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Eins mit dem Tier

von

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Verloren

Valnar war fast eingeschlafen, als ihn ein Hämmern aus dem Halbschlaf riss. Verwirrt schaute er sich um, bis er das Klopfen an seiner Tür wahrnahm. Schnell schmiss er sich aus dem Bett und zog seinen Bademantel an, dann öffnete er die Tür.
 

Zuerst erkannte er die Person mit schwarzer Kapuze nicht, aber dann sah er die blutverschmierten Augen von dem Gesicht, nachdem er sich am meisten gesehnt hatte.

 

»Alaine?«, fragte er und ließ sie passieren. Sie drückte sich in seine Arme und weinte. Verdutzt hielt Valnar sie fest und strich ihr durchs Haar.

 

»Alles ist gut«, flüsterte er, keine Ahnung, was passiert war. Prompt löste sich Alaine aus der Umarmung und starrte ihn an.

 

»Nichts ist gut! Mein Onkel, er-« Ihre Worte wurden von einem Schluchzer unterbrochen. »Er hat den König aus Iranis hierhergeholt und wird mich zur Heirat zwingen«, weinte sie. »Ich weiß, ich muss, aber ich- ich kann das nicht.«

 

»Ssh«, flüsterte Valnar und nahm sie wieder in den Arm. Eine enorme Wut kam in ihm hoch. Wer auch immer dieser König war, sollte seine dreckigen Finger von Alaine lassen. »Das lasse ich nicht zu«, versicherte er ihr, auch wenn er keine Idee hatte, wie er das anstellen sollte. Allein der Gedanke, dass dieser fremde Vampir sie für sich beanspruchte, ließ das Tier in ihm kochen.

 

Alaine schmiegte sich an ihm und die innere Stimme wollte sie für sich, wollte Valnar in diese selbstsüchtigen Gedanken ziehen, auf dass er sich den Kopf des Königs holte.

 

Aber er wehrte sich. Alaine war kein Gegenstand; er wollte nur das Beste für sie.

 

»Und seine Blicke ... Er fasste mich an, als wäre ich schon jetzt sein Eigentum.«

 

Valnar knurrte im Einklang mit dem Tier. Die Gier, ihn tot zu sehen, machte sich breit, füllte alle seine Sinne. Wie konnte es dieser Bastard wagen?

 

Sie legte die Arme um ihn. »Bitte, darf ich hierbleiben? Nur für eine Weile?«

 

»Natürlich. Bleib so lange du willst«, antwortete er sofort und leitete sie zum Bett. Immer noch brodelte es in ihm und er wollte alles tun, um sie zu beschützen. Vorsichtig nahm er ihr den Umhang von den Schultern, als sie sich hinsetzte.

 

»Möchtest du etwas? Vielleicht eine Tasse Tee?«, bot er an, während er so überflüssig in der Mitte des Raums stand, doch Alaine schüttelte den Kopf.

 

»Bleib einfach bei mir«, flehte sie ihn schon fast an und er setzte sich rasch neben sie, nahm sie wieder in den Arm.

Minuten vergingen und sie verweilten weiter in dieser Position. Nie hatte er sie so erlebt; das war nicht die Alaine, die er kannte. Sie wurde in einem Käfig gesperrt, aus dem sie nicht herauskam. Er fühlte sich so schrecklich nutzlos, wünschte, er könnte sie befreien, bevor ihr Feuer ganz erlosch.

 

»Ich bin immer für dich da«, flüsterte er schließlich. »Ganz egal was passiert, du kannst immer zu mir kommen.«

 

Wenn es sein musste, dann würde er ihr in ihrem Gefängnis Gesellschaft leisten, damit sie niemals alleine war.

 

Alaine nickte unter Tränen und Valnar wischte ihr die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er hätte sie am liebsten geküsst, ihr die Trauer genommen, und diese Sehnsucht machte ihm auch sein Tier klar.

 

In den nächsten Tagen traf Alaine ihn öfter heimlich, aber sie sprach nicht oft über das Geschehene, deutete nur an, dass der König aufdringlich war.

 

Dieser Kerl ... In Valnar kochte es erneut, aber er konnte nichts tun. Nicht, solange Alaine es nicht wollte. Alles, was er tun konnte, war, für sie da zu sein, und so lagen sie wieder zusammen in Stille auf seinem Bett.

 

Es verging eine gefühlte Ewigkeit, bis Alaines Stimme ertönte.

 

»Heute will er mit mir dinieren.« Sie sprach so leblos und verzweifelt. Allein der Gedanke löste in Valnar Übelkeit aus. Seine innere Stimme fauchte, beschwor den Zorn und die Eifersucht erneut in ihm herauf. Alaine so intim zu sehen, hatte dieser Bastard nicht verdient.

 

»Geh nicht«, flehte er sie an und packte ihre Hand. Sie gab ihm diesen schmerzerfüllten Blick und er ahnte ihre Antwort bereits.

 

»Ich muss.«

 

Das Tier wickelte sich um sein Herz, warnte ihn, dass er sie nicht gehen lassen sollte. Fast wollte Valnar diese Gedanken in die Tat umsetzen und hielt ihre Hand fester.

 

Aber Alaines verängstigtes Gesicht brachte ihn dazu, loszulassen.

 

Seufzend schaute er auf die gegenüberliegende Wand. Sein Tier gab ihn zu verstehen, dass er nicht hilflos war; er musste nur etwas dagegen tun, und das war, den König umzubringen.

 

Zusammen könnten sie ihn zerfetzen, seine Körperteile im Thronsaal verteilen. Valnar atmete schwer und gierte nach diesem Bild.

 

Die Fantasien verflogen, als Alaine mit beiden Händen sein Gesicht anfasste und es zu sich drehte. Er rührte sich nicht, starrte sie nur an. Sie kniete sich neben ihn hin und ihr Blick war neugierig, beobachtete ihn genau.

 

Wieder wollte er sie küssen, sich mit ihr vereinen und alles andere vergessen.

 

Ihre Hände glitten vorsichtig seine Wangen hinunter und schon war es vorbei.

 

»Ich muss gehen«, flüsterte sie und stand auf. Valnar wollte ihr nach, aber sie griff hastig ihren Umhang und verschwand aus der Tür.

 

Ein weiterer Stich traf ihn in seiner Brust, als die Quelle seiner Begierde den Raum verließ, und er packte sich vor Verzweiflung den Kopf, wusste einfach nicht, wie er ihr helfen konnte.

 

Das machte ihn so machtlos.

 

*
 

Es war spät abends, als Alaine aufgetakelt zum privaten Speisesaal lief. Sie hatte keine Lust auf dieses Abendessen mit Morlon. Lieber würde sie mit Valnar ausgehen, wieder in die Bar, in derer sie einst so viel Vergnügen hatten.

 

Ihr hellblaues Kleid schliff ihr hinterher, als sie den Raum betrat. Es hatte weite Ärmel und keinen Ausschnitt, um sich besser vor den widerlichen Blicken des verhassten Vampirs zu schützen. Dafür trug sie viel Silberverzierungen und Schmuck, die von ihr ablenken sollten. Nur ihre Haare waren zu einem einfachen Zopf gebunden.

 

König Morlon hatte sie bereits erwartet und gab ihr ein Grinsen, welches Alaine mit einem gezwungen höflichen Lächeln erwiderte.

 

Am liebsten würde sie ihm ins Gesicht treten.

 

»Gut seht Ihr aus, Hohepriesterin. Nicht ganz, wie ich erhofft hatte, aber dennoch gut«, kommentierte er und nahm wieder ihre Hand, um sie zu küssen.

 

Es gab Alaine eine Genugtuung, dass er nicht das bekam, was er wollte, und so gab sie ihm diesmal ein aufrichtiges Lächeln.

 

»Setzt Euch. « Morlon zog den Stuhl für sie heraus und sie setzte sich, dann nahm er neben ihr Platz.

 

Einige Weinflaschen standen auf dem Tisch und sie wusste sofort, dass es Menschenblut war. Das machte sie nervös; er würde sie während des Trinkens genau beobachten.

 

Das wollte sie nicht.

 

»In Iranis saugen wir die Menschen noch persönlich aus«, lachte Morlon. »Nicht so wie hier. Deshalb habe ich einige Flaschen mitgebracht, anstatt meine Sklaven.«

 

Er lachte weiter, als wäre es amüsant. Alaine aber war fassungslos. Für sie war es respektlos, sein Tier so zu füttern und die Menschen zu verletzen. Wenn sie nur daran dachte, wurde ihr schlecht.

 

Sie ließ sich nichts anmerken und hielt ihr Glas hin, worauf Morlon beide füllte. Alles bewegte sich so langsam wie noch nie und sie versuchte den Duft des roten Lebenssafts zu ignorieren.

 

»Interessant. Die Menschen in Asran spenden freiwillig, dafür beschützen wir sie im Verborgenen, aber lassen sie in Ruhe. Wir wollen schließlich die Kontrolle über unser Tier bewahren.« Etwas Spott machte sich in ihrem Ton breit und Morlon schien es zu bemerken; er grinste wieder und seine Reißzähne traten gefährlich hervor.

 

»Ihr habt Biss, Alaine. Das gefällt mir.«

 

Bevor sie darauf reagieren konnte, packte er ihren Arm, zog sie an sich und presste seine Lippen auf ihre. Alaines Pupillen formten sich zu Schlitzen. Mit einem Ruck riss sie sich aus seinen Fängen und gab ihm eine Ohrfeige. Die innere Stimme war sofort zur Stelle, schürte die Wut.

 

Töte ihn für diesen Frevel! Nur sein Tod wird deinen Stolz wiederherstellen!

 

»Wie könnt Ihr es wagen?!«, schrie Alaine, packte ihr Glas und schmiss die Flüssigkeit in Morlons Gesicht. Schock machte sich in seinen Augen breit, dann fingen sie an, rot zu leuchten und er sprang auf, die Zähne tödlich gebleckt.

 

»Eine Frau hat sich nicht so gegenüber ihrem Mann zu verhalten!«, knurrte er, wollte sie wieder packen, aber Alaine ging einen Schritt zurück.

 

»Noch seid Ihr nicht mein Mann! Und ich bin nicht Euer Spielzeug!«, keifte sie und ohne auch nur eine weitere Sekunde zu zögern, rannte sie aus dem Saal hinaus.

 

Das Tier wollte Rache, wollte sie zurück in den Saal drängen und ihre Zähne in den Leib des Eindringlings stoßen, aber Alaine rannte stur weiter, das Kleid angehoben. Kaum kam sie auf ihr Zimmer an, riss sie sich mit aller Gewalt das Gewand vom Leib und stand nur noch in Unterwäsche da.

 

Zitternd und mit den Fäusten geballt, versuchte sie ein Schluchzen zu unterdrücken. Schließlich rutschte sie gegen die Tür auf den Boden hinunter und umarmte ihre Beine.

 

Dieses Schwein! Ihr Tier hatte recht! Er verdiente den Tod mehr als jeder andere! Die Bestie umarmte ihre Sinne erneut, forderte die Wut, während es durch ihre Adern schlängelte, und Alaine ließ es zu. Sie bebte vor Hass und war kurz davor umzukehren und den König in Stücke zu reißen.

 

Doch ihre Augen rissen weit auf, als sie die Vase auf dem Nachtisch entdeckte. Schnell sprang sie auf und rannte dort hin. Valnars Lilien waren verschwunden und stattdessen machten sich Eisblumen aus Iranis darin breit.

 

Du weißt, es macht dich wütend! Lass deinen Hass freien Lauf!

 

Alaine fing an zu schluchzen, gefolgt von einer Welle schmerzhafter Wut. Das Tier glühte heiß in ihr, zwang sie, endlich zu handeln, bevor man sie ganz zerstörte. Sie schrie auf und schmetterte die Vase zum anderen Ende des Raums, wo sie zersprang und das Wasser und die Blumen auf den Boden zerstreuten. Ihre Tätowierung brannte, als das Tier sich dort ausbreitete und sie hielt ihren Arm. Ein Fauchen verließ ihre Kehle und sie spürte, wie die innere Stimme die Kontrolle übernehmen wollte. Wie ein Herzschlag pochte ihr Arm und ihre Gedanken wurden überflutet mit Hass; sie war kurz davor, in Raserei zu verfallen.

 

Nein, das durfte nicht passieren!

 

Mit einem Keuchen schlug sie das Tier zurück, kämpfte mit ihrem Geist dagegen an. Fast verschlang es sie. Alaine schrie vor Schmerz, während es sich in sie festbiss. Immer wieder, bis sie sich seinem Willen fügen sollte. Wieder schrie sie auf und mit aller Gewalt riss sie die Kreatur zurück in die Tiefen ihrer Seele.

 

Dann fiel sie auf die Knie, atmete schwer und wischte sich den Speichel vom Mund.

 

Fast hätte sie sich ganz verloren! Die Schmerzen waren so unermesslich gewesen, wie sie es noch nie vorher gespürt hatte. Als würde ihr Geist in zwei geteilt werden.

 

Sie umarmte zitternd ihren Leib, weinte und fühlte sich komplett hilflos; für sie gab es keinen Ausweg!

 

Aber dann kam ihr der Mann in dem Sinn, der ihr all den Schmerz nehmen konnte, und eine beruhigende Wärme füllte ihre Seele, ein kleiner Schimmer der Hoffnung.

 

»Valnar«, flüsterte sie ins Nichts.



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