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Common Ground

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
und wieder melde ich mich zurück, diesmal wieder mit einem ganz schön dicken Klopper oÒ

Zwei kleine Anmerkungen:
Der Kapiteltitel ist von nem Song einer Band inspiriert, die für mich eine der Entdeckungen im letzten Jahr war: "18 Years" von Lucky Boys Confusion. Klassischer Pop-Punk mit tollen, extrem eingängigen Melodien und Texten - und der hier passte inhaltlich einfach super. ;)

Und Nummer Zwei zu meinem Head-Canon: In meiner Vorstellung stellt die Kaiba Corporation bei weitem nicht mehr nur Spielzeug her. Kaibas Holographie-Technik ist ein super innovatives Produkt, das natürlich im Spielesektor mit Duel Monsters angefangen hat, aber er wäre ja schön dumm, sich darauf zu beschränken, sodass die Technik jetzt auch in den verschiedensten anderen Bereichen eingesetzt wird. Ich denke da zum Beispiel an Wissenschaft, Medizin, Raumfahrt, Verkehr,…für Simulationen, bildgebende Verfahren etc.

So, und jetzt genug von meinem Gelaber und viel Spaß beim Lesen! :) Komplett anzeigen

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Move on. (Nothing to see here.)

Auf dem restlichen Weg zurück zum Bus lief Seto wieder hinter allen anderen, allerdings mit weniger Abstand als zuvor, da Frau Kobayashi sich immer wieder ängstlich umdrehte, um zu prüfen, ob er noch da war. Meine Güte, er war doch kein kleines Kind mehr! Ja, er hatte vorhin etwas neben sich gestanden und verpasst, dass alle weitergegangen waren, und es war so ärgerlich wie peinlich, dass so viel Wirbel um seinen Lapsus entstanden war, aber es musste doch wohl eigentlich jedem mit einem Funken Verstand im Kopf klar sein, dass ihm das so schnell nicht noch einmal passieren würde!

Mit jedem Schritt und jedem Schluck Kaffee waren die Erinnerungen immer weiter in den Hintergrund getreten und spätestens bei ihrer Ankunft an der Brücke war er wieder komplett er selbst gewesen.

Trotzdem war diese Klassenfahrt zweifellos von vorne bis hinten eine einzige Katastrophe! Jeden Tag schien er ein wenig mehr aufzuhören zu funktionieren, wie ein elektrisches Gerät mit einem Wackelkontakt, der immer schlimmer wurde: Kontrolle an, Kontrolle aus. Ihm blieb nur zu hoffen, dass die ‚Kontrolle aus’-Momente nicht noch weiter zunehmen würden, denn mehr Erlebnisse wie das am See mit seiner Plötzlichkeit und schieren Wucht konnte er nun wirklich nicht gebrauchen. Von einer Sekunde auf die andere hatte sich eine unsichtbare Schleuse geöffnet, und eine Flut von lange verschütteten Bildern, Szenen und Erlebnissen war mit einem Mal in seinen Geist geströmt und hatte ihn beinahe wortwörtlich von den Füßen gerissen: Er, ganz allein im Spielzimmer des Wartebereichs im Krankenhaus, während – wie er später erfuhr – seine Mutter und die Ärzte um Mokubas und ihr Leben kämpften … der starre Blick seines Vaters, als man bei der Beerdigung ihren Sarg in den Boden herabließ, der starke Griff der großen, kalten Hand um seine kleine … ein Knall von unten, gefolgt von einem lauten Fluchen – sein Vater, wie er zusammengesunken auf dem Küchenfußboden saß und weinte, um ihn herum eine stetig wachsende Pfütze Milch aus einem heruntergefallenen Babyfläschchen …

Wäre Devlin nicht aufgekreuzt, er wäre sicherlich noch um einiges länger dort sitzen geblieben.

Dankenswerterweise hatte sein Zimmergenosse von jeglichen Kommentaren und penetranten Nachfragen abgesehen, hatte sogar versucht, ihn mit dem Kaffee und der kleinen Geschichte über Wheeler ganz diskret und unaufdringlich aufzumuntern.

Seine Haut kribbelte leicht, dort wo sich ihre Finger vorhin berührt hatten, und ein luftiges Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus. Mit einem Kopfschütteln verscheuchte er beides jedoch sofort wieder, denn alles das spielte keine Rolle mehr und hatte rein gar nichts zu bedeuten. Warum?

Punkt Eins: Wenn man mal ehrlich war, dann könnte selbst ein absoluter Vollidiot nach zehn Minuten mit Seto zu dem Ergebnis kommen, dass er Kaffee mochte und Wheeler nicht. Das waren hinlänglich bekannte Fakten und sich daran zu erinnern, nun wirklich keine große Leistung.

Punkt Zwei waren die Geschehnisse bei ihrer Rückkehr und die Schlüsse, die man daraus unweigerlich ziehen musste: Wheeler wusste demzufolge sehr genau und vermutlich nicht erst seit heute, dass er nicht arbeiten konnte, weil Mokuba auf eine erschreckend gut geplante und äußerst heimtückische Art seine Arbeitsmittel konfisziert hatte. (Oh, was freute er sich schon auf dessen Gesicht, wenn er im Gegenzug zu Hause endlich die Spielekonsolen konfiszieren konnte! Auch wenn ihm die Intriganz des 13-Jährigen mittlerweile fast schon wieder ein wenig Bewunderung abrang…aber schließlich hatte er ja auch vom Besten gelernt.)

Es gab nur eine Person, von der der Köter dieses Hintergrundwissen haben konnte, und das war Devlin. Seto entfuhr ein abfälliges Schnauben. Im Grunde war es doch klar gewesen, dass er reden würde. Devlin gehörte schließlich immer noch zum Kindergarten und wenn sie nicht gerade damit beschäftigt waren, die Welt zu retten, machten die nun einmal nichts lieber, als ihre Nasen in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken. Warum war Seto auch nur für eine Sekunde dem Irrtum aufgesessen, Devlin könnte irgendwie anders sein?

Vermutlich begannen die Hormone wirklich langsam, sein Urteilsvermögen zu beeinträchtigen.

Aber viel wichtiger noch: Wenn Devlin schon diese Information so bereitwillig gestreut hatte, was erzählte er dann womöglich noch alles? Würde er seinen kleinen Idioten-Freunden auch von der Sache am See berichten? Zwar hatte Devlin nicht den Hauch einer Ahnung, was genau ihn so aus der Bahn geworfen hatte, aber er war da gewesen, hatte gesehen, wie er dasaß: zusammengesunken, schwach, verwundbar – und schon allein dadurch wusste er viel zu viel. Bei der Vorstellung, dass sich Wheeler sein dreckiges Hundemaul darüber zerreißen könnte, wurde ihm übel.

Diese ganze Sache mit Devlin wurde immer gefährlicher – umso mehr, weil sie sich ein Zimmer teilten. Dass er sich Devlin gegenüber so hinreißen und gehen ließ, wie heute oder gestern Abend durfte nicht noch einmal passieren, Hormone hin oder her! So weit es ihr kleines Projekt erforderte, würde er weiterhin mit Devlin kollaborieren – auf das einzige zu verzichten, das ihn davon abhielt hier wahnsinnig zu werden, war zum jetzigen Zeitpunkt eine denkbar schlechte Idee – , darüber hinaus jedoch würde er ihn ignorieren und sich soweit wie möglich von ihm fernhalten!
 

Zur selben Zeit weiter vorne in der Schülerkolonne gestikulierte Joey wild in der Luft, während er Duke wie erwartet mit Vorwürfen überzog: „Ich kann nicht glauben, dass du Kaiba das mit dem Helikopter erzählt hast, Mann! Wie konntest du mir so in den Rücken fallen?! Habt ihr euch schön gemeinsam auf meine Kosten lustig gemacht?!“ Duke war sich nicht ganz sicher, was er dazu sagen sollte. Ja, de facto hatte sich Kaiba auf Joeys Kosten amüsiert (wenn man das kurze Zucken seiner Mundwinkel denn so bezeichnen wollte) und es war auch noch Dukes volle Intention gewesen. Würde er das dem Blonden gegenüber allerdings zugeben, kam die Sache mit dem Hundekostüm vermutlich schneller wieder auf den Tisch, als ihm lieb sein konnte. Das war also keine gute Idee. So antwortete er nur ausweichend: „Nein, Joey, natürlich nicht! Ich …“ Doch der Blonde ließ ihn gar nicht ausreden: „Und was ist eigentlich wirklich passiert? Egal was Kaiba sagt, das mit dem Telefonat war doch absoluter Bullshit! Du hast uns ja selbst gesagt, dass du sicher weißt, dass er nicht telefonieren kann! Sag schon, Alter, das bist du mir schuldig nach der Aktion! Du bist doch mein Spion! 007, du weißt schon!“

Duke spürte, wie sich seine Muskeln verkrampften und eine plötzliche Wut in ihm aufstieg, die er sich in ihrer Vehemenz nicht vollständig erklären konnte. Heftig schüttelte er den Kopf und sah Joey verständnislos und kalt an. „Einen Scheiß bin ich dir schuldig! Das geht dich nichts an! Und dein dämlicher Spion bin ich im Übrigen auch nicht!“ Auch Tristan schaltete sich jetzt ein: „Aber hat Kaiba denn nun telefoniert oder nicht, als du wieder am Schrein ankamst?“ Der Schwarzhaarige atmete einmal tief durch, schaffte es aber nicht seine Stimme komplett im Zaum zu halten: „Sagt mal, hört ihr mir eigentlich zu?! Spreche ich eine andere Sprache oder was an dem Satz ‚Es geht euch nichts an!‘ versteht ihr nicht?!“

Joeys Augen funkelten Duke jetzt ebenfalls aggressiv an und er fragte in einem absichtsvoll provokanten Ton der Entrüstung: „Aha, jetzt stehst du also auf seiner Seite, ja?! Du weißt doch ganz genau, was er mir schon alles …“ Duke fiel ihm harsch ins Wort: „Ich stehe auf gar keiner Seite, Joey! Lass mich dich mal kurz auf den Boden der Tatsachen zurückholen: Niemand hier“, er zeigte mit der Hand auf den Kreis der Freunde, „ist dir in irgendeiner Form Rechenschaft schuldig! Ist es denn so schwer zu verstehen, dass es Menschen gibt, die nicht wollen, dass Leute, die sie weder gut kennen noch mögen, Dinge über sie wissen?“ An diesem Punkt spürte Duke instinktiv, dass es vielleicht besser wäre, jetzt die Klappe zu halten, aber die Worte sprudelten ganz von allein weiter aus ihm heraus, ohne dass er sich noch hätte stoppen können: „Und manchmal – das mag für dich vielleicht besonders überraschend kommen – trifft das sogar auf Freunde zu! Nicht jeder möchte alle seine Geheimnisse und Probleme teilen, nicht freiwillig und erst recht nicht unfreiwillig durch jemand anderen!“

Joey öffnete seinen Mund, als wolle er etwas erwidern, schloss ihn aber sogleich wieder. Auch die anderen blickten Duke aus großen Augen an, ein wenig ratlos und erschrocken ob der überraschenden Heftigkeit seines Ausbruchs. Yugi fand jedoch schnell seine Sprache wieder und setzte der Diskussion ungewohnt streng ein Ende: „Joey, lass es jetzt bitte gut sein! Duke hat recht, es geht uns wirklich nichts an!“ In Momenten wie diesen konnte man wirklich das Gefühl bekommen, dass der Pharao auf ihn abgefärbt hatte. Mit einem letzten Augenrollen gab der Blonde schließlich vorerst nach. Duke wurde von Yugi nur mit einem besorgten Ausdruck gemustert, aber der Kleine sagte nichts weiter zu ihm. Wahrscheinlich spürte er, dass er erstmal wieder durchatmen und zur Ruhe kommen musste.

Auf dem gesamten restlichen Weg zum Bus wollte kein lockeres Gespräch mehr zwischen ihnen aufkommen, stattdessen herrschte ein unangenehmes, in Teilen sogar ein wenig eisiges Schweigen. Duke kam nicht umhin zu bemerken, dass Tea hin und wieder mit sorgenvollem Blick zu ihm hinübersah. Verständlich, hatte er doch gerade das genaue Gegenteil von dem getan, was er ihr heute Vormittag noch zu tun versichert hatte: Joey ruhig zu halten und ihm zu vermitteln, dass er auch irgendwie gegen Kaiba war. Aber Joeys Nachfragen hatten ihn in eine Ecke gedrängt, aus der er das Gefühl hatte, sich mit allen Mitteln befreien zu müssen – auch wenn er dabei unbeabsichtigt viel über sich selbst preisgegeben hatte. Nicht noch einmal würde er unbedacht etwas ausplappern, von dem Kaiba offensichtlich nicht wollte, dass es andere wussten. Wie er bereits zur Genüge festgestellt hatte, konnte er es sich momentan schlicht nicht leisten, es sich mit dem Firmenchef zu verderben. Aber noch viel entscheidender war die Tatsache, dass es Kaiba vorhin wirklich nicht gut gegangen war – egal, aus welchem Grund – und Duke brachte es einfach nicht über sich, diese Tatsache in irgendeiner Form mit seinen Freunden zu erörtern und zu sehen, wie Joey sich am Ende vielleicht noch darüber freute. Das hier war definitiv ein anderes Kaliber gewesen als ‚Kaiba kann nicht arbeiten‘ oder ‚Kaiba bekommt keinen Kaffee‘.

Wohlwissend, dass Joey ihn mit Argusaugen beobachtete, unterdrückte Duke den Impuls, sich umzudrehen, um nach Kaiba zu sehen, wenngleich ihn im Moment mehr als alles andere interessierte, wie es dem Brünetten ging (der Ausdruck seiner Augen vorhin auf der Bank verfolgte ihn noch immer) und ob – oder vielmehr wie – sauer er auf ihn war.
 

Joey sprach das erste Mal wieder beim Erklimmen der Bus-Stufen und natürlich handelte es sich um eine Beschwerde: „Boah, Leute, im Ernst, ich werde nie wieder laufen können!“ Er blieb für einen Moment im Gang stehen, als sich Kaiba zügigen Schrittes und mit den Worten: „Dann geh doch wenigstens aus dem Weg, winselnder Köter!“ von hinten an ihm vorbei drängelte, um einen leeren Zweiersitz zu finden.

Im ersten Moment war Joey einfach nur perplex, bevor er mit gereckter Faust lauthals nachsetzte: „Wir sprechen uns noch, Kaiba!“ Auf Teas sanften Druck ging er schließlich weiter durch den Gang nach ganz hinten zur Rückbank.

Bei der Platzverteilung fiel Duke auf, dass seine Freunde ein merkwürdiges Verhalten an den Tag legten. Sie blieben vor ihm im Gang stehen, flüsterten hin und her und brauchten eine Minute, um sich richtig zu sortieren. Duke verdrehte die Augen. Mein Gott, was war denn bitte so schwer daran, sich einfach irgendwo hinzusetzen? Als die anderen endlich ihre Plätze eingenommen hatten, war ihm sofort klar, was hier gespielt wurde. Der einzige Platz, der noch frei war, war der auf der Rückbank in der Mitte neben Joey. Wow, was für ein Zufall! Er entließ einen kurzen Seufzer und mit einem Kopfschütteln ließ er sich widerstrebend auf den freien Platz fallen; nach weiteren Diskussionen stand ihm jetzt einfach nicht der Sinn. Joey links neben ihm war offensichtlich ähnlich begeistert wie er, denn, kaum dass Duke ebenfalls saß, drehte er sich von ihm weg, sodass seine Schultern und verschränkten Arme unterschwellig eine Art Mauer zwischen ihnen bildeten. Nun, damit hatte Duke im Moment überhaupt kein Problem und so tat er es dem Blonden gleich, verschränkte die Arme, drehte sich etwas zur anderen Seite und starrte mit zusammengepressten Lippen an Tristan vorbei aus dem rechten Fenster.

Vollkommen unbewegt und verkrampft blieben die beiden so sitzen, während die anderen über sie hinweg in eine entspannte Unterhaltung vertieft waren, an der weder er noch Joey teil hatten. Nach weiteren zwanzig Minuten Fahrzeit bemerkte Duke, dass sein Nacken langsam wirklich anfing zu schmerzen und er musste einsehen, dass es wohl an der Zeit war, seinen Kopf zu bewegen, wenn er nicht für den Rest seines Lebens gezwungen sein wollte, nur noch nach rechts schauen zu können. So wandte er den Kopf ein Stück und blickte von nun an stoisch nach vorne durch den Gang des Busses. Dabei nahm er aus dem Augenwinkel wahr, wie auch Joey sich gerade den Nacken massierte und kurz seinen Kopf kreiste, wobei es einmal laut knackte. Joey verzog kurz das Gesicht und Duke konnte an dieser Stelle nicht verhindern, dass seine Mundwinkel für einen Sekundenbruchteil nach oben schnellten und ihm ein kaum hörbares, belustigtes Schnauben entwich. Er versuchte sich wieder zusammenzunehmen und sah noch einmal aus dem Augenwinkel zu Joey, ob der etwas bemerkt hatte. Hatte er wohl, aber auch seine Lippen umspielte ein leichtes Grinsen. So seufzte Duke schließlich und sah Joey geradeheraus an. „Sag mal, was machen wir hier eigentlich, Mann?“ Auch Joey atmete einmal erleichtert aus. „Keine Ahnung! Bitchy sein?“

Duke nickte nur und sein Lächeln wurde breiter, bevor er für einen Moment wieder ernst wurde: „Hör mal, Joey, es tut mir leid, ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich vorhin so wütend geworden bin …“

„Nein, mir tut es leid! Ich gebe zu, ich hab mich vielleicht ein bisschen zu sehr in die ganze Kaiba-Sache reingesteigert und naja, irgendwie … überzogen reagiert.“

Duke lachte. „Etwas mehr als nur ein bisschen.“ Joey verdrehte nur die Augen, lächelte aber nach wie vor. So fragte der Schwarzhaarige noch einmal abschließend: „Also, alles wieder gut?“

Joey nickte. „Alles wieder gut!“ Auffordernd hielt der Blonde ihm die rechte Hand hin, Duke schlug ein und sie zogen sich kurz zueinander und klopften sich auf den Rücken, wobei Duke über Joeys Schulter hinweg den zufriedenen Blick von Yugi sehen konnte. Als hätte sich eine Regenfront verzogen, war die Stimmung zwischen den Freunden sofort merklich gelöst und sie begannen alle gemeinsam Pläne zu schmieden, was sie heute nach dem Abendessen machen würden.
 

Duke war dankbar, dass er sich so schnell wieder mit Joey vertragen hatte, aber so lief das bei ihnen nun mal: Ja, hin und wieder geriet man mal aneinander, aber sie konnten nie lange aufeinander böse sein. Spannender war jetzt nur die Frage, wie es mit Kaiba weitergehen sollte. Den Rest des Nachmittages und Abends verbrachte Duke mit seinen Freunden – diesmal endlich beim Billard und in der Tat war Joey gar nicht so übel – wobei die unterschwellige Nervosität, die er verspürte, immer stärker wurde, je näher die Nachtruhe und damit der Zeitpunkt rückte, an dem er wieder mit Kaiba allein sein würde.

Um kurz nach 22 Uhr war es endlich so weit und der Schwarzhaarige kehrte in ihr gemeinsames Zimmer zurück. Kaiba kam gerade aus dem Bad und hatte ihn zweifellos gesehen, aber ignorierte ihn während seiner weiteren Verrichtungen auffällig konsequent. So musste es sich also anfühlen, wenn man ein Geist war… Verdammt, das sprach dafür, dass Kaiba tatsächlich sauer auf ihn war! Nun ja, das würde sich schon gleich lösen, aber erst einmal würde auch er sich bettfertig machen.

Etwa fünfzehn Minuten später lag Duke auf dem Rücken im Bett und sah an die Decke. Das Licht war bereits ausgeschaltet, sodass er nicht mehr viel von der ohnehin nicht sonderlich interessanten Tapete erkennen konnte. Kaiba neben ihm hatte indes den Maximalabstand wieder ins Leben gerufen und lag wie üblich schweigend und von ihm abgewandt auf der anderen Seite.

Eigentlich war es ja gar nichts schlimmes gewesen, was Duke ausgeplaudert hatte. Jeder – seine Freunde eingeschlossen – hatte doch sehen können, dass Kaiba nicht wie sonst arbeitete. So hatte es sich ja überhaupt erst ergeben, dass er ihnen enthüllt hatte, was wirklich dahinter steckte. Und es war noch vor seinem und Kaibas gemeinsamen Projekt gewesen, mithin also zu einem Zeitpunkt, als es ihm noch relativ egal hatte sein können, was der Brünette von ihm hielt. Im Grunde gab es also eigentlich gar nichts, wofür er sich hätte entschuldigen müssen. Trotzdem spürte Duke das nagende Gefühl des schlechten Gewissens in seiner Brust. Nun, er musste sich ja nicht gleich bei Kaiba entschuldigen, aber vielleicht konnte er ihm wenigstens erklären, welche Umstände dazu geführt hatten, dass Joey von Mokubas Sabotageakt erfahren hatte. Wie schon heute Nachmittag konnte ihm eigentlich nichts Schlimmeres passieren, als dass Kaiba nicht antwortete. Im Grunde hatte er also nichts zu verlieren, wenn er sich nicht absolut dämlich anstellte.

Zögernd (denn es waren rückblickend doch recht viele ‚Eigentlichs‘ gewesen, die er da gedacht hatte) und ohne den Blick von der Zimmerdecke abzuwenden, sprach er in die Stille hinein: „Hör mal, Kaiba, es … es war mehr ein Versehen, dass die anderen von deiner … Situation erfahren haben. Vorgestern kamen wir auf die neue Duel Disk zu sprechen und da haben sie sich halt gewundert, dass du überhaupt hier bist, und nicht arbeitest oder permanent am Telefon hängst. Da ist mir das halt so rausgerutscht. Mir ist schon klar, dass es dir nicht gefällt, wenn so etwas breitgetreten wird. Würde mir ja nicht anders gehen.“

Er versuchte absolut still zu liegen und lauschte voller Aufregung in die Dunkelheit auf irgendeine Reaktion. Eine subtile Bewegung oder ein Atmen vielleicht … Fast fürchtete er, er könnte es verpassen, denn sein Herz pochte so stark gegen seine Brust, dass er meinte, es in seinen Ohren hören zu können.
 

Seto musste sich zurückhalten, kein abfälliges Geräusch von sich zu geben. Dachte Devlin wirklich, eine solch halbherzige Entschuldigung würde bei ihm funktionieren? Was erhoffte er sich bitte davon?

Oh nein, sein Vorsatz Devlin betreffend würde nicht so leicht ins Wanken geraten! Kollaborieren, Ignorieren, Distanzieren. Genau so und nicht anders. So lange er das beherzigte, würde er trotz der Hormone weiter funktionieren.

„Bist du fertig?“, gab er kalt zurück, ohne sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen oder sich umzudrehen.

Kein Wackelkontakt. Kontrolle an.
 

„Ja, keine Sorge!“, fauchte Duke zurück und verdrehte die Augen, auch wenn es beleidigter klang, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Da entschuldigte er sich schon für etwas, für das er sich eigentlich keinen Vorwurf zu machen brauchte und dann bekam er noch nicht einmal den Ansatz einer wohlwollenden Reaktion dafür. Aber was konnte man auch sonst von diesem verkorksten Sturschädel erwarten (besonders nach allem, was er in den letzten Tagen bereits erlebt hatte)? Ohne Rücksicht auf seinen Bettnachbarn drehte er sich extra schwungvoll auf die linke Seite, sodass die Höllen-Matratze einmal besonders stark ins Schwanken geriet.
 

Nicht einmal Seto entging der Ärger und die Enttäuschung in Dukes wenigen Worten und ein ungewohntes Gefühl durchzuckte ihn. Fühlte er sich gerade allen Ernstes irgendwie … schuldig?

Oh nein, auf gar keinen Fall! Er konnte und würde sich doch nicht durch solch einen lächerlichen Akt passiver Aggressivität aus der Ruhe bringen lassen!

Dann war Devlin eben sauer auf ihn. War es sein Problem? Nein, ganz im Gegenteil! Er war doch hier nicht die Plaudertasche! Wie lange hatte der Kindergarten sich wohl heute schon die Münder über ihn zerrissen und Theorien gesponnen, was mit ihm nicht gestimmt hatte?!

Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln schloss Seto die Augen, um diesen Alptraum von einem Tag endlich hinter sich zu lassen. Auf der anderen Bettseite raschelte die Decke und die Matratze bewegte sich leicht. Noch einmal öffnete er kurz die Augen und sah, wie ein bläulicher Lichtschein das Zimmer erfüllte. Dann wieder Bewegung und das leise ‚Klonk‘ eines Smartphones, das auf einen Nachttisch zurückgelegt wurde.

Aha, übernahm Devlin also mal Eigenverantwortung und hatte sich selbst einen Wecker gestellt! Gut so!

Unwillkürlich kam Seto das Bild in den Sinn, wie Devlin gestern mangels eigenem Wecker auf seinem Kissen gedöst hatte. Das leicht verlegene Lächeln beim Aufwachen war fast dasselbe gewesen wie heute Morgen im Bus, als Devlin versucht hatte, einen verstohlenen Blick auf die Entwürfe zu erhaschen.

Wie diese unfassbar grünen Augen ihn heute am See angesehen hatten: besorgt, verständnisvoll und irgendwie … warm. Wie sein Herz und seine Gedanken kurz stehen geblieben waren, als sich ihre Hände berührt hatten …

Als Seto endlich bewusst wurde, dass er gerade dabei war, sehenden Auges in den Abgrund zu steuern, war es bereits zu spät.

Wackelkontakt. Kontrolle aus.
 

Ein gedehntes Ausatmen riss Duke aus seinen Gedanken. Die Matratze bewegte sich leicht und Kaiba drehte sich nun doch ein wenig zu ihm. „Willst du sie sehen?“

Duke konnte ihm nicht recht folgen. „Was?“

Jetzt war es an Kaiba die Augen zu rollen und genervt zu seufzen. „Die Entwürfe natürlich!“

Der Knoten in Dukes Eingeweiden verschwand augenblicklich. Schnell schaltete er seine Nachttischlampe an und sah seinen temporären Mitbewohner ungläubig an. „Dein Ernst?! Na, klar doch! Ich hab mich schon gefragt, wie lange du mich noch auf die Folter spannen willst!“ Er hatte heute mit nichts mehr gerechnet, aber ganz besonders nicht damit.
 

Mit einem leicht erschöpften Schmunzeln schaltete der Brünette das Licht auf seiner Seite ebenfalls an. Anschließend setzte er sich auf, streckte sich halb aus dem Bett, um an seine Tasche zu kommen und holte das Notizbuch hervor, welches er ordentlich dort verstaut hatte, als er für heute mit der Arbeit aufgehört hatte. Er blieb aufrecht sitzen, das rechte Bein locker aus dem Bett hängend, das linke angewinkelt, und öffnete das Buch. Als er die Dinos auf dem Cover sah, konnte Duke sich schon wieder ein Grinsen nicht verkneifen, dann aber richtete er seine volle Aufmerksamkeit auf die Seiten, die Kaiba durchblätterte, um den richtigen Einstieg zu finden. Für einen kurzen Moment konnte er beim Blick auf die schlanken Finger des Brünetten erneut das Kribbeln in seiner linken Hand spüren, ignorierte es jedoch, denn in diesem Moment war für ihn wesentlich interessanter, was diese Finger in dem Dino-Block zustande gebracht hatten. Duke drehte sich auf den Bauch, rutschte ein Stück näher zu Kaiba, stützte den Kopf auf die Hände und erwartete hochgespannt, was er gleich zu sehen bekommen würde. Als die richtige Seite gefunden war, wandte sich der Brünette noch ein Stück mehr zu ihm und legte das Buch aufgeschlagen zwischen sie auf das Bett. Er atmete noch einmal durch und begann: „Also, meine erste Grundidee sah so aus: Hier hast du die Spielfläche, dort kommen am Anfang die Würfel hinein und werden eingelesen, sodass sie im System verfügbar sind und abgerufen werden können. Nach unserem Spiel“, er blätterte ein paar Seiten weiter, „war mir dann klar, dass das anders gelöst werden muss. Und zwar so, dass die Spielfläche auf diese Weise aufgeteilt ist. …“
 

Eine Weile fuhr Seto fort, blätterte zwischen verschiedenen Entwürfen hin und her, zeigte immer wieder auf Teile seiner Zeichnungen und erläuterte die grundlegenden technischen Funktionsweisen sowie seine ersten Design-Entscheidungen. Ihm fiel auf, dass von Skizze zu Skizze das Leuchten in Devlins grünen Augen intensiver und das unbewusste Lächeln, das dessen Lippen umspielte, immer größer wurde. Nicht eine Sekunde wandte der Schwarzhaarige den Blick von den Zeichnungen ab und hörte ihm mit ungeteilter Aufmerksamkeit zu. Immer wieder nickte er kurz zum Zeichen, dass er verstanden hatte, manchmal stellte er kurze Rückfragen, die zeigten, dass er ihm genau folgte und mitdachte. Sicher, auch Pegasus war damals durchaus begeistert gewesen, als er ihm zum ersten Mal an einem Prototypen die holographische Projektion für Duel Monsters demonstriert hatte, aber es war eine erwachsene, verhaltenere Begeisterung gewesen. Devlins Freude und Aufregung angesichts der bloßen Entwurfszeichnungen waren geradezu mit Händen greifbar und das hohe Maß an Befriedigung, das Seto dabei empfand, hatte er in dieser Form nicht erwartet. Schließlich war er am Ende angekommen und während es ihm im Normalfall völlig ausreichte, sein eigener strengster Kritiker zu sein, ertappte er sich jetzt dabei, regelrecht darauf zu brennen, die Meinung und Gedanken des Schwarzhaarigen zu hören. Natürlich kam das vor allem durch die Hormone, deren Wirkung er gerade mit jeder Faser seines Körpers spüren konnte. Aber auch aus rationalen Gesichtspunkten war es eine gute und wertvolle Abwechslung, bereits in einer so frühen Phase direktes Feedback zu erhalten; vor allem, weil er in dem Spiel, um das es ging, bei weitem noch nicht so bewandert war wie in Duel Monsters.

„Also, was denkst du bis hierhin?“, erkundigte er sich betont geschäftsmäßig.
 

Duke schüttelte langsam den Kopf, das Lächeln auf seinem Gesicht wollte nicht verschwinden und er stieß ein kurzes ungläubiges Schnauben aus. Die Zeichnungen waren beeindruckend detailliert und professionell, noch mehr, wenn man bedachte, dass sie mit einem billigen Dino-Bleistift auf Karo-Papier angefertigt worden waren. Wenn das fertige Produkt auch nur halb so genial war, wie er es jetzt hier auf dem Papier sehen konnte, dann würde sein Spiel nach dem Erscheinen ganz sicher nie wieder Verkaufsprobleme haben! Das würde, nein, musste auch der Industrial Illusions-Vorstand so sehen. Duke hob den Blick, sah Seto direkt in die Augen und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Kaiba! Das … ist einfach fantastisch!“
 

Unwillkürlich überlief Seto bei dem Anblick und dem Tonfall des Schwarzhaarigen ein Schauer, er ließ es sich jedoch nicht anmerken. So schmunzelte er nur kurz zufrieden und nickte. „Gut. Gibt es irgendetwas, das du anders machen würdest, irgendetwas über das wir noch einmal nachdenken sollten?“
 

Moment, hatte Kaiba wirklich gerade ‚Wir‘ gesagt? Unwillkürlich beschleunigte sich Dukes Herzschlag und das kribbelnde Gefühl machte sich auch in seiner Magengegend breit. Erst als der Brünette nach einigen Sekunden fragend die Augenbrauen hochzog, bemerkte er, dass er die Frage noch gar nicht beantwortet hatte. „Ähm…das Handling der Würfel wird natürlich immer ein Thema sein – es ist nun einmal der absolut elementarste Bestandteil des Spiels und muss darum perfekt funktionieren. Ich denke, das muss ich mir einfach noch ein bisschen genauer durch den Kopf gehen lassen, bis ich dazu ein abschließendes Urteil geben kann.“ Kaiba nickte darauf nur. Nachdem Duke sich nun ebenfalls aufgesetzt hatte, sah er dem Brünetten von Neuem fest in die Augen. „Aber mal ganz unabhängig von diesen Details: Ich bin mir zu einhundert Prozent sicher, dass dieses Baby hier“, er klopfte mit der Hand auf den Block, „so viele neue Leute dazu animieren wird, DDM auszuprobieren. Und Leute, die es jetzt schon gerne spielen, werden es damit noch mehr lieben.“ Kurz löste er den Blick und ließ eine kurze Pause, um die richtigen Worte zu finden, dann fanden seine grünen Augen wieder die blauen seines Gegenübers. „Weißt du, ich habe so viel Zeit und Herzblut in dieses Spiel gesteckt – es ist fast schon ein Teil von mir. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie viel das hier für mich bedeutet.“

Nicht nur, aber auch, weil es sein Spiel in erster Linie am Leben halten würde, setzte er in Gedanken hinzu. Aber das würde er weiterhin schön für sich behalten.
 

Seto sah schon seit gefühlten Minuten nicht mehr die Zeichnungen an, sondern nur noch den Schwarzhaarigen. Das leidenschaftliche Aufblitzen der grünen Augen, während Duke gesprochen hatte, sowie die unglaubliche Wärme, die sie dabei ausstrahlten, hatten ihn vollkommen in ihren Bann gezogen. Erschwerend kam hinzu, dass, seit Duke sich ebenfalls hingesetzt hatte, sein linkes Knie nur etwa zwei Zentimeter von Setos Bein entfernt war und er das Gefühl hatte, die Körperwärme des Anderen förmlich unmittelbar fühlen zu können. Sein ganzer Körper war von einer nervösen Ruhelosigkeit erfüllt, wie er sie noch nie zuvor gespürt hatte und es war schon fast verwunderlich, dass er überhaupt in der Lage war, so ruhig da zu sitzen. Innerlich schüttelte er über sich selbst den Kopf.

Das hier war kein Wackelkontakt mehr, das war ein Totalausfall.

Dukes Stimme riss ihn glücklicherweise nur eine Sekunde später aus seinen Gedanken: „Machst du … sowas eigentlich noch oft? Also, sowas selber entwickeln.“ Seto blieb der ernste Ausdruck in den grünen Augen seines Gegenübers nicht verborgen. Offenkundig schien ihm die Frage wichtig zu sein.

„Warum interessiert dich das?“, fragte Seto darum noch einmal nach.
 

Duke entließ einen tiefen Seufzer und rieb sich mit der Hand die Stirn. „Selbst ein Blinder hätte sehen können, mit welcher Hingabe du dich in den letzten Tagen in das hier eingegraben hast und dass es … dir im Rahmen der technisch eingeschränkten Möglichkeiten wirklich Freude macht.“ Hier lächelte er kurz, bevor er wieder ernst wurde. „Mir ist aufgefallen, dass ich in letzter Zeit immer weniger dazu komme, die Dinge zu tun, die mir an meiner Arbeit wirklich Spaß machen. Und … da hab ich mich eben gefragt, ob das bei dir auch so ist und wie du damit umgehst.“ Das Thema hatte ihn schon heute Nachmittag beschäftigt und nachdem er Kaiba gerade so offensichtlich in seinem Element erlebt hatte, war ihm klar geworden, dass der Brünette sicherlich vor ähnlichen Problemen stehen musste. Klar, er hätte auch Max mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung fragen können, aber das wäre irgendwie nicht dasselbe gewesen. Und die Chancen auf eine ernsthafte Antwort seitens Kaiba standen wohl selten so günstig wie jetzt, das spürte Duke intuitiv.
 

Seto nickte bedächtig. Es war wirklich erstaunlich! Da kannte er Devlin nun schon mehrere Jahre, aber ihm war – vermutlich wegen dessen Zugehörigkeit zu Mutos kleinem Weltrettungskomittee – nie in dieser Deutlichkeit bewusst geworden, dass sie sich gar nicht so unähnlich waren. Devlin stand definitiv vor ähnlichen Herausforderungen wie er, wenn auch in kleinerem Maßstab: Der Spagat zwischen Schule und anspruchsvoller Berufstätigkeit, eine immense Verantwortung für andere, aber auch für sich selbst (denn soweit Seto wusste, lebte Devlin allein und ohne Familie, auch wenn er die genauen Hintergründe nicht kannte).

Wie er selbst brannte Devlin für seine Projekte – wie man in den letzten Tagen und Minuten nur zu deutlich gesehen hatte – und brachte gewiss an anderer Stelle Opfer dafür. Wenn er es genau bedachte, war Devlin vermutlich der einzige gleichaltrige Mensch in seinem Umfeld, mit dem er sich annähernd auf Augenhöhe austauschen konnte; seine Frage hatte das nur zu deutlich gemacht. Der rationale Teil von ihm unternahm noch einmal einen Versuch, ihn an seinen Vorsatz vom Nachmittag zu erinnern, sich Devlin gegenüber nicht noch einmal so gehen zu lassen. Aber mal ehrlich, war es dafür nicht sowieso schon viel zu spät? Und in Anbetracht der Frage war es doch fast schon so etwas wie ein … professioneller Austausch, oder?

Nachdem er und seine Hormone seine Vorsätze derart in den Wind geschossen hatten, antwortete Seto denn auch fast automatisch und verhältnismäßig offen. „Leider nicht so viel, wie ich gerne würde, das ist wahr. Und mittlerweile decken wir so viele verschiedene Anwendungsgebiete mit der Holographie-Technik ab, dass ich auch gar nicht überall beteiligt sein kann, selbst, wenn ich wollte.“ Duke nickte aufmerksam und Seto fuhr fort: „Ich glaube, dass es vor allem darauf ankommt, sich konsequent Räume für die Tätigkeiten zu erhalten, die einen … wieder motivieren. Das tue ich sehr fokussiert und mit klaren Prioritäten – anders würde es auch gar nicht mehr gehen. Die Duel Monsters-Sparte ist dabei Priorität zwei. Dort möchte ich zumindest etwas stärker selbst involviert bleiben, lasse mich recht intensiv auf dem Laufenden halten, gebe Vorschläge und teste Prototypen. Priorität eins hat immer die Weiterentwicklung der Grundlagentechnologie, die ist mir … ein persönliches Anliegen.“

„Verständlicherweise.“, warf Duke ein und ließ ihn weitersprechen.

„Die Zeit dafür plane ich explizit in meinen Kalender ein und gebe sie auch nicht ohne Weiteres für jeden x-beliebigen Termin her.“ Ein kleines Schmunzeln schlich sich auf Setos Gesicht. „Ich glaube, die wenigsten meiner Angestellten bekommen es so oft und lange mit mir persönlich zu tun, wie die in der Entwicklungsabteilung, die sich damit befassen. Nicht ohne Grund arbeiten dort nur Leute, die ich auch … persönlich schätze.“ Eine kurze Pause entstand, in der er überlegte, ob er wirklich noch mehr sagen sollte. Er sah Duke noch einmal tief in die Augen und setzte letztendlich etwas leiser hinzu: „Jeder noch so kleine Durchbruch dort entschädigt mich für so viele belanglose Besprechungen und nervigen Papierkram.“
 

Bei diesen Worten bemerkte Duke ein Leuchten in Kaibas sonst so kühlen blauen Augen. Der Schwarzhaarige lächelte sanft und sah sein Gegenüber lange an. „Danke für die ehrliche Antwort. Das hat mir tatsächlich geholfen.“ Es tat gut zu wissen, dass er nicht der Einzige war, den solche Fragen beschäftigten. Mit seinen Freunden konnte er so etwas nicht wirklich gut besprechen. Natürlich würden sie ihm zuhören und ihm gut zureden, aber es wirklich verstehen und ihm einen qualifizierten Rat geben konnten sie schlicht nicht.

„Mir geht es im Übrigen genau so. Wenn ich eine coole Idee für die Weiterentwicklung von DDM oder für ein anderes neues Spiel habe, dann ist alles, was an meiner sonstigen Arbeit nervt, wie weggeblasen. Der Stress im Laden, die Buchführung, der Steuerkram, und was weiß ich nicht noch alles.“

„Langweilige Meetings mit Pegasus?“, fragte der Brünette mit einem Schmunzeln. Duke lachte kurz auf und nickte: „Ja, manchmal auch die.“, wurde aber gleich darauf wieder ernst. „Wobei ich Max in Schutz nehmen muss, ich habe auch viele sehr spannende Treffen mit ihm. Allgemein habe ich einfach unglaublich viel von ihm gelernt. Ohne ihn wäre ich definitiv nicht da, wo ich jetzt bin.“
 

Auch wenn der Schwarzhaarige ihm nicht direkt das Gefühl gegeben hatte, so kam es Seto doch ein wenig so vor, als habe er da gerade unbewusst etwas falsches gesagt. „Sicher, das wollte ich auch nicht in Abrede stellen.“, erwiderte er daher neutral, aber mit einem kaum merklichen versöhnlichen Unterton. Devlin schien loyaler zu sein, als er ihm hatte zugestehen wollen, zumindest Pegasus gegenüber. Vielleicht hatte er ihn doch falsch eingeschätzt und er hatte seinen Freunden gar nichts von der Sache am See erzählt? Sollte er ihn fragen? Auf eine ehrliche Antwort konnte er wohl hoffen, nachdem Devlin sich vorhin schon für das Ausplaudern von etwas weit harmloserem entschuldigt hatte…

Nein, lieber nicht, das würde schon wieder viel zu tief blicken lassen. Für einen kurzen Moment hing ein betretenes Schweigen im Raum, dann atmete Seto gedehnt aus und stellte nüchtern fest: „Wir sollten schlafen.“
 

Duke warf einen Blick auf sein Telefon – es war bereits nach zwölf. „Du hast recht, das sollten wir wohl.“, stimmte er zu und schob mit einem schelmischen Grinsen nach: „Sonst muss ich mir morgen früh ernsthafte Sorgen um die Küchenfrau machen.“ Kaiba hatte unterdessen den Block zugeklappt und zufrieden registrierte Duke dessen amüsiertes Schmunzeln, während er das Arbeitsmittel in die Tasche zurücksteckte. Der Schwarzhaarige löschte sein Licht und deckte sich zu; Kaiba auf der anderen Seite tat es ihm gleich und drehte ihm wie üblich den Rücken zu – jetzt auch wieder ohne Maximalabstand.

Für ein paar Minuten war es einfach nur still.

Dann hörte er Kaibas Decke noch einmal rascheln und seine Stimme klang gedämpft und vorsichtig durch die Dunkelheit.

„Haben … sie dich eigentlich gefragt, was heute wirklich los war?“

Für einige Sekunden hing die Frage bleischwer zwischen ihnen, bis Duke verstand. Unwillkürlich beschleunigte sich sein Herzschlag. Darum war es Kaiba also die ganze Zeit gegangen. Er musste kurz schlucken und seine Stimme war ein wenig belegt, als er schließlich flüsternd antwortete: „Ja. Aber ich hab nichts gesagt.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Die erwähnten Erinnerungen aus Setos Vergangenheit habe ich tatsächlich noch konkreter ausgearbeitet. Keine Ahnung, ob ich das noch irgendwo hier im weiteren Verlauf der Story einstreuen werde. Falls nicht, mache ich ggf. mal ein Bonus-Kapitel draus ;-)

Bis zum nächsten Mal kann es unter Umständen länger dauern, denn jetzt geht es an den berüchtigten Wettbewerb zwischen den Schulklassen, zu dem in meinem Kopf bis auf das Ende und ein paar potentielle Schlagworte noch weitgehend gähnende Leere herrscht. Ich bin also selbst gespannt was rauskommt! ;-)

Na denn, wir lesen uns!

Bis bald!
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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Yui_du_Ma
2021-09-29T15:58:51+00:00 29.09.2021 17:58
Da wirkt Seto ja richtig entspannt und in seinen Element.
Schön geschrieben. ^.^
Aber das Gespräch mit Duke war gut.
Bin gespannt wie es weiter geht.
Von:  empress_sissi
2021-06-17T09:17:11+00:00 17.06.2021 11:17
Ich würde gerne ein Buch mit Seto Kaibas Weisheit für jeden Lenenslage haben 😅 "Hormone mussten sein Urteilsvermögen beeinträchtigt haben", definitiv.

Für Kaiba gibt es sicher nichts Schlimmeres, als wenn sein Vertrauen missbraucht wird. Da hatte sich Duke ja unbeabsichtigt ziemlich in die Nesseln gesetzt. Aber am Ende war es wirklich süß, wie sie da über die DDM-Disk philosophiert haben. Du hast die Liebe zur Arbeit richtig gut rübergebracht :-)

Ich hoffe jetzt mal, dass dich baldigst die Muse küsst, sodass wir ein tolles neues Kapitel bekommen.
Freu mich schon 😁
Von:  Hypsilon
2021-06-14T12:35:18+00:00 14.06.2021 14:35
Oh mann, also dieses "Kontrolle an/Kontrolle aus" hast du mega cool dargestellt und es hat sich toll durch dieses Kapitel gezogen, bitte behalte dir das, das hat echt was.

Die Konflikte hast du super dargestellt und erst recht deren Lösung, passt echt gut zu allen Beteiligten, auch wenn ich glaube, dass Joey noch anstrengend werden könnte ^^'

Besonders toll war natürlich der Totalausfall zum Schluss, na Seto wird sich noch wundern, was da noch alles kommen kann xD
Antwort von:  DuchessOfBoredom
16.06.2021 20:32
Haha, ich hatte mir schon fast gedacht, dass du das Kapitel vorher übersehen hast, weil sonst die Kommis von dir ja immer recht schnell kamen XD

Schön, dass dir der "Wackelkontakt" gefallen hat - die Metapher hat mich so aus dem Nichts angesprungen und sie hat sich wunderbar durchschleifen lassen :)

Oh ja, Seto wird sich definitiv noch umgucken, wenn er denkt, dass das hier schon der Totalausfall war... XD

Bis zum nächsten Mal! :)
Von: Karma
2021-06-13T20:24:00+00:00 13.06.2021 22:24
Oh, ich bin ein Glückspilz.
🍄🍀🐞
Schon das zweite Kapitel zu einer Mastershipping-Story praktisch nachträglich zum Geburtstag. Was will man mehr?
😉
Und dann auch noch so ein tolles Kapitel. Dieser kleine Zoff und die Versöhnung zwischen Duke und Joey und dann die Interaktion zwischen Duke und Seto...
💗💗💗💗💗💗💗
Einfach nur ein schönes rundes Ganzes. Da lohnt sich das Warten auf die Fortsetzung auf jeden Fall, dessen bin ich mir sicher.
🥰
Danke für den tollen Lesestoff!
Antwort von:  DuchessOfBoredom
13.06.2021 22:32
Uh, alles Gute nachträglich! :) 🎂🍾🍀🎁

Dann freut es mich umso mehr, dass dir das Kapitel so gut gefallen hat! ☺️🥰

Bis zum nächsten Mal! 😊
Antwort von: Karma
14.06.2021 00:14
Dankeschön 🥰 und ich freue mich schon 😉


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