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Stichflamme

Der Aufstieg des Phönix
von

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Bannbrechend

Flüche schossen kreuz und quer durch die zerrissene Dunkelheit wie wildgewordene Filibuster-Feuerwerksknaller. Binnen Sekunden war die Situation im Portalraum eskaliert, als hätte jemand den Zauberstab in ein Nest voller Billywigs gestochen. Glühende Blitze durchzogen das Nichts und wütende Stimmen schrien unverständlich durcheinander, Thorfinn Rowle ganz vorne mit dabei.

Aus Richtung des Flurs, verborgen von der Finsternis, raste ein Zauber haarscharf an Minerva vorbei und hinter ihr jaulte der riesenhafte Erkling getroffen auf. Die Wut des Gnoms wurde dadurch jedoch bloß angetrieben, denn keine Sekunde später war es der Kerl, auf den sie ihn losgelassen hatte, dem ein abgewürgter Schrei entwich. Mitleid konnte sie sich nicht leisten.

Nur die schrille Stimme der tonangebenden Entführerin drang selbst über das Kampfgetümmel noch zu Minerva vor. »Bleibt zusammen! Das ist ein weiterer Ministeriumsbastard aufgetaucht! Runter!« Entschlossenheit übertünchte ihre Überraschung. »Expulso!« Die darauffolgende Explosion ließ den Boden erzittern, aber ihrem fast schon animalischen Knurren nach, hatte die Hexe nicht getroffen. Sie setzte erneut an und Minerva riss sich aus ihrer gegenwärtigen Starre.

Im grünen Glimmen des Flohportalfeuers war es ihr unmöglich, Gegner oder Unterstützer auszumachen, abgesehen von Rowle und Mulciber, die nach wie vor von den Flammen beschienen wurden. Die Dunkelheit hinderte die beiden nicht daran, wahllos Lähmzauber und andere Flüche durch die Gegend zu schicken. Minerva wunderte das wenig – ihr einstiger Kollege hatte sich in der Vergangenheit nie besonders feinfühlig angestellt und Rowle schien ähnlich gestrickt zu sein.

Bevor sie selber mit willkürlichen Zaubern Schaden anrichtete, besann sie sich lieber darauf, ihren ursprünglichen Plan weiterzuverfolgen. Dafür galt es zunächst, Rowle aus dem Kampf zu nehmen. Andernfalls würde einer seiner staccatoartigen Flüche sie früher oder später treffen, egal wie gut sie kämpften. Die Stimme des Jungen war bereits heiser und bebte vor unterdrückter Wut und mit jedem geschrienen Zauber wuchs der Zorn in seinen Schreien ein wenig mehr.

Der nächste zornige Fluch verklang im Krachen berstenden Holzes. Die unheilvollen purpurnen Flammen, die nun an Mulcibers Schutzzauber leckten, waren so sicher schwarze Magie, wie in einer Schachtel Bertie Botts Bohnen immer eine mit Popelgeschmack war. Rowle hatte seine Chance verwirkt, so sehr die Konsequenz Minerva auch schmerzte.

In dem heillosen Chaos war es egal, ob sie ihre Zauber ungesagt wirkte oder in die Welt hinausschrie – es würde sowieso keiner verstehen. Sie entschied sich für Letzteres und jagte Rowle den Expelliarmus hinterher, der ihn derart heftig im Rücken traf, dass nicht nur sein Zauberstab im hohen Bogen davonflog, sondern er mit dem Gesicht voran zu Boden stürzte.

»Petrificus Totalus!«

Bevor der Junge sich aufrappeln konnte, traf ihr zweiter Spruch und seine Gliedmaßen schnappten wie magnetisiert zusammen. Erneut fiel Rowle als steifes Brett nach vorne. Mulciber nickte Minerva über seinen gelähmten Körper knapp zu, ehe er sich auf die rechte Seite des Flohportals zurückzog, um weiter weg von der Finsterniswolke zu gelangen. Von seinen Gegnern ließ er dennoch keine Sekunde ab.

Wenigstens bot seine großflächige Aggression Minerva dringend benötigte Deckung. Geduckt flüchtete sie hinter Mulciber, um die nächste Phase ihres zugegeben lückenhaften Plans in die Tat umzusetzen. Ihr wurde nur ein irritierter Blick über die Schulter zuteil, bevor Mulciber seine Angriffsserie fortsetzte. Keine Ablenkung im Kampf. Zumindest in dieser Hinsicht war er seit jeher ein Vorbild.

Im Schutz seiner hochgewachsenen Gestalt wandte sie ihren Blick vom Geschehen auf dem Boden hoch, in Richtung Holzdecke. Das Adrenalin trieb ihr ein kleines Lächeln ins Gesicht. Die Finsterniswolke erfüllte den Raum glücklicherweise nicht vollständig. Durch die faserigen Ränder der Schwärze direkt unterhalb der Zimmerdecke waren gerade so dunkles Holz und protzige Deckenlampen zu erkennen. Drei zu jeder Seite des Flohportals, groß wie Wagenräder.

Schweres Koboldglas, gehalten von verschlungenen Silberbändern und verziert mit goldenen Runen, formte jene hässlichen Leuchten. Die Dinger waren Minerva seit jeher zuwider und das nicht bloß, weil sie krustige Staubfänger waren. Alles an den Lampen war schlicht ein Symbol des Unrechts, das die magische Welt den Kobolden angetan hatten (und taten), indem sie diese für ihren Prunk ausbeuteten. Sie zückte den Zauberstab und zielte.

»Bombarda!«

Das erste Licht flackerte unter dem Einschlag wie Scheinwerfer in einer billigen Muggeldiskothek und feiner Rauch vermischte sich mit der Dunkelheit aus der Finsternisschote. Durch die Schwaden erkannte Minerva, wie sich Risse rasend schnell auf dem kunstvoll gearbeiteten Glasschirm ausbreiteten und setzte sogleich mit einer weiteren Explosion nach. Einen Moment schien das teure Glas zu halten, trotz der feinen Spinnenlinien, die es durchzogen, doch dann bahnte sich ein letzter Bruch seinen Weg über den Lampenschirm und die halbrunde Glasschüssel barst in einem ohrenbetäubenden Knall.

Scharfkantige Splitter erfüllten die Luft wie tausend glitzernde Sterne den Nachthimmel. Ihre Gegner sahen es dank der Ablenkung am Boden durch Mulciber und den unbekannten Ministeriumszauberer im Flur nicht kommen, aber den entsetzten Rufen nach fühlten sie es, als der Scherbenregen auf sie niederging.

Geistesgegenwärtig reagierte Mulciber mit einem Schildzauber, gegen den hagelgleich ein paar verirrte Splitter prasselten. »Eine Warnung wäre nett«, knurrte er über die Schulter, dabei waren die gläsernen Geschosse kaum genug, um jemand Magiebegabten ernsthaft zu verletzten oder gar zu töten. Minerva kam es ohnehin nur auf die Ablenkung an.

»Schön, hier ist deine Warnung«, schoss sie zurück und bedachte geschwind die nächste Lampe in der Reihe mit dem Explosionszauber, ohne die Wirkung abzuwarten. Die Atempause war kurz, aber sie würde reichen müssen.

»Hör zu«, zischte sie an Mulciber gewandt, »ich werde den Bannzauber über dem Flohportal brechen. Wenn die Schutzzauber versagen, wird in der Sicherheitszentrale Alarm geschlagen. Alleine haben wir keine Chance. Wir brauchen Unterstützung. Halt sie einfach so lange wie möglich hin, ja?«

Er presste seine Zähne fest aufeinander und zog die Augenbrauen kritisch zusammen, nickte dann aber. »Vermutlich werden sie hereilen. Wenn sie nicht noch ... anderweitig beschäftigt sind.« Seine Knöchel am Zauberstab traten weiß hervor, als er ihn in grimmiger Freude umklammerte. »Solange werde ich wohl auf meine Kosten kommen und diesen Kindern eine Lektion erteilen.«

Der Ausdruck auf seinen Zügen behagte Minerva nicht, aber welche Wahl hatte sie schon? Er war immer noch ein Ministeriumsangestellter. Ihm waren die Grenzen seines Handelns bewusst. »Wunderbar.«

Ihre Zeit lief aus und so rief sie ein weiteres Mal den Explosionszauber. Die dritte Lampe ergoss sich in einem letzten Scherbenregen in die Dunkelheit, da ließ sie sich hinter Mulciber auf die Knie sinken und streckte ihre Sinne nach dem aufwändigen Sicherheitszauber über dem Flohportal aus.

Sie hatte die metallenen Linien an der Decke schon bei der Ankunft gesehen. Die Gegenwart jahrhundertealter Magie war sprichwörtlich greifbar. Vermutlich wäre es ihr in Katzengestalt einfacher gefallen, eine Schwachstelle in dem Bann zu erkennen. In dieser Situation musste sie sich jedoch auf ihre menschlichen Empfindungen verlassen. Bloß am Rande nahm sie wahr, wie Mulciber den Kampf wieder aufnahm.

Die Sicherheitszauber waren uralt und tief mit den Metallen in der Decke verwoben. Koboldgearbeitet, genau wie die Lampen. Sicher. Vielleicht sogar unzerstörbar. Niemand, der nicht vom Ministerium befugt war, durfte – oder vielmehr konnte – das Flohportal überschreiten, ohne von einer ganzen Reihe an schmerzhaften Festsetzungszaubern getroffen zu werden. Ein Grund, warum die Entführer Mulciber gebraucht hatten, um das Portal zu aktivieren.

Nur in ihrer Verzweiflung war Minerva überhaupt erst auf die wahnwitzige Idee gekommen, diese aufwändigen Verzauberungen auflösen zu wollen. Das würde sie Mulciber gegenüber selbstverständlich niemals zugeben.

Ihre Zauberstabhand ausgestreckt, schloss sie die Augen und lauschte auf das leichte Singen der mächtigen Magie, die in einem konstanten Strom durch die Silberringe floss. Dem ersten Eindruck hielt der Bann stand. Keine Lücke, kein Anfang, kein Ende, um sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen. Also musste sie eine schaffen.

Obwohl sie die Augen nach wie vor geschlossen hatte, sah sie die rot leuchtenden, ineinandergesetzten Ringe der Bannkreise in der Dunkelheit hinter ihren Lidern schweben. Wenn sie die Form verändern konnte, wäre der Zauber angreifbar.

»Diffindo«, murmelte sie leise, auf die Überreste einer der explodierten Deckenlampen gerichtet. Knarzend löste sich das verbeulte Silbergestell, das einst den Glasschirm gehalten hatte, aus seiner Verankerung. Mit einem Wink ihres Zauberstabs fing sie es auf und ließ es in der Luft schweben. Sie brauchte es nicht sehen, um sich vorzustellen, welche Form das rußgeschwärzte Metall hatte. Oder welche Form es gleich annehmen würde.

»Deditio flecti.« In den letzten Jahren als Verwandlungslehrerin hatte sie diesen Spruch schon lange nicht mehr laut gewirkt, doch für das, was sie nun vorhatte, wollte sie ganz sicher gehen. Das Silber würde sich nur ungern ihrem Willen beugen, nachdem es von einem Kobold geschmiedet worden war. Deren Magie erfüllte das bearbeitete Metall und ließ es eigenwillig werden, insbesondere in unrechtmäßigem Besitz.

Der Widerstand des Silbers hallte in Minervas Kopf nach wie die vibrierenden Klänge der Musiksägen, die Hogwarts’ Geister so sehr liebten. Doch unter der Führung ihres Zauberstabs bogen sich die Streben ächzend, bis sie schließlich ein geflochtenes Halbrund formten. Den leichten Teil hatte sie geschafft.

Sie dirigierte das verbogene Metall hoch zu den rotglühenden Bannkreisen. Langsam, Stück für Stück bewegte es sich auf die Einlassungen in der Decke zu. Mit angehaltenem Atem wartete sie auf einen losschrillenden Alarm, aber das leblose Objekt wurde von den Zaubern genauso wenig als Bedrohung erkannt, wie die Finsternisschote der Eindringlinge.

Eine kleine Schwingung jagte durch Minervas geschärfte Wahrnehmung, sobald das Silber den ersten Kreis berührte. Ihre Zauberstabhand kribbelte von dem Kontakt mit der alten Magie. Hunderte Ameisen schienen über ihre Haut zu huschen. Trotzdem ließ sie nicht von ihrem Schwebezauber ab, ehe auch das andere Ende der Metallschlaufe auf den zweiten Bannkreis traf.

Lautes Krachen füllte ihre Ohren, aber sie wagte nicht, den Blick zu heben. »Coniugo«, flüsterte sie. Aus den hunderten Ameisen wurden tausende, die von ihrem Arm in die Schultern und weiter in ihren Brustkorb wanderten. In einer ungestümen Wolke aus purer Energie zog ein Teil des mächtigen Zaubers durch ihren Körper, sobald sich die Überreste der Deckenlampe in die Bannkreise schmolzen und sie – auf Muggelart gesehen – kurzschlossen, mit ihr als Magiebrücke. Praktisch, was ein schottisches Mädchen auf dem Land alles lernen konnte, wenn des Nachbarn Traktor mal wieder nicht ansprang.

Ein paar widerspenstige Haare lösten sich aus ihrem straffen Dutt und schwebten wie elektrisiert vor ihrem Gesicht, nachdem sie ihren Kopf hob und die Lider öffnete. Leichtigkeit erfüllte sie. Fast hätte sie laut aufgelacht. Die zwei unüberwindbaren Zauberbanne waren durch das verbogene Silberband permanent miteinander verschmolzen und kollidierten an der Verbindungsstelle funkensprühend. Das rote Glühen des intakten Banns war einem schlammigen Grün-Braun gewichen und ein hohes Pfeifen, wie von einem Teekessel, rührte von dem Metall her.

Minerva blieb nicht viel Zeit. Zur Sicherheit warf sie einen kurzen Blick auf Mulciber und stellte erleichtert fest, dass er wie durch ein Wunder noch kämpfte. Wenn das hier erst durchgestanden war, musste sie ihm danken. Getragen von dem Kribbeln der Magie, das weiterhin durch ihren Körper glitt, erhob sie sich. Ihre Robe schwebte wie von unsichtbarem Wind bewegt um sie.

Nur am Rande ihrer Wahrnehmung sah sie jemanden aus der Finsterniswolke hervorbrechen und auf sie zueilen. Grimmig umschloss sie den Zauberstab fester und richtete ihn auf ihr Ziel. Mit überdeutlicher Stimme sprach sie den letzten Zauber. »Reducto!«

Sie hörte noch, wie jemand ihren Namen schrie, dann wirbelte die Welt in einer rasanten Folge von Farben, Geräuschen und Empfindungen an ihr vorbei. Unweigerlich kam ihr die Erinnerung an einen besonders hässlichen Sturz vom Besen aus fünfzig Metern Höhe. Freier Fall – und ein Aufprall, der die Luft aus ihren Lungen presste.

Aus weit aufgerissenen Augen starrte Minerva ungläubig an die Decke über sich, in der ein großes Loch prangte. Dröhnende Stille erfüllte ihre Ohren und die kribbelnden Ameisenfüße hatten sich in feuerheiße Schlangen verwandelt. Fast erwartete sie, dass bei ihrem überraschten Aufkeuchen Flammen aus ihrem Mund entweichen würden. Stattdessen rieselte nur Staub auf sie herab wie frischer Schnee. Für einen Augenblick wollte sie einfach nur liegenbleiben.

Aber schon hörte sie wieder ihren Namen. Es war nicht Mulciber, der so besorgt nach ihr rief. Mit kribbelnden Händen stützte sie sich auf. Dort, wo bis eben die schweren Bannkreise das Flohportal geschützt hatten, klaffte nur noch ein Loch und verbogenes Silber hing herab. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Der mächtige Schutzzauber war gebrochen und hatte in einem letzten Akt des Aufbegehrens eine Druckwelle durch die Flohzentrale geschickt, die alles und jeden umgerissen hatte.

»Minerva!« Ein schwankender Elphinstone kam in ihr Blickfeld, seinen Umhang hinter sich herwehend und mit gerötetem Gesicht.

Ganz ohne ihr Zutun machte ihr Herz einen erfreuten Hüpfer, froh, zu sehen, dass er unversehrt war. »Merlin sei dank«, seufzte sie. »Wie lange bist du schon hier?«

»Lang genug. Minerva ... was hast du nur getan?« Mit sorgenvollem Blick reichte ihr eine Hand, um ihr aufzuhelfen.

»Eine Alternativkarriere als Bannbrecherin in Betracht gezogen?« Vereinzelte Haarsträhnen schwebten immer noch um ihren Kopf und als sie seine Hand ergriff, spürte sie, wie ein Teil der uralten Bannmagie sich knisternd auf ihn entlud. Überrascht fuhr er zusammen, ohne jedoch loszulassen. Langsam verblasste das Brennen in ihren Gliedern wieder zu dem Ameisenkrabbeln und sie zuckte verlegen mit den Schultern.

»Ihr habt später noch genug Zeit, rumzuturteln«, fluchte Mulciber von weiter hinten. »Unsere Gegner berappeln sich und verdammt, ich hab heute noch was anderes vor!«

»Charmant wie immer, Mulciber.« Elphinstone warf Minerva einen prüfenden Blick zu. »Ich nehme an der arme Kerl, der da unter einem ... ohnmächtigen Riesen-Erkling begraben ist, hat es verdient? Und diese Dunkelheit hat etwas mit unseren Entführern zu tun?«

»Ziemlich genau«, erwiderte sie mit einem schwachen Lächeln. »Und eigentlich sollte der gebrochene Bann die Auroren auf den Plan rufen, damit wir sie endlich festsetzen können.«

»Ich fürchte, daraus wird nichts ...«, gab Elphinstone matt zurück. »Es sind noch andere Demonstranten durchgebrochen. Deshalb bin ich dir überhaupt schon gefolgt. Die Sicherheitszentrale ist nach allem, was ich gehört habe, komplett leergefegt.«

»Oh, ich wiederhole es wirklich ungern«, sprang Mulciber erneut dazwischen, »aber ihr solltet euch ernsthaft später wie zwei Teenager unter dem Einfluss von Liebestrank in die Augen starren. Ich rette euch jedenfalls nicht den Arsch, wenn der Junge euch deswegen gleich einen Fluch verpasst!«

Bei allen gesalzenen Erwiderungen, die Minerva dazu auf der Zunge lagen, musste sie zu ihrem Unglück einsehen, dass er zumindest in einer Sache recht hatte. Rowle regte sich wieder. Er lag längst nicht mehr dort, wo sie ihn zu Boden geschickt hatte, sondern hatte sich zu seinem Zauberstab gerobbt. Ihr unsanfter Sturzflug musste den Klammerfluch genug gelockert haben, dass er sich befreien konnte.

Auf dem Boden sitzend starrte er sie drei mit rotem Gesicht an. Der Zauberstab in seiner Hand zitterte, ob vor Wut oder Angst konnte sie nicht sagen. »Rowle! Ich bitte Sie, hören Sie auf mit dem Unsinn!«, rief sie in einem letzten verzweifelten Appell. »Lassen Sie es nicht so weit kommen!«

Der einst so bescheidene Schüler bleckte seine Zähne. »Sie verstehen es nicht!«

»Legen Sie den Zauberstab nieder und ich werde Ihnen zuhören, Rowle, das verspreche ich!«

Das höhnische Gelächter der Frau mit dem erklinghaften Kichern drang von weit hinten aus der Dunkelheit. »Los, Thorfinn! Beende es!«

Rowle ließ ebenfalls ein trockenes Lachen hören. »Das haben Sie nie! Auch nicht, als Sie mich nicht in Ihren UTZ-Kurs gelassen haben! Ich hätte Auror werden können! Aber nein, stattdessen haben Sie lieber ... Schlammblüter gelehrt!«

Mulciber hatte schon den Zauberstab erhoben, doch Minerva stieß seinen Arm grob beiseite und trat einige Schritte vor. Das hier war alleine ihr Kampf. »Dieses Wort will ich von Ihnen nicht hören«, konnte sie es nicht verkneifen, Rowle zu maßregeln. »Sie haben viele Fähigkeiten. Nicht jeder kann und muss ein verdammter Auror werden! Sie könnten so viel erreichen! Wollen Sie stattdessen so dringend in Askaban landen?«

»Das ist alles nur die Schuld der Schlammblüter!«, behauptete Rowle hysterisch. »Überall arbeiten nur verfluchte Schlammblüter! Dabei habe ich als Reinblüter Besseres verdient!« Sein Gesicht war inzwischen hochrot angelaufen, wie ein Erumpent kurz vor der Explosion.

Minervas Zauberstab zitterte in ihrer Hand. Nur eine Sekunde des Zögerns, die allen Unterschied machte.

Die wütende Frau schrie Rowle an, es zu tun. Diese Anweisung schien neue Entschlossenheit in den Jungen zu spülen. Er riss den Zauberstab höher. »Avada Kedavra!«, brüllte er, lauter, als nötig gewesen wäre.

Der Fluch schoss an Minerva vorbei auf Elphinstone zu und sie wollte nicht herausfinden, ob der unverzeihliche Spruch ernst gemeint war. Mit einem Satz sprang sie dazwischen und riss Elphinstone mit sich zu Boden. Noch im Fallen schleuderte sie ihrem ehemaligen Schüler einen Expelliarmuszauber entgegen, der allerdings unter Gelächter aus der Dunkelheit weit verfehlte.

Am Boden liegend kamen ihr die wild tanzenden Flammen des Flohportals ins Sichtfeld. Es war immer noch aktiviert; der Schutzbann zerstört. Ein Ausweg. In dem erneut aufkochenden Chaos herumirrender Flüche zog sie Elphinstone am Ärmel mit sich hoch. »Das Portal, lauft!«

Es waren nur wenige Meter zu dem grün erleuchteten Steinkreis. Links und rechts schossen Flüche vorbei, doch sie rannte weiter – bis der glatte Steinboden sie um ein Haar aus dem Gleichgewicht brachte. Elphinstone und Mulciber folgten ihr dicht auf den Fersen.

Sie hasste es, zu fliehen, aber wenigstens hatte sie den Verbindungsnachweis gerettet. Ihre Finger tasteten nach Elphinstones und schlossen sich fest um seine Hand, mit der anderen packte sie Mulciber am Ärmel. Ein letzter Blick durch den Raum voll schwindender Dunkelheit zeigte ihr Rowle, den nächsten Fluch bereits auf den Lippen. Bedauernd senkte sie die Augen und formte schnell das Bild des Ortes in Gedanken, an den das Flohportal sie bringen sollte. Nach Hause.

Schwindelgefühl erfasste sie und dann verschwand das Ministerium in einem grünen Flammenwirbel vor ihren Augen. Sie sah nur noch den unverzeihlichen Fluch, der aus Rowles Zauberspruch hervorbrach, auf sich zurasen, so grün wie das Flohfeuer. Dann waren sie verschwunden.


Nachwort zu diesem Kapitel:
A/N zu den Zaubersprüchen: Deditio flecti ist ein von mir ersonnener (Verwandlungs-)Zauber, der genauso wie viele originale Zaubersprüche aus „Möchtegern“-Latein (will heißen - höchstwahrscheinlich falsch gebeugt) gebildet ist. Mein Lateinunterricht liegt einfach zu lange zurück. Zur Bedeutung:
Deditio – ein Akt der Unterwerfung
flecti – von flectere – sich beugen
Ich fand die Bedeutung recht passend für einen Zauberspruch, der letztlich eine gewaltsame und dauerhafte Änderung an der Beschaffenheit eines Objekts bewirkt, die meiner Vorstellung nach nicht durch einen einfachen Gegenzauber aufgehoben werden kann (z.b. hat Reparo keine Auswirkung, da der Gegenstand nicht »kaputt« in dem Sinne ist).
Coniugo heißt hingegen schlicht »verbinden« und tut auch genau das – eine Veschmelzung zweier Gegenständen herstellen. Komplett anzeigen

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