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Hunt

von
Koautor:  PoG16

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey Hey ihr lieben
Ich wünsche euch viel spass bei beim lesen dieses Kapitels ^^

Hier ist das Cover zu sehen: https://www.animexx.de/fanart/2729457/

Und by the way, es gibt noch 5 Exemplare der ganzen Geschichte bei mir in gedruckter Buchversion ;) Bei interesse, einfach eine Nachricht an mich schreiben..
Lg Eure Dudisliebling Komplett anzeigen

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Ein neuer Freund (Alejandro) ~by PoG

20 Ein neuer Freund (Alejandro) by PoG
 

Ich war in meiner kalten, leeren, grauen Wohnung und kam langsam wieder zu mir. Was hatte ich eigentlich gekauft? Hatte ich die Sachen aus der Klinik mitgenommen? Wo war mein Handy? Warum war es dunkel und was stank hier so erbärmlich?

Ich strich mir mit der Hand über die Augen, blinzelte ein paar Mal und richtete mich dann langsam auf.

Uhhhh… Blöde Idee! Ganz blöde Idee! Mein Schädel dröhnte und es drehte sich alles.

Warum? Was war nur passiert?
 

Das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, war, dass… dieser Idiot… diese dämliche Tucke… dieser… argh… dieser außergewöhnliche Vogel mit dem geilen Knackarsch… Dios, was würde mir dieser Arsch fehlen. Der Rest konnte mir gestohlen bleiben, aber der Sex war wirklich fantastisch gewesen. Das war wirklich bedauerlich. Nun ja, ich war vorher klargekommen und würde das wohl auch weiterhin.
 

Oder?

Ja, natürlich würde ich das. Ich war doch keine Pussy, die ewig ihrem Lover hinterher heulen würde. Niemals würde ich so tief sinken. Er hatte mir klar gemacht, dass er mich nicht mehr wollte. Dass er mich nicht so akzeptierte, wie ich war. Dann eben nicht!

In meiner Wut war ich doch aufgesprungen und auch wenn ich schwankte, so blieb ich stehen. Ich sah mich um: Okay, ich hatte also auf meinem Sofa gelegen. Das erklärte schon mal die Rückeschmerzen. Aber warum, wieso war ich nicht im Bett gewesen? Seufzend machte ich mich auf den Weg ins Schlafzimmer und stieß dabei immer wieder gegen herumliegende Flaschen. Wann hatte ich das alles getrunken? Das konnte ich doch unmöglich alles in einem Rutsch eingekauft haben?! Auf dem Weg zu meinem Schlafzimmer kam ich am Bad vorbei und erstarrte. Es war ein Massaker.

Überall waren rote Tropfen und in meiner Wanne lag ein Körper. Er stank und war in einem erbarmungswürdigen Zustand. Voll Erbrochenem und seinem Geruch nach auch Fäkalien. Es war ein Mann, optisch Mitte vierzig und hatte schulterlanges, rotbraunes Haar. War er tot? War es etwa wieder passiert und ich hatte keine Erinnerung daran?
 

Panik stieg in mir auf, als der Kerl sich regte und mich immerhin insofern beruhigte.

„Moin, Kleiner. Haste Nachschub organisiert oder schon wieder Hunger?“
 

„Weder noch. Ich bin fertig und hätte meine Wohnung gerne wieder für mich.“
 

„Was’n mit dir los?! Wieso bist’n so stressig?!“
 

„Sie können von mir aus noch duschen und meinetwegen bekommen Sie noch neue Klamotten, damit Sie DAS da entsorgen können…“, ich zeigte auf seine Bekleidung. Anfassen würde ich das mit Sicherheit nicht. Geschweige denn waschen. Schon bei dem Gedanken daran wurde mir übel. „…aber dann verschwinden Sie!“
 

„Okay, okay. Sehe schon, jetzte biste wieder nüchtern. Dann seh ich mal zu, dass ich Land gewinne. Aber die das Angebot mit Dusche und Klamotten, nehm‘ ich gern an. Willste noch mit Duschen? Wo’s die ganze Zeit im Suff nicht geklappt hat?“
 

„Bitte WAS?!“, fragte ich entsetzt.
 

„Na mehr als deine Zunge innen Hals, hab ich doch von dir nicht bekommen!“
 

Ich sollte ihn geküsst haben?!

Mir stieg die Galle hoch und ich musste den Kopf über die Schüssel hängen. Wie beschissen, ich mich gerade fühlte. Mein Herz schmerzte und zerriss beinah vor Sehnsucht, nach der warmen Geborgenheit in den Armen meines Vögelchens.
 

„Ey, ey… Jetzt kotz doch nich das gute Zeug wieder aus. Gleich haste sonst wieder Hunger und ich bin raus. Ich brauch so ja schon drei Tage, um mich zu erholen“, sagte mein Gast und kam auf mich zu, um mir beruhigend über den Rücken zu streichen.
 

„Fass mich nicht an, du widerliche Kröte! Dusch und dann verpiss dich endlich!“, mein Kopf klärte sich, im gleichen Maße, wie mein Magen sich leerte und so viel hatte ich wahrnehmen können: Er war ein Yokai, und zwar ein Kappa.
 

Nachdem mein Magen sich beruhigt hatte, stand ich auf und verließ das Badezimmer, in dem sich mein „Gast“ ungeniert entkleidet und zu Duschen begonnen hatte. Ich ging in die Küche nahm mir einen großen Müllsack unter der Spüle hervor, kehrte ins Bad zurück und stopfte seine verdreckten und beschmutzen Sachen hinein. Dann kramte ich im Schlafzimmer eine alte Hose, Shorts, T-Shirt, Socken und eine Jacke zusammen und brachte alles dem inzwischen sauberen Mann. So gewaschen und mit nassem zurückgelegtem Haar, sah er gar nicht mal so übel aus. Ich konnte verstehen, dass mein betrunkenes Ich ihn mitgenommen hatte. Er war muskulös und breit gebaut und wirkte durch Haar und Bart verwegen und wie ein raubeiniger Seemann.
 

Hatte ich ihn am Hafen aufgelesen?

Es war einmal mein Zeitvertreib gewesen, solchen gestanden Männern den Kopf zu verdrehen und sie zu sich windenden, wimmernden Waschweibern zu machen. Die nachher nicht damit klarkamen, sich einem anderen Mann hingegeben zu haben.

Egal was meine Intention gewesen sein mochte, nun wollte ich, dass er ging. Also ließ ich ihn sich ankleiden und räumte derweil schon mal die Flaschen zusammen.
 

Käpt’n Jack, wie ich ihn heimlich taufte, sollte allerdings recht behalten. Ich bekam wieder Hunger.

Also ging ich zurück ins Bad, ohne anzuklopfen, es gab ja nichts, dass ich nicht schon gesehen hätte und sagte: „Hunderttausend Yen, wenn du mich noch einmal trinken lässt.“
 

„Oh ha, da hat’s aber wer nötig. Kann ich ja schlecht ablehnen. Aber du machst noch‘n ordentlichen Verband drum. Also da bitte!“, streckte er mir den Unterarm hin, auf dem noch Spuren vorheriger Bisse zu sehen waren.
 

Ich kramte nach Verbandszeug und mit einem kurzen „Deal!“ ritzte ich ihn auf und ließ das Blut in meinen Mund fließen. Es befriedigte nicht und stillte dennoch meinen Hunger. Allerdings kehrte auch ein leicht benebeltes Gefühl zurück. War der Kerl etwa immer noch blau?
 

Ich beendete meine Mahlzeit und sah, wie er mit der anderen Hand grinsend eine Flasche Sake einer Discountermarke ansetzte und sich eine beachtliche Menge in die Kehle laufen ließ.
 

„Baka!“, beschimpfte ich ihn. Ergriff seinen Arm und legte einen straffen Verband an.
 

Drückte ihm die Jacke in die Hand und bugsierte ihn samt Müllsack zur Wohnungstür.
 

„Ey, mein Geld.“ Ich fluchte, erblickte aber im selben Moment den Umschlag, den mir der Doc. überreicht hatte. Darin war zwar mehr, als vereinbart, aber Hauptsache der Kerl verschwand endlich.
 

„Hier und jetzt raus!“
 

Ich ging noch mit bis zur Haustür und wartete, bis er die Schuhe getauscht hatte. Immerhin hatte er Manieren. Und in meinen Klamotten, würde man ihn nicht so schnell für einen Obdachlosen halten. Wenn man nicht zu genau hinsah… Aber es war später Abend. Meine Nachbarn würden schon nix mitbekommen.
 

Ich wollte die Tür gerade schließen, als ich einen bekannten Duft in die Nase bekam. Was wollte ausgerechnet DER hier? Das konnte doch nur ein Zufall sein. Ob einer der anderen Hausbewohner einen Arzt gerufen hatte? Allerdings hatte er keinen Arztkoffer oder sonstige Materialien dabei.
 

Dies und seine Reaktion auf meinen Anblick, ließen anderes vermuten. Und mein erster Impuls war auf dem Absatz kehrt zu machen und ihm die Tür vor der Nase zu zuschlagen.

„Alejandro, bitte warte. Ich muss mit dir reden. Es ist wirklich dringend und ich werde nicht eher gehen, bis du mich angehört hast!“

Ich atmete seufzend ein. Na, das konnte ja heiter werden.

„Ich hab auch Bier mitgebracht! Import aus Deutschland!“, versuchte er die Stimmung zu lockern und hielt ein Sixpack in die Höhe
 

Schweigend deutete ich ihm mir zu folgen und wir gingen in meine Wohnung. „Setzt dich irgendwo hin und bedien dich am Kühlschrank. Ich muss noch was machen.“
 

„Duschen zum Beispiel?!“, witzelte der Wolfsyokai und erntete einen genervten Blick.
 

„Wenn dich mein Geruch stört, kannst du ja wieder gehen.“
 

„Es ist mehr dein Äußeres, der Gestank hier drin, überdeckt deinen schon ganz gut!“, konnte er sich auch weiterhin die blöden Sprüche nicht verkneifen. Aber wieso sollte ich duschen, wenn ihm meine Optik nicht gefiel? „Versteh mich nicht falsch, aber man sieht noch Reste deiner letzten Mahlzeit an dir. Das ist etwas… ablenkend?!“
 

„Oh!“, nuschelte ich und verschwand im Badezimmer. Ein Blick in den Spiegel bestätigte seine Aussage. Allerdings hatte er sich noch harmlos ausgedrückt. Ich sah aus, als hätte ich mehrere Schweine geschlachtet. Überall klebte Blut in verschiedenen Trocknungsstadien.
 

Schnell ging ich duschen und zog mich dann in mein Schlafzimmer zurück. Hier war zum Glück alles beim Alten und ich konnte mich auf mich konzentrieren. Ich schlüpfte in eine schwarze Jogginghose und hängte mir eine gleichfarbige Sweatjacke um.

Trotz der Dusche fühlte ich mich besudelt und unrein. Ich musste dringend etwas für mein Seelenheil tun, bevor ich in der Lage war, mich dem zu stellen, was da draußen auf mich wartete.
 

Mein Blick fiel auf den Nachttisch und ich erschrak. Wo war es? Wo war das Erbstück meines Vaters? Der Schutz für meine Seele vor der Verdammnis?
 

Mierda! Ich musste es finden!

Ich rannte ins Badezimmer, doch auch hier war es nicht zu finden.

Mierda! Mierda! Mierda!

Was sollte ich nur tun? Was wenn ich es verloren hätte? Wäre dann auch meine Seele unwiederbringlich verdammt?

Ich raufte mir die Haare und brach in die Knie.

Mi padre, was habe ich nur getan. Lo siento! Bitte verzeih mir!
 

„Kann man dir helfen?“, hörte ich plötzlich seine Stimme aus Richtung des Flures.
 

„Kannst du meine Seele vor der Verdammnis retten?!“
 

„Junge, was hast du eingeworfen?!“ Sein Kopf erschien fragend im Türrahmen.
 

„Nichts! Mach dich nicht über mich lustig! Ich meine das ernst! Schön für dich, wenn du keinen Glauben hast, aber wage es nicht, den meinen ins Lächerliche zu ziehen, Wolf!“
 

„Yosuke! Und jetzt komm mal wieder runter und sag mir, was genau los ist. Wieso solltest du verdammt sein?“, sagte er, trat in den Raum und ging vor mir in die Hocke.
 

„Mein Kreuz ist weg! Dieser dreckige Bastard von einer Kröte muss es geklaut haben oder ich hab es verloren! Mierda, verdammt!“
 

„Du meinst diese klobige Kette, die letztes Mal um deinen Hals hing?!“, erkundigte er sich.
 

„Ja, es ist das Einzige, was mir von meinem Vater blieb!“
 

„Verstehe, dann helfe ich dir erstmal suchen! Los komm, hoch mit dir!“, sagte er sanft, aber bestimmt und griff mir unter die Arme, um mich hochzuziehen. „Lass uns systematisch vorgehen, wo hast du schon gesucht?“
 

„Schlafzimmer und Bad!“, antwortete ich ihm knapp und stand mit gesenktem Kopf vor ihm. Ich kann mir so klein und verloren vor.
 

„Bleiben also, Wohnzimmer, Büro und Küche. Wo hast du die letzten Tage die meiste Zeit verbracht?“, fragte er überlegend. Anscheinend hatte er, die Zeit genutzt, um sich umzusehen.
 

„Ich weiß es… Moment, wieso Tage? Wir haben uns doch erst heute Morgen gesehen?!“
 

„Heute Morgen?!“
 

„In der Klinik?! Als… Siakoh… ähm… als wir beschlossen haben, getrennte Wege zu gehen.“
 

„Alejandro, das ist fast eine Woche her! Fünf Tage, um genau zu sein. Weißt du wirklich nicht mehr, was du in der Zeit gemacht hast?“, war seine leicht geschockte und für mich umso schockierendere Antwort.
 

„Was?! Das kann nicht sein. Ich kann mich an nichts erinnern!“, stammelte ich.
 

„Das erklärt, deinen Zustand und den deiner Wohnung. Ich nehme an, dass es nicht immer so bei dir aussieht?! Dann hätte ich Sias Interesse noch weniger verstehen können.“
 

Er klang ein wenig erleichtert, aber auch… besorgt. Sorgte er sich um mich? Wieso sollte er das tun? Wir waren Fremde, er hatte mich nur ein einziges Mal gesehen und da hatte ich ihm gedroht und war handgreiflich geworden. Wollte er mich in falscher Sicherheit wiegen? Egal, er wollte mir suchen helfen, dann sollte er. Danach konnte ich ihn immer noch rausschmeißen.
 

„Okay, legen wir los, damit ich danach mit dir reden kann. So aufgelöst, wie du bist, hat das gerade ja keinen nennenswerten Nutzen.“
 

Wir teilten uns auf, er übernahm die Küche und ich das Büro. Das Wohnzimmer würden wir im Anschluss gemeinsam durchsuchen, da hier auch größere Möbelstücke verrückt werden müssten.

Leider fanden wir beide nichts. Und meine Verzweiflung stieg.

Auch als wir das komplette Wohnzimmer auf den Kopf gestellt, das Sofa angehoben und den Teppich zusammengerollt hatten, fanden wir nichts. Ich war fertig mit der Welt. Müsste losziehen und diesen Kappa suchen. Entweder hatte er es oder er konnte mir vielleicht einen wichtigen Hinweis liefern.
 

„Danke, dass du mir geholfen hast, aber ich muss dann jetzt dieser verdammten Kröte hinterher!“
 

„Setz dich, das hat so doch keinen Sinn. Wir trinken jetzt ein Bier und dann gehen wir gemeinsam los und holen uns Erkundigungen über ihn ein.“
 

„Ich will kein Bier! Ich will meine Kette!“, maulte ich.
 

„Jetzt klingst du wie Sia, wenn er seinen Willen nicht bekommt. Er erinnert mich dann immer an meine Enkelin“, schmunzelte Yosuke.
 

„Na vielen Dank auch! Ich klinge also wie ein kleines Mädchen?!“, fauchte ich.
 

Seufzend stand er auf und holte zwei seiner mitgebrachten Biere aus dem Eisfach. Er kramte kurz in meinen Schubladen und dann hörte man ein Ploppen und ein Scheppern. Anscheinend hatte er den Flaschenöffner gefunden. Mit zwei über die Flasche gestülpten Gläsern kam er zurück, ließ sich auf die Couch plumpsen und drückte mir ein Bier in die Hand.
 

„Hier, du Mäuschen und jetzt setz dich endlich!“, feixte er und zog mich am Arm hinunter aufs Sofa.
 

„Ey!! Und Aua!!“, quietschte ich passend zu meinem neuen Spitznamen auf.
 

„So doll war das doch gar nicht. Da siehst du aus wie Dracula persönlich und weinst schon, wenn man dich nur härter anfasst?!“
 

„Ersteres ist genetisch und zu zweitem: mir bohrt sich gerade irgendetwas Hartes in den Arsch!“
 

„Gut, dass du nicht auf meinem Schoß gelandet bist. Das wäre dann doch zu viel des Guten!“, giggelte Yosuke.
 

„Haha, sehr witzig!“, sagte ich, während ich in die Ritze des Sofas griff und tatsächlich einen massiven Metallgegenstand daraus hervorzog.
 

„Uuuhh, dein Arsch hat einen guten Spürsinn!“ prustete der Wolf nun laut lachend los.
 

Sollte er Witze reißen. Die Freude und Erleichterung, die ich nun verspürte, konnte er mir nicht madig machen. Ich nahm das Kreuz in die Hände, küsste es, sank auf die Knie und legte es mit geschlossenen Augen an meine Stirn. Stumm betete ich ein Gracias a Dios und rechnete es Yosuke hoch an, dass er mich nicht einfach unterbrach, obwohl ich seinen musternden Blick auf mir ruhen spürte.
 

„Danke!“, sagte ich, nachdem ich geendet hatte. Ob er verstand was ich meinte?
 

„Nicht dafür!“, grinste er breit. „Aber irgendwann musst du mir mal erzählen, was es damit auf sich hatte. Hast du dich denn jetzt wieder beruhigt?“
 

„Gleich“, sagte ich, wickelte mir das Band, an dem mein Kreuz hing, wieder um den Hals, setzte mich zurück auf das Sofa und nahm einen tiefen Zug des kühlen Bieres. „Ahhhhh… Jetzt!“, ergänzte ich meine Aussage, spürte die Wirkung des Alkohols diesmal auf angenehme Weise und sagte: „Das ist wirklich lecker. Definitiv eine Sache, die die Deutschen gut können.“
 

„Stimmt“, sagte Yosuke und wirkte weit weg.
 

Wir schwiegen eine Weile und hingen jeder unseren Gedanken nach. Keiner wollte den Augenblick zerstören, der gerade so viel angenehme Entspannung brachte. Ich lehnte mich zurück, legte die Füße auf den Couchtisch, schloss genießend die Augen und nahm ab und zu einen Schluck des Bieres, bis die Flasche leer war.
 

Yosuke war wohl auch fertig mit seiner, denn er stand auf, nahm meine vom Tisch und brachte sie in die Küche, wobei er mit zwei frischen wiederkam und sich und mir einschenkte.
 

„Wenn du das bei Sia gemacht hättest, hätte er dir den Hintern mit dem Nudelholz versohlt!“
 

„Mhm?“, ich blinzelte mit einem Auge träge zu ihm.
 

„Na, die Füße auf den Tisch gelegt. Man merkt, dass ihr euch noch nicht lange kennt.“
 

„Streust du gerne Salz in offene Wunden? Keine nette Eigenschaft, so als Arzt, meine ich.“
 

„Entschuldige. Aber wenn du sagst offene Wunde… Fehlt er dir?“
 

„Wonach sieht’s denn aus?“
 

„Entweder feierst du gerne hart, lang und exzessiv oder du leidest und versuchst deinen Kummer im Alkohol zu ertränken. Ich kenne dich nicht gut genug, um das tatsächlich zu beurteilen, aber den Ausdruck in deinen Augen kenne ich.“
 

„Woher?“
 

„Ich hatte ihn selbst für eine lange Zeit! Sia hat mich damals daraus gerettet.“
 

„Damals?“
 

„Zwischen den Kriegen lernten wir uns kennen.“
 

„Oh… So lange schon?!“
 

„Hihihi, das ist doch nicht lange, Kleiner“, kicherte er fast feminin.
 

„Kleiner? Ich bin fast 600 Jahre alt“, empörte ich mich.
 

„Ich sag doch, Kleiner. Das ist gerade ein gutes Drittel der Zeit, die ich auf die Liebe meines Lebens warten musste.“
 

„Du hast dich auch erst so spät verliebt?“, wurde ich hellhörig. Vielleicht war das ja normal unter Yokaimännern, die einander liebten?!
 

„Oh nein, verliebt hatte ich mich schon viel früher. Aber er… nun ja, das erzählt er dir vielleicht eines Tages selbst. Wenn du nun Teil unseres Lebens wirst.“
 

Ich erstarrte und guckte ihn überrascht an. Bisher hatten wir keinen Blickkontakt gehalten, nur nebeneinandergesessen und geradeaus gestarrt.
 

„Wie meinst du das? Hat Siakoh nichts gesagt? Er hat Schluss gemacht, bevor es überhaupt anfing.“
 

„Und du gibst so leicht auf?! Dann war mein erster Eindruck doch korrekt und du bist nicht der Richtige für meinen besten Freund! Er verdient jemanden, der ihn auf Händen trägt und den Boden vergöttert, über den er läuft. Ein wörtliches Zitat, aber er hat recht. Mir ist nie ein freundlicheres Herz als das seine begegnet. Leider hat er in der Liebe bisher kein Glück erlebt. Er verliert langsam den Glauben daran und das zerfrisst ihn innerlich. Ich mache mir Sorgen um ihn! Wenn es in deiner Macht steht ihn zu retten, dann bitte ich dich: Tu es!“, überschüttete mich Siakohs bester Freund und redete sich dabei immer mehr in Rage.
 

„Ich hab Mist gebaut. Er wird mich nicht mehr wollen.“
 

„Das habe ich auch und er wollte mich danach noch immer.“
 

Ich fuhr hoch.
 

„Ihr hattet also doch was miteinander?! Ich wusste es. Was soll dann diese Schmierenkomödie hier? Filmst du mich heimlich, damit ihr euch nachher über die dumme Fledermaus lustig machen könnt. Die ihr Herz das erste Mal verliert und damit heillos überfordert ist, weil er niemanden hat oder hatte, mit dem er über so etwas reden könnte. Der nicht weiß, wie man auf ein Date geht oder wie man erkennen soll, ob man jemanden liebt?! Grandios! Pendejos! Dann hast du dein Material ja jetzt bekommen. Du weißt wo die Tür ist! Raus! Und wenn ich deinen Kusuri das nächste Mal sehe, sag ich ihm, dass er sich mal angucken soll, was Wolf und Vogel so miteinander teilen!“
 

„Das wagst du nicht!“, sprang Yosuke jetzt auch auf und packte mich am Kragen. „Alles was Sia und ich je hatten, war ein einziger Kuss, den ich zu tiefst bereue, weil…“
 

In diesem Augenblick holte ich aus, nutzte meine freihängende Position, um mich eindrehend noch mehr Schwung zu holen und schmetterte ihm meine Faust mitten ins Gesicht. Voller Genugtuung spürte ich, wie seine Knochen brachen, hörte erst das Splittern und dann sein schmerzerfülltes Keuchen. Er ließ mich los, presste seine Hand auf sein Gesicht und knurrte aus tiefster Kehle:
 

„Fuck! Du kleiner Bastard! Du hast mir die Nase gebrochen!“
 

„Sag niemals wieder, dass du es bereust, dass du seine Lippen kosten durftest! Ich würde mein Leben geben, um sie ein weiteres Mal zu spüren!“
 

„Dein Glück, dass du das gerade gesagt hast. Ansonsten hätte ich dich jetzt windelweich geprügelt!“, grollte er. „So, wo wir deine Gefühlslage jetzt also erläutert haben, bringst du mir bitte ein Tuch und etwas Eis!“, ergänzte er wieder vollkommen freundlich.
 

Was war denn das für eine Reaktion?! Allerdings tat es mir auch schon wieder leid. Hatte mich meine Impulsivität doch erst überhaupt in die Situation gebracht, dass ich hier nun mit dem Wolf in meiner Höhle saß, anstatt mit dem Vogel in seinem Nest zu hocken. Also tat ich wie geheißen und wickelte ein Kühl-Pack in ein Küchentuch, ehe ich ein weiteres Tuch befeuchtete und alles zu ihm brachte.
 

„Es tut mir leid“, sagte ich zähneknirschend.
 

„Macht nix!“, grinste er mich breit an, bevor er mir so eine Ohrfeige verpasste, dass mein Kopf sich auf die andere Seite drehte. Kurzseitig sah ich Sternchen, als ich schon spürte, wie Yosuke mich aufs Sofa setzte und mir das Kühl-Pack auf die Wange drückte. „Sorry, Kleiner, aber das war noch für deinen Auftritt in der Klinik und die Beleidigung meines Mannes!“
 

Er tupfte sich mit dem feuchten Tuch sein Gesicht sauber und ich staunte nicht schlecht. Seine Nase sah aus wie vorher. Wie konnte das denn gehen? Wir Yokai heilten zwar schnell, aber soo schnell?

„Was ist mit deiner Nase passiert? Ich hab gespürt, wie sie gebrochen ist!“
 

„Meine persönliche Gabe. Hast du auch eine?“, fragte er neugierig.
 

„Unsichtbarkeit?!“, scherzte ich und dachte an mein angeborenes Talent, in der Beobachtung von anderen Lebewesen.
 

„Echt?! Das ist ja unglaublich! Zeig mal!“, wurde er neugierig.
 

„Ähm… Tut mir leid, das war ein Insider mit mir selbst…“, nuschelte ich verlegen.
 

„Ach so, okay. Wie dem auch sei… Willst du Sia zurückgewinnen? Wenn ja, hast du schon einen Plan?“
 

„Ähm…“
 

„Was denn nun? Willst du meinen besten Freund als Lebenspartner oder nicht?“
 

„Ich will! Aber denkst du, dass er mich noch will?“
 

„Er will. Glaub mir. Er ist aber eine Dramaqueen und möchte im Sturm erobert werden. Du wirst dich also anstrengen müssen. War das vorhin dein Ernst, als du meintest, du hättest keinerlei Erfahrung in romantischen Dingen?“
 

Ich glaubte es nicht. Da wurde ich doch tatsächlich rot.
 

„Ja“, war meine leise und seehr kleinlaute Antwort.
 

„Macht nix. Kriegen wir hin. Hier ist meine Karte, wenn du irgendwelche Fragen hast, scheu dich nicht mich anzurufen, okay?“
 

„Wieso tust du das?“
 

„Erstens, weil ich will, dass es Sia wieder besser geht und er endlich auch sein Glück findet, selbst wenn es so ein stinkender Komori wie du ist. Und zweitens weiß ich, wie beschissen Liebeskummer ist.“
 

„Danke für das Kompliment… und das Hilfsangebot. Ist es Kusuri, auf den du so lange gewartet hast?“
 

„Gerne und ja. Über 1500 Jahre um genau zu sein Es war die beschissenste Zeit meines Lebens und dennoch würde ich es wieder tun. Für ihn jeder Zeit.“
 

„Dann seid ihr immer noch glücklich?! Also lohnt es sich für so etwas wie Liebe zu kämpfen?“
 

„Nicht für jede Liebe, aber für die Richtige auf jeden Fall!“
 

„Woran erkenne ich, dass er der Richtige ist?“
 

„Egal was passiert, am Ende des Tages, möchtest du nur ihm alles erzählen und in seinem Arm einschlafen. Du wirst es einfach spüren und die Erkenntnis wird sich ihren Weg von deinem Herzen in dein Gehirn bahnen. Themenwechsel: Schon eine Idee, was du machen möchtest?“
 

„Ich hatte ihm ein Dinnerdate versprochen…“
 

„Klingt super. Er steht auf süße Nachspeisen. Also lass dir da was Nettes einfallen“, zwinkerte er mir verschwörerisch zu. „Du schaffst das und denk dran, du bist nicht allein.“
 

„Danke!“
 

„Nichts zu danken. Du weißt, wenn du ihm das Herz brichst, wirst du es bereuen. Also lass uns nun anstoßen und den Abend noch gemütlich ausklingen.“
 

Und das taten wir. Wir tranken noch jeder ein Bier und genossen es einfach beieinander zu sitzen und jeder seinen Gedanken nachzuhängen. Langsam verstand ich, warum Siakoh die Nähe zu diesem Yokai suchte und seine Gesellschaft genoss. Aber würde er wohl für immer mein Konkurrent um den Platz im Herzen meines Vögelchens bleiben?
 

Als Yosuke sich schließlich seufzend erhob und meinte, dass er wohl mal nach Hause sollte, drehte er sich an der Tür noch einmal um.
 

„Wenn du ihn einlädst, mach’s persönlich! Nicht einfach plump anschreiben. Sia steht auf romantischen Kitsch. Und keine Sorge: man sieht Funken bei Euch!“
 

Romantischer Kitsch also?! Konnte er haben…

Bestimmt.

Morgen, jetzt brauchte ich Schlaf.
 

Ich erwachte und ging an meinen Laptop, suchte ein Dschungelmotiv mit Blüten und den Spruch von Ernst Ferstl raus:

Wachsende Liebe

Die Wurzeln des Glücks treiben

kostbare Blüten.
 

Druckte es auf stabiles Papier und schrieb auf die Rückseite:

Hochverehrter und Begehrter Siakoh Diallo!

Möchtest du morgen um 19:30 Uhr mit mir die Früchte dieses Baumes kosten?

Ich lade dich hiermit herzlich zu einem gemeinsamen Dinner bei mir ein, welches ich kochen werde.

A.

P.S.: Es tut mir leid! Bitte gib uns noch eine Chance!
 

Mit meinem Motorrad machte ich mich in Windeseile auf den Weg und schmiss die Karte in den Briefkasten Siakohs.



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