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Die Sonne scheint für alle

von

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IXX.

 

Mist!

Da hat er extra noch länger im Internet gesurft – und ja, diesmal hat er tatsächlich nach möglichen Machtquellen recherchiert und ist dabei wieder mal bei irgendwelchen irdischen Göttersagen hängengeblieben (es ist wirklich faszinierend, wie viel Fantasie die Menschen von der Erde haben und das alles ist nur einen Mausklick entfernt!) - und bis Mitternacht gewartet, bis er ganz sicher war, dass die beiden Idioten schlafen, bevor er sich zwischen sie legte, nur, um festzustellen, dass zumindest einer von ihnen nicht so fest schläft, wie er dachte.

„Was wird das, wenn's fertig ist?“ grollt Lucifer und gibt der aufdringlichen Hand, die es sich auf seiner rechten Hüfte bequem macht, einen festen Klaps.

Mao hinter ihm gibt einen leisen Schnaufer von sich, doch anstatt seine Hand von dort fortzunehmen, schlingt er ihm stattdessen nun den ganzen Arm um die Taille und zieht ihn näher zu sich heran.

Lucifer erstarrt innerlich und äußerlich, wenn auch Letzteres nur für eine Sekunde, doch die genügt Mao, um ihm den nächsten Schock zu versetzen.

„Hmmmm...“ Der Ton setzt sich vibrierend über Lucifers Halswirbel fort, als Mao sein Gesicht in seinen empfindlichen Nacken schmiegt.

„Du bist spät. Muss ich dir doch die Internetzeit beschränken?“ Sein Atem ist ein warmer Hauch auf seiner Haut und dringt ihm durch Mark und Bein.

Lucifer unterdrückt ein Schaudern.

„Was tust du da?“ wispert er entsetzt und versucht, mit seiner rechten Hand Maos Unterarm zu umklammern. Doch die Finger seines gebrochenen Arms sind zu schwach, sie hinterlassen höchstens ein paar Kratzer.

Unbeirrt finden Maos Finger ihren Weg unter Lucifers Shirt und wandern nun wie kleine, heiße Flammen über seinen flachen Bauch.

„Du hast dich umgezogen“, murmelt Mao tadelnd und enttäuscht zugleich.

„Hast du was anderes erwartet?“ kommt es herausfordernd zurückgezischt.

„Nein.“ Das Schmunzeln ist deutlich aus Maos Stimme herauszuhören und für einen Moment reibt er seine Nase neckisch an Lucifers Nacken. Dieses Schaudern kann Lucifer diesmal nicht unterdrücken.

Mao grinst heimlich in sich hinein. Er kann Lucifers Angst spüren, und normalerweise würde er ihn sofort in Ruhe lassen, aber das ist nicht nur Furcht. In seinem General und gefallenen Engel ist noch etwas ganz anderes erwacht.

Und wäre er selbst nicht so müde, würde er das jetzt weidlich ausnutzen. So aber knabbert und leckt er nur träge an diesem schönen Nacken herum. Anfangs zuckt Lucifer noch zusammen, aber es dauert nicht lange, bis er sich langsam entspannt. Vielleicht liegt es auch daran, dass Maos Hand nicht weiterwandert und nur locker auf seinem Bauch liegenbleibt.

Ja, Mao gibt es zu: er hat schon immer gerne gekuschelt, konnte sich dies aber früher nicht leisten. Niemand respektiert einen Dämonenkönig, der sich nach körperlicher Nähe sehnt. Außerdem gewöhnt seine rauhe und gefährliche Heimat diese Gefühle schon den Kleinsten schnell ab. So sehr, dass sie zu Kindern werden, die nur mit der Faust zu streicheln wissen und das für völlig normal halten.

Mao kann nicht für die anderen sprechen, aber von sich selbst weiß er, dass es Dinge gibt, die einem Streicheln sehr nahe kommen und die er daher häufig bei sich beobachtete: Alciel eine Hand auf die Schulter zu legen zum Beispiel. Ein übermütiger Ellbogenstoß zwischen Alciels Rippen. Ein kameradschaftliches Schulterklopfen. Oder Lucifer die Hand auf den Kopf zu legen.

Hier in der Menschenwelt, fernab der Heimat und in diesem Menschenkörper (dessen Unzulänglichkeit er dann die Schuld geben kann), kann er sich viel mehr Gefühlsregungen gestatten und davon macht er nur zu gerne Gebrauch.

Jetzt kann er seinen Engel in den Armen halten – und der läßt es sogar zu! Endlich. Es erscheint ihm, als habe er schon seit Ewigkeiten darauf gewartet.

Und nicht nur, dass er ihn hält – genau wie heute im Pavillon durchströmt ihn die Erkenntnis, etwas Atmendes, Lebendiges zu halten und er läßt sich nur zu bereitwillig in dieses warme Gefühl hineinfallen.

Er muss das auch mit Alciel ausprobieren und überprüfen, ob er das bei ihm genauso intensiv empfindet.

Mit sich und der ganzen Welt zufrieden, wickelt er sich fester um Lucifer und gleitet warm und sicher ins Land der Träume hinüber.

 

 

Ich bin nicht dein verdammter Teddybär.

Genervt runzelt Lucifer die Stirn, und zuckt wieder etwas zusammen, als er spürt, wie sich Mao fester gegen seinen Rücken presst und ihm dadurch etwas verdächtig Hartes gegen den Hintern drückt. Sekundenlang schwankt er, ob er sich beschweren soll, aber dann verraten ihm Maos tiefer werdende Atemzüge, dass dieser eingeschlafen ist und er verzichtet darauf.

Mao ist ihm einen Hauch zu aufdringlich, vor allem, weil sie jetzt keine neugierigen Zuschauer bespaßen müssen und es fällt ihm schwer, nicht irgendwelche Hintergedanken bei Mao zu befürchten, wenn dieser sich plötzlich so anschmiegsam ihm gegenüber benimmt. Der Mann ist sehr körperbetont, das sieht man deutlich an der Art, wie Alciel und er miteinander umgehen, aber bisher ist es Lucifer immer gelungen, seine Distanz zu wahren. Bisher.

Er will es nicht. Solange sein Gehirn noch so matschig und träge ist, kann er darüber hinwegsehen, aber wenn das so weitergeht, wird es ihm noch gefallen. So wie heute diese ruhige Stunde im Pavillon.

Aber das kann er sich in seiner Situation einfach nicht leisten! Im Moment ist er völlig wehr- und schutzlos, er ist leichte Beute und es kratzt empfindlich an seinem Stolz, auf die Hilfe und den guten Willen seiner beiden … Freunde angewiesen zu sein. Das letzte, was er jetzt noch gebrauchen kann, ist der Beginn einer emotionalen Abhängigkeit.

Wenn es schon so sehr schmerzte, von den beiden auf dem Schlachtfeld zurückgelassen worden zu sein, mag er sich gar nicht vorstellen, wie es erst schmerzt, wenn er sich wirklich auf die beiden einlässt und wieder etwas in der Art passiert.

Lucifer kennt sich. Wenn das geschieht, wird er sich nicht damit zufriedengeben, sie tödlich zu verletzen, sondern es wirklich ernst meinen. Es wäre nicht das erste Mal, dass das Blut geliebter Personen an seinen Händen klebt. Die ersten tausend Jahre seines Lebens wurden quasi davon bestimmt. Ironischerweise half ihm genau diese dunkle Seite, seinen Posten als höchster Erzengel zu verteidigen. Die restlichen dreitausend Jahre zehrte er von seinem Ruf, unerbittlich zu sein. „Gott“ war so stolz auf ihn und er hasst sie noch heute dafür. Von seiner Geburt bis zu dem Zeitpunkt, wo er den Himmel (und sie!) verließ, hat sie ihn manipuliert und benutzt wie das willige Werkzeug, als welches sie ihn schuf.

Eine leichte Berührung an seiner verletzten Hand schreckt ihn aus seinen dunklen Gedanken.

Er blinzelt und starrt direkt in Alciels lächelndes Gesicht. Das kann er Dank des durchs Fenster scheinenden Mondlichts deutlich erkennen.

Behutsam verschlingt Alciel ihre Finger miteinander.

„Schlaf, Lucifer“, wispert er dabei. „Es wird alles gut.“

Aus irgendeinem Grunde hat Lucifer plötzlich einen dicken Kloß im Hals. Unwillkürlich kommt ihm wieder der Kuss in den Sinn, den sie vor gar nicht mal vier Stunden geteilt haben.

„Gute Nacht, Alciel“, flüstert er mit belegter Stimme.

Dieser lächelt noch ein wenig breiter und drückt sachte seine Finger.

„Gute Nacht, Lucifer.“

 

 

Alciel kann es nicht abstreiten: er ist eifersüchtig. Lucifer in den Armen seines Königs zu sehen, verursacht ihm einen unangenehmen Druck auf der Brust. Es ist nur nicht leicht herauszufinden, an welche Stelle er sich wünscht: würde er gerne wie Lucifer von seinem König gehalten werden oder würde er gerne selber Lucifer halten? Das ist verwirrend.

Und noch verwirrender für ihn ist, dass er überhaupt so fühlt.

Allmählich kommt ihm der Verdacht, dass dies mit Lucifers Magie in Verbindung stehen muss, die so honiggolden und schwer am Grunde seines Magiekerns liegt. Sie hat sich nie mit seiner eigenen vermischt, aber dennoch zehrt er von ihr und manchmal, wenn er die Augen schließt, kann er es sehen: ein zäher, träger Fluss, in den seine eigene Magie ein Geflecht aus Wurzeln geschlagen hat und sich genau wie ein Baum davon nährt. Das hat parasitäre Züge, die er sich weigert zu akzeptieren.

Und seit wann ist Lucifers Magie golden? Sie war bisher immer violett. Die Farbe der Magie ist einzigartig, und so unveränderbar wie die Naturgesetze. Und sie war ganz bestimmt nicht golden, als sie sie ihm stahlen.

Was hat das alles zu bedeuten?

Über all diese Gedanken muss Alciel eingeschlafen sein, denn als er die Augen das nächste Mal öffnet, ist es früher Morgen, dem Stand der Sonne nach kurz vor dem Weckerklingeln und etwas Schweres liegt auf seiner Brust. Seltsamerweise muss er gar nicht hinuntersehen, um zu wissen, worum es sich dabei handelt. Lächelnd legt er seine linke Hand auf Lucifers Kopf und beginnt träge durch dieses violette Haar zu streicheln.

Der Engel liegt auf der Seite und quer auf den zusammengeschobenen Futons, und während er mit Kopf und Schultern auf Alciels Oberkörper ruht, die Finger in Alciels T-Shirt vergraben, hat sich Mao um Lucifers angewinkelte Beine geschlungen und hält seine nackten Waden in einer besitzergreifenden Umarmung gefangen. Maos Gesicht ist nur fünfzig Zentimeter von Alciels Schulter entfernt und er wirkt so ruhig und entspannt wie selten zuvor.

Wie von selbst landet Alciels freie Hand in Maos zerzaustem Haarschopf. Und bis zum Weckerklingeln ist er ein sehr, sehr glücklicher Dämon.

 

 



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