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Die Sonne scheint für alle

von

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XXXIX.

 

Alciel wartet, bis es hinter der Tür still geworden ist und zählt dann von sechzig rückwärts, bevor er sie öffnet und die Wohnung betritt.

„Mao-sama. Lucifer. Lebt ihr noch?“ ruft er scherzhaft.

Niemand antwortet. Aber er hört allerlei verdächtige Geräusche. Schmunzelnd zieht er sich Schuhe und Jacke wieder aus, räumt alles ordentlich fort und betritt dann den Wohnbereich.

„Huh?“

Er stockt mitten im Schritt und blinzelt ein paar mal heftig. Doch an dem Bild vor seinen Augen ändert sich nicht.

„Nicht in meiner Küche!“ stößt er dann anklagend hervor.

Doch seine beiden Mitbewohner scheren sich nicht um seine Worte. Sie sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

Nachdem sich der erste Schock gelegt hat, sieht Alciel mit einer gewissen morbiden Faszination zu, wie sein König Lucifers Mund regelrecht verschlingt. Der sitzt auf der Küchenanrichte, die Beine fest um Maos Hüften geschlungen und die Finger seines verletzten Arms krallen sich ungeschickt in dessen Rücken, während er mit seiner anderen Hand Maos Horn in festem Griff hält und den Kuss auf diese Art steuert.

Maos leises Grollen und Lucifers lüsternes Keuchen fahren ihm mitten in den Unterleib.

Aber das ist nicht alles. Bei weitem nicht.

Er spürt und sieht Maos vertraute magische Aura – tiefrot, erdrückend, mächtig – und wie seine eigene Magie darauf antwortet und plötzlich ist da ein goldenes Funkeln und es fühlt sich an, als würde ein goldenes Netz ausgeworfen, in dem er sich wie ein Fisch verfängt und verheddert und da ist wieder dieser Sog ...

„Mein“, grollt er und stürzt sich auf sie und plötzlich sind sie

-eins-eins-eins-

und der Iron-Skorpion in ihm erwacht.

 

 

„Mein“, knurrt Mao mit rotglühenden Augen, nicht im Geringsten bereit, seine Beute herzugeben.

„Mein“ grollt Alciel entschlossen zurück. Maos Präsenz ist einschüchternd und ein Großteil von ihm will sich einfach nur vor ihm in den Staub werfen und gehorchen, doch der Iron-Skorpion in ihm schüttelt alles ab, was ihn bisher zurückhielt – Rationalität, Vorsicht, Selbstaufopferung – und bäumt sich angriffslustig auf.

„Mein“, erklärt er noch einmal entschieden und sein gegabelter Schwanz ringelt sich höchst besitzergreifend um Lucifers schmale Hüften. Herausfordernd starrt er seinem König in die Augen.

Der starrt nur unheilvoll zurück.

Ihre Instinkte schreien nach einem guten Kampf um diese Sache ein für allemal zu klären, doch die Verbindung zwischen ihnen ist stärker. Sie fühlen einander so nahe – wie können sie da gegeneinander kämpfen? Diese goldenen, im Takt ihrer Herzen pulsierenden Fäden sind unbarmherzige Fesseln und erinnern sie ständig an diese eine, unumstößliche Tatsache:

Sie sind eins.

„Unser“, entscheidet Mao, während er seine Krallen in Lucifers (noch) jeansverpacktes Hinterteil gräbt und diesen fest an sich presst.

„Unser“, bestätigt Alciel sofort, während er Lucifer am Kinn packt und seinen Kopf zu sich dreht.

„Idioten“, keucht dieser nur gerade noch, bevor Alciel ihn mit einem leidenschaftlichen Kuss für eine sehr, sehr lange Zeit zum Schweigen bringt.

 

 

Fünf Minuten später liegen ihre Klamotten wild verstreut in der Wohnung herum – und vor allem Lucifers tragen eindeutige Krallenspuren – und die Luft um sie herum flirrt und flackert in den Farben rot, grün und golden.

Sie befinden sich mitten im Auge eines Wirbelsturms und können es daher nicht sehen, aber sie fühlen es. Es ist Wärme und Verbundenheit ohne sie dabei ihrer Individualität zu berauben, es ist ein Netz, das sie aneinanderfesselt, aber zugleich auch Halt und Sicherheit verspricht.

Es ist die Wurzel, aus der sich alles andere speist.

Aufjapsend klammert sich Lucifer mit Armen und Beinen an Mao – zwei Meter geballte Muskelkraft und vor magischer Macht nur so strotzend - vor sich fest, während sich Alciel hinter ihm mit einem weiteren kraftvollen Hüftstoß bis zum Anschlag in ihm vergräbt und sich dann mit einem triumphierendem Grollen in seinem Nacken verbeißt. Im letzten Moment erinnert er sich, dass Lucifer kein Iron-Skorpion ist und sein Nacken nicht von Chitin geschützt wird. So hinterläßt er zwar ein paar beeindruckende Zahnabdrücke, aber es fließt kein Blut. Schuldbewusst leckt er über die malträtierte Stelle. Lucifer erschauert wohlig und keucht leise auf.

Mao knurrt nicht weniger selbstzufrieden, stemmt seine Hufe, auf der Suche nach festem Stand, tief in die Tatami-Matten, schlingt seine Arme fester um seine beiden Generäle und verschlingt dieses Keuchen mit einem wilden Kuss. Er spürt Lucifers pochende Männlichkeit an seiner eigenen, steinharten Erregung, er spürt, wie sie bei jedem von Alciels Stößen gegeneinander reiben und dieses wahnsinnig machende Gefühl entschädigt ihn ausreichend dafür, dass er Alciel den Vortritt gelassen hat.

Alciel, genau wie sein König in seiner vollen dämonischen Pracht, aber aus Rücksicht auf den Größenunterschied zwischen ihm und Lucifer noch in seiner menschlichen Größe, läßt sich Zeit, obwohl all seine Instinkte ihm etwas anderes zurufen. Er will das hier genießen, bis zur letzten Sekunde auskosten. Zum ersten Mal in seinem Leben ohne Hast und im vollem Bewusstsein, ist er bestrebt, nur zu geben - so, wie es sein Engel verdient.

Und so treibt er sie alle drei mit quälend bedächtigen, aber dafür umso tieferen Stößen langsam, aber sicher zum ersten Höhepunkt dieses Abends. Seine Krallen hinterlassen tiefe Furchen in Maos mächtigem Bizeps und als Antwort zerfetzen dessen Krallen ihm die Schultern - doch das macht nichts, denn sowohl Maos wie auch seine Wunden heilen sofort.

Lucifers Körper zwischen ihnen glüht wie eine kleine Sonne.

Als sich Alciel besonders kraftvoll in ihn hineinrammt, reißt sich Lucifer plötzlich mit einem heiseren Stöhnen von Maos gierigen Lippen los und dreht den Kopf.

„Alciel...“ Der Klang dieser Stimme jagt Alciel ein heißer Schauder über den Rücken. Nur allzu bereitwillig folgt er dieser Einladung, presst seinen Mund auf Lucifers und taucht tief nach seinem Geschmack. Zuerst schmeckt er nur Mao, aber schnell kristallisiert sich wieder Lucifers süchtig machender Eigengeschmack heraus.

Mit einem dumpfen, besitzergreifenden Aufknurren saugt sich Mao derweil an Lucifers Kehle fest. Der unterbricht seinen Kuss mit Alciel plötzlich, wirft den Kopf nach hinten und schreit seinen Höhepunkt in einer Tonlage hinaus, wie Alciel es noch nie von ihm gehört hat. Mao kommt nur einen Sekundenbruchteil später und dann Alciel.

Und in diesem Moment, wo er sich tief in seinem Engel verewigt, hört er ein Rauschen, spürt, wie weiche Federn seine Wange streifen, doch als er überrascht die Augen aufreißt, sieht er nur aus dem Augenwinkel eine einzige, schwarze Feder einsam und verlassen zu Boden trudeln.

 

 

Nach Atem ringend und angenehm ermattet, liegen sie nebeneinander auf dem Fußboden und versuchen, von ihrem Rausch zurück in die Wirklichkeit zu kommen. Hing vor fünfzehn Minuten noch der Geruch von Kartoffeln, Schweinefleisch und Gemüse in der Luft, wurde dieser schnell von dem herb-bitteren Aroma von Schweiß, Samen und ganz einfach nur Sex verdrängt.

Nasenbeleidigend für jeden Unbeteiligten, aber für sie eine Mischung, die sich wie eine warme, samtweiche Decke um sie legt.

Versonnen spielt Mao – jetzt wieder in seiner menschlichen Form - mit der rabenschwarzen Feder herum, bewundert ihre Biegsamkeit und wie sie, wenn das Licht im richtigen Winkel fällt, in allen Violett-Schattierungen aufschimmert. Wunderschön. Er kann es gar nicht erwarten, diese wunderschönen Schwingen wieder zu sehen.

„Noch nicht genug“, murmelt er nachdenklich. „Aber wieder ein Fortschritt. Wir sind auf dem richtigen Weg.“

Lächelnd steckt er sich die Feder hinters linke Ohr, dreht sich dann zur Seite und beugt sich über den auf den Rücken liegenden und ihn müde anblinzelnden Engel. Zärtlich wischt er ihm eine verirrte Träne aus dem Augenwinkel.

Er hasst es, ihn so leiden zu sehen.

Aber allmählich begreift er, wo das Problem wirklich liegt.

„Du blockierst.“ Langsam lässt er seine Hand dann über Lucifers nackten Oberkörper wandern. Wie roter Nebel fließt seine Magie über die blasse Haut, perlt aber von ihr ab wie Wasser vom Lotus. „Ich kann dir zwar mehr von meiner Magie geben als letztes Mal, aber ab einem gewissen Punkt machst du dicht. Warum sabotierst du dich selbst?“

Lucifers Miene verdüstert sich zusehends.

„Ich sabotiere mich nicht“, knurrt er dumpf. Aber insgeheim weiß er, dass Mao recht hat. Trotzdem...

„Ich will meine Flügel zurück.“

Mao wirft einen hilfesuchenden Blick zu Alciel hinüber, der auf Lucifers anderer Seite liegt und dessen Hand hält.

„Ashiya, hilf mir hier.“

Alciel pustet sich eine blonde Haarsträhne aus den Augen und schenkt seinem König ein kleines Lächeln. In seinen Augen liegt ein glasiger, verklärter Glanz, der Mao verrät, dass er immer noch nicht ganz bei ihnen ist.

Das ist irgendwie niedlich.

„Nur Geduld, Mylord. Es wird sich alles ergeben. Etwas erzwingen zu wollen hat noch nie etwas gebracht.“

Okay, doch nicht ganz so niedlich. Mao schneidet eine gequälte Grimasse.

„Das ist nicht sehr hilfreich, Alciel.“

„Mylord“, kommt es etwas spitz zurück, „ich nehme nicht an, dass Ihr ihn vergewaltigen wollt, oder?“

„Was? Natürlich nicht!

„Dann zeig Geduld, Jakobu.“

Zwischen ihnen seufzt Lucifer langgezogen auf.

„Ihr wißt schon, dass ich hier liege und alles hören kann, was ihr Idioten sagt, oder?“

Mao gluckst leise und gibt ihm einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze, nur, um sich dann an seiner Seite anzukuscheln. Seine Hand ruht dabei genau über Lucifers Herzen. Er mag es, wenn er spürt, wie es pocht. Es erinnert ihn daran, dass er lebt. Dass er da ist. Es ist dieses kräftige, gleichmäßige Pochen, dass ihn als kleinen Goblin vor seinen Alpträumen beschützt hat. Wie konnte er das nur in all den letzten Jahrhunderten vergessen?

Und ehe er es sich versieht, ist sein Kopf seiner Hand gefolgt und bald presst er sein Ohr gegen Lucifers Brust und lauscht hingerissenen dessen Herzschlag, während er sich der Länge nach an ihn schmiegt. Zielstrebig schiebt er einen Arm unter Lucifers Rücken hindurch, während er seinen anderen über ihn schiebt, bis seine Hand auf Alciels Schulter landet.

„Meine beiden Lieblingsgeneräle“, murmelt er glücklich, während er sie beide so gut wie es in dieser Position eben möglich ist, umarmt. „Könnt ihr mir verzeihen, dass ich vergaß, wie wichtig ihr beide für mich seid?“ Er kann hören, wie sich Lucifers Herzschlag sprunghaft beschleunigt und lächelt an dessen Brust. „Vor allem du, Lucifer.“ Von einer vollkommen untypischen Schüchternheit ergriffen, schielt er nach oben in Lucifers Gesicht. „Kannst du diesem dummen Goblin vergeben?“ Und dann platzt all das aus ihm heraus, was er seit diesem unglückseligen Tag tief in seinem Herzen verschlossen hatte – so tief, dass es ihm selbst lange Zeit gar nicht bewusst war. Bis zu jenem Moment, wo Lucifer vor ihm aus dem Fenster floh, und er ihn dann reglos und blutend im Hof liegen sah.

Und selbst dann drang die Erkenntnis nur tröpfchenweise zu ihm durch.

„Als mich die Nachricht ereilte, dass du von Emilias Hand gestorben wärst, konnte und wollte ich es nicht glauben. Anfangs wollte ich dich suchen, wirklich, das musst du mir glauben. Aber wir befanden uns mitten in einer Schlacht. Und kaum war die eine zu Ende, gab es schon die nächste. Und je länger es dauerte, desto weniger wollte ich dich suchen. Ich wollte es nicht sehen. Ich wollte keine Gewißheit haben. Denn so lange konnte ich hoffen. Und dann kämpften wir gegen Emilia und wir waren von den vorherigen Kämpfen noch so erschöpft, also gewannen sie und ihre Freunde schnell die Oberhand. Und plötzlich war da diese Furcht, dass sie, wenn sie mich besiegt hätten, nicht aufhören würden. Als nächstes würde Alciel fallen und das konnte ich nicht zulassen. Also öffnete ich das Tor und floh mit ihm ins Unbekannte. Ich konnte Alciel nicht auch noch verlieren.“

Er bemerkt erst, dass er weint, als ihm Lucifer die Tränen von den Wangen wischt. Und als er dann all die Wärme und Liebe in diesen violetten Augen sieht, stockt ihm schier der Atem.

„Es war meine Schuld“, erklärt da Alciel mit zitternder Stimme und drückt Lucifers Hand so fest, als befürchte er, er könne weggehen und verschwinden. „Ich habe Mao-sama immer geraten, sich ganz auf den Krieg zu konzentrieren. Ich hatte Angst davor, wie er beim Anblick deiner Leiche reagieren würde. Und dann, hier auf der Erde, sprach ich nicht von dir, also sprach er auch nicht von dir. Es erschien mir besser so – immer vorwärts schauen, keinen Blick zurück werfen, nicht daran denken. Aber ich glaube, ich spreche auch in Mao-samas Namen, wenn ich sage: uns brach es das Herz, als wir dich plötzlich wiedersahen. Auf der Seite unseres Feindes, wild entschlossen, uns zu vernichten, so voller Hass, dass du nicht einmal vor der unschuldigen Sasaki Chiho Halt machtest. Sie als Lockvogel zu benutzen, ihr zu schaden, um uns zu schaden, das war deiner nicht würdig. Das warst nicht du.“

„Alciel...“ Lucifer zieht seine Hand aus seinem Griff, aber nur, um auch ihm die Tränen von den Wangen zu wischen. Alciel schnieft einmal laut und vergräbt dann sein Gesicht an Lucifers Schulter.

„Doch, das war ich“, hört er Lucifer sagen, und er kann wieder dieses bitter-süße Lächeln hören, „so war ich schon immer. Bis dahin gab es nur keinen Grund, euch diese Seite von mir zu zeigen.“

Alciel denkt lange darüber nach.

„Wir kennen uns schon so lange und doch waren wir nie offener und ehrlicher zueinander als in den letzten Tagen“, meint er dann mit einem erstaunten Unterton.

Mao gibt ein zustimmendes Brummen von sich und kuschelt sich noch enger an Lucifer. Der wiederum gibt ein amüsiertes Schnaufen von sich.

„Ich sage es gerne immer wieder und mit aller Nachdrücklichkeit: ihr seid Idioten.“

„Hah“, lachend drückt Mao seine beiden Generäle erneut an sich. „Aber du liebst uns trotzdem, nicht wahr?“

 

 



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