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Der Wächter

von

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Täglich grüßt das Murmeltier

Es waren nun schon einige Tage seit dem Vorfall vergangen. Zwischen Jake und seinem Vater lief es einigermaßen gut. Ihre Beziehung zueinander war zwar etwas abgekühlt, aber beide gaben sich Mühe ganz normal zu sein.

Im Rudel allerdings herrschte Chaos. Schon am nächsten Tag in aller Herrgottsfrühe war Paul bei ihnen aufgetaucht und hatte Jake so lange beschimpft, bis es zu einem Kampf kam. Nach seinem Sieg starrte Jacob angefressen auf die Überreste seiner Schuhe. „Verdammt. Das waren meine Letzten. Das wird Dad nicht gefallen.“

Paul hatte sich ihm zwar unterworfen, aber seltsamerweise war die Angelegenheit damit nicht aus der Welt geschafft. Er gab zwar einige Stunden Ruhe, aber dann begann er erneut zu sticheln. Auch der Rest des Rudels war nicht gut auf Jake zu sprechen.

In den darauffolgenden Tagen hatten ihn alle, außer Embry, immer wieder zum Kampf herausgefordert. Paul sogar bis zu drei Mal am Tag. Sogar Quil hatte seine Meinung geändert und war in das Lager „schlagt den Jake“ übergegangen.

Sam war ratlos, hielt sich aber weitestgehend raus. Er achtete nur darauf, dass sein Beta zwischen den Kämpfen genug Zeit hatte sich zu erholen und dass sich keiner ernsthaft verletzte. Auch Embry, weil er sich eben nicht gegen Jacob stellte, musste einiges einstecken und wurde in Kämpfe verwickelt.

Es war ein zermürbendes Unterfangen sich gegen so viele zur Wehr zu setzen. Jake hielt bisher wacker Stand, auch wenn er langsam nicht mehr weiterwusste. Die Wölfe weigerten sich auch mit ihm zusammen auf Streife zu gehen und rebellierten ein ums andere Mal, wenn Sam sie dazu zwang. Am Ende überließ der Alpha es dann Embry mit Jake umherzuziehen. Solange dieser Fremde noch in der Gegend sein konnte, sollte keiner allein patrouillieren.

Heute Morgen dann, wurde Embry von Paul besiegt und Jacob verlor seinen letzten Fürsprecher. Daraufhin war er wütend in den Wald gestürmt und verschaffte sich eine Ruhepause in dem er das Rudel weit hinter sich ließ.

Zu allem Überfluss hatten die Wölfe mehrere Male schon eine fremde Fährte gewittert und Jake hatte bestätigt, dass es sich um den Fremden handelte. Jedoch konnten sie ihn einfach nicht finden. Die Spur begann einfach im Nichts und endete kurze Zeit später auch wieder. Den Mann selbst hatten sie noch nicht gesehen. Das bereitete vor allem Sam Sorge, da die Fährtenschnippsel rund um das Dorf verteilt lagen.

Jake war außer sich und rannte als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Seine anfänglichen Bedenken den Fremden anzugreifen waren verflogen. Sollte er ihn finden, würde er ihn töten. Zu viel Leid hatte er schon wegen diesem Mann ertragen müssen und es schien kein Ende zu nehmen.

Plötzlich nahm er Witterung auf und folgte im raschen Tempo der Spur. Diesmal allerdings war die Fährte sehr frisch, nur wenige Minuten alt und er rief das Rudel zusammen. Aus allen Richtungen vor ihm erklang Wolfsgeheul und sie versuchten den Feind einzukesseln.

Und tatsächlich: Diesmal schienen sie Erfolg zu haben. Nur einige Momente später durchbrach Jake einen Busch und keine fünfzig Meter vor ihm stand der fremde Mann auf einer Wiese. Er sah ihn direkt an und zeigte keine Anzeichen von Angst, als Jake noch einem beschleunigte und zum Angriff überging.

„Jake nein, lass das. Warte bis wir da sind“, schrie ihn Sam an, aber er ignorierte seinen Alpha einfach. Genug war genug. Der Fremde musste sterben, dann würde vielleicht alles wieder wie früher werden.

Mit einem bedrohlichen Knurren aus seiner Kehle stürzte er sich auf den Mann und riss ihn in mit voller Geschwindigkeit von den Füßen. Nur am Rande bekam er mit, dass der Mann sich nicht wehrte.

Nun stand er über ihn gebeugt und geiferte auf ihn nieder. Sein Fell war gesträubt und in seinen bernsteinfarbenen Augen glühte sein Zorn. Sein Kiefer stand halb offen bereit für den Todesstoß und er knurrte so böse, wie noch nie in seinem Leben.

Der Mann sah ihn einfach nur an, sagte nichts, bewegte sich auch nicht nur einen Millimeter. Einzig das Auf und Ab seiner Brust und die Bewegung seiner Augen verrieten, dass er am Leben war und keine leblose Puppe. In dieser Position verharrten sie eine unendliche Weile. Nur ein Zucken des Mannes und Jake würde ihn töten. Das schwor er sich. Die blauen Kristalle musterten den Wolf über sich. Noch immer lag nicht eine Spur von Angst in ihnen.

Aus dem Unterholz preschte nun auch der Rest des Rudels hervor und sie blieben wie angewurzelt stehen. Alle sahen dem Schauspiel zu und warteten ab was geschehen würde. Erneut versuchte Sam mit Jake zu reden, aber dieser bekam das gar nicht wirklich mit. Ungehalten knurrte der Alpha auf.

Als wäre das das Zeichen gewesen, schrie Jake im Geiste: „Stirb!“ und ließ seinen gewaltigen Kiefer niederfahren. Er umschloss mit seinen alleszerstörenden Zähnen den Hals des Mannes und berührte dessen Haut. Er spürte die Wärme des anderen auf seiner Zunge und das Pulsieren von Blut in den Adern unter seinen Zähnen, aber er konnte sein Maul nicht schließen.

Vor seinem inneren Auge tauchte ein Bild auf. Er sah das grinsende Gesicht des Anderen vor, wie dieser ihn voller Liebe und Vertrauen ansah. Dieses Bild lähmte Jake und er konnte sein Werk nicht beenden. Er wusste, dass das die Prägung war. Sie hinderte ihn daran dem Mann das Leben zu nehmen.

Seine Wut war wie weggeblasen. Sein Nackenfell legte sich und das Knurren seiner Kehle erstarb. Einige Momente verharrte er in dieser Position, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, oder sich zu bewegen. Dann entwich dem Mann ein schwerer Seufzer und er schüttelte den Kopf. Jake spürte diese Bewegung an seinen Zähnen. Sie kratzten über dessen Haut, konnten sie aber nicht durchdringen.

Erschrocken machte Jake einen Satz zurück und der Mann drückte sich verzweifelt die Hände ins Gesicht. „Was für ein Schlamassel. Wenn du nur hättest zubeißen können, dann wäre das Problem gelöst und du wärst wieder frei.“

Die Stimme des Mannes war melodisch und Jake war sich sicher, dass er noch nie in seinem Leben eine lieblichere Stimme gehört hatte. Für ihn war sie wie ein Sirenengesang. Er war ihr vollkommen verfallen, unfähig zu widerstehen.

Verzweifelt schloss er die Augen und presste die Lider aufeinander. „Ich bin Jacob Black. Ich bin nicht schwul!“, ermahnte er sich unter Aufbietung all seiner Willenskraft. Dann schrie er in die Verbindung: „TÖTET IHN! TÖTET IHN!“

Paul, Embry und Quil sprangen auf seinen Befehl hin los und sprinteten auf den Mann zu. Doch bevor sie ihn erreichten zwang Sam sie mit seiner Macht stehen zu bleiben: „Nein, keiner greift ihn an!“

„Das durfte doch nicht wahr sein“, schoss es Jacob durch den Kopf. Am Ende seiner Kraft öffnete er die Augen und sah, dass der Mann auf die Ellbogen gestützt die drei Wölfe um sich musterte. Noch immer zeigte er kein Anzeichen von Angst. Es schien ihn eher zu amüsieren, denn er begann leicht zu lächeln.

Das war zu viel für Jake: Er machte auf dem Absatz kehrt und sprintete in den Wald. Er wollte nur eines, nämlich den Mann so weit hinter sich zu lassen wie es nur möglich war. Am Rande bekam er noch mit, wie dieser eine Hand nach ihm ausstreckte und sagt: „Warte Jacob, wir müssen reden.“ Da brach er auch schon durch einen Busch und verschwand im Unterholz.

Er rannte und rannte, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach und nach Luft hechelnd auf dem Waldboden zum Liegen kam. Von den Gedanken der anderen erfuhr er, dass der Mann aufgesprungen war und ihm kurz folgte, das Rudel an den Fersen. Keiner hatte damit gerechnet, dass dieser Fremde sich so schnell wie ein Vampir bewegen konnte. Aber nur wenige Momente nach Beginn der Verfolgungsjagd besann er sich offenbar anders, drehte ab und rauschte wie der Wind davon. Das Rudel konnte nicht mal annähernd Schritt halten und hatte ihn nach wenigen Sekunden bereits aus den Augen verloren. Wie schon so oft endete auch die Fährte wenige Meter weiter und der Mann war spurlos verschwunden.

Jake war wütend auf sich selbst, weil er den Mann einfach nicht töten konnte. Nebenher verfolgte er der Diskussion im Rudel. Viele hielten Sams Eingreifen für falsch und stellten sich auf Jacobs Seite. Der Mann musste sterben, allein schon deswegen, um den Frieden in ihrer Gemeinschaft wiederherzustellen. Aber keiner schaffte es Sam zu überzeugen und er beendete das Gespräch, indem er alle zum Schweigen verdonnerte.

Erst spät in der Nacht kehrte Jake nach Hause zurück und fiel todmüde auf sein Bett. Noch bevor er die Matratze richtig berührte, war er auch schon eingeschlafen.

 

Die nächsten Wochen spitzte sich die Lage langsam zu und Jacob stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Das einzig Gute seit der zweiten Begegnung mit dem Unbekannten war, dass sein Rudel nun wieder hinter ihm stand und ihn in Ruhe ließ. Selbst Paul war beeindruckt von Jakes Initiative und wie er sich gegen die Prägung zur Wehr setzte. Für alle war es mehr als nur bedeutend, dass Jake zumindest versucht hatte den Mann zu töten und dass trotz oder gerade wegen ihrer Verbindung zueinander.

Keiner der anderen wollte mit ihm tauschen und sich in so einer Situation wiederfinden. Sie wussten aus den Gedanken von Sam, wie stark einen die Prägung beeinflusste und waren davon überzeugt gewesen, dass sich Jake dem Mann um den Hals werfen würde und sich gegen sie stellte, wenn es zum Kampf kommen sollte. Das wäre jedenfalls normal gewesen. Doch Jake trotzte seinem aufkommenden Verlangen nach der Nähe des Mannes dank seiner immensen Willenskraft. Wann immer der Zwiespalt in ihm aufkam, wiederholte er sein Mantra und das Rudel unterstützte ihn dabei.

Aber das half nichts gegen die aktuelle Situation. Schon am nächsten Tag, als Jake kopflos im Wald umher rannte, traf er erneut auf den Mann. Dieser stand urplötzlich einfach vor ihm und er musste scharf bremsen, um ihn nicht umzurennen. Vollkommen baff hatte der Gestaltwandler dagestanden und den Anderen angestarrt. Dieser hob beschwichtigend eine Hand und wiederholte seine Worte vom Vortag: „Jacob, wir müssen reden.“

Auch wenn die Stimme des Mannes ihn lockte darauf einzugehen, sträubte sich sein Fell und er sprintete davon, während er das Rudel informierte. Als sie dann aber, Sam allen voran, an der Stelle ankamen, war der Mann schon weg. Eigenartigerweise gab es diesmal überhaupt keine Spur, der sie folgen konnten. Der Geruch des Mannes war vorhanden, das war nicht das Problem, aber er begann und endete an genau der Stelle, an der er gestanden hatte.

Seit diesem erneuten aufeinandertreffen wurde es immer schlimmer. Wann immer Jake in den Wald ging traf er auf den Mann. Mal wartete dieser auf einem Stein stehend oder auf einer Lichtung, andere Male saß er auf einer Wiese oder auf einem niedrig hängenden Ast. Wann immer Jake auf ihn traf machte er einen Haken wie ein Hase und rannte einfach weiter. Der Fremde hingegen bewegte sich nicht und schaute ihm nur mitleidig hinterher. Er versuchte nie ihm zu folgen und war stets unauffindbar, wenn das Rudel die Stelle erreichte.

Nachdem Embry scherzhaft dachte, dass es so schien, als ob der Kerl aus dem Boden wachsen würde, ließ Sam das Rudel eine ganze Nacht lang die Umgebung einer der Stellen umgraben, um sicherzustellen, dass der Fremde keine Tunnel benutzte. Aber außer ein paar Hasen, zwei Fuchsbauten und einem zu Tode erschrockenen Dachs fanden sie nichts.

Jake hatte schon alles Mögliche ausprobiert, um diese Treffen zu vermeiden. Er war in verschiedene Richtungen losgerannt, hatte mehrere Tage im Wald verbracht, um ihn abzuhängen; hatte sich eine ganze Flasche Parfüm übergeschüttet, um seinen Geruch zu überdecken; waghalsig und am Verzweifeln hatte er es sogar mit dem Revier der Cullens versucht, alles ohne Erfolg.

Einmal war er sogar völlig entnervt zu Hause geblieben und hatte fast einen Herzinfarkt bekommen, als er aus dem Küchenfenster sah und den Mann am Waldrand vorfand. Das Letzte was er wollte war, dass der Mann vielleicht noch auf die Idee kam bei ihnen zu klingeln und er auf Billy traf. Sein Vater hatte ohnehin schon öfters einen Wutausbruch. So kannte er ihn gar nicht, aber wenigstens verstanden sie sich noch. Beide mieden allerdings DAS Thema. Nachdem er dann Hals über Kopf aus dem Haus geflohen war, hatte er sich nicht mehr getraut zurückzukehren. Er schlief im Wald und wenn er hungrig war ging er jagen.

Entgegengesetzt zu Jakes Bestreben, den Fremden zu meiden, hatte der Rest des Rudels genau das Gegenteil im Sinn. Unter Sams Anweisung suchten sie akribisch alles ab und drehten gefühlt jeden Stein im Wald um, ohne Erfolg. Was sie mit ihm vorhatten wussten sie selbst nicht so genau. Der Kerl war einfach unheimlich und ihnen nicht geheuer.

Mehrere Male hatten Sam verschiedene Wölfe als Jakes Begleitung abgestellt, aber jedes Mal nachdem Jake das Weite gesucht hatte, verschwand der Mann spurlos. Das Seltsame dabei war allerdings, dass nie einer der Wölfe ihn direkt dabei beobachten konnte wie er entkam. Immer geschah etwas Unerwartetes, was den betreffenden Wolf kurz ablenkte. Ein Blitzschlag ohne Gewitter; ein Blätterrascheln hinter sich; eine schattenhafte Bewegung, am Rande des Sichtfeldes; ein Geruch oder sogar einfach nur ein Blinzeln und schwupp war er weg. Sie hatten sogar Jake als Köder eingesetzt, um dem Mann eine Falle zu stellen, aber er tauchte nie auf, wenn sie ihn erwarteten.

In einer weiteren Sondersitzung des Rates wurde der Vorschlag geäußert, dass Jake doch mal mit dem Mann reden sollte. Sam und Billy waren allerdings strikt gegen diesen Vorschlag und darüber war Jake auch froh. Es graute ihm davor mit dem Mann reden zu müssen. Außerdem hätte er sich dafür verwandeln müssen und er weigerte sich vehement nackt vor diesem Kerl zu stehen.

Bei diesem Gespräch erfuhr er auch, dass Bella wieder da war, natürlich von den Blutsaugern begleitet. Aber er hatte einfach gesagt weder die Nerven noch die Zeit sich mit ihr auseinanderzusetzen. Er wollte nicht, dass sie erfuhr was los war und hoffte, dass er sie auf Distanz halten konnte. Das Rudel hielt ihm in dieser Hinsicht vollkommen den Rücken frei und blockte alle Versuche der Kontaktaufnahme seitens Bella ab. Die Angelegenheit mit dem Fremden ging niemanden außerhalb des Rudels etwas an und sie wollten nicht, dass die Blutsauger involviert wurden. Sie hatten schon genug zu tun und wollten sich nicht auch noch mit diesem Pack herumschlagen müssen.

Jake ging es mittlerweile sehr schlecht. Die ständige Angst vor dem Fremden ließ ihn einfach nicht mehr zu Ruhe kommen. Selbst in seinen Träumen tauchte dieser auf und stand einfach nur schweigend da. Wie sollte das nur weitergehen? Zum ersten Mal seit seinem Gefühlsausbruch bei seinem Vater war er den Tränen erneut so nahe, dass er sie kaum zurückhalten konnte.

Er lag mit schmerzenden Muskeln auf der Seite und hechelte nach Luft. Seine lange Zunge hing ihm seitlich aus dem offenen Maul. Er war am Verzweifeln und wusste einfach nicht mehr weiter. Körperlich, wie seelisch, war er am Ende seiner Kräfte.

 

Unbemerkt von Jake wurde dieser aus einem nahem Baumwipfel beobachtet. Der Mann seufzte schwer, wohl wissend, dass der Wolf ihn weder hören, sehen, riechen oder spüren konnte. Er hatte seine Präsenz vollständig verborgen. Immerhin das klappte noch. „So komme ich nicht weiter. Jake ist ganz schön stur. Ich sollte aufhören ihn zu bedrängen. Aber, wie bekomme ich es hin, dass er freiwillig mit mir spricht?“

Erneut seufzte er schwer und schüttelte den Kopf: „Dann muss ich eben die Initiative ergreifen. Oh, dass wird ihm nicht gefallen. Ich hatte gehofft, diesen Weg nicht einschlagen zu müssen.“

Mit einem Satz sprang er von dem Baum und rauschte in Windeseile durch den Wald.

 



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