

House/Cameron
von

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Ihr erster Arbeitstag war so ungewöhnlich, wie es ein erster Arbeitstag nur sein konnte.

Allison Cameron war schon immer ein fleißiger und motivierter Mensch gewesen, der versuchte, jede Chance zu ergreifen, die sich ihm nur bot. Und so hatte sie auch nicht allzu lange gezögert, bis sie ihre Bewerbung ans Princeton Plainsboro Teaching Hospital geschickt hatte. Überraschenderweise hatte sie nur kurze Zeit später eine Zusage bekommen – ohne Bewerbungsgespräch, wohl gemerkt. Schon allein diese Tatsache hatte Cameron stutzig gemacht, aber Gregory House galt in Medizinerkreisen als kleine Legende und selbst wenn das Ganze ein Versehen war, wollte Cameron wenigstens einen Blick auf den Mann werfen, der schon von Studenten entweder verachtet oder vergöttert wurde.

So kam es, dass die junge Ärztin an einem kühlen Septembermorgen viel zu früh das Krankenhaus betrat und an der Rezeption nach dem Weg zur Diagnostikabteilung fragte, woraufhin die Krankenschwester hinter dem hohen Pult ihr einen abschätzenden Blick zuwarf. Verwirrt sah Cameron an sich hinunter. Hatte sie irgendwo einen Fleck, von dem sie nichts wusste? Doch ihr Mantel sah so aus wie immer.

Höflich bedankte sich Allison bei der Frau, als diese ihr endlich den Weg erklärte und setzte sich dann in Bewegung. Es war noch relativ früh und bis ihre erste Schicht beginnen würde, hatte sie noch etwas Zeit, um sich umzusehen und eventuell ihre Nerven zu beruhigen. Das Princeton Plainsboro hatte einen ausgezeichneten Ruf und es wäre für Cameron eine Ehre, hier arbeiten zu dürfen. Allerdings musste sie dafür zuerst an Gregory House vorbei. Cameron überlegte, wie der Mann wohl aussah, der fast schon so bekannt wie der Boogeyman war. Obwohl die Versuchung groß gewesen war, hatte Cameron nicht die Google-Suchmaschine angeworfen. Das wäre kindisch und einfach nur idiotisch gewesen.

Camerons Schritte wurden langsamer, als sie an einem Raum vorbeilief, auf dessen gläserner Tür der Namen Gregory House stand. Neugierig spähte Cameron hinein, doch im Zimmer war niemand. Sie konnte nur einen Schreibtisch und einen bequemen Stuhl erkennen. Ratlos lief sie ein paar Meter weiter. Gleich daneben befand sich ein etwas größeres Zimmer, in dem ein Tisch mit sechs Stühlen stand, sich eine kleine Kochnische befand und in der Mitte eine weiße Tafel stand.

Erfreut stellte Cameron fest, dass an dem Tisch jemand saß und Kaffee trank. Sie räusperte sich, bevor sie leise klopfte und zögernd eintrat.

„Doktor House?“, versuchte sie ihr Glück und blieb stehen, als der junge Mann sich zu ihr umdrehte. Er hatte blondes Haar und ein – objektiv gesehen – wirklich attraktives Gesicht. Doch sein kurzes Grinsen verriet, dass er nicht die gesuchte Person war.

„Nein, tut mir leid“, schmunzelte der fremde Arzt und erhob sich von seinem Stuhl, um Cameron die Hand zu reichen.

„Ich bin Doktor Chase. Kann ich Ihnen vielleicht trotzdem helfen?“, fragte der Mann freundlich und Cameron studierte sein makelloses Gesicht.

„Mein Name ist Allison Cameron und ich… nun, ich wurde von Doktor House eingestellt.“ Cameron kam sich unglaublich bescheuert vor. Sie wusste nicht einmal, wie ihr Chef aussah und behauptete, eine neue Angestellte zu sein. Doktor Chase würde sie bestimmt auslachen, oder schlimmer – rauswerfen, weil er ihr nicht glaubte. Cameron öffnete erneut den Mund, um sich zu erklären, doch Chase starrte sie nur mit offenem Mund an und wirkte vollkommen aus der Bahn geworfen. Ehe Cameron etwas sagen konnte, betrat eine weitere Person den Raum und grüßte Chase. Verwundert blieb der dunkelhäutige Mann stehen und blickte abwechselnd von Chase zu Cameron. Diese erwachte aus ihrer Starre und reichte nun auch dem anderen Arzt die Hand.

„Allison Cameron“, stellte sie sich diesmal nur mit Namen vor und steckte ihre Hand zurück in die Manteltasche, nachdem sie die von Doktor Eric Foreman – wie er sich ihr vorgestellt hatte – geschüttelt hatte. Chase schien sich daran zu erinnern, dass er Cameron noch eine Erklärung für sein seltsames Verhalten schuldete und bot ihr zunächst einen Stuhl an, den sie dankend annahm.

„Verzeihen Sie meine Reaktion, aber… ich habe mich nur gewundert. Nun, im Grunde ist es gar kein Wunder.“ Den letzten Satz sprach der blonde Arzt mehr zu sich selbst und verdrehte dabei die Augen.

„Würde mich bitte jemand aufklären?“, fragte Foreman und nahm nun ebenfalls Platz. Cameron schwieg, da sie nicht minder verwirrt war und zuckte mit den Schultern, als Foremans fragender Blick auf ihr lag. Chase holte tief Luft.

„Diese junge Ärztin hier ist ab sofort unsere Kollegin“, antwortete der Australier zunächst auf Foremans Frage, welcher nun genauso verdutzt aussah, wie Chase noch eben.

„House hat keine Bewerbungsgespräche durchgeführt, davon hätten wir erfahren…“, meinte Foreman skeptisch und Chase warf ihm nur einen vielsagenden Blick zu. Nun schien der Groschen auch bei Foreman zu fallen und er seufzte wissend.

„Ich denke, wir sollten das klären, sobald House da ist… und Ihnen viel Ärger ersparen, Doktor Cameron. Ich würde Ihnen nur ungern die Hoffnung nehmen, aber ich fürchte… das alles war ein Missverständnis“, sagte Foreman an Cameron gewandt und versuchte so besänftigend wie möglich zu sprechen. Es sah so aus, als wolle er Cameron auf etwas vorbereiten, das wahrscheinlich auf sie wartete, sobald House auftauchte. Doch wann würde das sein? Cameron warf einen Blick auf die Uhr. Es war immer noch kurz vor acht Uhr und man hatte ihr mitgeteilt, dass sie um acht Uhr da sein sollte.

„House kommt nie pünktlich“, warnte Chase sie, da er ihren Blick auf die Uhr anscheinend gesehen hatte. Stirnrunzelnd fixierte Cameron ihre beiden neuen Kollegen – oder zumindest ihre potentiellen Kollegen – und bereute, dass sie sich nicht besser über House informiert hatte. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass sich ihr neuer Posten mit jedem weiteren Satz der Beiden immer mehr in Luft auslöste. Cameron begann sich zu fragen, wieso House sie heute hierher bestellt hatte.
 

Als es kurz vor neun war, ging die Tür schwungvoll auf und noch bevor sich Cameron überhaupt umdrehen konnte, hörte sie, wie jemand ihren Namen sagte.

„Doktor Allison Cameron, richtig?“

Überrascht sah sie auf und nahm den Mann ins Visier, der ihr CV in den Händen hielt und so tat, als würde er es genauestens studieren, obwohl sich seine Augen keinen Millimeter bewegten.

„Äh… ja“, antwortete die Angesprochene unsicher. Sie stand auf und hielt ihm die Hand hin, doch der Arzt – und Cameron war sich hundertprozentig sicher, dass es sich diesmal um House handelte – ignorierte sie und warf seinen Rucksack auf den Boden. Verwirrt zog Allison ihre Hand zurück und nahm wieder Platz. Wieso hatten Chase und Foreman sich nicht vorgewarnt? Die ganze letzte Stunde hatte sie ihnen über ihr Studium erzählt und sie hatten all ihre Fragen beantwortet, jedoch keine, die direkt den berühmten Diagnostiker betraf.

House murmelte etwas Unverständliches und ließ die Mappe dann auf den Tisch segeln. Nun hatte Cameron die Gelegenheit, ihn besser zu mustern. Er war ein Mann mittleren Alters, hatte einen Dreitagebart und stützte sich auf einem Gehstock ab. Seine Augen funkelten, seine Stirn war in Falten gelegt und die Lippen waren fest aufeinander gepresst, während er Cameron mit schiefgelegtem Kopf anstarrte und dann wohlig aufseufzte.

„Willkommen im Team“, flötete House gut gelaunt und setzte sich Cameron direkt gegenüber, damit er sie weiterhin mit seinen eisblauen Augen durchbohren konnte. Allmählich wurde Cameron immer unsicherer, denn noch nie hatte sie jemand mit so einem intensiven Blick gesehen. Es schien fast, als würde er sie durchleuchten und jedes ihrer Geheimnisse wie in einem offenen Buch lesen können. Camerons Herzschlag wurde unregelmäßig und am liebsten hätte sie sich seinem Blick entzogen, doch ihr Körper war wie gelähmt. Wie machte dieser Mann das?

„House“, begann Foreman und rettete Allison damit aus ihrer misslichen Lage. „Sind Sie sicher, dass sie Doktor Cameron einstellen wollen? Glauben Sie, dass sie die richtigen… Qualifikationen hat?“

House griff nach Chase‘ Kaffee, den der Australier ein paar Sekunden aus den Augen gelassen hatte und nahm einen großen Schluck.

„Ich bin erkältet“, warnte Chase, als er sah, dass House sich seines Kaffees bemächtigt hatte.

„Sie lügen“, erwiderte dieser simpel und beantwortete Foremans Frage, ohne die Augen von Cameron zu nehmen. „Sie ist hübsch.“ Schulterzuckend lehnte sich House zurück.

Schockiert öffnete Cameron den Mund und schaffte es das erste Mal seit der Ankunft von House, einen ganzen Satz zu formulieren.

„Sie wollen mich einstellen – nein, haben mich eingestellt, weil ich hübsch bin?“, fragte sie ungläubig und auf einmal wurde ihr alles klar: das seltsame Verhalten von Foreman und Chase, das Fehlen eines anständigen Bewerbungsgesprächs…

Cameron konnte nicht glauben, dass sie darauf reingefallen war. Sie hatte tatsächlich geglaubt, dass House sich ihre Bewerbung wirklich angesehen und sie ihn aus irgendeinem Grund beeindruckt hatte. Nicht aber mit ihrem Aussehen. Die Enttäuschung, die sich in Allison breit machte, zeichnete sich auch auf ihrem Gesicht ab.

„House, das hätten Sie nicht tun sollen“, tadelte Chase seinen Vorgesetzten und war drauf und dran seine Hand tröstend auf Camerons Schulter zu legen, als diese plötzlich aufstand.

„Es tut mir leid, es war ein Fehler, dass ich hergekommen bin“, sagte sie und versuchte die Bitterkeit in ihren Worten zu verstecken. Noch immer fühlte sie sich seltsam nackt unter House‘ stechendem Blick und sie wollte diesem Gefühl entfliehen. Das war fast noch schlimmer, als die Tatsache, dass er anscheinend ein sexistisches Schwein war. Entschlossen wandte sich Cameron ab und marschierte auf die Tür zu, als –

„Cameron“, rief House und seine raue Stimme brachte die Ärztin unwillkürlich dazu stehenzubleiben. Die Zähne fest aufeinander gepresst, bereitete sie sich darauf vor, noch eine Beleidigung zum Abschied zu erhalten und drehte sich so stolz wie möglich um. Diesmal begegnete sie seinem Blick ohne Angst, starrte verbissen und ohne zu blinzeln zurück. Sie glaubte, einen Anflug von Verwunderung in seinem Gesicht zu erkennen, doch als er sprach, wirkte er vollkommen unbeirrt.

„Sie haben einen hohen Abschluss, waren eine der bestem im Studium und haben in der renommierten Mayo-Klinik gearbeitet… sind Sie sicher, dass Sie es nicht versuchen wollen?“

Hätte Cameron nun zur Seite gesehen, wäre ihr aufgefallen, dass Chase und Foreman so aussahen, als hätte sie jemand mit eiskaltem Wasser übergossen. Doch sie beäugte immer noch House, diesmal mit einem sehr skeptischen Blick. Meinte er das ernst? War das ein Trick?

In diesem Moment war dies allerdings egal. Cameron beschloss, House zu beweisen, dass sie mehr als nur ein gutes Aussehen zu bieten hatte. Ihre Gesichtszüge wurden härter, entschlossener und sie nickte.

Jahre später würde sie wahrscheinlich mit einem Lächeln an diesen Tag zurückdenken. An den Tag, an dem sie Gregory House das erste Mal gesehen hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Jefferson
2010-10-25T13:49:06+00:00 25.10.2010 15:49
Ich liebe ja schon deine Postings - aber das hier liebe ich fast noch mehr, muss ich sagen. ;)
So stelle ich mir das Ganze wirklich vor. Dass House zunächst natürlich nur behauptet, er habe sie eingestellt, weil sie hübsch ist. Das ist so typisch wer - und so typisch Cameron, dass sie sich davon nicht unterkriegen lassen will. ;)
Vor allem Chase und Foreman waren genial, wie sie versucht haben, Cameron schon mal zu sagen, dass es wohl ein Missverständnis war. *lach* Hach ja... zu genial.

Zu deinem Schreibstil muss ich ja nicht so viel sagen - ich liebe ihn einfach und kenne ihn ja inzwischen schon. ;)
Und ich liebe dich noch mehr dafür, dass es jetzt unter all dem Huddy auch endlich Hameron gibt. XD


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