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Der Wächter

von

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Gedankenkonstrukte

Isaak

Bis spät in die Nacht hinein dauerte die Diskussion an. Am Ende hatten sich alle geeinigt.

Fasziniert über die Technologie der Wächter hatte Frank sich schlussendlich entschieden sein Gedächtnis zu behalten. Er und Darlyn begaben sich nach La Push, um sich selbst einen Überblick über die Bauarbeiten zu machen.

Zur Verschleierung hatte Isaak einen weitläufigen Zauber um das Dorf gelegt. Dieser sollte normale Menschen davon abhalten die Bauarbeiten zu stören.

Für die KI wäre es kein Problem gewesen alle geplanten Bauvorhaben umzusetzen, aber Isaak hatte sich dagegen entschieden. Zum einen hatte er keine Lust darauf über längere Zeit einen Zauber über ein solch großes Areal aufrecht zu erhalten, zum anderen würde das weitere Konsequenzen nach sich ziehen.

Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Behörden misstrauisch geworden wären. Wenn die KI alles baute, benötigten sie weder Arbeiter noch Geld. Beide Punkte stellten ein Problem dar.

Aus diesem Grund wurde entschieden lediglich die zerstörten Gebäude, sowie die unterirdischen Schächte inklusive der Rohrleitungen und Kabel von der KI bauen zu lassen. Für alle anderen Arbeiten würden sie, wie es ursprünglich geplant war, diverse Baufirmen beauftragen. Angefangen mit dem Ausbau der Straße.

Somit würde Isaak nur wenig eingreifen müssen und konnte den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen. Willhelms und Christians Stellen wurden nicht wieder besetzt. Im Hintergrund regelte die KI ihre Aufgaben.

Um keinen Verdacht zu erregen, fingierten die KI zwei Personen, die nur telefonisch erreichbar waren. Das Gehalt dieser beiden würde dann über Umwege an eine neu gegründete Hilfsorganisationen weitergeleitet werden.

Damit waren kurz vor Mitternacht alle Ziele erreicht.

*

Jake neben ihm gähnte ungeniert.

“Du kannst ruhig schlafen gehen, wenn du müde bist.” Auch wenn dieser Vorschlag abgelehnt werden würde, so wollte Isaak es wenigstens versuchen.

“Nein”, erklang Jakes Antwort sogleich. Er streckte sich und fügte hinzu: “Ich habe keine Lust alleine zu schlafen.”

Aus seinen Gedanken erfuhr Isaak, dass sein Gefährte entgegen seiner Erschöpfung neugierig war. Immerhin befanden sie sich auf dem Weg zu Morgan le Fay, um diese zu verhören.

“Wie du willst. Aber beschwer dich später bitte nicht. Ich kann noch nicht abschätzen, wie lange das Gespräch dauern wird.”

Nachdem dieser Punkt geklärt war, widmete sich Isaak dem Display vor sich. Während der Diskussion mit den Quileuten, hatte er eine medizinische Drohne zu Willhelms Tochter geschickt. Diese befand sich im Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, Manhattan, New York. Ein Lehrkrankenhaus für angehende Neurologen.

Nachdenklich murmelte Isaak vor sich hin: “Ich kann verstehen, warum die Menschen mit diesen Symptomen nicht klarkommen.”

“Was meinst du?”, fragte Jake, der ebenfalls einen Blick auf den Monitor warf. “Ganz ehlich. Ich verstehe kein einziges Wort und das obwohl es in Englisch geschrieben ist. Zumindest glaube ich, dass das da Englisch ist.”

“Teilweise. Die Fremdwörter stammen aus dem Latein.”

“Ok”, sagte Jake gedehnt und wandte sich ab. “Was ist nun mit ihr?”

“Um es einfach auszudrücken, sie hat sich einen einzelligen Parasiten zugezogen. Der Organismus frisst sich in den Hirnstamm, um sich zu vermehren. Die Ärzte haben die Anzeichen wohl missinterpretiert und suchen an der falschen Stelle.”

Jake neben ihm erschauderte. “Kannst du etwas gegen diesen Parasiten unternehmen?”

“Selbstverständlich. Sobald die DNA-Analyse der Parasiten vorliegt, wird die medizinische Drohne dem Mädchen einen Impfstoff verabreichen, der das Problem beseitigen wird. Sie wird wieder vollständig gesund werden.”

“Das heißt, wir müssen nicht nach New York?”, fragte Jake gähnend nach.

“Nein. Das kann die Drohne allein erledigen. Meine Anwesenheit ist nicht erforderlich.” Mit einer Handbewegung ließ Isaak das Display verschwinden.

Er hob den Blick. Genau in diesem Augenblick flogen sie von oben in die Hauptröhre des Forschungsareals. Hier unten, am Ende der Welt hielt Isaak drei Gefangene. Die menschliche Magiern Morgan le Fay, einen Werwolf und einen Schatten.

Ein Großteil seiner Aufmerksamkeit richtete er auf das bevorstehende Verhör, während er gleichzeitig diverse andere Dinge im Auge behielt. Er wachte über die Menschen, die die Regierung nach Forks entsandt hatte. Auch behielt er die Nachrichtensender, sowie die Stimmung in Forks im Blick.

Ein anderer Teil seines Denkens überwachte die Aufbauarbeiten in La Push und die Gedankenströme aus den Rudeln. Besondere Aufmerksamkeit galt natürlich seinem Gefährten. Isaak hielt immer dessen Vitalwerte, Emotionen und Gedankenmuster im Blick.

Innerlich seufzte Isaak. Vor einigen Monaten noch war seine Welt wesentlich einfacher gewesen. Der Großteil seiner Aufmerksamkeit lag damals bei der Überwachung der Zukunft. Nun aber musste er erstmal die Gegenwart in den Griff bekommen, bevor er sich wieder der Zukunft widmen konnte.

Allerdings bedauerte er nichts. Ohne Morganas Eingreifen hätten Jake und er sich niemals getroffen. Sein Gefährte hatte ihm mehr geschenkt als diesem bewusst war. Ohne Jake hätte Isaak sich nie mit seiner Vergangenheit beschäftigt. Seine Gefühle wären auf ewig verschüttet geblieben.

Einsam und allein wäre er über die Erde gewandelt. Unbewusst auf der Suche nach etwas, was er nicht begreifen konnte.

Mit Jake an seiner Seite hatte sich alles geändert. Isaak beschützte die Welt nicht länger, weil es seine Bestimmung war, sondern weil Jake in ihr lebte. Etwas was er sich niemals im Traum hätte ausmalen können.

Allein schon, dass er über solche Dinge nachdachte, war ein deutliches Zeichen, wie sehr er sich durch Jake schon verändert hatte.

Sie wurden langsamer und hielten vor einer undurchsichtigen roten Barriere an. Isaaks Unterbewusstsein nahm keine Bedrohung war, dennoch konzentrierte er augenblicklich den größten Teil seines Denkens auf die Magierin. Was auch immer geschehen würde, diese Person durfte keinesfalls entkommen.

Zum wiederholten Male prüfte Isaak die Schutzzauber um sich und Jake, sowie die Bannrunen um die Magiern. Nicht das geringste Bisschen durfte er dem Zufall überlassen, dafür war diese Angelegenheit viel zu wichtig.

“Dieses Schutzschild sieht anders aus als die übrigen”, meinte Jake neben ihm.

“Das stimmt. Morgana stellt ein gewaltiges Sicherheitsrisiko dar. Deshalb wurde dieser Bereich mit besonders starken Kraftfeldern versehen. Über dreißig Prozent des gesamten Energiebedarfs des Unterwasserpostens wird für diese Barrieren verwendet.”

Gequält lachte Jake neben ihm auf. “Wenn es um eine Bedrohung allen Lebens geht, machst du echt keine halben Sachen.”

So ganz konnte Isaak diese Aussage nicht verstehen. War das ein Tadel oder ein Lob? Für den Moment würde er diese Worte so stehen lassen. Es gab Wichtigeres zu tun.

Isaak hob eine Hand und legte diese auf das Schaltpult neben der Barriere. Dann sagte er in der Sprache der Wächter: “KI, öffne dieses Areal.”

Nebenbei bekam er mit, wie Jake verdrießlich mit den Augen rollte. Offenbar missfiel es seinem Partner, wenn er in der Sprache der Wächter redete und Jake nichts verstehen konnte.

“Verzeih mir, aber diese Vorsichtsmaßnahmen müssen sein”, versuchte Isaak seinen Gefährten zu besänftigen.

“Ja, ja”, brummte Jake und schüttelte den Kopf. “Lass uns das schnell hinter uns bringen.”

Die Barriere öffnete sich und gab die Sicht frei. Sie schwebten vor einem kleinen schmucklosen Raum. Wände, Boden und Decke bestanden aus einer magieabweisenden Metalllegierung. Die gräuliche Oberfläche des Metalls verlieh dem kleinen Raum eine sterile, beklemmende Atmosphäre. An einer Wand war eine metallische Toilette angebracht, daneben ein Waschbecken mit Spiegel. Außerdem befand sich hier ein unbequem aussehendes Metallgestell-Bett. Ein passendes Ambiente für eine Gefängniszelle.

Mitten im Raum war Morgan le Fay auf einer Metallliege aufgebahrt. Dicke Metallfesseln hielten sie an Armen, Beinen, dem Brustkorb und am Hals gefesselt.

Jake neben ihm erschauderte. “Im Gegensatz hierzu, ist die Zelle im Polizeirevier in Forks ja kuschelig eingerichtet. Ich hatte mir ehrlich gesagt etwas anderes vorgestellt.”

“Das ist nur provisorisch. Hinter der Rückwand erstreckt sich ein viel größeres Areal. Die KI ist aber noch dabei die Wände mit magieabweisendem Metall zu überziehen. Diese Arbeit wird noch ein paar Tage andauern.”

Während Isaak erklärte trat Jake vor. “Schläft sie noch immer?”

“Ja”, bestätigte Isaak. “Selbst mit allen Schutzmaßnahmen stellt sie eine Gefahr dar. Deshalb hat die KI sie unter Narkose gehalten. Bevor ich es gestatten kann, ihre Fesseln zu lösen, muss ich einige Banne über sie legen.”

Ohne weiter auf seinen Gefährten zu achten, machte sich Isaak an die Arbeit. Die Zauber zu weben würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Je schneller er damit anfing, desto eher konnte er mit dem Verhör beginnen.

Anfangs leistete Jake ihm in seinem Kopf Gesellschaft, jedoch war abzusehen, dass sein Freund nicht lange würde durchhalten können. Nach knapp einer Viertelstunde hatte sich Jake auf das Bett geschmissen. Kurz darauf war er eingedöst.

Nun da sein Gefährte schlief, konnte sich Isaak vollends auf seine Aufgabe konzentrieren. Mit seiner Magie wob er einige Schutzzauber. Allem voran wollte er verhindern, dass Morgana ihre Kräfte überhaupt einsetzen konnte. Isaak erschuf eine mehrschichtige mentale Barriere in Morganas Geist, der sie von ihrer Magie abschnitt.

Selbst wenn sie es wider erwartend schaffen sollte diese zu überwinden, würden weitere Zauber sie daran hindern mit ihrer Magie Materie oder den Geist von Lebewesen in ihrer Umgebung zu beeinflussen.

Sinnbildlich gesprochen wickelte er Morgan le Fay in einen straff anliegenden magischen Kokon ein. All sein Wissen zog er dafür zu Rate. Unter keinen Umständen durfte diese Frau jemals entkommen.

Nach über einer Stunde war er fertig. Seine Magie war fast vollkommen aufgebraucht. Inständig hoffte er, dass dieses Konstrukt reichen würde.

“Wölfchen”, sagte er mit sanfter Stimme.

Ein dumpfes Gemurmel ging von seinem eingekugelten Gefährten aus. Liebevoll legte er ihm eine Hand auf die Schulter und rüttelte ihn leicht.

Plötzlich riss Jake die Augen auf. Sein Blick war gehetzt und wachsam. Wie ein wildes Tier suchte er nach einer Gefahr. Die wunderschönen dunkelbraunen Augen fixierten ihn. Fasziniert beobachtete Isaak wie sich die Erkenntnis in ihnen widerspiegelte. Sein Gefährte hatte ihn erkannt. Augenblicklich entspannte sich Jake.

“Wassen los?”, brabbelte er vor sich hin.

“Ich bin fertig mit meinen Zaubern und wollte nun mit dem Verhör beginnen. Wenn du lieber schlafen willst, dann lasse ich dich von der KI in unser Zimmer bringen.”

“Nein”, bestimmte Jake und stemmte sich in eine aufrecht sitzende Position. Die Arme über den Kopf gesteckt sagte er: “Tut mir Leid, dass ich eingeschlafen bin. Ich wollte nur kurz mal die Augen schließen.” Jake tätschelte das Laken neben sich. “Diese Matraze ist echt verdammt bequem. Das hatte ich nicht erwartet.”

“Ich bin doch kein Unmensch”, antwortete Isaak beleidigt. “Auch wenn Morgana meine Gefangene ist, wird es ihr an nichts Mangeln, außer ihrer Freiheit. Diese hat sie mit ihrem Verhalten verspielt.”

“Schon gut”, meinte Jake und sprang auf die Füße. “Lass uns anfangen, damit wir endlich fertig werden.”

Nebeneinander stellten sie sich vor der Liege auf. Mit einer Handbewegung gab Isaak der KI ein Zeichen. Daraufhin änderte sich die Position der Liege. Sie richtete sich auf, damit sie mit der Magiern auf Augenhöhe reden konnten.

“KI, weck sie auf”, befahl Isaak.

Hinter ihnen, so wusste er, baute sich das Kraftfeld wieder auf. Dieses war die letzte Sicherheitsbarriere, die Morgana an einer Flucht hindern sollte.

Aus dem Boden fuhr ein flexibler Metallarm empor. An seiner Spitze befand sich eine hauchdünne Nadel.

Jake neben ihm erschauderte und griff unbewusst nach seiner Hand. Mit einem leichten Schmunzeln im Gesicht verschränkte Isaak ihre Finger, während die KI der Magiern die Nadel in den Hals stieß.

Keine Sekunde später verschwand der Arm wieder im Boden. Von Jake unbemerkt öffneten sich ein kleines Loch in der Decke. Im Fall der Fälle würde dieser Raum Morganas Grab werden. Die KI konnte diesen Raum jederzeit mit einem tödlichen Erreger fluten. Abgestimmt auf die DNA der Magierin wäre das ihr unausweichliches Ende.

Weitere Sekunden vergingen. Auf einmal bewegte sie sich. Begleitet von einem dumpfen Stöhnen schlug Morgana die Augen auf.

Orientierungslos ließ sie einen Augenblick lang den Blick schweifen. Als sie ihre beiden Wärter erkannte verengte sie die Augen und verzog das Gesicht zu einer wütenden Grimasse.

“Sei gewiss, es ist noch nicht vorbei”, fauchte sie aufgebracht.

Isaak seufzte. “Sei vernünftig, Morgana. Du bist meine Gefangene. Der einzige Weg hier raus ist der Tod.”

Ruckartig sah sie sich abermals um. “Welches Gräuel ihr mir auch zufügen vermögt, mein Wille ist stark.”

Nachdenklich betrachtete Isaak sie. Ihr Geist war wirklich sehr widerspenstig. In ihren Kopf einzudringen barg so einige Gefahren. Inständig hoffte er nicht so weit gehen zu müssen.

“Morgana”, sprach er sie an. Kurz wartete Isaak bis sie ihn wieder ansah. “Was hast du mit den Werwölfen angestellt? Welche Zauber hast du eingesetzt?”

Hochmütig grinste sie ihn an. “Einer meiner Sklaven hat überlebt. Ich danke, für diese Auskunft.”

Isaak seufzte laut. Durch die Fragen beim Verhör gab man unwissentlich Informationen preis. Daher sah er keinen Sinn es abzustreiten.

“Ja, ich habe einen der Werwölfe gerettet. Jedoch war es mir bisher nicht möglich ihn zurückzuverwandeln. Sein Leben ist wichtig für die Zukunft, deshalb bitte ich dich, mir zu verraten, was du getan hast.”

Er sah es in ihren Augen. Kalt und emotionslos sah sie ihn an. Morgana würde ihr Wissen niemals freiwillig teilen. Da war er sich sicher.

Sie rümpfte die Nase und konterte: “Deine ach so kostbare Zukunft ist nicht die meine. Niemals werde ich dir helfen.”

Es musste sein. Mental sagte er zu Jake: “Schließe die Verbindung zu mir. Ich werde in ihren Verstand eindringen. Es wird zu einem Kampf Wille gegen Wille kommen. Auf keinen Fall darf sie in deinen Geist eindringen. Du hättest keine Chance gegen sie.”

Unwirsch knirschte Jake mit den Zähnen, nickte aber. Plötzlich schottete sein Gefährte sich vor Isaak ab. “Danke”, sagte er rasch, dann wandte er sich mit seiner vollen Konzentration Morgana zu.

In ihren Geist einzudringen war einfach. Dort aber an die gewünschten Informationen zu gelangen eine gänzlich andere Angelegenheit.

Morgana, die mittlerweile erkannt hatte, was er plante, ließ ihn widerstandslos in ihren Kopf. Dort standen sie sich gegenüber.

Um sie her befand sich ein dunkler, von Fackeln erleuchteter Korridor. Unzählige Türen gingen von diesem ab. Hinter einer davon musste das liegen, was er suchte, jedoch würde es Morgana ihm nicht leicht machen.

Gehässig lachte die Magierin. “Deine Torheit erheitert mich. Meine Macht hast du versiegelt, doch mein Wille ist stark. Dies soll auf ewig dein Gefängnis sein.”

Morgana löste sich in Rauch auf. “Wie du mir, so ich dir.”

Bei diesen Worten spürte Isaak, wie die Magiern in seinen Geist eindrang. Eine solche Verbindung war keine Einbahnstraße. Jedoch war er vorbereitet. Morgana würde es schwer haben an seine Erinnerungen zu gelangen.

Dieses geistige Duell war ein dreischneidiges Schwert. Mit Geschick konnte er Morgana das Wissen entreißen, nach dem er suchte. Doch öffnete er ihr somit die Türen zu seinem Verstand. Vordringlich würde Morgana versuchen herauszufinden, mit welchen Zaubern er sie belegt hatte, um diese dann aufzulösen.

Auch barg dieses Unterfangen das Risiko, sich im Geist des anderen zu verlieren. Sollte Isaak den Weg zurück nicht mehr finden, wäre er hier gefangen.

Im Vorfeld hatte er seine Erinnerungen zu einem Labyrinth angeordnet. Multiple mentale Barrieren würden ihr das vorankommen erschweren. Wahllos mal stärker mal schwächer.

In seinem Leben war er schon in unzähligen Köpfen gewesen. Dieses Wissen machte er sich nun zu nutze. Mit dieser Finte hoffte er sie eine Weile zu beschäftigen.

Isaak wandte sich der ersten Tür zu seiner linken zu. Hinter dieser befand sich ein mittelalterlicher Thronsaal. Er achtete nicht auf die kunstvoll verzierten Wandteppiche und den Prunk um sich her. Sein Fokus lag auf drei Personen in diesem Raum.

In der Mitte kniete ein schäbiger Jüngling, ein Schwert auf den ausgestreckten Händen empor haltend. Arthur, bevor er zum König von Britannien wurde.

Weit hinten im Saal standen Morgan le Fay und ihr Schützling Merlin. Stille Beobachter.

Schnurstracks betrat Isaak den Thronsaal und eilte auf Arthur zu. Ohne auf die sich um ihn herum abspielende Szene aus Morganas Vergangenheit zu achten, hob er eine Hand über die Waffe. Volltreffer. Wie er es erwartete hatte, war dies das sagenumwobene Schwert Excalibur.

Isaak grinste heimtückisch. Damit hatte Morgana ihren ersten Fehler begangen. Sie schien diese Erinnerung als wertlos zu erachten. Doch hatte sie ihm ausversehen ein wichtiges Fragment gegeben.

Excalibur wurde von Morgana erschaffen, dass wusste Isaak. Außer ihm war nur sie dazu in der Lage so etwas zu vollbringen. Alles hatte sie damals so arrangiert, dass die Geschichte sich nach ihrem Willen entwickelte.

Anstelle selbst nach der Krone zu greifen, gewährte sie ihrem Zögling Arthur diesen Traum. Damals wollte Morgana nur das Beste für das Land und wählte für sich eine Rolle im Hintergrund, bei der sie, gemeinsam mit ihrem Schüler Merlin, die Fäden ziehen konnte.

Isaak analysierte die Magie der Klinge und merkte sich das Muster der Zauber. Anschließend kehrte er dieser Erinnerung den Rücken zu und begab sich zurück in den dunklen Korridor.

Er sandte seinen Geist aus und suchte nach dem soeben erhaltenen magischen Muster. Ohne große Mühen fand er eine weitere Tür.

Als er die Hand nach der Klinge ausgestreckte erbebte der Korridor. Morganas Geist war in Aufruhr. Offenbar ärgerte sie sich. Erheitert über diesen Umstand konnte sich Isaak ein diebisches Grinsen nicht verkneifen.

Im Gegensatz zu Morgana, die ihre Erinnerungen hinter Türen verborgen hielt, ein eher schlichtes Gedankenkonstrukt, hatte Isaak sich etwas besonderes einfallen lassen.

Morgana befand sich auf einer weitläufigen Wiese. Überall um sie herum, so weit das Auge reichte, standen unterschiedlich aussehende Vogelbecken. Jedes davon enthielt die gesamten Erinnerungen eines Menschen. Um genau zu sein waren es die Leben der Personen aus Forks.

Das war einer der Gründe warum Isaak am Morgen so schlecht gelaunt war. In Vorbereitung auf diesen geistigen Kampf hatte er seine Gedankenwelt neu strukturiert und mit den Gedächtnissen der Leute gefüttert.

Das Perfide daran war, dass Isaak die Gedächtnis-Engramme ohne jegliche Abspaltungen so aufbewahrte. Wo hinter jeder Tür normalerweise nur eine Erinnerung lagerte, befand sich bei ihm in einer Vogeltränke ein ganzes Leben.

In dem Augenblick in dem Morgana die Barriere über dem Wasser durchbrach, prasselte das gesamte Leben von Angela Weber, einer Schulfreundin von Bella, auf sie ein.

Insgeheim wünschte Isaak der Magierin viel Spaß bei Angelas noch frischen Erinnerungen, mit all ihren Sorgen und Problemen des Schulalltages.

Es würde wohl noch einige Zeit dauern, bis Morgana die richtige Vogeltränke finden würde. Denn nur eine, der über dreitausend, führe zu Isaaks Erinnerungen. Ober besser gesagt auf das nächste Level seines Gedankenkonstrukts.

Auf der 2. Ebene erwartete die Magierin eine endlose Wüste. Jedes einzelne Sandkorn dort, war eine Erinnerung. Keine einzige von Isaak selbst. Dort hatte er alles Wissen, dass er in den letzten zweieinhalbtausend Jahren aus den Köpfen der Menschen gezogen hatte, visualisiert.

Sobald Morgana ein Sandkorn berührte musste sie sich die Erinnerung darin ansehen. Ein wenig unfair war das Ganze schon, aber notwendig. Immerhin war das hier kein Spiel zum Zeitvertreib, sondern bitterer Ernst.

Isaak öffnete die Tür vor sich. Dort saß Arthur auf einem prächtigen Pferd, umringt von seinen Rittern. Mit seiner rechten hielt er Excalibur in die Höhe. Das war wohl seine Ansprache vor einer großen Schlacht. Nicht das, was Isaak suchte.

Als Nächstes fand er die Szene, in der Morgana Arthur das Schwert gab. Beziehungsweise sie ihn Excalibur aus einem Stein ziehen ließ.

Das war schon nahe dran aber noch immer nicht das Gewünschte.

Isaak verfeinerte seine Sinne und suchte nach einer noch älteren Erinnerung. Dann fand er die richtige Tür. In einer kleinen Waldhütte stand Morgana vor einem Tisch. Darauf lag ein Schwert. Es war Excalibur bevor es verzaubert wurde und einen Namen bekam. Genau nach dieser Szene hatte er gesucht.

Bedächtig trat er ein und sah Morgana zu, wie sie ihre Zauber wob. Ihre Gefühle, ihre Konzentration und ihre Magie, das alles stellte für Isaak das nächste Fragment dar.

Mit diesem Wissen im Gepäck startete er seine Suche neu. Diesmal schloß er alle Erinnerungen aus, in denen keine Magie angewendet wurde, sowie alle in denen Excalibur oder Arthur vorkamen.

Mithilfe dieses Ausschlussverfahrens konnte er die Anzahl der Türen erheblich reduzieren. Er öffnete mehrere Türen bis er vor einer stutzte. Diesmal war ihm eine mentale Barriere im Weg. Ein schwacher Versuch Isaak von dem Inneren fernzuhalten. Gewaltsam durchbrach er diese, indem er seinen Geist wie die Klinge eines Messers hindurch stieß.

Hinter der Tür war eine Erinnerung neuerem Datums. Wie er es sich gedacht hatte, bemaß Morgana ihrem alten Leben keine Bedeutung mehr bei. Sie hatte nur die Gedanken geschützt, die in der nahen Vergangenheit lagen. Ein schwerer Fehler.

Wenn Isaak sie hätte zerstören wollen, hätte er schon genügend Pulver zur Verfügung gehabt. Ein wenig hier, ein wenig da die Erinnerungen umschreiben und schon wäre Morgana nicht mehr dieselbe.

Es ließ sich leider nur nicht genau bestimmen, wie sich das Ändern einer Erinnerung auf den Charakter einer Person auswirken würde. Daher entschied sich Isaak dafür, es sein zu lassen. Sein Ziel waren Informationen, nicht Morganas Psyche zu zerstören.

Morgana stand an in dieser Erinnerung vor einigen Männern in Uniformen. Im Hintergrund des kleinen Raumes befanden sich einige Tische mit Monitoren, Tastaturen und Knöpfen. Anhand des Aussehens der Soldaten, der Architektur und den Schriftzeichen im Raum zu schließen befanden sie sich in einem chinesischen Militärstützpunkt.

Durch Isaaks übermenschlichem Wahrnehmungsvermögen bemerkte er sofort, dass Morgana in die Köpfe der Soldaten eindrang und sie ihrem Willen unterwarf. Das musste kurz vor dem Raketenangriff auf ihr Flugzeug gewesen sein. Genau nach so etwas hatte Isaak gesucht. Vielleicht bekam er hier das letzte Puzzlestück, das ihm noch fehlte.

Zum zweiten Mal erbebte Morganas Verstand, die in seinem eigenen von unendlich vielen fremden Erinnerungen überflutet wurde. Sie hatte das Gedächtnis einer Bibliothekarin erwischt. Die Frau war ein echter Bücherwurm und würde der Magierin so einiges über Literatur beibringen.

Isaak konzentrierte sich wieder auf die Szene vor seinen Augen. Dabei achtete er genau auf Morganas Gefühle. Nachdem sie die Menschen verhext hatte, präparierte sie die Raketen. Wut schlug Isaak entgegen. Nicht das was er suchte. Er wartete und sah zu wie, die Menschen die Raketen abschussbereit machten.

Dann, ein kurzer Augenblick bevor Morgana den Feuerbefehl erteilte, loderte der Hass in ihr auf. Sie knirschte mit den Zähnen und murmelte: “Das Ende ist Nahe, Wächter.”

Treffer. Genau danach hatte Isaak gesucht. Aus dieser Erinnerung extrahierte er Morganas Hass auf ihn. Gemeinsam mit allem anderen hatte er nun alles, was er für sein Vorhaben benötigte.

Er wechselte in seinen eigenen Verstand und materialisierte sich vor Morgana. “Ich hoffe, die vielen Gedichte haben dir gefallen.” Dabei konnte er sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Sie wurde in diesem Moment von zahlreichen schnulzigen, amateurhaften Liebesgedichten eines verliebten Teenagers überschüttet.

“Schweig”, schrie sie ihn an. Mühsam unterdrückte sie ihren Zorn. Dann grinste sie gehässig. “Deine Suche war ebenso erfolglos bisher.”

Isaak runzelte die Stirn. “Das liegt im Auge des Betrachters. Ich habe alle Fragmente, die ich benötige, um an das Wissen zu gelangen, dass ich suche. Diese Prozedur wird dir aber nicht gefallen, das verspreche ich dir. Daher fordere ich dich ein letztes Mal auf, kooperiere. Hilf mir deine Fehler ungeschehen zu machen. Oder ich zwinge dich dein Wissen preis zu geben.”

“Glaubst du, Narr, ich falle auf dich herein? Niemals wirst du finden, was du suchst.” Übergeschnappt lachte sie ihn aus.

“Wie du willst. Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt”, sagte Isaak niedergeschlagen. Er musste es tun, andernfalls würde das hier noch ewig dauern.

So schnell wie er gekommen war, verschwand er auch wieder. Angekommen in Morganas Geist sammelte er seine ganze Konzentration. Er hatte keine Wahl. Es führte kein Weg daran vorbei. Unwissentlich hatte Morgana ihm Zugang zu ihren Emotionen gegeben. Ein verhängnisvoller Fehler.

Mit seinem geballten Willen zwang er Morganas vorhandenes Gedankenkonstrukt sich zu verändern. Nun sah er von oben herab auf den deckenlosen Korridor mit den unzähligen Türen zu ihren Erinnungsfragmenten.

Gestärkt mit dem Wissen, wie sie Magie anwendete, ihrem Hass auf ihn und der Komplexität ihrer Konzentration, befand er sich nun auf einer höheren Ebene ihrer Gedankenwelt.

Ihre mentalen Barrieren würden sie nicht länger schützen. Sein Geist war wie Wasser. Er selbst war das Wasser. Es begann zu regnen. Nein, er war der Regen. Wie Gift tropfte sein Verstand von oben herab auf Morganas Gedankenkonstrukt, sickerte durch die Decken, hinein in jede Erinnerung. Auf diesem Weg umging er sämtliche Barrieren und Blockaden. Nun hatte er uneingeschränkten Zugang zu all ihren Erinnerungen auf einmal.

Sogleich begann er mit seiner Arbeit. Mit jedem assimilierten Gedanken wurde er stärker. Nicht mehr lange, dann würde er ihr sämtliche Geheimnisse entrissen haben.

Plötzlich bebte der Boden. Nein, die gesamte Welt bebte.

Etwas stimmte hier nicht. In den Wänden der Räume unter ihm erschienen Risse. Die Mauern bröckeln und stürzten in sich zusammen. Gedanken und Erinnerungen vermischten sich. Wurden eins und stürzten ins Nichts. Eine unendliche Schwärze breitete sich wie eine Flut über Morganas Gedankenwelt aus.

Panik erfasste Isaaks Herz. Was hier geschah, war nicht richtig. So sollte das nicht sein. So durfte es nicht sein!

Er musste sofort hier raus. Was auch immer hier vor sich ging, es durfte sich nicht auf sein Gedankenkonstrukt übertragen.

Das Letzte das er sah waren zwei rote Augen in der Finsternis, die ihn voller Heimtücke anstarrten. Dann wurde alles Dunkel.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tomasu
2022-04-15T18:33:46+00:00 15.04.2022 20:33
Moin moin,

du hast es wieder geschafft. Ein Wundervolles Kapietel das mich in seinem Bann hielt und dann am ausgestrecktem Arm sabbern lässt. Du kannst dohc nicht an dieser Stelle aufhören, gerade jetzt wo es interessant wird. wo man vielleicht erähnen könnte wo Morgana kurumpiert wurde und von wem.

Ich will weiter lesen und hinter die kleinen Geheimnisse in deinem Kopf kommen. Bin zwar nicht so gut im Lesen von Gadankenlabyrinten aber habe etwas Erfahrung im erstellen von einem im Literaischen sinne.

Grüße und schöne OsterTage
Tomasu
Antwort von:  Drachenlords
17.04.2022 10:11
Moin moin,

heute geht es ja weiter. Einige Dinge, die bisher im Dunkeln lagen werden nun enthüllt, aber nicht alles. Es soll ja spannend bleiben, da ich mit einer Fortsetzung plane ^^

MFG
Drachenlords


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