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Die letzte Ehre

von

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21. In die Enge getrieben

Besorgt schaute Yin-Yu auf Shen, der friedlich in einem Bett lag. Der Arzt kontrollierte nochmal die Operationsstelle und deckte ihn anschließend wieder zu.

„Wie sieht es aus, Doktor?“, fragte sie leise.

Der Affe, und ehemalige Militärarzt, wiegte den Kopf. „Ich schätze, er wird bald aufwachen. Dann müssen wir schauen wie er sich fühlt.“

Er besah sich die Pfauenhenne mit prüfendem Blick. „Sie schauen aber auch nicht gerade fit aus. Sie sollten sich auch mal etwas ausruhen.“

Doch Yin-Yu schüttelte den Kopf. „Mir geht es gut.“

„Dann Essen oder Trinken Sie wenigstens was“, riet der Arzt entschieden und schob die Pfauenhenne aus dem Raum.

Yin-Yu ließ Shen nur ungern allein. Als sie aber auf dem Flur standen, hörte sie Po und Shenmi miteinander lachen. Sie folgte dem Arzt die Treppe runter in eine Art Esszimmer, wo der Panda und das Pfauenmädchen auf dem Boden tollten. Po lag auf dem Rücken und hielt das Pfauenmädchen über seinem Kopf.

„Jetzt schwebst du direkt über dem großen Drachenkrieger“, lachte Po und schwenkte das Mädchen hin und her. Dann sprang er auf und lief mit ihr durch den Raum.

Als Shenmi ihre Mutter sah, breitete sie noch weiter die Flügel aus.

„Guck mal, Mama, ich kann fliegen!“

„Pass auf!“, rief Po. „Jetzt fliegst du wirklich!“

Er warf das Mädchen in die Luft. Quietschend flatterte Shenmi kurz mit den Flügeln, dann zog die Schwerkraft sie wieder nach unten und landete sicher in Pos Händen.

Yin-Yu lächelte. „Nun mal nicht so stürmisch, Liebling.“

„Okay, Mama.“

Po setzte das Mädchen wieder auf den Boden ab.

„Wie geht es ihm denn?“, wollte der Panda wissen.

Yin-Yu schüttelte den Kopf. „Wir müssen warten bis er aufwacht.“

Shenmi hatte sich inzwischen bei ihrer Mutter ans Hemd festgeklammert und schaute besorgt zu ihr hoch. „Aber er kommt doch wieder, oder?“

Die Pfauenhenne lächelte sie an. „Aber natürlich kommt er wieder. Dein Vater ist doch stark.“

„Aber er hat gesagt, er wäre krank.“

„Wie kommst du darauf?“

Po räusperte sich laut. „Hey, ich glaube, ich rieche schon etwas zu Essen.“

Er hielt die Nase in die Luft. „Eines der Bergschafe hat sich noch extra für uns in die Küche begeben. Du musst doch bestimmt Hunger haben.“

Yin-Yu seufzte. „Na ja, vielleicht ein bisschen…“

„Na fein!“, rief Po begeistert und schob sie zum Esszimmertisch.

Wie aufs Stichwort steckte ein Schaf seinen Kopf in den Raum. „Suppe ist fertig.“

Po klatschte in die Hände. „Na super. Ich hab einen Bärenhunger. Eure Küche ist mir ja noch gut bekannt. Hey! Vielleicht sollten wir uns als Dauergäste eintragen.“

Po lachte. Nur zögernd stimmte Yin-Yu in seinem Scherz mit ein.
 

In der Kammer hallten die Stimmen von den Nebenräumen durch die Stille. Der weiße Pfau im Bett atmete ruhig und gleichmäßig, bis er im nächsten Moment einen tiefen Atemzug nahm. Dann begann er zu blinzeln. Stöhnend schlug er die Augen auf. Zuerst drehte sich alles um ihn. Shen brauchte ein paar Minuten um halbwegs aus der Betäubung zu erwachen. Erst dann fand er Kraft genug sich umzuschauen. Er erblickte Holzwände und Einrichtungen eines einfachen Wohnhauses. Sein Blick wanderte zum Fenster, der mit einem Vorhang verhangen war, aber er merkte sofort, dass es Nacht war. Nur der Mond drang zu ihm hindurch.

Shen verengte die Augen. Irgendwie kam ihm dieser Ort bekannt vor.

Er versuchte sich zu erinnern, was er zuletzt gesehen hatte.

Er war auf dem Schiff gewesen. In seiner Kabine. Auf einem Tisch. Dann dieser Geruch, der ihn in den Schlaf zwang…

Endlich fiel ihm alles wieder ein. Er schob die Decke beiseite und erhob sich. Er dauerte eine Weile bis er sich sicher genug fühlte, um aufzustehen.

Zuerst schwankte er, doch dann fand er sein Gleichgewicht wieder und ging zur Tür. Die frische Wunde auf seinen Bauch zog unangenehm, doch er ignorierte den Schmerz. Langsam ging er zur Treppe, die nach unten führte.
 

Im Esszimmer schlüpfte Po genüsslich die Suppe, während Shenmi und Yin-Yu ihre mit einem Löffel zu sich nahmen. Doch die beiden ließen sich von der Essgewohnheit des Pandas nicht stören. Der Arzt hatte sich inzwischen in eine Ecke zurückgezogen und döste ein bisschen.

Im nächsten Moment öffnete sich die Tür und Wang und Huan traten ein.

Schnell wischte sich Po eine Nudel vom Mund.

„Oh, hey, Kumpel! Alles im grünen Bereich da draußen?“

„Mehr oder weniger.“ Mit ernster Miene begab sich der Hunnenkönig an den Tisch. „Ich kann nur hoffen, dass die Ruhe nicht trügt.“

Po schluckte eine Nudel hinunter. „Na ja, falls doch, dann müssen wir uns auf einen Angriff vorbereiten…“

Auf einmal nahm er eine weiße Gestalt aus dem Augenwinkel wahr. Sofort wanderte sein Blick zur Treppe, wo Shen stand.

„Oh, aufgewacht?“

Yin-Yu sprang entsetzt auf. „Shen! Du darfst nicht aufstehen! Du musst liegenbleiben!“

„Daddy!“

Sofort stürmte das Mädchen auf ihren Vater zu. Dieser nahm sie erleichtert in die Arme.

„Ich bin erfreut zu sehen, dass es euch gut geht“, sagte Shen mit etwas noch schwacher Stimme, was den Protest des Arztes hervorrief.

„Mister, Sie hatten gerade eine Operation hinter sich“, mahnte der Arzt vorwurfsvoll.

Shen schnaubte. „Das bringt mich schon nicht um. Was ist eigentlich passiert?“

„Na ja“, begann Po. „Wir hielten es für das Beste einen Zwischenhalt im Schafdorf zu machen. Dabei mussten wir das Schiff weiterfahren lassen, nur so könnten wir die Geckos auf eine falsche Fährte führen. Den Rest der Zeit suchen wir nach einem Plan.“

Shen hob die Augenbrauen. „Und?“

Verlegen kratzte sich der Panda am Hinterkopf. „Tja, wir… wir arbeiten noch daran.“

Im nächsten Moment verengte Shen die Augen. „Ich nehme doch an, dass ihr ihn auf dem Schiff gelassen habt, oder?“

Po schaute verwundert auf. „Wen meinst du?“

Der weiße Pfau verengte seine Augen noch mehr. „Du weißt ganz genau wen ich meine!“

Po durchfuhr ein Schauer. Shen sah nicht gerade entspannt aus. „Äh…“ Pos Blick wanderte zu Wang. „Ich wüsste nicht, dass wir ihn auf dem Schiff gelassen haben sollten, oder?“

Er schluckte schwer. Shens Pfauenkamm begann zu zittern. Er schob Shenmi beiseite und ging mit festen Schritten auf den Panda zu.

„Wo ist dieser verruchte Vogel?!“, fuhr er den Drachenkrieger an.

Po zog den Kopf ein. „Äh… warum willst du das wissen…?“

Yin-Yu erschrak, als Shen den Panda unsanft am Kragen packte. „Wo ist er?!“

Wang wollte vermeiden, dass Shen sich nur noch mehr aufregte und deutete nach draußen.

„Dort im kleineren Schuppen, meine Leute halten davor Wache…“

Mehr brauchte Shen nicht zu wissen. Er rannte zur Tür und stürmte nach draußen.

„Shen!“ Yin-Yu folgte ihm sofort hinterher. Ebenso wie die anderen. Doch Shen war gar nicht mehr zu halten und ging auf die Hütte zu.
 

Liu seufzte schwer. Xiang lag immer noch da auf ein paar Decken und sagte kein Wort, obwohl er wach war. An einem Balken hatte sie eine Laterne aufgehangen, um besser die Wunde am Fuß zu begutachten. Wenigstens hatte Wang ihr erlaubt bei ihm nach dem Rechten zu sehen.

Sie hob den Kopf, als sie von draußen laute Stimmen vernahm. Dann wurde die Tür aufgerissen und Shen betrat den Raum. Sein Blick fiel sofort auf Xiang.

Erschrocken stand Liu auf. „Nein, bitte, tun Sie ihm nicht weh!“

Doch Shen stieß sie einfach zur Seite. „Oh, keine Sorge“, fauchte er. „Ich werde ihm nur etwas die Federn stutzen!“

Po und die anderen konnten nicht mehr rechtzeitig eingreifen. Shen riss den am Boden liegenden blauen Pfau einfach hoch und holte aus. Selbst Liu konnte den Schlag ins Gesicht nicht mehr verhindern. Xiang taumelte rückwärts und knallte gegen die Wand.

Po sah Shen fassungslos an. „Shen! Der hat doch schon genug!“

Plötzlich richtete der blaue Pfau sich auf und schüttelte heftig den Kopf. Seine zornigen Augen trafen auf den weißen Pfau.

„WAS FÄLLT DIR EIN?!“

Sofort stürzte sich Xiang auf Shen. Beide purzelten zu Boden und rauften sich dort weiter.

Po starrte die beiden Pfaue entsetzt an. „Hey, was soll das?“

Vergeblich versuchte er Shen irgendwie aus der Rangelei herauszuzerren, doch das stachelte die beiden Herrscher nur noch umso mehr an.

Endlich schob sich auch Wang in den Raum. „Hört auf damit! Auseinander!“

Nur mit großer Mühe konnte der Hunnenkönig sich zwischen die ringenden Pfaue zwängen. Er packte jeden von ihnen am Flügel und riss sie auseinander. Wie zwei kleine Jungen stierten die Pfaue sich gegenseitig an, jederzeit bereit nochmal aufeinander loszugehen.

„Das ist ja ein richtiger Hahnenkampf“, murmelte Po.

Xiang hatte sich soweit wieder gefasst und rieb sich wütend das noch immer schmerzende Gesicht von Shens Ohrfeige.

„Du hast eine rüpelhafte Art dich vorzustellen“, keifte er.

Shen fauchte zurück. „Das war für die Entführung meiner Tochter!...“ Doch dann fasste sich der weiße Pfau an den Kopf und kippte um, wurde aber noch im letzten Augenblick von Po und Wang aufgefangen.

„Ich sag’s ja“, meinte der Arzt kopfschüttelnd, der ihm ebenfalls nachgelaufen war. „Wer Betäubungen nicht gewohnt ist, der sollte es nicht übertreiben.“

Im nächsten Moment fand Shens sich in Yin-Yus Flügen wieder.

„Bitte“, bat sie ihn. „Tu mir den Gefallen und geh wieder ins Bett, okay?“

Doch diesmal ließ Shen sich nicht so leicht umstimmen und zeigte drohend auf Xiang. „Ich gehe nicht eher ich weiß was los ist. Wegen ihm wären wir beinahe alle tot!“

Jetzt war es Liu, die ein Machtwort sprach. „Wieso? Es war doch nicht seine Schuld.“

Shen warf ihr einen schneidenden Blick zu. „Ach ja, und wer ist die ganze Zeit hinter ihm her?!“

Liu wich seinem Blick aus und zog den Kopf ein.

Wang versuchte die Wogen etwas zu glätten. „Sollten wir das Ganze nicht erst später besprechen…“

„Nein!“, schnitt Shen ihm das Wort ab. „Jetzt!“

Alle Augen richteten sich auf Xiang. Dieser hatte sich an die gegenüberliegende Wand gelehnt und sah alle immer noch wütend an. Schließlich drehte er den Kopf zur Seite.

„Es geht euch gar nichts an.“

Shen sah aus, als würde er Xiang erwürgen wollen. Er wollte gerade einen Satz auf ihn machen, als Po und Wang ihn noch mahnend an den Schultern hielten. Nur widerwillig fügte sich der weiße Pfau dieser Geste, dennoch blieb sein Zorn ungebrochen.

So langsam wagte Xiang wieder Shen anzusehen und wieder führten beide ein Augengefecht aus, was Shen nur umso wütender machte.

„Ich hätte dich schon damals erdolchen sollen“, knurrte er.

Xiang schnaube aufmüpfig. „Na dann mach es doch.“

Wieder war Shen kurz davor den Pfau anzuspringen, doch Po hielt den Pfau am Flügel fest und drehte ihn zu sich nach hinten.

„Shen, das bringt so nichts“, raunte der Panda ihm zu. „Wir müssen das anders machen.“

„Seit wann bist du ein Verhör-Experte?“, fuhr Shen ihn an.

Po zuckte die Achseln. „Na ja, eigentlich noch nie. Aber wer schon so oft mit Kriminellen zu tun hatte, der hat so einiges gelernt. Wir können ihn nicht dazu zwingen uns etwas zu sagen. Wir müssen ihn irgendwie aus der Reserve locken.“

„Und was schlägst du vor?“, zischte Shen ihn in einem Flüsterton zu.

Doch stattdessen fiel Pos Blick jetzt auf den Stier Huan, der ebenfalls in den kleinen Raum schaute. Zusammen mit der kleinen Shenmi, die sich wieder zu ihrer Mutter drängte.

„Huan, Sie haben doch Chiwa und ihre Schwester gekannt, oder?“

Der Stier nickte zögernd. Er schien sich gerade selber nicht sicher zu sein, ob er sie nach diesem Abend überhaupt noch gut kannte.

Po hob den Daumen. „Spielen Sie einfach mit. Erzählt Sie irgendetwas, egal was. Erzählen Sie wie sie Ihnen so vorkam.“

Damit drehte sich der Panda wieder um und räusperte sich. „Tja, dann werden wir eben unsere eignen Schlussfolgerungen ziehen.“

Xiang sah ihn wütend an, während er sich mühsam an der Wand festhielt. Es fiel ihm jetzt wieder extrem schwer auf nur einem Bein zu stehen.

„Fassen wir doch mal zusammen“, fuhr Po fort. „Tatsache ist auf jeden Fall, dass du deine Mutter umgebracht hast.“

Xiang verschränkte die Arme und schaute zur Seite. „Dafür habt ihr keine Beweise.“

„Trotzdem, deine Tante würde doch nie sowas ohne Grund behaupten, oder?“

Er versetzte Huan einen leichten Stoß in die Rippen.

„Oh ja“, stimmte der Stier zu. „Sie war in jeder Hinsicht immer ehrlich gewesen.“

Die Flügel des Pfaus verkrampften sich leicht.

Jetzt stieg auch Wang in das Verhör ein. „Ein Mord an seine Familie ist ein schweres Vergehen“, meinte er. „Da würde schon mehr dazukommen, als nur Gefängnis.“

Liu schien die Einzige zu sein, die darüber bestürzt war. In Xiang hingegen staute sich eine neue Wut an.

„Ihr habt keine Ahnung wovon ihr redet“, fauchte er.

„Es ist mir unbegreiflich“, fuhr Huan ungerührt fort. Es klang aber eher so, als würde er mit sich selber reden. „Sie war immer eine gute Mutter gewesen. Sie hat sich immer gut um ihn gekümmert.“

Po hielt es für das Beste jetzt einen Schlag weiter auszuholen. „Also wer schon eine Frau schlägt“, und erinnerte sich dabei an Yin-Yu. „Dessen kriminelles Denken ist dann wohl nicht mehr weit davon entfernt eine wehrlose Mutter hinterrücks zu ermorden…“

Xiang sprang auf. „AUFHÖREN! Ihr seid ja alle verrückt! Meine Mutter war der größte Abschaum der Welt!“

„Wie willst du das behaupten?“, fragte Wang und erhielt von Po sofort Rückendeckung.

„Vielleicht hast du nur etwas falsch verstanden“, fügte der Drachenkrieger hinzu.

„Falsch verstanden? Falsch verstanden?!“ Xiang sah aus als würde er jeden Moment den Verstand verlieren. Sein Körper bebte vor Wut. Schließlich hinkte er von der Wand weg und fand Kraft genug sich vor der Gruppe auf einem Bein zu erheben. Mit zittrigen Flügeln krempelte er den Ärmel von seinem Hemd hoch und strich gegen die Federn, woraufhin seine blanke Vogelhaut zu sehen war. „Sieht das nach einem Missverständnis aus???!!!“

Im Schein der Lampe, die im Raum hing, erkannten sie linienförmige Narben auf der Haut. Sie schienen schon älter zu sein, waren aber noch deutlich zu erkennen.

Liu hielt sich die Flügel vor den Schnabel. Die anderen starrten nur sprachlos darauf, woraufhin Xiang seinen Flügel schnell wieder zurückzog.

„Mein Körper ist übersät von ihrer „Fürsorglichkeit““, schnaubte er angewidert. „Als erstes hat sie meinen Vater umgelegt! Danach sollte ich drankommen. Ja, ja. Ich hab sie umgebracht! Kurz bevor sie mich umbringen konnte!“

Er warf sich gegen die Wand, drehte ihnen den Rücken zu und begann erneut zu zittern. „Ihr denkt, das habe ich mir nur eingebildet? Oh, sie hatte nette Methoden mit ihrer Schwester ausgedacht, wie man am besten am längsten jemanden umlegen kann. Sie fanden es regelrecht amüsant.“

Es entstand eine Stille. Nur langsam drehte Xiang sich wieder zu ihnen um, wobei er jeden ins Gesicht stierte. Keiner konnte sagen, wer Xiangs Aussage glaubte oder wer nicht. Besonders auf Shen blieb Xiangs Blick am längsten hängen. Es herrschte ein Gefühlschaos in dem Raum, wie zerbrochenes Porzellan, dessen ursprüngliches Bild man nicht mehr erkennen konnte. Erst als Shen die Augen verengte, wich Xiang ein wenig an der Wand entlang. „Meinetwegen stellt weiterhin eure Thesen auf!“, schrie er, verfiel aber im nächsten Moment wieder in einen Flüsterton. „Den Beweis trage ich weiterhin mit mir mit.“

Sein nächster Blick fiel zuerst auf Liu dann auf Yin-Yu. Wie ein in die Enge getriebenes Tier drückte sich der blaue Pfau in eine Ecke.

„Ihr wartet doch nur darauf mich zu erlegen, nicht wahr?“, zischte er. „Aber mich werdet ihr nicht kriegen. Nicht solange ich noch atme. Nicht solange ich noch die Gelegenheit habe euch zuerst zu beseitigen.“

Sein Gesicht nahm wieder diesen wahnsinnigen Ausdruck an. Für Shenmi wurde es allmählich unheimlich und drückte sich eng an ihre Mutter.

„Wir gehen besser“, schlug Po schnell vor.

Die Anspannung wurde zu extrem.

Wang hielt das für eine gute Idee. „Ja, gehen wir.“

Der Ochse drückte die anderen nach draußen und der blaue Pfau blieb mit seinen „Beweisen“ alleine zurück. Kaum war die Tür endlich zu, amtete Xiang erleichtert aber auch verbittert auf. Eine Weile blieb er noch stehen, dann schlug er zornig gegen ein paar Gartengeräte, die krachend zu Boden fielen. Anschließend ließ er sich auf die Decken auf den Boden fallen und begann hemmungslos zu weinen.
 

Man spürte die Erleichterung als alle endlich wieder im Wohnhaus standen. Po musste sich sein Fell schütteln, weil ihm immer noch die Haare zu Berge standen. Keiner sagte ein Wort.

Schließlich hielt der Arzt es für seine Pflicht seinem Patienten einen Rat zu geben.

„Sie sollten sich jetzt besser ins Bett legen“, wandte er sich an Shen.

„Ich bring ihn schon ins Bett“, bot Yin-Yu sich an. Shen erhob keinen Protest dagegen. Er war selber noch etwas in sich gekehrt. Die Pfauenhenne versuchte zu ergründen, was ihn durch den Kopf ging, doch Shen wich ihrem Blick aus und begab sich zur Treppe.

Po sah sich in die Runde um. Dieses ganze Schweigen erdrückte ihn regelrecht. Sein Blick fiel auf den Esstisch, wo noch seine Suppe stand.

„Möchte noch jemand etwas essen?“

Außer Wang schüttelten alle die Köpfe.

„Ich will bei Papa schlafen“, drängte Shenmi und wurde sofort von ihrer Mutter in die Arme genommen.

„Natürlich darfst du das“, sagte Yin-Yu mit einem Lächeln und begaben sich zu dritt in die obere Kammer.

Auch Liu verabschiedete sich und zog sich in eines der anderen Häuser zurück. Sie sprach kein Wort, aber ihre Gedanken kreisten nur um Xiang. Selbst im Schlaf.
 

Shenmi war überglücklich wieder bei ihren Eltern zu sein und kuschelte sich zwischen sie. Beide redeten nicht viel, sondern wünschten sich nur eine gute Nacht. Eine Weile schwiegen sie. Erst als Shen sich sicher war, dass Shenmi schlief, drückte er sich enger an Yin-Yu.

„Schläfst du schon?“, flüsterte er.

„Nein“, raunte sie.

„Hast du die letzten Tage überhaupt schlafen können?“

Yin-Yu seufzte. „Sie hat mich ständig wachgehalten. Ich sollte ihr sagen, wo Xiang ist.“

Sie konnte sein Gesicht nur schwach im Mondschein erkennen, aber sie bemerkte, wie sich seine Miene verfinsterte und sie ahnte, dass er jederzeit bereit wäre, Chiwa zu erlegen.

Die Pfauenhenne streckte ihren Flügel zu ihm rüber und tastete nach seinem Flügel.

„Sei nicht zu streng mit ihm“, flüsterte sie. „Irgendwie kann ich ihn verstehen. Allein schon bei ihr hab ich gedacht, ich würde nie mehr lebend rauskommen.“

Sie massierte seine Federn, sodass Shens Anspannung ein kleiwenig nachließ. Dennoch schien es unvermeidlich zu sein, dass diese blutige Konfrontation irgendwann eintreffen würde.

„Versuch zu schlafen“, riet Yin-Yu. „Es war ein anstrengender Tag gewesen.“

Nur widerwillig fügte Shen sich ihrer Aufforderung und ließ sich entspannter aufs Kissen sinken. Wieder folgte eine Phase des Schweigens, bis Yin-Yu die Stille unterbrach.

„Shen?“

„Mm?“

„Geht es dir auch wirklich gut?

Das Gesicht des weißen Pfaus drehte sich verwundert zu ihr um. „Ja, wieso?“

Yin-Yu hatte nicht vergessen was Shenmi gesagt hatte, doch dann verwarf sie den Gedanken sofort wieder. „Nur so.“
 

Schweigend rührte Po in seiner Suppe. Egal ob Xiang die Wahrheit gesagt hatte oder nicht, Tatsache war, dass sie alle auf Chiwas Abschussliste standen.

Sein Blick wanderte zu Wang, der ebenfalls jetzt nur noch teilnahmslos auf seinen Teller starrte.

Po räusperte sich. „Tja, was halten Sie davon?“

Wang zuckte die Achseln. „Egal was war, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie schon was geplant hat.“

Po verengte die Augen. „Dann sollten wir unsere Köpfe anstrengen und ihr zuvorkommen.“

„Solange sie uns nicht findet, haben wir noch nichts zu befürchten.“

Der Panda nickte. „Stimmt. Aber ewig können wir uns auch nicht verstecken.“

Wang stimmte ihm zu und erhob sich. „Wir sollten erst mal versuchen zu schlafen. Morgen haben wir hoffentlich einen klareren Kopf.“

Po hatte nichts dagegen und gähnte laut. „Stimmt. Bis zum Morgen sind es zwar nur noch ein paar Stunden, aber eine Mütze voll Schlaf wäre auch nicht schlecht.“

Der Hunnenkönig verabschiedete sich und begab sich in eines der Gästezimmer der anderen Häuser. Po sah im nach und seufzte.

Jedem war klar, dass Chiwa hinter Xiang her war, doch war er es wert sich für seinen Schutz einzusetzen? Oder sollten sie Chiwa sogar ein Friedensangebot machen? Doch die dunkle Pfauenhenne schien fest dazu entschlossen zu sein ihren Neffen zu beseitigen. Andererseits könnten sie Chiwa auch wegen versuchten Mordes an Shen anklagen. Und Entführung. Sollten sie Xiang vielleicht als Lockvogel benutzen? Oder verbargen sie nur in Wirklichkeit einen Mörder?

Po hielt sich den Kopf.

Wo sollte das noch enden?



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