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Prelude of Shadows

Die Team Shadow Chroniken
von

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Amy – Akt 1, Szene 5

7 Jahre vor Team Shadows Gründung

 

Amy beobachtete Tim dabei, wie er seinen letzten Pokéball unsicher in der Hand wog. Oh, kleiner Bruder … hab mehr Vertrauen! Es tat Amy weh, ihn so zu sehen. Sie kämpften nicht häufig gegeneinander, aber obwohl er so viel mehr Energie und Zeit in sein Training und seine Ausbildung investierte, konnte sie an einer Hand abzählen, wie oft er gegen sie gewonnen hatte.

Natürlich bedeutete das nicht viel. Sie war die Ältere, sie hatte mehr Erfahrung, auch wenn ihre Pokémon ungefähr auf demselben Level waren.

„Schlaf nicht ein, Tim“, schalt ihn Catherine plötzlich. Amy zuckte zusammen. Ihre Mutter hatte sich so lange aus dem Kampf herausgehalten, dass sie ganz vergessen hatte, dass sie neben ihnen stand und jede Entscheidung beobachtete und bewertete.

Tim rüttelte sich aus seiner Starre und aktivierte seinen Pokéball. Sein Rokkaiman materialisierte sich in einem Schauer aus roten Funken. Es verschränkte lässig beide Arme.

„Schaufler, los!“, rief Tim.

„Regentanz Mebrana!“, konterte Amy sofort. Tim biss sich auf die Lippe. Regentanz hätte ihm eine Runde mit freiem Schaden erlaubt, aber nun war Rokkaiman bereits damit beschäftigt, sich mit seinen Klauen in die weiche Erde zu buddeln. Mebrana schloss unterdessen die Augen und konzentrierte sich auf seine Attacke. Einige Sekunden geschah nichts.

Plötzlich traf ein Regentropfen Amy auf der Nasenspitze, ein weiterer lief ihre Wange hinunter. Es dauerte nicht lange, bevor ein gewaltiger Schauer über ihnen niederging. Catherine spannte ihren roten Regenschirm auf und blieb trocken, während Amy und Tim innerhalb von Sekunden bis auf die Unterwäsche durchnässt waren.

Amy beobachtete Mebrana von hinten. Sein Regentanz war noch nie so kraftvoll gewesen. Regen peitschte ihr ins Gesicht. Es hatte sogar einen Wind heraufbeschworen. Durch die zusätzliche Feuchtigkeit beflügelt, tänzelte Mebrana von einem Bein zum anderen. „Wasserring!“, rief Amy ihm zu.

Die Erde unter Mebranas Füßen riss auf. Rokkaiman schoss empor und schleuderte Mebrana durch die Luft. Ihr Pokémon prallte unglücklich auf, rollte sich aber ab und beschwor in derselben Bewegung einen Ring aus Regenwasser, der es umschlang und kontinuierlich regenerierte.

„Lehmbrühe, Mebrana, beende es!“

„Nicht so schnell, Schwesterherz! Zeig es ihrem Pokémon mit deinem Knirscher!“

Mebrana hob seine kurzen Ärmchen. Der Regen, der wie eine Flut auf sie alle herabrauschte, sammelte sich in einer gewaltigen Pfütze unter Mebranas Füßen, wo das Wasser sich mit der aufgewühlten Erde von Rokkaimans Schaufler vermengte.

„Warte noch …“ Mebrana schielte zu ihr, hielt das Wasser aber gehorsam zurück. Das Krokopokémon fletschte die Zähne und rannte auf Mebrana zu.

„Warte …“ Rokkaiman war nur noch einen Meter von Mebrana entfernt und setzte zum Sprung an.

„JETZT!“

Mebranas Lehmbrühe traf Rokkaiman aus nächster Nähe und schleuderte das Krokodil mit der angestauten Wucht des Wassers ans andere Ende des Gartens, wo es gegen eine Tanne knallte und von Wasser umspült besiegt liegen blieb.

„Rokkaiman!“ Tim rannte zu seinem Pokémon, aber Catherine packte ihren Sohn an der Schulter und hielt ihn zurück. „Ruf es zurück. So einen schändlichen Kampf hatte ich nicht erwartet.“

Die Hand auf Tims Schulter, die sich in das Fleisch krallte, bewirkte, dass Amy mehrere Schritte auf die beiden zugelaufen war, bevor sie wusste, was sie tat. Sie konnte ihre Stimme kaum unter Kontrolle halten. „Lass ihn los!“

„Oh?“ Catherines Blick bohrte sich in Amys. „Du erteilst mir Befehle, Tochter? Eine Woche ohne tagesfüllendes Training und schon verlierst du das bisschen Disziplin, dass ich dir eingebläut habe. Warte, bis dein Vater wieder in der Stadt ist, dann herrscht hier wieder ein anderer Tonfall.“

„Ist schon gut, Amy …“ Tim senkte den Kopf. „Ich hätte nicht sofort losrennen sollen. Als Trainer ist es meine Aufgabe, mich zuerst von dir zu verabschieden und dir meinen Respekt zu zollen.“

„Unsinn.“ Amys Kehle war so trocken wie noch nie, aber ihre Angst um Tim überschattete ihre eigene Angst vor ihrer Mutter. „Du wolltest nachsehen, ob es deinem Pokémon gut geht. Das würde jeder Trainer verstehen und genauso machen.“

„Du weißt scheinbar sehr viel über Traineretikette.“ Catherines Stimme war eiskalt. „Aber Tim hat wie immer Recht. Er war zu überstürzt, genauso wie in diesem Kampf. Aber darüber unterhalten wir uns später. Euer Vater kommt.“

„Da habe ich wohl nur noch das Ende mitbekommen“, sagte Harold, der durch den langsam abflauenden Regen zu ihnen gestapft kam. „Es sah sehr spannend aus.“ Der Schlamm quatschte um seine Schuhe hoch. Amy entging der angewiderte Blick ihrer Mutter nicht, aber er verschwand im Bruchteil einer Sekunde und wich einem künstlichen Lächeln.

Tims Kopf hing beschämt herab. Amy überbrückte schnell die Distanz zu ihm. Am liebsten hätte sie ihren Bruder in den Arm genommen und ihm gesagt, dass Catherines Worte Unsinn waren, dass er sich nicht dafür rechtfertigen musste, Gefühle für seine Pokémon zu haben. Aber sie konnte nichts davon sagen, ohne ihren Papa stutzig zu machen. Stattdessen wuschelte sie ihm durchs pitschnasse Haar. „Kopf hoch, das nächste Mal besiegst du mich bestimmt. Es war echt knapp dieses Mal!“

Catherine presste die Lippen zusammen, sagte aber nichts dazu. Genau wie Amy musste sie an dieser Stelle ihre Zunge hüten. Geschieht ihr Recht.

„Da hat Amy Recht“, sagte ihr Papa und ging zu ihnen, um Tim auf die Schulter zu klopfen. „Niederlagen gehören zum Leben eines Trainers dazu. Das Wichtigste ist, danach Mut zu fassen und sich in den nächsten Kampf zu stürzen.“

„Komm Tim, lass uns hineingehen und dir etwas Trockenes anziehen, danach können wir zusammen mit Amy den Kampf analysieren.“ Catherines Stimme verriet keine Emotionen. Amys Nackenhaare stellen sich auf. Sie hasste es, wenn sie nicht abschätzen konnte, wie wütend ihre Mutter war.

„Das klingt toll!“, sagte sie mit Enthusiasmus. „Lass uns schnell nach Rokkaiman gucken.“

Tim nickte und ließ sich von ihr mitziehen. Mebrana ging eng an ihrer Seite. Amy sah zu dem blauen Pokémon herab. Es strahlte und schlackerte mit seinen kleinen Ärmchen. Amy gluckste und wischte sich schnell ihre Tränen weg. So hätte Quappy wahrscheinlich auch ausgehen, wenn sie seine Entwicklung miterlebt hätte. „Hey, Mebrana.“ Es sah erschrocken zu ihr auf. Amy zwang sich dazu, keine Trauer in ihrem Gesicht zu zeigen. Sie ging vor ihrem Pokémon in die Hocke. „Dein Regentanz war erste Sahne.“

Mebrana begann zu zittern, dann warf es sich in ihre Arme. Amy hielt es fest umklammert, die gummiartige, nasse Haut kühl und vertraut unter ihren Fingern. „Danke, dass du mir vertraut hast“, flüsterte sie.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Lady_Ocean
2022-12-05T03:07:04+00:00 05.12.2022 04:07
Ich bin immer noch etwas verwirrt darüber, dass Tim drei Pokémon in den Kampf geschickt hat, obwohl er zuvor meinte, dass er erst zwei besitzt. Irgendwo muss ich was falsch gelesen haben...

Tim ist sehr fleißig, was das Lernen und Training betrifft. Aber Amy hat das bessere Gespür dafür, welche und wie viele Attacken sie einsetzen kann, um am Ende trotzdem die Oberhand zu behalten. Tim weiß zwar, welche Attacken welche Effekt haben, aber er kann seinen Gegner nicht einschätzen und in seine Strategie mit einbeziehen. Sonst hätte er z. B. berücksichtigt, dass Mebrana Regentanz beherrscht und Schaufler sicherlich auf die nächste Runde verschoben.

Ich bange der folgenden Aussprache mit der Mutter entgegen. Nicht unbedingt der Analyse des Kampfes, denn der Vater ist ja noch da und da wird Catherine sicherlich sachlich bleiben. Aber sobald der wieder in seinem Atelier ist und diese Mutter freie Hand über ihre Kinder hat, wird sich ihre geballte Ladung Frust auf Amy ergießen. Auch wenn die Mutter es nicht zeigt, so vermute ich dennoch, dass sie extrem wütend sein muss. Einerseits, weil es ihr garantiert nicht schmeckt, dass ihre aufmüpfige, widerwillige Schwester ein so viel besseres Gespür für Kampfstrategien hat als der fleißige Tim, andererseits wegen dieses eindeutigen Kontras von gerade eben. Ich denke, wenn es eines gibt, das Catherine abgrundtief hasst, dann sind es Widerworte.
Antwort von:  yazumi-chan
05.12.2022 08:48
Heyho! Ich dachte, ich kläre mal kurz deine Verwirrung, ich bin nämlich nach deinem letzten Kommentar extra nochmal ins Kapitel gegangen und habe nachgelesen. Da steht:

„Mama, wann bekomme ich endlich mein nächstes Pokémon?“, drängelte Tim.

Catherine lachte herzlich. „Geduld, mein Schatz. Deine Schwester hat in deinem Alter erst ihr zweites Pokémon bekommen, du bist ihr also weit voraus.“

Das kann man jetzt natürlich so oder so interpretieren. Mit zwei Pokémon, die er in ihrem Alter schon längst hat, oder sogar drei, aber in beiden Fällen ist er ihr weit voraus :)
Antwort von:  Lady_Ocean
05.12.2022 11:52
Ah, danke, dass du mir die Stelle extra noch mal rausgesucht hast! XD Stimmt, bei der Formulierung ist es eindeutig, dass Tim schon wenigstens drei Pokémon haben muss.
Von:  Kerstin-san
2022-12-04T15:50:28+00:00 04.12.2022 16:50
Hallo,
 
hm, also sehe ich das richtig, dass Tim zwar der fleißigere ist, weil seine und Amys Pokémon auf einem Level sind, er auch das theoretische Wissen besser als seine Schwester aufzusagen scheint aber Amy dafür diejenige ist, die in einem praktischen Kampf einfach das gewisse Etwas hat, dass dafür sorgt, dass sie die meisten Kämpfe gewinnt? Das muss ganz schön frustrierend für Tim sein und ich denke, dass das auch etwas ist, was Catherine bestimmt wurmt, weil nicht ihr gehorsamer Schüler, sondern die widerwillige Schülerin erfolgreicher ist.
 
Ich frage mich gerade, ob Tim eigentlich von Amys und Catherines Abmachung weiß...
 
Gaaah, das Ende hat mir wieder etwas die Tränen in die Augen getrieben. Mebrana ist so herzig ♥
 
Liebe Grüße
Kerstin


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