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Genesung

von

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Erwachen

Das erste, was sie sah, als sie aufwachte, war ein glitzernder roter Schleier in ihrem Sichtfeld.

Megumi blinzelte die Orientierungslosigkeit weg und erkannte, dass das, was sie sah, Ken-sans Haare waren und dass sie auf dem Boden in seinem Zimmer lag. In dem Moment kamen ihre Erinnerungen plötzlich wieder und sie setzte sich schnell auf, wobei ihre Hand zu ihrer Kehle flog. Sie war beruhigt, als sie sah, dass das Blut, das an ihren Fingerspitzen kleben geblieben war, getrocknet und nicht frisch war. Was sie am Nachmittag erlebt hatte, hatte sie zutiefst erschüttert und zum ersten Mal seit Jahren fürchtete sich Takani Megumi allein.

Sie würde diese Angst aber natürlich nie jemand anderem gegenüber zugeben. Ihre Fassung mochte erschüttert worden sein, aber ihr Stolz war noch ganz. Sie würde sich beschäftigt halten, ihre Gedanken ablenken und dann würde sie keine Angst mehr haben. Sie war hier im Shirobeko sicher, das wusste sie. Okina war immer in der Nähe und heute war Kurojou damit an der Reihe, hier Wache zu halten, statt zum Aoiya zu gehen. Und Sanosuke sollte in der Zwischenzeit zurück sein, vermutete sie. Dem Stand der Sonne nach war es wahrscheinlich später Nachmittag.

Megumi ging nach unten in die Küche, wo Sae und ihre Angestellten damit beschäftigt waren, das Abendessen vorzubereiten.

„Megumi-sensei“, strahlte Sae und lächelte sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Brauchen Sie etwas?“

„Nein danke. Ich habe mich gefragt, ob Sanosuke zurückgekommen ist.“

„Nein. Wir haben ihn nicht gesehen.“

„Ah, in Ordnung.“ Sie runzelte etwas die Stirn und ging nach oben in Ken-sans Zimmer zurück. Der Idiot nahm sich wahrscheinlich auf seinem Weg zurück Zeit um sicherzugehen, dass ihm niemand folgte. Es ergab keinen Sinn, sich zu viel Sorgen zu machen. Sie würde sich schon beschäftigen bis er mit Neuigkeiten zurückkam.

Sie ging zu ihren Taschen und nahm eine kleine Kiste, die mit verschiedenen ihrer winzigen Werkzeuge gefüllt war. Sie wählte ein kleines, schmales Messer, das sie benutzen wollte, um einige von Ken-sans Fäden zu ziehen. Der Kampf war eine Woche her. Zeit dass einige der Fäden an seinen kleineren Wunden herauskamen.

Sie entfernte zuerst die an seinem Hals. Dabei drehte sie vorsichtig sein Gesicht von ihr weg, als sie die Fäden einen nach dem anderen durchtrennte und sie langsam herauszog. Sie hielt inne als er sich bewegte und seine Kiefer kurz anspannte. Aber dann war er wieder ruhig und sie konnte alle an beiden Seiten entfernen, ohne ihn zu wecken. Dann kamen die an seiner Brust dran und schließlich die an seiner rechten Hüfte, wo er die Wunde wie Sanosuke berichtet hatte durch Shinomori bekommen hatte. Bei dem Gedanken an Shinomori Aoshi machte sie ein finsteres Gesicht. Ken-san hatte immer gemeint, dass etwas Gutes in dem Mann stecken würde, aber Megumi konnte das nicht glauben. Zu viele bittere Erinnerungen wurden von diesem Gedanken hervorgerufen, also zwang sie sich nicht an die Tage zu denken, als sie eine Gefangene Kanryus gewesen war, zwang sich konzentriert bei ihrer Arbeit zu bleiben.

Sie war ganz in ihre Arbeit vertieft und bekam von der Welt nichts mit, als eine leise, vertraute Stimme die Stille durchbrach.

„Megumi-dono.“

Sie schrie beim unerwarteten Klang der Stimme des Rurouni auf eine sehr un-Megumi-hafte Weise auf und schnitt sich beinahe mit dem kleinen Messer.

„Ken-san! Du bist wach!“ bemerkte sie scharfsinnig. Sie legte das Messer zur Seite und wandte sich um, wo sie von vertrauten, violetten Augen betrachtet wurde, die nun frei von dem Delirium waren, das sie seit der letzten Woche getrübt hatte. Sein Blick war immer noch verschleiert von Schwäche und Schmerzen, aber es war zumindest Verstand in ihnen. Megumi konnte sehen, dass zum ersten Mal seit seinem Kampf, die Gedanken des Schwertkämpfers klar waren.

„Wach, ja.“ Seine Worte waren heiser und kaum lauter als ein Flüstern, aber sie waren trotzdem das wundervollste Geräusch, das sie seit langem gehört hatte. Himura Kenshin war endlich zu ihnen zurückgekehrt.

„Willkommen zurück, Ken-san“, sagte sie mit brüchiger Stimme. „Wir haben dich vermisst.“

Kenshin versuchte angestrengt seinen Blick nicht verschwimmen zu lassen, sah sich schläfrig in dem ihm unbekannten Raum um und bemühte sich, sich zu sammeln. Seine Augen weiteten sich plötzlich, als ihm eine dringende Erinnerung kam. Mit sorgenvoller Stimme begann er: „Sind alle... Die Juppongatana...“

„Wurde völlig besiegt, Ken-san“, berichtete sie ihm. Sie hatte gewusst, dass das zu den ersten Fragen gehören würde, die er stellte. „Unseren Freunden geht es allen gut. Alle aus dem Aoiya sind in Sicherheit.“

Sie konnte sehen, dass er das Schlimmste angenommen hatte und nun erleichtert war, dass sie ihm seine größten Ängste genommen hatte. Seine Lider sanken kurz herab und er entspannte sich etwas, als er sich tiefer in den weichen Futon sinken ließ. „Shishou“, sagte er leise.

Die violetten Augen öffneten sich wieder, langsam, richteten sich auf Megumi als wäre sie sein Anker, etwas, an dem er sich festhalten konnte, da die Welt ein verschwommenes Durcheinander war, das seine müden Sinne zu überwältigen drohte. Megumi kannte das Gefühl gut, wenn auch nicht aus eigener Erfahrung, so doch aus den Erzählungen früherer Patienten. Für einige konnte die Desorientierung nach so einer langen Zeitspanne überwältigend sein.

Sie hatte dieses Szenario wieder und wieder miterlebt, das Erwachen eines Patienten nach langem Schlaf, die Unruhe derer, die verletzt und verwirrt waren, die keine Ahnung hatten, wo sie waren oder was mit ihnen passiert war. Sie hatte schon vor langem die Routine entwickelt, ihnen sofort die dringend benötigten Informationen zu geben, bevor sie auch nur die Möglichkeit hatten, selbst an die Fragen zu denken. Es milderte ihre Verwirrung etwas und machte ihre ersten wachen Momente ein wenig erträglicher. Aus diesem Grund war sie dankbar, dass sie diejenige war, die über Kenshin gewacht hatte, als er zu sich kam. Etwas Professionalität in dieser Situation war in ihren Augen eine gute Sache.

Und so fasste sie, trotz ihres Drangs Ken-san zu umarmen und an sich zu drücken (was ihn wahrscheinlich zu Tode erschreckt hätte), statt dessen schnell die Ereignisse der vergangenen Woche zusammen und beteuerte immer wieder, dass es allen gut ging. Sie erzählte ihm wie er von Sano und Aoshi zum Aoiya gebracht worden war und wie sie es dann zum Shirobeko geschafft hatten, da das Aoiya zerstört worden war. Sie ließ jedoch die Details der Kämpfe ihrer Freunde unerwähnt. Davon sollten Kaoru und Yahiko erzählen. Sie hatten es sich verdient.

„Du wärst stolz auf alle, Ken-san. Sie haben sich in dieser Nacht gut geschlagen. Ich fürchte sie haben Hiko-san nicht mehr viel zu tun übrig gelassen.“

Er blinzelte ein paar Mal, nachdem sie fertig gesprochen hatte und versuchte trotz seiner Müdigkeit alles zu verarbeiten, was sie ihm erzählt hatte. Mit bloßer Willenskraft hielt er seine Augen offen während er die Informationen hungrig in sich aufsog, die sie zu geben hatte, entschlossen alle Neuigkeiten zu hören.

Und weil sie wusste, dass er zu sehr auf ihre Gefühle Rücksicht nehmen würde um etwas zu fragen, von dem er wusste, dass Megumi empfindlich darauf reagieren würde, fügte sie selbst hinzu: „Kaoru geht es gut, wie du dich sicher fragst Ken-san. Sie hat sich natürlich um dich große Sorgen gemacht, doch sie ist in Ordnung. Sie hat dich jeden Tag besucht. Sie wäre überhaupt nicht von deiner Seite gewichen, wenn nicht Sanosuke und die anderen sie überzeugt hätten, ein bisschen raus zu kommen und ihnen beim Aoiya zu helfen.“

„Danke, Megumi-dono“, sagte er schließlich und begann wieder einzuschlafen. Dann weiteten sich seine Augen aber etwas als er an etwas anderes dachte. „Megumi-dono?“

Sie beugte sich dichter zu ihm, um ihn besser hören zu können. „Ja, Ken-san?“

„Ihr müsst müde sein. Hattet Ihr Gelegenheit etwas auszuruhen?“

Er konnte sie immer noch überraschen. All die Patienten um die sie sich in all den Jahren als Ärzten gekümmert hatte... Und Ken-san wachte aus einem Albtraum auf und dachte nur an ihr Wohlergehen statt an seines.

„Ja, ich habe mich ausgeruht“, flüsterte sie. „Es geht mir sehr gut.“

(Jetzt da du zurück bist, fügte sie im Stillen hinzu.)

„Kann ich dir etwas bringen? Hast du schlimme Schmerzen?“ fragte sie mit ihrer fröhlichsten Stimme und versuchte nicht ihre Gefühle durchscheinen zu lassen oder ihn den Sturm in ihren Gedanken sehen zu lassen.

„Nein“, antwortete er. Aber er hatte gezögert. Sie wusste, dass er log.

Megumi füllte eine Tasse mit warmem Wasser und rührte eine kleine Menge zerdrückter seiyo-otogiriso hinein. Kenshins Augen waren geschlossen als sie die Tasse zu ihm brachte, aber er wachte sofort auf eine sachte Berührung hin. Sie schaffte es den Arm unter seinen Rücken zu bekommen und ihn in eine halb sitzende Position zu bringen. Sein Kopf lehnte an ihrer Schulter.

„Da ist Blut an Eurem Hals“, bemerkte er besorgt.

Sie wäre fast erstarrt. Fast.

Megumi erholte sich schnell und war erleichtert, dass Ken-san zu müde war um ihren Schrecken zu bemerken. Sie hatte ihm nicht erzählt was heute beunruhigendes passiert war. Sie wollte auf keinen Fall ausgerechnet jetzt seinen Frieden stören.

„Blut? Ich fürchte, es ist deines, Ken-san“, log sie mühelos. „Jetzt trink das alles aus. Es wird dir etwas von den Schmerzen nehmen und dir helfen zu schlafen.“ Sie lächelte auf ihn herab. „Glaube es oder nicht, aber die Welt braucht dich zur Abwechslung einmal nicht. Sie kommt ganz gut allein zurecht. Also kannst du es zumindest für eine Weile ruhig angehen lassen, nicht?“

Seine Augen drohten sich wieder zu schließen, aber er wehrte sich. „Sessha würde gerne alle sehen“, sagte er schwach. „Kaoru... Yahiko...“

„Und Okina und Misao und Sanosuke“, schloss sie für ihn mit immer noch fröhlichem Tonfall. „Und das wirst du. Später. Sie sind jetzt gerade sowieso beim Aoiya und werden nicht so bald zurückkommen. Ruh' dich aus, Ken-san, dann hast du mehr Kraft, wenn sie ankommen. Hör bei dieser Sache auf den Arzt. Megumi-dono weiß Bescheid.“ Sie ließ dem Singsang der Füchsin etwas ernster folgen: „Ich verspreche, ich werde dich wecken, wenn sie kommen.“

Er schaffte es zu lächeln und nickte schwach als sie ihn wieder zurück sinken ließ.

Und dann schlief er ein und ließ sie allein und zittrig zurück, ohne dass sie wusste, warum sie sich so fühlte.

Megumi rückte Ken-sans Decken zurecht und strich ihm lange rote Haarsträhnen aus dem bleichen Gesicht. Sie saß für einen Moment da und sah ihm beim Schlafen zu, dann stand sie langsam auf, steif und müde von den Anstrengungen des Tages. Sie legte die Arme um sich selbst und zitterte etwas als sie aus dem Fenster über die Dächer in Richtung des Aoiya blickte, das zu weit weg war um von ihr gesehen zu werden. So viele Freunde waren dort im Aoiya und alle lagen Ken-san so sehr am Herzen...

Besonders Kaoru. Immer Kaoru.

„Benimm dich nicht wie ein Baby, Takani Megumi“, sagte sie zu sich selbst und kämpfte gegen die vertraute Eifersucht an, die sie immer spürte, wenn sie an das Mädchen dachte. Megumi, nicht Kaoru, war diejenige gewesen, die Ken-san in seinen ersten wachen Momenten begrüßt hatte. Und sie war ihm eine Hilfe gewesen. Er war mit einem Lächeln wieder eingeschlafen. Diese Erinnerung war ein Schatz für sie, einer den sie wegschließen und nahe bei ihrem Herzen aufbewahren konnte. Es war ein schwacher Trost, da sie wusste, dass die Zeit, die sie allein mit dem Rurouni verbracht hatte, zu ihrem Ende kam, nun da er sich wieder erholte, und dass es die einzigen Gelegenheiten waren, die sie je haben würde, allein mit ihm zu sein. Bald würde er wieder Kaoru gehören und nur Kaoru.

Aber das spielte keine Rolle, nicht wahr? Ken-san ging es besser. Sein Wohlbefinden war das einzige was wirklich eine Rolle spielte.

„Na dann“, sagte sie mit seltsamer Melancholie zu sich selbst. Sie lehnte sich an das Fenstersims und spielte abwesend mit einigen Haarsträhnen.

Ihre Gedanken wanderten zu einem gewissen Straßenkämpfer mit fragwürdigen Manieren, von dem sie hoffte, dass er nach seiner einsamen Reise zurück zu den anderen in Sicherheit war. Ihre Augenbrauen hoben sich bei dieser überraschenden Selbsterkenntnis. Sie sorgte sich um den Typ, das war klar, so wie sie sich um alle ihre Freunde sorgte. Aber sie war sich nicht bewusst gewesen, dass der Gockelkopf so einen hohen Rang in ihren Gedanken einnahm. Er war bestenfalls ein nervtötender Schurke und schlimmstenfalls geradezu ein Bastard. Idiot. Er sollte natürlich einen Umweg zurück nehmen, aber es hätte nicht so lange dauern sollen. Sie hoffte, dass er auf dem Rückweg nicht in noch mehr Ärger geraten war. Hoffte, dass er nicht tot in einem Straßengraben lag.

Megumi schüttelte den Kopf und scheuchte die düsteren Gedanken fort. Kaoru und Yahiko würden nie alles so schwarz sehen. Noch würden ihre neuen Bekanntschaften Okina und dieses verrückte Wieselmädchen Misao das tun. Sie sahen das Leben alle so idealistisch. Es war ein Optimismus, von dem Megumi geglaubt hatte, dass er ihr vor langer Zeit verloren gegangen war und den sie nun erst langsam wiederentdeckte, eine Hoffnung, so winzig und zart wie ein kleiner Vogel. Aber diese Hoffnung war da, egal wie schlecht die Chancen standen, bereit entfacht und gefördert zu werden dank dieser neuen Freunde, die sie durch Ken-san getroffen hatte.

Als wären ihre Gedanken das Stichwort gewesen, öffnete sich ein Stockwerk tiefer die Eingangstür und Megumi hörte Sanosukes Schritte als er die Treppe hinaufsprintete und zwei Stufen auf einmal nahm. Erleichterung (und eine Spur Ärger über die Lautstärke seiner Ankunft) durchflutete sie als er energiegeladen und aufgeregt wie immer den Raum betrat. Sie freute sich ihn zu sehen. Aber um nichts auf der Welt würde sie ihn das wissen lassen. Sie schaffte es nicht wie ein Idiot zu grinsen und hob statt dessen eine Augenbraue mit fröhlicher Verachtung.

„Und? Was hat so lange gedauert?“ fragte sie.

Er lehnte sich an die Wand und zögerte bevor er antwortete: „Ich hab' mich verlaufen.“

Es war das letzte, was sie erwartet hatte. Und dabei hätte es das erste sein sollen.

Megumi lachte und lachte.

Sanosuke verzog das Gesicht und seine Wangen färbten sich rot. Er wollte gerade etwas Unhöfliches erwidern, da war sie sich sicher, als er plötzlich innehielt.

„He, da ist Blut an deinem Hals!“

Sie blinzelte. „Ken-san hat das selbe gesagt.“

„Was?“ sagte er und warf dem schlafenden Rurouni einen schnellen Blick zu.

„Ich habe ihm aber nicht gesagt, was passiert ist. Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen macht.“

„Verdammt! Er war wach und ich habe es verpasst?“ Sanosukes Züge verzogen sich kurz zu einem knopfäugigen, bösen Gesicht, wurden dann aber wieder nachdenklich. Megumi starrte ihn mit wissenschaftlicher Faszination darüber, wie schnell der junge Mann Gesichtsausdrücke wechseln konnte, an. „Was hat er noch gesagt?“

„Er hat gefragt, wie es allen geht“, sagte sie.

„Heh, das ist keine Überraschung.“

„Nein, das ist es wirklich nicht.“

Megumi sah liebevoll zu der schlafenden Gestalt hinter ihr. Sie dankte den Göttern ständig für den Tag, an dem sie sie Himura Kenshins Weg hatten kreuzen lassen. Er war der freundlichste, sanfteste Mensch, den sie kannte. Er war weiser als seine achtundzwanzig Jahre vermuten lassen würden und besaß eine Anmut, die sowohl physisch als auch spirituell offensichtlich war. Er sah das beste in anderen Menschen. Er war sogar fähig das Gute in Megumi zu sehen als sie in ihrem Leben an einem Tiefpunkt angelangt war, als sie gedacht hatte, alle Ehre verloren zu haben und sich selbst aufgegeben hatte. Ihr Leben war ein Scherbenhaufen gewesen. Aber jetzt baute sie es wieder auf, Stück für Stück, dank Kenhin und diesen liebenswürdigen Menschen, die sie mittlerweile ihre Freunde nannte.

„Füchsin.“

Megumi sah zu dem jungen Straßenkämpfer auf. Sie fand in diesem Moment hatte er keinen Hauch von einem Schurken an sich und ihr Spitzname war ohne den normalerweise neckenden Unterton ausgesprochen worden. Er sah nachdenklich aus. Nun, jedenfalls so nachdenklich wie es ein Idiot konnte.

„Woran denkst du?“ fragte er.

„Ken-san hat sich noch immer als ,sessha' bezeichnet, als unwürdige Person.“ Megumi schüttelte langsam den Kopf. „Er hat gerade ganz Japan gerettet und dabei alles riskiert. Und er hält sich immer noch für unwürdig. Ich habe mich gefragt... Wie kann so jemand, der so deutlich in die Herzen anderer blickt, sich selbst so völlig...“

„Falsch sehen“, beendete Sano den Satz.

„Ja.“

Sanosuke zuckte mit den Schultern und trat zu ihr ans Fenster, wo er den Anblick der Stadt in sich aufnahm. „Ich glaube nicht, dass ich den jemals wirklich verstehe. Echt“, sagte er langsam, seine Stimme ungewöhnlich ruhig. „Ich glaube, das kann niemand, nicht einmal das Fräulein.“

Zwischen den beiden herrschte einen Moment seltsamen Schweigens als sie über die Weite Kyotos blickten.

„Oh, das hätte ich fast vergessen“, sagte Megumi. Sie holte das kleine Messer heraus, das er ihr gegeben hatte und hielt es ihm hin. “Danke hierfür.” Sie fühlte sich etwas verlegen, hätte sie doch nie davon geträumt, dass sie sich einmal bei dem Gockelkopf bedanken würde.

“Behalte es. Es war doch für dich”, sagte er leichthin und blickte wieder in die weite Ferne, nachdem er kurz auf das Ding gesehen hatte. “Du bist die einzige von uns, die keine geübte Kämpferin ist. Ich dachte es wäre sicherer, wenn du es hättest.”

Sie starrte ihn an. Zur Abwechslung fiel ihr überhaupt nichts ein, was sie sagen könnte, also starrte sie ihn einfach an.

Schließlich bemerkte er ihren Blick. Und wie es typisch für ihn war, interpretierte er ihr Schweigen fälschlicherweise als Verachtung.

“Hey, Mensch, wenn du es nicht haben willst, gib es Oumime zurück. Es ist eins von ihren, das sie nicht mehr gebraucht hat”, sagte er und begann genervt zu klingen. “Ich brauche es todsicher nicht. Ich würde mich nie mit so einem mikrigen kleinen Messer blicken lassen.”

Megumi steckte das Messer wieder weg und sagte nichts. Sanosuke sah zu Megumis durchttriebener Zufriedenheit völlig verwirrt aus.

“Idiot”, murmelte sie amüsiert und brachte den jungen Mann noch mehr durcheinander. Sie war sicher, dass ihr eigenes Gesicht nur frohe Gelassenheit zeigte als sie den Blick auf den Horizont Kyotos gerichtet hielt.

Sanosuke sah aus als wolle er noch mehr sagen, dann überlegte er es sich besser und entschied – womit er die weiseste Entscheidung seines Lebens traf – den Mund zu halten. Er zuckte mit gespielter Schicksalsergebenheit die Schultern und lehnte sich an den Fensterrahmen.

Die Sonne ging unter.

Sie sahen es sich schweigend zusammen an.
 

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In Memoriam

Am 27. Januar 2009 starb Charlene Sun, im Internet besser bekannt als HakuBaikou, die Originalautorin dieser FF, bei einem Autounfall.

Möge sie nie vergessen werden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Starwings
2009-11-11T16:44:15+00:00 11.11.2009 17:44
Ich konnte gar nicht anders, als die gesamte Fanfic in einem Rutsch zu lesen. Sowohl der wunderschöne Schreibstil, als auch die gefühlvolle Story haben mich gepackt. Dramatik mit einem Funken Hoffnung... einfach wunderschön. Das kann ich ja lieben. Insbesondere war natürlich mein Interesse geweckt, da das Anime ja nicht erzählt, was in der Zeit passiert.
Ich kann nur wiederholen, wie fasziniert und gefesselt ich von der Geschichte um Kenshin Himura bin und ich hab sogar am Ende des Films "Reflection" geheult.
Ich hab mich auch ganz besonders über diese Fanfic gefreut, weil es so schwer ist vernünftige zu finden, die einen dann auch noch vom ersten Wort an fesseln.
Vielen Dank für die Übersetzung und meinen Respekt an die ursprüngliche Autorin. Eine traurige Fügung des Schicksals, dass unsere Welt so einen wertvollen Schriftsteller verloren hat.

MfG -Starwings-
Von: abgemeldet
2009-10-18T20:21:08+00:00 18.10.2009 22:21
ich mag die FF sehr gerne, inwiefern sie als übersetzung ist kann ich nicht beurteilen, jedoch weiß ich wie schwer übersetzungen sein können, bzw wie schlimm sie sich im deutschen anhören können, aber die ausdrucksform und Wortwahl finde ich sehr schön.

Es ist erschreckend dass die Autorin leider verstorben ist und ich hoffe, dass du ihr werk weiterhin übersetzt, da sie es doch abgeschlossen hatte, oder?

eine ungewöhliche aber eine wunderschöne art des nachrufes


Von: abgemeldet
2009-06-23T18:20:45+00:00 23.06.2009 20:20
Kawaii *quitsch*
Ich liebe deine FF. *In Favo packen*


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