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Schwarzer Drache: Geisterdrache

Schwarzer Drache IV
von

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27. Der Erddrache

Hitomi wusste nicht, wie lange sie schon auf dem Felsen am Randes des Wasserfalls saß, als ihr aufging, dass der Morgen bereits dämmerte und sie hier wie auf den Präsentierteller zu sehen war... Erneut sah sie sich nach einem Ausweg um, konnte aber noch immer keine Möglichkeit entdecken, wie sie den Fels in der reißenden Strömung verlassen konnte. Sie seufzte resigniert. Schwimmen schien die einzige Lösung zu sein...

Dagegen sprach aber nicht nur die reißende Strömung, sondern auch die Tatsache, dass ihre Kleidung noch immer nass und schwer war. Das Kettenhemd mochte sie zwar schon abgeworfen haben, aber sie trug noch immer Lederhosen und hohe Lederstiefel...

"Verdammt..." fluchte sie leise. Selbst wenn sie die Sachen ausziehen würde und es ihr irgendwie gelänge, nicht den Wasserfall hinuntergerissen zu werden und an Land zu schwimmen, so würde sie doch in dieser Wildnis allein in ihrer Unterwäsche und dem dünnen Stoffhemd sowie ohne Stiefel nicht weit kommen...

Ihr Blick glitt über das dichte Gestrüpp an beiden Seiten des Flusses. Dornige Büsche drängten sich eng an das Wasser. Hier und da stand auch ein verkrüppelter Baum, der Fuß auf diesem felsigen, harten Boden hatte fassen können. Schilf wucherte in den kleinen Ausbuchtungen, die der Fluss in das steinige Ufer geschlagen hatte und wo das Wasser deutlich langsamer floss als in der Mitte der Stroms.

"Verdammt!" Diesmal stieß sie den Fluch laut aus. "Ach, Van... Wo bin ich hier nur wieder reingeraten?" Plötzlich schlug ihre vorher verzweifelte Stimmung um. "Ich hasse das!" Unwirsch schlug sie mit der Hand auf den harten Fels unter sich. "Ich hasse das!"

Sie strich sich das nasse Haar aus der Stirn und richtete ihren Blick anklagend auf den Himmel.

"Warum passiert dieser Mist immer nur mir? Warum? Warum, warum, warum? Gibt es nicht genug andere Menschen auf dieser Welt? Warum ich? Warum?"

Sie schlug die Hände vors Gesicht und versuchte ihrer Wut wieder Herr zu werden. Es brachte ja nichts, wenn sie sich weiter aufregte. Das würde sie nicht von diesem Felsen herunter bringen. Es würde sie nur vielleicht zu Dummheiten führen - und sie Kraft kosten. Hitomi seufzte leise. Aber es hatte gut getan, diese Wut rauszulassen. Das Schicksal war aber auch verdammt ungerecht...

"Wer hat je gesagt, dass das Schicksal gerecht ist?" Eine vertraute, diesmal spöttisch klingende Stimme in ihren Gedanken schien sie auszulachen.

"Halt den Mund!" fauchte Hitomi ungehalten. "Wegen dir bin ich doch überhaupt hier! Hilf mir also lieber, anstatt mich zu verspotten..."

Plötzlich raschelte es derart lautstark in dem Gestrüpp an der rechten Uferseite, dass Hitomi dieses Geräusch sogar durch den beständigen Donner des Wasserfalls hören konnte. Sie blickte hinüber und sah, wie sich ein Erddrache am Flussufer niederließ. Diese Unterart der Drachen besaß keine Flügel, sondern war an ein Leben auf dem Boden angepasst. Ihre Gestalt erinnerte stark an übergroße, etwas dickliche Eidechsen.

Seine glatte Haut war dunkelgrün mit hellbraunen Sprenkeln. Er war von gewaltiger Größe, auch wenn er offenkundig noch nicht ganz ausgewachsen war. Aus seinen leuchtenden, gelben Augen musterte er den Fluss so erstaunt, wie es Kleinkinder tun, die zum ersten Mal etwas Neues erblicken. Dabei schlug er unruhig mit seinem langen Schwanz durch das Gestrüpp hinter sich.

Dann planschte er mit einem weiten Satz in das reißende Wasser und blieb direkt neben Hitomis Felsen stehen. Das Wasser brandete mit Urgewalt um die Beine des jungen Drachen, vermochte ihn aber nicht mit- oder gar umzureißen.

Neugierig senkte das Drachenkind seinen Kopf und beschnupperte Hitomi, die ihn ängstlich zusammengekauert betrachtete.

Auch noch ein Drache... Als wenn der Fluss nicht schon reichen würde! stöhnte sie in Gedanken auf.

Als der Erddrache sie vorwitzig mit der Nase anstieß, hatte die junge Frau das Gefühl, dass ihr das Herz stehen bleiben würde - so groß war ihre Angst. Doch der Drache machte keinerlei Anstalten, ihr etwas tun zu wollen. Er war nur neugierig angesichts dieses Geschöpfes, das er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte.

Schließlich ließ er von Hitomi ab, senkte den Kopf und trank aus dem Fluss.

Erleichtert darüber, dass sie nicht vom Regen in die Traufe geraten war, betrachtete Hitomi den jungen Erddrachen näher. Und plötzlich blieb ihr Blick an seiner Schulter hängen, die direkt neben ihr etwas über die Höhe des Felsen hinaus ragte.

Sie hatte eine Idee...

Behutsam stand sie auf und näherte sich langsam dem Rand des Felsen. Dort angekommen streckte sie die Hand aus und berührte vorsichtig die Schulter des Drachen, jederzeit dazu bereit, sich mit einem Satz nach hinten zurückzuziehen. Doch der Drache stieß nur ein leises Grunzen aus und trank in Ruhe weiter. Überrascht stellte Hitomi fest, dass er sich gar nicht an ihr und ihrer Berührung stört. Gleichzeitig merkte sie, dass seine Haut nicht glitschig war, wie sie es unwillkürlich erwartet hatte, sondern weich, warm und trocken.

Hitomi hielt noch einen Moment inne, dann nahm sie all ihren Mut zusammen und kletterte auf den Rücken des Erddrachen. Sie rechnete damit, dass das Tier versuchen würde, sie abzuwerfen, doch das tat es nicht. Wieder störte sich der junge Erddrache nicht an ihr.

Er trank in Ruhe zu Ende und trottete dann aus dem Fluss heraus, um seine Weg - wohin auch immer - fortzusetzen.



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