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Yeh Zindagi Hai.

Neue Chance, neues Leben?
von

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Anfangsschwierigkeiten

Das Erste, was Sudhir wahrnahm, als er aus dem Flugzeug stieg, waren der Lärm und die tausend verschiedenen Gerüche, die auf ihn einströmten. Überall waren unzählige Menschen, die mit irgendetwas mehr oder weniger beschäftigt schienen. Natürlich gab es in Chicago ebenfalls unzählige Menschen, doch hier – in Delhi – waren es mindestens dreimal so viele und der Geräuschpegel, der von ihnen ausging, war fünfmal so hoch.
 

Zwei Monate waren vergangen seit Sudhir sich entschieden hatte, die Leitung der indischen Außenstelle doch anzunehmen. Rein rational und logisch konnte er sich seine Entscheidung nicht erklären, doch er hatte das Gefühl, dass er dieses Risiko eingehen und somit wieder ein bisschen mehr Schwung in sein Leben bringen sollte.

George war ihm freudestrahlend um den Hals gefallen, als Sudhir ihm seine Entscheidung mitgeteilt hatte. Daraufhin wurden umgehend sämtliche Vorgänge in die Wege geleitet, die für Sudhirs Umsetzung und seinen Umzug nötig waren. Das Gebäude der Außenstelle befand sich noch im Bau und verschaffte dem Vorhaben somit einen gewissen Zeitpuffer.
 

Die wichtigsten Formalitäten konnten in dieser Zeit geklärt werden und nun stand Sudhir vor dem Flughafen in Delhi und suchte nach dem Auto, das seine Firma für ihn gemietet hatte, damit er zu seinem Zielort – dem Dorf Nagiranpur – fahren konnte. Nach beinahe einer halben Stunde fand er ihn schließlich, wies sich dem Fahrer aus und verstaute anschließend sein Gepäck im Kofferraum.
 

Nachdem Sudhir sich gut zwei Stunden durch den zähen Verkehr in Delhis Innenstadt gequält und schließlich endlich die Vororte erreicht hatte, atmete er tief durch. Dieser unerträgliche Lärm, die Abgase, die Millionen von Menschen und das Chaos waren zu viel für ihn. Auch wenn er in diesem Land geboren wurden war und er einen Großteil seiner Kindheit hier verbracht hatte, fühlte er sich doch so fremd wie ein Ausländer, der zum ersten Mal in Indien war.

Ja, er sprach die Sprache und er sah aus wie alle anderen hier, doch sein Herz war beinahe durch und durch amerikanisch.

Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung stiegen in ihm auf. Hatte er sich tatsächlich alles ganz genau überlegt? War es nicht zu leichtsinnig, einfach so sein Leben umzukrempeln, ohne vorher penibelst genau alle möglichen Folgen abgewägt zu haben?

Er schüttelte kurz den Kopf. Diese Zweifel kamen zu spät. Er hatte sich entschieden und er würde die ganze Sache nun auch durchziehen.
 

Nachdem er bald von seinem Jetlag überwältigt wurden war und sich eine ordentliche Ruhepause in einem kleinen Hotel genehmigt hatte, trat er schließlich am nächsten Tag den letzten Teil seiner Reise an. Dank des Navigationsgerätes in seinem Auto fand er den Weg schnell und ohne Probleme.

Nagiranpur war nur ein kleines Dorf mit ein paar Hundert Einwohnern, doch es hatte eine günstige Lage und war somit als Standort auserkoren wurden. In dem extra errichteten Bürogebäude sollte speziell für Sudhir ein kleines Appartement eingerichtet werden, damit für ihn keine Probleme bei der Wohnungssuche entstehen konnten. Alle weiteren Mitarbeiter kamen aus der Umgebung und mussten daher diesbezüglich nicht versorgt werden.
 

Schon von Weitem sah Sudhir die Umrisse des Bürogebäudes am Horizont. Als er jedoch näher kam und immer mehr erkannte, verschlug es ihm die Sprache.

Von dem fünfstöckigen Bürogebäude, das eigentlich vor zwei Wochen hätte fertig sein sollen, standen gerade einmal die Mauern von zweieinhalb Etagen. Sudhir fiel bei diesem Anblick die Kinnlade herunter. Eilig parkte er seinen Wagen, stieg aus und steuerte schnurstracks auf die kleine Gruppe von Bauarbeiter zu, die vor dem halbfertigen Gebäude saßen und gerade Mittagspause zu machen schienen.

„Wer von Ihnen ist hier der Bauleiter?“, wollte er ohne jede Begrüßung wissen. Die Männer musterten ihn argwöhnisch und zeigten nur auf einen Baucontainer, der etwa 50 Meter links von ihnen stand, bevor sie sich wieder ihrer Unterhaltung widmeten und Sudhir keines Blickes mehr würdigten.

Kopfschüttelnd wandte er sich von ihnen ab und ging auf den Container zu. Nach einem kurzen Klopfen an der angelehnten Blechtür, trat er ohne auf eine Antwort zu warten ein. Drinnen kam ihm zuerst eine gewaltige Wolke Zigarettenrauches entgegen, bevor er den Mann entdeckte, der wohl der Bauleiter zu sein schien. Dieser saß hinter einem provisorischen Schreibtisch, hielt eine qualmende Zigarette in der Hand und war in einen Bauplan vertieft.

„Sind Sie hier der Bauleiter?“, wollte Sudhir erneut wissen. Der Mann blickte auf und schaute ihn an, als ob er seine Anwesenheit gerade eben erst bemerkt hätte. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und erwiderte lässig: „Ja, allerdings. Madan Chopra mera naam hai. Und Sie sind...?“ „Sudhir Chaudhary. Normalerweise sollte ich in drei Tagen anfangen, in diesem Gebäude dort zu arbeiten.“, gab Sudhir schnippisch zurück und machte eine grobe Handbewegung in die Richtung, wo sich das halbfertige Bürogebäude befand. „Aber so wie ich das sehe, müsste wohl ein Wunder geschehen, damit das passiert...“

Chopra lachte auf. „Jetzt regen Sie sich mal nicht so auf. Es gab da ein paar Probleme mit den Lieferanten, aber mittlerweile liegen wir wieder im Zeitplan...“ „Im Zeitplan?!“, unterbrach Sudhir ihn aufgebracht. „Wenn Sie im Zeitplan liegen würden, wäre das Gebäude bereits...“ „Ganz ruhig, Yaar. Sie kriegen Ihre Kohle doch so oder so. Warum regen Sie sich so auf?“, erwiderte Chopra gelassen und drückte seine Zigarette aus. Anschließend stand er auf, legte seine Hand auf Sudhirs Rücken und schob ihn vor sich her aus dem Container ins Freie. Mit einer ausladenden Geste zeigte er auf das Gebäude. „Geben Sie uns noch einen guten Monat und das gute Stück ist fertig.“

Chopras Gelassenheit war Sudhir unerklärlich. Und plötzlich fiel ihm etwas ein: „Weiß meine Firma davon? Von diesen Lieferproblemen und dieser `kleinen´ Zeitplanverschiebung?“ Chopra schaute ihn nur abschätzig an. „Wieso sollte sie? Solche Lappalien sind doch keine Meldung wert. Die Probleme sind gelöst und der Bau ist bald beendet. Kein Grund zur Aufregung also.“ Sudhir wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Das war sie also, die indische Gelassenheit – frei nach dem Motto: `Komm ich heut nicht, komm ich morgen.´

„Und was ist mit den anderen Angestellten? Wissen die...“, wollte Sudhir wissen, doch Chopra fiel ihm ins Wort. „Die wohnen doch alle hier in der Nähe. Klar wissen die Bescheid.“ Er holte seine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und bot Sudhir eine an. Als dieser ablehnte, nahm er sich selbst eine, zündete sie an und fragte, nachdem er einen tiefen Zug genommen hatte: „Sonst noch irgendwelche Fragen?“

Sudhir schüttelte resigniert den Kopf und machte sich nach einer kurzen Verabschiedung zurück zu seinem Wagen. Er ließ sich auf den Fahrersitz fallen und atmete tief durch. Sein kleines `Abenteuer´ fing ja schon hervorragend an. Er sollte nun tatsächlich einen Monat lang herumgammeln?

In diesem Moment fiel ihm auf, dass er in dieser Zeit gar keinen Platz zum Wohnen geschweige denn zum Schlafen hatte. Er erinnerte sich allerdings daran, dass er – als er sich im Voraus ein wenig über Nagiranpur informiert hatte – gelesen hatte, dass es ein kleines Gasthaus in der Mitte des Dorfes gab. Da er keine andere Wahl hatte, beschloss er, erst einmal dort nach einem Zimmer zu fragen, um wenigstens provisorisch einen Herberge zu haben.

Resigniert startete er den Wagen und machte sich auf die Suche nach dem Gasthaus.
 

Anm.: Nagiranpur ist ein fiktives Dorf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Brigitte
2017-09-08T22:24:08+00:00 09.09.2017 00:24
Hallo, ich lese deine ff jetzt das zweite Mal, weil sie mir so gut gefallen. LG
Von: abgemeldet
2010-06-24T12:50:09+00:00 24.06.2010 14:50
Diese Fanfic ist echt wunderschön.
Mir gefällt besonders das ganze Setting sehr gut - und natürlich die Charas.
Ich kann das nächste Kapitel kaum erwarten^^


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