Kapitel 12
Michimiyas Herz fliegt ihr fast aus dem Brustkorb. Sawamura steht direkt vor ihr, seine ganze Aufmerksamkeit ist gerade nur auf sie gerichtet. Der Blick, der in seinen dunklen Augen steht, ist unglaublich intensiv. Er scheint gerade nichts um sie herum wahr zu nehmen. Was vermutlich ungeschickt ist, immerhin sind sie mitten in einem Spiel. Zudem im Finale … das schießt Michimiya zwar durch den Kopf, aber irgendwie ist das gerade nicht wichtig. Sie weiß, dass sie ihm sagen sollte, dass sie weiterspielen müssen, aber sie bringt kein Wort hervor, schluckt nur.
“Michimiya”, gibt er mit seiner tiefen Stimme hervor, die ihren ganzen Körper zum vibrieren bringt. “Nein, Yui.”
Ihr Vorname … Eine Gänsehaut zieht sich über ihren Körper. So hat er sie noch nie genannt. Die Gänsehaut wird verstärkt, als er seine Hand hebt und seine Fingerspitzen über ihre Wange streichen. Gleich darauf gleitet seine ganze Hand auf ihre Wange. Die andere schließt sich um ihre andere Wange. Sein Blick huscht über ihren, er scheint zu überlegen. Doch dann geschieht das Unerwartete. So schnell, dass sie nicht denken oder sonst noch etwas kann. Er festigt die Berührung seiner Hände an ihren Wangen, zieht sie daran etwas zu sich und senkt seinen Kopf. Sie kann nicht einmal seinen Atem auf ihren Lippen spüren, so schnell geht es. Und schon liegen seine Lippen warm und fest auf ihren. Michimiyas Knie werden weich. Sie ist sich sicher, nur noch auf ihren Beinen zu stehen, weil er ihre Wangen und damit sie hält. Ihre Hände landen an seinen Handgelenken, halten sich fest. Doch da zieht er sich bereits wieder ein Stück zurück.
“Ich weiß nicht ganz, was das hier ist, was es werden kann, Yui, aber ich will es herausfinden. Zusammen mit dir, wenn du magst.”
Sie nickt, während sie zitternd ihren Atem ausstößt.
“Gut. Und da das jetzt endlich geklärt ist, gewinnen wir. Ja?” Sawamura zwinkert ihr zufrieden zu. Ein Lächeln breitet sich auf ihren Zügen aus, während sie nickt.
Erst jetzt vernehmen beide den lauten Pfiff. Nein, die lauten Pfiffe. Sie lösen sich voneinander und sehen zum Schiedsrichter, der wütend wirkt.
“Das hier ist ein offizielles Spiel”, brüllt der Wettkampfleiter, der neben dem Spielfeld steht, in ihre Richtung. “Wenn Sie wollen, können wir gerne abbrechen! Mir wird das hier nämlich zu bunt.”
“Nein, bitte nicht”, erklärt Sawamura und verbeugt sich in seine Richtung. Michimiya tut es ihm schnell gleich.
“Ich musste mir nur über etwas klar werden”, erklärt er. “Ich verspreche, dass das dieses Spiel über nicht mehr vorkommen wird.”
“Das hoffe ich! Das ist ihre letzte Chance.” Wirklich besänftigt wirkt der Wettkampfleiter nicht. “Gut, dann weiter. Eine erneute Unterbrechung werde ich nicht dulden!”
Wieder verbeugen sich Sawamura und Michimiya, warten ab, bis der Wettkampfleiter zurück zu seinem Platz gegangen ist.
“Entschuldigt bitte die Unterbrechung”, richtet Sawamura sogleich auch an ihre Gegner, die beide belustigt abwinken. Anschließend wendet er sich Michimiya zu. “Ich habe nur gesagt, dass es dieses Spiel über nicht mehr vorkommen wird. Wir reden nachher, ja?”
Schnell nickt Michimiya, während sie kein Wort hervor bekommt. Ihre Wangen glühen regelrecht, ihr Gesicht muss hochrot sein. Trotzdem tanzt ihr Herz vor Freude in ihrer Brust. Daichi Sawamura hat sie geküsst! Und er will es, wenn sie ihn denn richtig verstanden hat, wiederholen. Gott, heute ist der schönste Tag ihres bisherigen Lebens!
Kurz darauf wird angepfiffen und das Spiel geht weiter.
Sawamura ist zufrieden. Er fühlt sich viel lockerer und entspannter. Das war gerade genau die richtige Entscheidung. Er kann dem Ganzen aktuell noch keinen Namen geben und es in keine Schublade stecken. Tatsache ist, er mag Michimiya. Er mag sie sehr. Und er ist sich sicher, dass sich daraus mehr entwickeln kann. Und er will ihr und sich selbst eine Chance geben. Aber jetzt, jetzt gilt es, diesen Satz zu gewinnen und anschließend auch den dritten, damit sie dieses ganze Turnier gewinnen. Das ist jetzt erstmal das Wichtige!
~🏐~
Sein Blick liegt auf der Anzeigetafel.
Erster Satz: 25 zu 16 - verloren
Zweiter Satz: 25 zu 22 - verloren
Ein Seufzen entkommt ihm. Er hat es versucht, wirklich.
“Es tut mir so leid”, ertönt neben ihm kläglich.
Sein Blick richtet sich zur Seite und auf Michimiya, die ihn mit wässrigen Augen ansieht. Nicht mehr lange und sie wird vermutlich zu weinen beginnen. Ein Lächeln erscheint auf seinen Zügen und er hebt seine Hand, um ihr mit den Fingerknöcheln sanft über die Wange zu streichen. Zwar hat er nach seiner Aktion besser spielen können, dafür war sie plötzlich gehemmt. Er kann es ihr nicht verdenken.
“Mach dir keinen Kopf, Yui. Klar, es ist schade, dass wir schlussendlich verloren haben, aber ich finde, es gibt wichtigeres, nicht wahr?”
Und schon laufen ihre Wangen wieder rot an, doch ein verstohlenes Lächeln erscheint auf ihren Zügen.
“Na dann, komm mit”, richtet er an sie und hebt ihr seine Hand entgegen. Sie sieht diese mit dunkler werdenden Wangen an, anschließend ihn. Sein Lächeln weicht nicht einen Augenblick und auch ihres wird größer. Und dann legt sie ihre Hand in seine und lässt sich von ihm mitziehen.
Kurz darauf gibt es eine Preisverleihung. Ihre Gegner freuen sich sehr über ihr Preisgeld und Sawamura und Michimiya klatschen Beifall, als der Preis überreicht wird. Zwar hätten sie ihn gerne auch entgegengenommen, aber die beiden anderen haben verdient gewonnen. Da stellt sich der Wettkampfleiter vor sie beide und schüttelt seufzend den Kopf.
“Sie beide haben schon sehr viel besser gespielt die letzten Spiele. Schade, dass es heute nicht so war. Und egal was sie zukünftig machen, falls sie weiter spielen oder irgendeiner anderen Sportart weiter nachgehen wollen, dann empfehle ich, alles was nicht mit dem Spiel zu tun hat, außerhalb des Spielfeldes zu klären.”
Peinlich berührt nicken die beiden Schüler.
“Gut, dann haben Sie mich verstanden. Ansonsten freue ich mich trotzdem, Ihnen beiden den Preis für den zweiten Platz zu überreichen sowie die Urkunde.”
Überrascht sehen Michimiya und Sawamura den Mann an. Für den zweiten Platz gibt es ebenfalls einen Preis? Das war ihnen nicht bewusst.
“D-danke”, stottert Michimiya, als sie den Umschlag gereicht bekommt. Ihr Partner erhält die beiden Urkunden, die ihnen den zweiten Platz bescheinigen.
Als der Wettkampfleiter weiter gelaufen ist, stecken sie ihre Köpfe zusammen und öffnen den Umschlag.
“Oh, ein Gutschein für ein Restaurant”, stellt Michimiya überrascht fest.
“Das ist aber nett.”
Da erklingen laute Stimmen hinter ihnen.
“Das war ja eine Show.” Aihara erscheint neben ihrer Freundin und umarmt diese fest.
“Damit haben wir eindeutig nicht gerechnet.” Auch Sasaki umarmt Michimiya fest, nachdem Aihara von ihr gelassen hat.
“Damit hat so ziemlich sicher niemand gerechnet”, stellt Azumane trocken fest und sieht Sawamura schmunzelnd an.
“Irgendwann vielleicht, aber nicht auf so einer öffentlichen Bühne.” Sugawara klopft seinem besten Freund fest auf die Schulter.
Die Sechs haben von der Zuschauertribüne aus zugesehen, so wie auch die letzten beiden Spieltage.
“Aber egal wie, verloren ist verloren, Daichi.” Sugawara grinst diesen breit an.
Der Angesprochene hebt seinen Kopf, ehe er schmunzelnd seinen Kopf schüttelt.
“Suga, ich habe nicht das Gefühl, verloren zu haben.” Er dreht seinen Kopf zu seiner Partnerin und hebt ihr seine Hand entgegen, während sein Herzschlag einen Takt zunimmt. Ihr scheint es ähnlich zu gehen, wenn er ihre roten Wangen richtig interpretiert. Doch da hebt sie auch ihre Hand und legt sie sanft in seine. Sawamura verschränkt ihre Finger miteinander, ehe er erneut zu Sugawara blickt. “Ich habe eher das Gefühl, dass ich gewonnen habe.”
~🏐~
“Ein Gutschein für ein Restaurant? Immerhin. Na dann, werden zwar kleine Portionen für uns alle, aber warum eigentlich nicht?”
“Oder ihr legt noch drauf, dann muss keiner von uns hungern.”
Sugawaras und Aiharas Blicke liegen auf dem Gutschein, den Michimiya und Sawamura für den zweiten Platz des Wettkampfs erhalten haben.
“Eigentlich hatte ich eher gedacht”, ertönt Sawamuras Stimme und schon zieht er den Gutschein aus Aiharas Händen, “dass wir beide den hier”, er sieht zu Michimiya, deren Wangen durchgehend einen Rotschimmer aufweisen, “nutzen, um unser erstes Date zu haben. Was denkst du?” Am Ende klingt seine Stimme unsicher. Doch Michimiya nickt und ein strahlendes Lächeln breitet sich auf ihren Zügen aus.
“Das fände ich wirklich sehr schön”, antwortet sie leise.
“Ich auch”, erwidert Sawamura, kann seinen Blick fast nicht von ihr wenden.
“Tja, eigentlich finde ich ja, dass es angebracht wäre, eure Trainer zum Essen einzuladen, da wir euch so toll geholfen haben und damit auch zu eurem Erfolg beigetragen haben -”
“Suga, wir haben das Finale verloren. Wo ist da der Erfolg?”, unterbricht Sawamura seinen besten Freund. Der winkt jedoch ab und redet einfach weiter.
“Aber ich muss zugeben, dass ich die Idee von einem ersten Date irgendwie süß finde, daher okay. Geht ihr beide einfach aus.”
“Oh, danke auch”, bemerkt Sawamura trocken.
“Hey, du darfst nicht vergessen, dass du es irgendwo ja uns verdankst, dass das zwischen euch beiden jetzt nach der langen Zeit tatsächlich gefunkt hat”, richtet Sugawara an ihn und deutet zwischen seinem besten Freund und dessen vermutlicher Freundin hinterher, zumindest geht er nach dem Kuss auf dem Spielfeld davon aus, dass die zwei nun ein Paar sind.
“Was soll das denn heißen?”
“Das weißt du selbst.”
“Ähm …” Michimiya sieht zwischen den Freunden fragend hin und her. “Was meinst du damit, Sugawara?”
Der grinst nur breit und zuckt mit den Schultern.
“Vielleicht wird Daichi es dir irgendwann mal verraten, aber ich tue es nicht.”
Ihr Blick richtet sich auf Azumane, dessen Augen sich weiten und der einen Schritt zurück macht.
“I-ich … also i-ich …”
“Auch Asahi wird nichts sagen. Klar, Asahi?” Nun legt Sugawara diesem eine Hand auf die Schulter und sieht ihn ernst an. Das ehemalige Ass blinzelt und nickt schnell.
“Ich … ich sage nichts.”
“Gut so.” Fest drückt Sugawara Azumanes Schulter, ehe er sich nochmal an Sawamura und Michimiya wendet. “Gut, dann machen wir uns mal auf den Heimweg. Und ich bin mir sicher, ihr beide, ihr müsst da noch etwas regeln.”
Sein bester Freund sieht das Mädchen neben sich an, die in dem Augenblick zu ihm aufsieht.
“Was meinst du? Sollen wir noch ein wenig spazieren gehen?” Wieder hält er ihr eine Hand entgegen und erneut breitet sich ein Lächeln auf ihren Zügen aus, während sie sie mit ihrer umfasst.
“Das fände ich wirklich schön.”
