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Common Ground

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Heyho, da bin ich wieder :)

Für dieses Kapitel habe ich tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben ein Trainwatching-Video auf Youtube angeschaut, um mir einen kurzen Eindruck von der U-Bahn in Nagano zu verschaffen. Und, was soll ich sagen: Aufschlussreich in dem Moment, aber kein Rabbit Hole, in dem ich versinken werde. ;)

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen, auch wenn der Untertitel dieses Kapitels auch lauten könnte: "Seto K. (18 J.) aus Domino: kann nicht arbeiten und jammert darüber". Aber habt Mitleid mit ihm, er muss es einfach mal rauslassen. ;D

(Und noch ein Disclaimer: Die direkt wie indirekt geäußerten Meinungen über Museen hier entsprechen nicht der Meinung der Autorin. Ich persönlich mag Museen – ich hab Museumskunde studiert. Ich spiele nur gern mit dem Klischee XD) Komplett anzeigen

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Fear of missing out. (Maybe unfounded.)

Auf dem Weg zur U-Bahn hatte Seto sich wieder bestmöglich abgesondert und hing seinen Gedanken nach. Was blieb ihm auch groß anderes übrig? Dieser Tag hatte für ihn genauso begonnen, wie der vorherige aufgehört hatte. Mit ziemlicher Sicherheit hatte er in den letzten fünf oder sogar zehn Jahren keine so miserable Nacht mehr gehabt. Eine bewusst durchgemachte Nacht war im Zweifel wesentlich angenehmer, wie er aus Erfahrung wusste.

Natürlich hatte er noch nicht geschlafen, als Devlin wiedergekommen war, und er hatte durchaus amüsiert dessen krampf- und schmerzhaften Versuch verfolgt, leise und unauffällig zu sein. Tja, übertriebene Rücksicht lohnte sich eben einfach nicht. Wie schlecht das Bett wirklich war, hatte er erst in vollem Umfang begriffen, als Devlin sich ebenfalls hingelegt hatte. In fremden Umgebungen zu schlafen bereitete ihm normalerweise keine Probleme, war es doch eine zwingende Notwendigkeit, dass er auch auf Geschäftsreisen in wechselnden Hotelzimmern eine zumindest akzeptable Portion Schlaf bekam. Aber da erfüllten die Betten eben in der Regel auch die grundlegendsten Qualitätsstandards, wovon hier keine Rede sein konnte. Dazu kam die Tatsache, dass er jede noch so kleine Bewegung von Devlin spüren konnte und mehr noch das Wissen, dass es sich umgekehrt nicht anders verhalten musste. Dieser Verlust seiner intimsten Privatsphäre war wahrscheinlich einer der unangenehmsten Punkte an dieser ganzen Klassenfahrt-Geschichte. Wenn er eines auf den Tod nicht ausstehen konnte, dann sich angreifbar zu fühlen und auch wenn er es ungern zugab, war das in dieser Situation – im selben Bett mit jemandem zu liegen, den er kaum kannte – der Fall.
 

Zwischenzeitlich hatten sie den Wald verlassen und passierten die ersten kleinen Straßen und Häuser des Vorortes von Nagano. An der etwas maroden U-Bahn-Station erwarb Frau Kobayashi ein Gruppenticket und dirigierte nach dem ausführlichen Studium des Fahrplans ihre Schüler zum richtigen Gleis. Die U-Bahn war hier glücklicherweise nicht übermäßig frequentiert, sodass Seto seinen Abstand zur restlichen Klasse weiterhin etwas größer halten konnte. Vielleicht konnte er so den Eindruck aufrecht erhalten, dass er nichts mit diesem präpubertären Haufen unter Leitung einer verrückten alten Schachtel zu tun hatte. Als sie die Treppen hinabgingen, stieg ihm der starke Geruch von schlecht belüfteten Tunneln und alten Maschinen in die Nase und er fragte sich unweigerlich, wie Menschen sich dem jeden Tag aufs Neue aussetzen konnten. Er selbst hatte noch nie den öffentlichen Personennahverkehr benutzen müssen und angesichts der Zustände, die er hier erlebte, war er sich sehr sicher, dass er es dabei auch belassen wollte. Noch ein Grund, warum diese Klassenfahrt so unfassbar belastend war: er wurde in einer Tour mit Dingen konfrontiert, auf die er gut und gerne hätte verzichten können.
 

Kurz vor dem Gleis erspähte Seto einen kleinen Kiosk, der in großen Lettern Coffee to Go offerierte. Ha, der erste annähernd erfreuliche Anblick des Tages. Das war seine Chance, seinen Koffeinspiegel noch etwas weiter in Richtung Normalmaß zu bringen. Die eine Tasse in der Herberge war ja geradezu lächerlich gewesen. (Und mal ganz allgemein: kein Internet, kein Kaffee beim Frühstück – welcher lebensfremde Idiot betrieb dieses jämmerliche Haus eigentlich?!) Frau Kobayashi hatte laut angekündigt, dass sie zu Gleis 2 mussten und ein kurzer Blick auf die Anzeigetafel verriet ihm, dass der Zug erst in knapp zehn Minuten einfahren würde – mehr als genug Zeit also, sich noch einen großen Kaffee und eine Zeitung zu kaufen.

Auf diese Weise ausgestattet war die halbstündige U-Bahn-Fahrt für Seto trotz der für ihn ungewohnten rumpelnden und quietschenden Geräuschkulisse schon um einiges erträglicher geworden. In Zeiten wie diesen lernte man eben auch Kleinigkeiten zu schätzen. Nachdem er einen Sitzplatz gefunden hatte, schlug er fast schon begierig den Wirtschaftsteil auf, um sich so wenigstens ein bisschen von dem nagenden Gefühl abzulenken, ins Hintertreffen zu geraten und etwas zu verpassen. Sein Telefon würde unter normalen Umständen beinahe im Minutentakt pingen und vibrieren, was bei anderen wohl Stress auslösen würde; für ihn war es jedoch nurmehr ein fast schon beruhigendes Hintergrundrauschen, das den Takt seines Lebens bestimmte. So machte Seto die Stille und Tatenlosigkeit seines manipulierten Smartphones denn auch wesentlich mehr zu schaffen, als er zugeben wollte, vermittelte es ihm doch nur zu deutlich, dass er nicht in seiner gewohnten Sicherheit durch den Tag wandeln konnte: Mit der ToDo-Liste und dem Terminkalender als seinen Auto-Piloten, die ihm erlaubten, seine Gedanken wichtigeren Inhalten zu widmen als der Frage ‚Was mache ich als nächstes?‘. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, wie sehr ihn der kleine Stunt seines Bruders im Laufe der Woche zurückwerfen würde: E-Mails im vierstelligen Bereich, Berichte, die er lesen, wichtige Absprachen, die er nachholen musste. Für diese ganze Nummer hatte Mokuba Hausarrest verdient bis er achtzehn war!
 

Endlich im Museum angekommen schlossen sie ihre Sachen weg und wurden dann von einem korpulenten und bebrillten Mann namens Professor Nakamura in Empfang genommen: „Herzlich Willkommen, meine Damen und Herren, zu einer aufregenden Reise durch mehrere hunderttausend Jahre Naturgeschichte!“

Hm, wohl eher mehrere hunderttausend Jahre Langeweile, dachte Seto zynisch, während der Professor fortfuhr: „Normalerweise würden wir Sie chronologisch durch das Museum führen: von der Erdentstehung bis in die Gegenwart. Ich für meinen Teil habe gute Erfahrungen mit dem umgekehrten Ansatz gemacht: Ich starte am liebsten in der heutigen Zeit, zu der Sie Bezüge haben, wo Sie sich auskennen, und arbeite mich dann in frühere Zeiten zurück – natürlich unter Berücksichtigung wichtiger Zwischenstationen. So wird es nach und nach immer fremder und immer spannender für Sie!“

An den Gesichtern der Schüler war genau abzulesen, für wie aufregend und innovativ sie den Ansatz des Professors wirklich hielten; der ließ sich davon allerdings nicht beirren und ging zielstrebig voran in den Ausstellungsraum, in dem er mit der Führung beginnen wollte. Frau Kobayashi für ihren Teil war sichtlich begeistert und schien sich sofort mit ihm verbündet zu haben, um ihre mittelmotivierten Schüler von den Ausstellungsstücken und der Vielzahl an naturkundlichen Themen zu begeistern.

Der erste Raum, in den sie geführt wurden, war überschrieben mit „Stadt und Land – die Wanderung der Vielfalt“ und behandelte, wie der Name nur zu genau verriet, städtische wie ländliche Flora und Fauna dieser Tage und die Verschiebung des Artenreichtums hin zu ersterer. Die Ausstellung lebte von Dioramen voller Pflanzen und verschiedenster ausgestopfter Tiere und beleuchtete nicht nur Japan, sondern Beispiele aus allen Kontinenten. Der Professor erklärte also nicht nur ausgestopfte Singvögel heimischer Provenienz, sondern auch ausgestopfte Braunbären, die in Alaska in die Städte drangen und Müll durchwühlten oder die Überhandnahme von Waschbären und Ratten in anderen Teilen der Welt – ebenfalls durch teils lebensechte, teils eher verstörende Dermoplastiken repräsentiert. Frau Kobayashi bemühte sich nach Kräften und mit gemischtem Erfolg die Schüler einzubeziehen und stellte hin und wieder Fragen, die sich auf Themen bezogen, die sie im Unterricht bereits behandelt hatten.

Der nächste Teil der Führung befasste sich mit dem Lebensraum Dschungel und dem dortigen Artensterben und brachte Seto unweigerlich dazu sich zu fragen, wie lange es jetzt eigentlich her war, dass er den Nachhaltigkeitsbericht für die Firma in Auftrag gegeben hatte? Er sollte einmal nachhaken, wie der aktuelle Stand war. Wenn sein Smartphone schon sonst wenig konnte, so konnte er sich damit doch wenigstens Erinnerungen einspeichern.

Der Professor erklärte unterdessen ausgiebig die verschiedenen lebenden Insekten, die in diesem Teil des Museums gehalten wurden. Auf dem Weg zu einem Terrarium mit Stabheuschrecken kam Seto nicht umhin zu hören, wie Wheeler vor sich hin plapperte: „Immer, wenn ich solche Viecher sehe, frage ich mich: Was macht eigentlich Weevil Underwood heutzutage? Und hat er sich mittlerweile endlich mal eine normale Brille zugelegt?“

Himmel, die Frage, die sich eher stellte, war, ob Wheeler sich nicht mittlerweile mal ein Gehirn zugelegt hatte. Unter normalen Umständen hätte Seto das durchaus auch laut geäußert, aber in seinem momentanen Zustand konnte er den Spannungskopfschmerz schon bei der Vorstellung von Wheelers aufgebrachter Stimme spüren. Darauf konnte er gerade dankend verzichten, also behielt er seine Kommentare vorerst für sich.
 

„Als nächstes widmen wir uns einem der spannendsten Kapitel der Naturgeschichte, meine Damen und Herren! Charles Darwin und der Evolution!“, kündigte Professor Nakamura die nächste Abteilung an. Nicht nur wurde darin Darwins Seereise behandelt sowie seine Schlussfolgerungen auf der Grundlage unterschiedlicher Vogelschnäbel, nein, es gab auch einen Abschnitt, der sich ausführlich mit der Menschheitsentwicklung befasste. Seto sah immer wieder entnervt auf seine Uhr, deren Zeiger sich unnatürlich langsam vorwärts bewegten. Waren sie wirklich erst seit zwei Stunden hier? Kaum zu fassen, wie langsam die Zeit verging, wenn man nichts besseres zu tun hatte, als von einem dicken, schwitzenden Mann durch ein mittelinteressantes Museum geführt zu werden und Dinge erzählt zu bekommen, die man ohnehin schon wusste. Ein bisschen Holographie-Technik in den Ausstellungsräumen würde wirklich Wunder wirken für mehr Lebendigkeit in der Informationsvermittlung, vor allem bei einem Thema wie diesem. Hm, keine schlechte Idee eigentlich! Museen wären ein ganz neuer Absatzmarkt. Immerhin etwas, wofür dieser Ausflug gut war. Er würde gleich seinen Vertriebsleiter anrufen und … ach, verdammt! Ein Blick auf das reflexhaft hervorgeholte Mobiltelefon genügte, um ihm erneut ins Gedächtnis zu rufen, dass das nicht möglich war und auch auf absehbare Zeit nicht sein würde. Verdammt! Hier gingen ihm handfeste Zeitvorteile durch die Lappen und Zeit war nun einmal gleichbedeutend mit Geld – viel Geld! – vor allem in der Technologie-Branche. Hausarrest war vielleicht gar nicht die beste Bestrafung für Mokuba. Wenn er es recht bedachte, würden Computer- und Konsolenverbot ihn viel empfindlicher treffen. Natürlich ebenfalls bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr, darauf hatte Seto sich bereits festgelegt.

Er verstaute das Telefon wieder abwesend in seiner hinteren Hosentasche, als Frau Kobayashi ihn ansprach. „Mr. Kaiba, warum zählen Sie uns nicht einmal die wichtigsten Menschenarten auf, wir hatten das Thema ja bereits im Unterricht, wie Sie sich sicherlich erinnern können?“ Ah ja, er erinnerte sich dunkel. In besagter Biologie-Stunde hatte er verschiedene Displayvarianten für den Lebenspunkte-Anzeiger der neuen Dueldisk verglichen. Kurioserweise half es ihm, an die Arbeit zu denken, die er in den jeweiligen Unterrichtsstunden erledigt hatte, um sich an den nebenbei vermittelten Stoff zu erinnern. Mit einem Seufzen begann er seine gelangweilte Aufzählung: „Die Vorläufer der Hominiden waren die Australopithecinen. Danach kamen der Homo rudolfensis, der Homo habilis, dann der Homo erectus, …“ An dieser Stelle wurde er durch ein Prusten von Joey und Tristan unterbrochen und auch einige andere Schüler konnten ein Lachen nur knapp unterdrücken. Seto rollte mit den Augen, schüttelte den Kopf und kommentierte trocken: „Wie man sieht, hat bei manchen Exemplaren die Entwicklung an dieser Stelle bereits aufgehört.“

„Hey!“, protestierte Joey und funkelte ihn böse an, wurde aber durch einen einschüchternden Blick von Frau Kobayashi zum Schweigen gebracht, der das unreife Verhalten ihrer Schüler sichtlich unangenehm war. „Bitte fahren Sie fort, Mr. Kaiba.“, forderte sie ihn schließlich auf, nachdem sie ihre Brille wieder gerichtet und Professor Nakamura entschuldigend angesehen hatte.

„Es folgten der Homo neanderthalensis und schließlich der Homo sapiens.“

„Danke, Mr. Kaiba, das war vollkommen korrekt.“

Natürlich war es das. Setos Agonie in dieser Abteilung verringerte sich nicht gerade, als Professor Nakamura auch noch ausführlich auf die Frage eines Mitschülers einging, ob zwischen den verschiedenen Arten auch Paarung stattgefunden hatte.
 

Die folgende „Entwicklungsgeschichte der Pflanzen“ war genauso spannend, wie sie sich anhörte. Immer wieder zückte Seto aus Reflex sein Telefon, nur um sogleich festzustellen, dass sich darauf nichts getan hatte, weil sich darauf ja gar nichts tun konnte. Mit jedem Mal ein Stück entnervter ließ er das Smartphone zurück in seine hintere Hosentasche gleiten. Das wievielte Mal war das jetzt? Er hatte aufgehört zu zählen. Warum sollte Mokubas Computer- und Konsolenverbot eigentlich schon mit achtzehn enden? So richtig volljährig war man doch eigentlich erst mit 21 …
 

Dukes Blick wanderte während der Führung in regelmäßigen Abständen zu seinem temporären Mitbewohner, um dessen Stimmung und damit die Erfolgschancen seines geplanten Vorstoßes abzuschätzen. Sein Zwischenresümee: Eine nuancierte Mischung aus gelangweilt, genervt und frustriert. Auf dem Weg zwischen den Exponaten, während alle anderen lachten und schwatzten, ging der Brünette immer allein und mit etwas Abstand hinter der Gruppe her. Zwei Mal war er bisher von Frau Kobayashi aufgerufen worden, um eine Frage zu beantworten, was er widerwillig, aber stets korrekt getan hatte. Jetzt zog er schon zum dritten Mal innerhalb von zwanzig Minuten sein Telefon aus der Hosentasche, nur um es dann sogleich wieder entnervt zurückzustecken. Im Gegensatz zu sonst schien es ihm auch mit jedem Mal schwerer zu fallen, seinen Frust zu verbergen. Es war kaum zu glauben, aber in jenen kurzen Momenten wirkte Seto Kaiba, der Leiter eines milliardenschweren Unternehmens mit mehreren Tausend Mitarbeitern, beinahe verloren. Aber irgendwie war es ja auch logisch. Er selbst liebte es, über seine Arbeit, sowohl im Laden als auch für Dungeon Dice Monsters, mit seinen Mitmenschen und Altersgenossen (und -genossinnen!) in Kontakt zu kommen. Für Kaiba war die Arbeit im Gegenteil sein absolutes Distinktionsmerkmal (oder seine Ausrede?), um sich von anderen und vor allem Gleichaltrigen rigoros abzusondern. Nahm man ihm das weg, blieb im Grunde nur ein 18-Jähriger in überdurchschnittlich teuerer Kleidung zurück, der in seiner Klasse keinerlei Anschluss hatte.

Auch wenn Kaiba selbst diesen Fakt höchstwahrscheinlich nicht als Problem empfand, wäre er mit Sicherheit trotzdem froh über ein bisschen gewohnte und in seinen Augen sinnvolle Beschäftigung. Wie gut, dass Duke dafür sorgen und damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte. Es war wirklich der perfekte Plan. Inzwischen hatte Kaiba zum fünften Mal vergebens auf sein Handy geschaut, sodass Duke entschied, dass es an der Zeit war, ihn kurzerhand schon einmal neugierig zu machen – ob Kaiba es nun selbst so sah oder nicht, er hatte es ohne Zweifel nötig.
 

Anders als von Professor Nakamura behauptet, wurde die Führung mit dem weiteren Eintauchen in die Vergangenheit nicht interessanter. Als nächste Station hatte er unter der Überschrift „Erdentstehung“ das Mineralienkabinett auserkoren. Rings um einen großen unregelmäßig geformten Stein blieben sie stehen und der Blick des Professors hellte sich auf, als würde er vor einem einmaligen Naturwunder stehen. „Dieses scheinbar so ordinäre Stück Gneis hier ist etwas ganz besonderes, ob Sie es glauben oder nicht.“

„Ich glaube es nicht.“, murmelte Seto leise zu sich selbst. Er hörte ein kurzes amüsiertes Schnauben neben sich und bemerkte mit einem Seitenblick, dass Devlin sich neben ihn gestellt hatte – was einigermaßen auffällig war, stand er, Seto, doch schon die ganze Zeit absichtlich mindestens anderthalb Meter von allen seinen Mitschülern entfernt und versuchte mit vor der Brust verschränkten Armen und kaltem Blick jedwede Interaktion von sich fernzuhalten.

Der Schwarzhaarige hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und rückte unauffällig noch ein paar Zentimeter näher an ihn heran, sodass sein rechter Oberarm Setos linken streifte. Ein kurzer Schauer überlief ihn. Er mochte solche unbeabsichtigten Berührungen ganz und gar nicht, beherrschte sich aber und zuckte nicht zurück. Was sollte das bitte werden, wenn es fertig war?

Jetzt beugte Devlin seinen Kopf ganz leicht zu ihm hinüber, den Blick noch immer stoisch nach vorn gerichtet, so als würde er dem Professor zuhören, und begann zu flüstern: „Hey Kaiba, hör mal, ich hab noch ein Thema mit dir zu bereden – geschäftlich. Da wir ja ohnehin noch ein paar Tage gemeinsam verbringen werden, dachte ich, ich kann einfach direkt mit dir darüber sprechen. Vielleicht später auf dem Rückweg?“

Der Angesprochene zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Ein geschäftliches Thema also? Überraschend, aber interessant. Mit ebenfalls nur leicht geneigtem Kopf flüsterte er diskret zurück: „Dir ist nach gestern aber schon klar, Devlin, dass ich im Moment nichts in die Wege leiten kann, selbst wenn ich wollte?“ Duke sah ihn schmunzelnd von der Seite an und nickte. „Klar soweit, aber erstmal brauche ich weder deine Technik noch deine Mitarbeiter, sondern nur deinen Kopf und den hast du ja ganz offensichtlich bei dir.“ Diese Feststellung erforderte keine artikulierte Antwort. „Hm.“

Der Schwarzhaarige lächelte zufrieden. „Okay, dann also später, auf dem Weg zur Herberge. Bis dann!“ Als hätte Devlin es so getimt, forderte Professor Nakamura sie in diesem Moment auf, weiter zum nächsten Objekt zu gehen, sodass er die Gelegenheit nutzen konnte, beiläufig zu seinen Freunden zurückzukehren, als wäre nichts geschehen. Schade eigentlich, dachte Seto unwillkürlich, als die Wärme an seinem linken Arm langsam verschwand. Gerne hätte er jetzt und hier weitergesprochen. Falls Devlins Anfrage kein absoluter Blödsinn war, würde er gleich vielleicht zum ersten Mal in über 24 Stunden wieder etwas objektiv sinnvolles tun können. Fraglos eine erfreuliche Aussicht. Damit hatte der ach-so-gewitzte Mokuba gewiss nicht gerechnet, dachte er nicht ohne Genugtuung. Unwillkürlich wurde sein Schritt etwas beschwingter, auch wenn sich der weitere Aufenthalt im Museum angesichts der positiven Erwartung jetzt natürlich umso mehr in die Länge zog.
 

Allerdings beendete Professor Nakamura die Führung dann doch noch mit einem kleinen Höhepunkt. Als letztes betraten sie einen großen und hohen Saal, in dessen Mitte sich majestätisch mehrere große und einige kleinere Dinosaurierskelette teilweise bis fast an die Decke erhoben. Frau Kobayashi stellte zufrieden fest, dass hier tatsächlich einmal alle ihre Schüler bei der Sache waren und ihre staunenden Blicke durch den Raum schweifen ließen. Auch der Professor schien das sichtlich zu genießen, während er an den gezeigten Beispielen die grundlegenden Fakten zu Entstehung, Vermehrung und Aussterben der Dinos nebst den wichtigsten fleisch- und pflanzenfressenden Arten erläuterte. Nach einem letzten Fazit kam er zum Schluss. „Und damit wäre ich also offiziell am Ende meiner Führung. Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen.“

„Vielen, vielen Dank, Herr Professor. Es war wirklich hoch informativ!“, lobte Frau Kobayashi und schüttelte dem Mann energisch die Hand. „Wenn Sie keine Fragen mehr an Professor Nakamura haben, dann steht Ihnen jetzt noch eine Stunde zur Verfügung, um das Museum auf eigene Faust zu erkunden und sich vielleicht den ein oder anderen Ausstellungsteil anzusehen, den wir ausgelassen haben. Oder Sie besuchen noch einmal Ihre Highlights aus der Führung – es ist ganz Ihnen überlassen. Wir treffen uns dann pünktlich um 16 Uhr vor dem Ausgang. Und bitte verhalten Sie sich zivilisiert!“
 

Die Schüler zerstreuten sich in unterschiedlichste Richtungen – die meisten in Richtung Toiletten – doch Seto blieb noch einen Moment vor dem riesigen Skelett eines Triceratops stehen. Unwillkürlich war ihm das Buch in den Sinn gekommen, das Mokuba ihm statt seines Laptops untergejubelt hatte und dessen Einband ein ebensolcher Saurier zierte. Ihm entfuhr ein unbewusstes Schnauben. Mein Gott, dieses Buch war Mokubas Ein und Alles gewesen. Sein Bruder hatte es an einem ihrer ersten Tage im Waisenhaus entdeckt und praktisch nicht mehr aus der Hand gegeben. So sehr war er darin vernarrt gewesen, dass Seto es heimlich in seiner Tasche hatte mitgehen lassen, als sie von Gozaburo abgeholt worden waren. Der überglückliche Blick seines Bruders, als er es ihm am ersten oder zweiten Abend in dem neuen, großen, fremden Haus überreicht hatte, war unbezahlbar gewesen. Überhaupt wäre dieser ganze Ausflug mit Mokuba wahrscheinlich um Welten angenehmer gewesen. Auf jeden Fall hätte er mit dem 13-Jährigen qualifiziertere Unterhaltungen führen können als mit sämtlichen seiner Altersgenossen hier. Wenn er es recht bedachte, hatte er wirklich lange nichts mehr mit Mokuba unternommen; die neue Duel Disk hatte ihn in den letzten Monaten zu sehr in Beschlag genommen. Vielleicht konnten sie das nachholen, wenn sich der Trubel rund um den Release und das Turnier gelegt hatte. Seto lächelte leicht versonnen in sich hinein. Wie gut, dass Mokuba Computer- und Konsolenverbot und keinen Hausarrest bekommen würde. Es wäre doch zu schade, wenn sie damit warten müssten, bis er 21 war.
 

Bevor er mit seinen Freunden gemeinsam weiterzog, fiel Dukes Blick noch ein letztes Mal auf Kaiba, der versunken vor einem der Dinosaurier stand und seinen Telefon- und Nicht-Arbeits-Frust zumindest für diesen Moment vergessen zu haben schien. Woran er wohl dachte? Genau betrachtet unterschieden Dinosaurier sich ja auch gar nicht so sehr von den Drachen, in die er so vernarrt war…
 

Nach besagter Stunde hatten die Schüler es endlich hinter sich gebracht. Die meisten standen schon angezogen vor dem Ausgang, während andere noch auf Toilette waren oder den Museumsshop unsicher machten. Seto gehörte naturgemäß der ersten Fraktion an und hoffte auf einen baldigen Aufbruch, wenngleich der zugegebenermaßen sehr gute Coffee to go aus dem Museumscafé das Warten etwas erträglicher machte. Endlich kam zumindest auch der Kindergarten herzu, der sich offenbar noch im Shop herumgetrieben hatte.

„Das ist richtig stark, Leute! So einen Dino wollte ich schon immer haben!“, hörte er Wheeler begeistert ausrufen. Seto verdrehte sie Augen. Wie alt war der Köter? Sechs, sieben? Wieder hielt er sich aber mit der lauten Äußerung aufgrund des akuten Kopfschmerzrisikos zurück.

„Was hast du da eigentlich gekauft, Duke?“, fragte Tea den Schwarzhaarigen interessiert. Der winkte nur ab: „Ach, nicht so wichtig, nur eine Kleinigkeit als spontanes Mitbringsel.“

„Einige der Bücher waren auch voll interessant. Ich wollte jetzt nur keins mitschleppen.“ warf Ryou ein, bevor Seto wieder aktiv weghörte. Die restlichen Schüler stießen nur wenige Minuten später ebenfalls dazu und sie verließen – endlich! – das Museum, um sich auf den langen Rückweg Richtung Herberge zu machen.
 

Von dem Moment an, als sie die U-Bahn-Station verlassen hatten, wartete Seto nur noch ungeduldig darauf, dass Devlin endlich zu ihm stoßen würde. Diesmal hatte er sich bewusst hinter die Gruppe abgesetzt, damit sie nicht die Augen aller ihrer Mitschüler im Rücken hatten, wenn sie Devlins Thema – was auch immer es war – diskutierten. Endlich sah er, wie der Schwarzhaarige seinen Freunden etwas signalisierte und sich zurückfallen ließ. Die Hände in den Taschen seiner schwarzen Kapuzenjacke vergraben, die er angesichts der milden Temperaturen offen trug, ging er langsamer bis Seto zu ihm aufgeschlossen hatte. Sie vergrößerten den Abstand zum Rest noch ein wenig, bevor Seto es endgültig nicht mehr aushielt. „Also, raus damit, worüber wolltest du sprechen, Devlin?“
 

Wow, dachte der Angesprochene nur, sein kleiner Teaser hatte offenbar durchschlagende Wirkung gezeigt. Einen kurzen Moment würde er es noch auskosten. Mit einem Lächeln sagte er an Kaiba gewandt: „Erstmal danke, dass du bereit bist, es dir direkt anzuhören. Aber andererseits…es herrscht ja ein gewisser Mangel an Alternativen.“
 

Der Brünette gab nur unwirsch zurück: „Ja ja, komm zur Sache. Ich hab schließlich nicht den ganzen …“, Seto unterbrach sich, als ihn ein zweifelnder Seitenblick aus Dukes grünen Augen traf. Er verdrehte genervt die Augen. „Gut, streich das! Aber so langsam werde ich wirklich ungeduldig.“
 

Diese Ungeduld wollte Duke nun auch nicht länger ausreizen, auch um seiner Selbst willen, denn eine diffuse Aufgeregtheit hatte ihn ergriffen, seit sie aus der U-Bahn gekommen waren. Von dem, was er gleich sagen würde hing eben einfach eine Menge ab.

„Okay, dann will ich dich mal nicht länger auf die Folter spannen. Wie du dir sicherlich vorstellen kannst, ist es mein ureigenstes Interesse, Dungeon Dice Monsters stetig weiterzuentwickeln. Ein erster Meilenstein nach der Übernahme von Herstellung und Vertrieb durch Industrial Illusions waren die Arenen für die holographische Projektion, die ihr entwickelt und gebaut habt. So ähnlich war das ja anfangs auch bei Duel Monsters. Was Duel Monsters dann aber noch mehr gepusht und popularisiert hat, war die Duel Disk, weil sie das technisch beste Spielerlebnis auch mobil und draußen ermöglicht. Für mein Spiel gibt es so etwas leider noch nicht. Meine Idee wäre also eine Art Duel Disk für Dungeon Dice Monsters zu entwickeln. Allerdings fehlt mir die technische Kompetenz, um selbst eine gute Konstruktion zu erarbeiten und die Umsetzung läge ja ohnehin bei dir in der Firma. Darum dachte ich, es könnte sich lohnen, schon frühzeitig mit jemandem aus deiner Entwicklungsabteilung oder eben dir in ein erstes Sparring zu gehen.“ Sehr gut, das hatte doch ganz unverfänglich und spontan geklungen und ließ in keiner Weise darauf schließen, welche Gründe ihn zu diesem Einfall gezwungen hatten. Einfach schön weiter den Ball flach halten und sich auf entspannte Art und Weise professionell geben, beruhigte Duke sich selbst.
 

Seto nickte bedächtig. Das klang erst einmal nach einem grundsätzlich sinnvollen Vorhaben. Er selbst war in das Geschäft mit DDM nie besonders stark involviert gewesen, aber das würde ihn im Zweifel nicht abhalten. Sein Interesse war auf jeden Fall geweckt, und wenn es nur dazu diente, seine Zeit auf dieser Fahrt mit etwas ansatzweise Produktivem zu verbringen. Fachmännisch erkundigte er sich: „Ich erinnere mich, dass wir damals für Dungeon Dice Monsters wenig neu entwickeln mussten, da wir einen Großteil der Technologie einfach von den Duel Monsters-Arenen übernehmen konnten. Du hältst eine Adaption der Duel Disk für schwieriger?“
 

Duke nickte. „Absolut. Was seine Spielelemente angeht, ist DDM nun mal um einiges komplexer als Duel Monsters. Du hast das Würfeln, das Planen des Dungeons und erst dann kommen die Monster selbst. Alles das muss dann auch noch sinnvoll auf kleiner Fläche untergebracht und gesteuert werden können.“

„Verstehe.“ Kaiba nickte. An seiner Körpersprache war für Duke klar zu erkennen, dass er bereits begonnen hatte, nachzudenken und zu planen: Den linken Arm hatte er im Gehen angewinkelt und mit der rechten Hand strich er sich nachdenklich über das Kinn. Mit einem erwartungsvollen Lächeln sah Duke zu ihm hinüber und konnte die Aufregung nicht mehr ganz aus seiner Stimme heraushalten: „Also, was sagst du, klingt das nach einer angemessenen Herausforderung für dich?“
 

Devlins Tonfall und Wortwahl ließen Seto aufhorchen. Rationalität in allen Ehren, aber seine Intuition hatte ihn in solchen Dingen bisher nie im Stich gelassen. Er konnte noch nicht mit dem Finger darauf zeigen, aber er war entschlossen, dem nachzugehen. „Ja, gar keine Frage. Aber eine Sache möchte ich doch noch wissen.“

Grüne Augen blickten ihn aufmerksam an.

„Warum jetzt?“ Nachdem er seine kurze Frage gestellt hatte, musterte er den Jüngeren neben sich intensiv, um dessen Reaktion genau studieren zu können.

„Hm?“ Offenbar war Devlin gerade schwer von Begriff.

„Warum kommst du damit ausgerechnet jetzt zu mir?“, stellte Seto seine Frage daher klarer.
 

Mist, was war das denn jetzt? Irgendwie hatte Duke sich das einfacher vorgestellt. Was musste Kaiba auch so ein skeptischer Typ sein! Drohte er ihm auf die Schliche zu kommen? Wusste er vielleicht schon, wie es um sein Spiel stand und wollte ihn jetzt auflaufen lassen? Nein, das konnte nicht sein. Max hatte die Zahlen ja selbst erst vorgestern ausgewertet; Kaiba konnte unmöglich schon davon erfahren haben. Cool bleiben, beschwor er sich. „Hab ich doch gesagt: weil ich ohnehin vorhatte, mit dir darüber zu sprechen und dachte, dass es sich jetzt einfach anbietet. Es spart mir den Aufwand am Telefon mit deiner Sekretärin deinen halben Terminkalender durchackern zu müssen.“ Und das war noch nicht mal gelogen.

Kaiba schien mit der Erklärung jedoch nicht zufrieden. „Obwohl du wusstest, dass mir nichts zur Verfügung steht, um vernünftig daran zu arbeiten?“

Mein Gott, er ließ aber auch wirklich nicht locker! Langsam fühlte sich Duke in eine Ecke gedrängt. „Wie gesagt, dein Kopf kann ja auch so arbeiten, oder?“ Verdammt, in seinem Kopf hatte sich das weniger defensiv angehört!
 

Seto war die Anspannung im Tonfall des Schwarzhaarigen nicht entgangen. Seine Intuition hatte ihn also nicht getäuscht. Gleich hatte er Devlin soweit.
 

Duke spürte, wie ihn Kaibas blaue Augen regelrecht durchbohrten. Sollte er ihm doch reinen Wein einschenken? Nein, eine Karte hatte er noch auf der Hand. Er seufzte und massierte sich mit der linken Hand den Nacken. „Okay, vielleicht hat auch ein wenig zu dem Entschluss beigetragen, dass …“ Wie sollte er es am besten formulieren? „Ich dachte nur, dass die Aussicht auf Arbeit … nun ja, deine aktuelle Stimmung ein wenig heben könnte.“ Er versuchte Kaibas Blick so fest wie möglich zu erwidern, auch wenn ihm klar war, dass er mit dieser schwachen Ausrede womöglich immer noch nicht vom Haken war.
 

Seto sah seine Befürchtungen bestätigt. Kühl und mit einer Spur Verachtung blickte er auf den Kleineren herab. Beißender Sarkasmus lag in jedem seiner Worte. „Tze, wusste ich es doch: Mitleid!“ Er spuckte das Wort regelrecht aus. „Weil ich hier ohne meine Arbeit ach so alleine bin und keine Freunde habe, in deren Zimmer ich abends abhängen oder von denen ich mich in einer lustigen Brettspielrunde über den Tisch ziehen lassen kann?!“ Das war so typisch. Und er hatte gedacht, Devlin wäre etwas weniger wie seine sentimentalen Gruppenkuschelfreunde.
 

Duke konnte es nicht fassen. Mal ganz davon abgesehen, dass Kaiba seine Ausrede offensichtlich glaubte: Wie konnte jemand bitte so empfindlich auf die Tatsache reagieren, dass man ihm etwas Gutes tun wollte?! Auch wenn das natürlich wahrlich nicht sein Hauptmotiv war. Sollte sich sein perfekter Plan wirklich als Rohrkrepierer entpuppen, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte? Vor seinem geistigen Auge erschienen die Szenen aus seinem Traum: der Vorstand, der sich über ihn lustig machte, Pegasus, der sich enttäuscht von ihm abwandte, der triumphierende Blick seines Vaters. Sollte er nächste Woche wirklich mit leeren Händen vor dem Industrial Illusions-Vorstand stehen und sein Spiel zu Grabe tragen, weil dieser verbohrte Mistkerl Kaiba sich weigerte ihm zu helfen? Und das noch nicht einmal wegen der scheiß Wahrheit, sondern wegen seines bescheuerten Stolzes?!

Mit unverhohlener Wut funkelten Dukes grüne Augen den Brünetten an. „Oh, ich bitte dich, Kaiba, komm mir bloß nicht mit der ‚Ich brauche dein Mitleid nicht‘-Nummer! Meine Anfrage ist echt, ich hab sie nur ein wenig früher als ursprünglich geplant an dich herangetragen. Die Gründe dafür können dir doch echt egal sein! Wir wissen doch beide, dass du sofort angefangen hast, darüber nachzudenken. Du kannst doch gar nicht anders.“

Der Angesprochene blickte stoisch an Duke vorbei nach vorne und erwiderte bissig: „Ich könnte mich aber auch entscheiden, das bis nach der Klassenfahrt zu unterlassen.“

Okay, Kaiba wollte also zickig sein, na, das konnte er auch! „Das schaffst du nicht!“

Der Brünette widersprach postwendend: „Werden wir ja sehen!“
 

Duke rollte genervt die Augen und seufzte demonstrativ. So kam er hier nicht weiter. Für den Moment musste er wohl oder übel den Rückzug antreten. Dass er Recht hatte, stand völlig außer Frage und im Grunde musste er nur abwarten, bis Kaiba das irgendwann auch selbst einsah. Nur war fraglich, wie lange das bei diesem notorisch nachtragenden Sturschädel dauern würde. Entnervt schüttelte Duke den Kopf und wandte sich zum Gehen. „Okay, dann bin ich mal wieder weg – mit meinen Freunden abhängen. Falls du dich doch entschließen solltest, das Nachdenken über dieses Projekt vorzeitig wieder einzuleiten, sag Bescheid, ich helfe gern. Guten Tag und viel Spaß bei was auch immer.“ Und damit rauschte er verärgert und beleidigt davon.
 

Mit einem Schulterzucken versuchte Seto das Gespräch sofort wieder hinter sich zu lassen. Er brauchte doch nicht Devlins armseliges Mitleidsprojekt, um diese Klassenfahrt ohne Arbeit zu überstehen. Außerdem konnte er ohnehin nicht viel machen. Er hatte keinen Rechner, keine Notizen, kein gar nichts. Einfach in Ruhe weiter lesen – das würde er machen. Mokuba hatte doch unbedingt gewollt, dass er sich mal „entspannte“. Dann würde er eben genau das tun.
 

Duke stieß wieder zu seinen Freunden und offenbar stand ihm ins Gesicht geschrieben, wie es gerade gelaufen war. Natürlich hatte er ihnen vorhin nicht gesagt, worum es genau ging, nur dass ihm „gerade spontan“ eingefallen sei, dass er ja noch etwas Geschäftliches mit Kaiba zu besprechen hätte und die Gelegenheit günstig sei. „War wohl nicht so gut, oder?“, fragte Tea trotzdem vorsichtig. Er schüttelte nur den Kopf. Eine kleine, aber feine Auswahl an Schimpfworten für den Brünetten lag ihm auf der Zunge.

Laut aussprechen würde er sie nicht, das führte im schlimmsten Fall nur wieder zu irgendwelchen nett gemeinten, aber im Endeffekt kontraproduktiven Kurzschlussreaktionen bei Joey, die seine Chancen auf einen Sinneswandel Kaibas noch mehr torpedieren würden. Nein, er würde erstmal einfach abwarten. Wenn man Kaibas Frustrationslevel im Museum zum Maßstab nahm, würde es ja vielleicht gar nicht so lange dauern.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Irgendwie werden die Kapitel immer länger óO Gut, dieses war jetzt besonders reich an Gedanken und Leiden des jungen Seto, das nächste wird dann aber wieder etwas kürzer und es gibt mehr Interaktion zwischen den beiden – wir nähern uns ja auch wieder dem Abend und damit der gezwungenermaßen gemeinsamen Nachtruhe ;)

Bis dahin!
LG
Eure DuchessOfBoredom Komplett anzeigen

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Von:  Yui_du_Ma
2021-09-26T11:19:17+00:00 26.09.2021 13:19
Ich denke mal, das Seto so einfach nicht das Angebot, das ihm Duke gegeben hatte ausschlagen wird.
Auch wenn er nicht viel zur Verfügung hat, wird er sicherlich doch einiges in Bewegung setzen können.
Mal sehen, wie es da weiter geht.
Aber schön geschrieben.
Die Reaktion von Seto ist aber auch nachvollziehbar.
Bin gespannt.
Von:  empress_sissi
2021-03-29T21:20:19+00:00 29.03.2021 23:20
Hihi, Duke angelt sich da gerade einen fetten, mürrischen Fisch 😅 (was ich gerade für Bilder in meinem Kopf habe xD) Ist doch eigentlich ganz gut gelaufen, denn Seto kann ganz sicher nicht anders. Allerdings hätte er Duke auch geholfen, wenn er die Wahrheit wüsste,denke ich, ob das dann aber Dukes Stolz verkraftet hätte? Da haben sich ja die Richtigen gefunden. Bin gespannt, wie es weitergeht 😁
Antwort von:  DuchessOfBoredom
30.03.2021 20:37
Danke, jetzt habe ich die Bilder auch XD

Ich weiß nicht, ob Seto Duke trotzdem geholfen hätte. Es ist ja erstmal ein Riesen-Invest auf seiner Seite, die DDM-Duel Disk zu entwickeln und zu produzieren, und ob er das eingehen würde in dem Wissen, dass DDM gerade ganz massiv nicht läuft, wage ich zu bezweifeln. Er muss ja auch sehen, dass er das Geld wieder reinkriegt. Aber sicherlich hätte Duke dann auch Probleme mit seinem eigenen Stolz - hat er ja auch so schon genug. ^^° Da passen sie auf jeden Fall auch zusammen. Ich kann mir wunderbar vorstellen, wie sie eingeschnappt mit verschränkten Armen da stehen, in entgegengesetzte Richtungen gucken und sich jeweils ein "Püh!" entgegen werfen XD

Freut mich jedenfalls, dass es dir gefällt und bis zum nächsten Mal! :)
Von:  Hypsilon
2021-03-29T07:31:25+00:00 29.03.2021 09:31
Hahaha Moki bekommt vielleicht bald lebenslänglich xD
Ich bin echt begeistert von deinem Geschreibsel.
Die Balance zwischen Gedanken und Aktion ist gut gewählt, ja gut hier mehr Gedanken, aber das passt dennoch total gut, weil sie so passend für Seto geschrieben sind, da könnte ich mir wohl was abschneiden 🤔😅
Ich finds auch toll, dass du dich nicht im Detail verlierst, also wirklich: perfekt ausbalanciert.
Wie du die Museumstour beschrieben hast, fand ich auch super, die "wir gehen von jetzt immer weiter in die Vergangenheit"-Taktik war echt gut.

Bin schon sehr gespannt, wann sich seto geschlagen gibt, den juckts doch eh schon in den Fingern ^^
Antwort von:  DuchessOfBoredom
29.03.2021 21:00
Je nachdem, was Seto noch so alles erdulden muss - mal gucken, wie hoch es für den armen Mokuba noch so geht XD

Danke, freut mich sehr, dass es angenehm zu lesen ist! Ich bin da noch ein bisschen unsicher, weil ich ja auch noch nicht so viel "richtige" Fanfictions geschrieben habe. Am Anfang hänge ich immer noch lange sehr an den Handlungen und Tätigkeiten fest, aber wenn ich mich dann mal richtig rein vertiefe, versuche ich es dann immer wirklich haarklein aus der Perspektive von Seto oder Duke zu sehen, zu denken und im Detail durchzugehen. Dann sprudeln die Gedanken fast schon von allein (v.a. bei Seto) und alles wird auf einmal auf fast schon magische Art und Weise runder. ;)

Jaaa, nicht nur muss Seto dagegen ankämpfen über das Projekt nachzudenken, es kommen auch noch... (*verschwörerisch die Stimme senk*) andere Sachen auf ihn zu. ;D

Bis zum nächsten Mal! :)

Antwort von:  Hypsilon
30.03.2021 09:21
Ich hab früher auch eher One Shots geschrieben, so ne lange Fanfiction ist da wirklich was ganz anderes.
Für nen One Shot reicht oft ne kurze kleine Idee, für was langes braucht man mehr Knackpunkte und muss immer schauen, dass mans schön spannend hält.

Und da machts im übrigen auch nichts, dass die Kapitel länger werden, ganz im Gegenteil - mehr Lesestoff =D

Höhöhö kann das nächste Kapitel kaum erwarten. Werd mir die Zeit mal mit selbst schreiben vertreiben (hab beim Mastershippingprojekt schon begonnen hochzuladen, falls du interessiert bist^^)

Bis bald =D
Von: Karma
2021-03-28T19:09:26+00:00 28.03.2021 21:09
Aaaaaaarmer Mokuba!
XD
Ob der sich darüber im Klaren war, dass seine ... gut gemeinte Aktion Konsequenzen für ihn haben würde? Konsolenverbot bis 21 ... ganz schön hart.
XD

Ansonsten hat mich das Kapitel das erste Mal seit mehreren Stunden heute zum Grinsen gebracht. Danke also dafür, dass du meinen Abend aufgehellt hast.
:)
*armen Seto pat*
*schnell die Hand wegzieh, bevor er reinbeißen kann*
:D

Ich bin jetzt schon echt gespannt, wie's weitergeht.
*__*

By the way, ich fand's ungemein passend, dass Seto als Eselsbrücken zum Erinnern an Unterrichtsstoff das nimmt, was er arbeitstechnisch in der betreffenden Stunde gerade gemacht hat. Das ist einfach Seto, wie er leibt und lebt.
:D
Antwort von:  DuchessOfBoredom
28.03.2021 21:45
Jaaa, Mokubas einzige Hoffnung ist wahrscheinlich, dass das Essen selten so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Also mal schauen, ob Seto noch ein Einsehen hat und das Verbot vielleicht doch auf 18 verkürzt oder so XD

Freut mich sehr, dass es dir Spaß gemacht und den Abend verschönert hat :)

Bis zum nächsten Mal!
Antwort von: Karma
28.03.2021 21:46
Wenn Seto gut genug abgelenkt wird, denkt er vielleicht erst in drei, vier Jahren wieder daran, was er tun wollte, und dann muss Mokuba nicht so lange leiden. Dass Seto das ganz vergisst, kann ich mir einfach nicht vorstellen.
XD


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