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Immer dienstags

von

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„Dieser Mann macht mich wahnsinnig!“, schimpfte Detektiv Inspector Gregory Lestrade.

Er hatte gerade wütend die Hände auf den Tisch geknallt. Jetzt stützte er sich mit vorgebeugtem Oberkörper auf beiden Händen ab, atmete langsam und tief und versuchte, sich zu beruhigen.

„Bremsen Sie ihn“, sagte er, „bremsen Sie ihn, Doktor Watson, oder ich bringe ihn um!“
 

„Ich werde mein Bestes versuchen“, sagte John Watson, „aber Sie wissen doch, wie er ist.“

Greg seufzte. In der Tat.

Sherlock war brillant, niemand konnte das bestreiten. Er löste Fälle im Handumdrehen, an denen Greg selber verzweifelte, und dabei war er selber doch alles andere als dumm. Doch wo er nur tote Spuren und Dunkelheit sah, genügte Sherlock oftmals ein Blick, um Licht in die Angelegenheit zu bringen.
 

So weit, so hilfreich.

Doch, darüber hinaus war Sherlock eben ein absolut unerträgliches ... Arschloch.

So.

Punkt.

Und so, wie er hier eben gerade Greg beleidigt und seine angebliche Dummheit und Inkompetenz in den schillerndsten Farben geschildert hatte und darüber hinaus mit den eigenen Fähigkeiten angegeben hatte wie eine Lore Affen, wunderte sich Greg, dass man bisher noch nicht den Mord an Sherlock Holmes hatte untersuchen müssen.
 

Im Augenblick fühlte sich Greg, als würde er selber Sherlock abmurksen, wenn es Doktor Watson nicht gelingen sollte, seinen Lebensgefährten ein bisschen zur Raison zu bringen.

Himmel, wie hielt es der so ruhige und freundliche Arzt nur mit Mr. Sherlock Holmes aus?
 

„Ich meine das ernst, Doktor“, sagte Greg. „Wenn es jemand hinkriegt, dass dieser Kerl sich halbwegs menschlich aufführt, dann Sie. Und wenn er mich noch einmal beleidigt, kann er froh ein, wenn er den Tag überlebt, und mit nichts schlimmerem davon kommt, als dem Entzug sämtlicher Fälle und dem Verzicht auf seine Mitarbeit für mindestens die nächsten drei Jahre!“

„Ich werde ihn mir vornehmen“, sagte John Watson, „den glauben Sie mir, Detektive Inspector, das würde ihn innerhalb der kürzesten Zeit soweit bringen, dass vermutlich ich derjenige bin, der ihn umbringt.“

Watson seufzte.
 

„Schon klar“, sagte Greg, der langsam wieder etwas klarer denken konnte. „Wundert mich sowieso, dass Sie ihn noch nicht erschossen haben. Oder am Dachsparren von 221B Baker Street aufgehängt haben.“

„Nun, was das betrifft“, sagte John, „lasse ich wohl besser Mrs. Hudson den Vortritt. Obwohl die ihn vermutlich eher mit der Bratpfanne erschlägt.“

Sie lachten.
 

„Ob dieses Verhalten wohl in der Familie liegt?“, fragte Greg und sah Dr. Watson neugierig an.

Der kicherte.

„Vielleicht sollten Sie mal seinen Bruder kennen lernen!“

Greg runzelte die Stirn.

„Sherlock hat einen Bruder? Er erzählt nie von seiner Familie.“

„Ja, hat er“, sagte Watson, „und der ist in gewisser Hinsicht noch schlimmer.“
 

„Schlimmer als der da?!“, fragte Greg und schnaubte.

„Oh, verstehen Sie das nicht falsch“, sagte Watson. „Mycroft Holmes ist so ganz anders.“

„Mycroft“, kicherte Greg. „Mit Namen wie Peter, Paul und Mary hat es die Familie wohl nicht so.“

„Nicht wirklich“, sagte Watson. „Sherlock hat mir mal in einen Anfall von... nun er hat mir mal verraten, dass sein Bruder Mycroft Julius Cesar Holmes heißt. Ich glaube das erklärt eine ganze Menge.“

Wieder lachten sie beide.
 

„Nun, jedenfalls“, sagte Watson, „Mycroft Holmes ist höflich und zurückhaltend und eiskalt. Und während er dir vordergründig sein gefrierendes Lächeln schenkt, rammt er dir hinterrücks einen feingeschliffenen Dolch zwischen die Spinalwirbel.“

Greg schauderte.

„Na, wie es aussieht, werde ich mich also nicht gerade um die Bekanntschaft des Herren Imperators reißen.“
 

„Nun gut“, sagte Watson. „Ich glaube, ich sollte mich mal aufmachen, meine hauseigene Nervensäge aufzusammeln, bevor er noch Donovan und Anderson zu einem Mordkomplott inspiriert und dafür sorgen, dass er am Stück mit mir in der Baker Street ankommt.“

Er streckte sich.

„Tun Sie das“, sagte Greg, „Bringen Sie ihn heile hier weg. Immerhin hat er ja trotz allem mal wieder meinen Fall gelöst. Aber sagen Sie ihm nicht, dass ich ihm dankbar bin. Wir wollen ihn ja nicht zu noch mehr Größenwahn verleiten, nicht wahr?“

„Oh, glauben Sie mir, Lestrade, wenn ich heute Abend mit ihm fertig bin, dann wird nichts großspuriges mehr an ihm sein“, sagte der Doktor, zwinkerte und grinste dreckig.

„Oh Gott, so genau will ich das gar nicht wissen“, schnaubte Greg und machte mit den Zeigefingern das Kreuzeszeichen in Richtung des Doktors. Der lachte und verschwand mit einem „Schon gut, schon gut!“ aus der Tür von Gregs Büro.
 

Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, streckte sich Greg und ließ die Glieder knacken.

Der Tag war also geschafft.

Der Fall war gelöst, nach komplizierter und anstrengender Hetzjagd, und ja, zugegeben, ohne Sherlocks Hilfe wären sie noch lange nicht so weit.

So jedoch konnte er ihn abschließen und er hatte Sherlock ein weiteres Mal ertragen, ohne ihn umzubringen. Und jetzt, in Hinblick auf den wohlverdienten Feierabend, verblassten die Mordgelüste so langsam.
 

Nun, er würde jetzt noch eben seinen Schreibtisch aufräumen. Den Papierkram konnte er getrost auf morgen verschieben und die Pressekonferenz übernahm dankenswerter Weise sein Vorgesetzter. Der würde damit zwar auch die Lorbeeren ernten, aber das war Greg egal. Er war einfach nur froh, einen weiteren Mörder von Londons Straßen geholt zu haben. Der Ruhm bedeutete ihm nichts.
 

Feierabend also.

Und das bedeutete im Normalfall eine Dusche, bequeme Klamotten, ein Bier und mit ein bisschen Glück ein Fußballspiel im Fernsehen. Und irgendwas vom Chinesen. Oder Pizza.
 

Doch nicht heute.

Heute war Dienstag, und seit einigen Wochen hatte er jeden Dienstag Abend eine Verabredung.

Er grinste erfreut, als er daran dachte.
 

Ja, heute war Dienstag.

Und dienstags abends traf er sich mit Marc.



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